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Bibliotheksdienst Heft 5, 1996

Köszönöm és Viszontlátásra

Informationen und Eindrücke, gesammelt in 10 ungarischen Bibliotheken

Irene Scheer

Im Mai 1995 hatte ich im Rahmen eines von der Bibliothekarischen Auslandsstelle initiierten Arbeitsaufenthaltes Gelegenheit, Eindrücke von der derzeitigen Situation in ungarischen Bibliotheken zu gewinnen. Weil das Wichtigste am Anfang stehen sollte, sagt die Überschrift "Danke und Auf Wiedersehen". Dank also an die BA, vor allem aber an die Kollegen der Bibliotheken, die ich besucht habe. Besonderer Dank gebührt den Kollegen der Landwirtschaftlichen Landesbibliothek und Dokumentationszentrum in Budapest (Országos Mezögazdasági Könyvtár és Dokumentácios Központ). Sie hatten den Aufenthalt hervorragend vorbereitet und organisiert, d. h. Unterkunft, Transporte, Besuche der anderen 9 Bibliotheken, vorzügliche Dolmetscherdienste. Ihre Bibliothek bildete den verläßlichen Dreh- und Angelpunkt der Reise.

Beschreibung der besuchten Bibliotheken

In dieser Beschreibung soll versucht werden, aus dem gesammelten gedruckten Informationsmaterial (soweit in englischer oder deutscher Sprache) und den zwei Schulhefte füllenden Notizen (soweit leserlich) Angaben zu filtern zu Geschichte, Aufgaben, Literaturbestand, baulichen Gegebenheiten, Dienstleistungsangebot, personeller und finanzieller Situation und den individuellen Besonderheiten dieser Bibliotheken. Besonderes Interesse galt dem EDV-Einsatz.

Liste der besuchten Bibliotheken (in der Reihenfolge des Besuchsprogramms):

Schlußbetrachtung

In der Beschreibung der besuchten Bibliotheken habe ich versucht, Sachinformationen in den Vordergrund zu stellen. Ich wollte unvoreingenommen in die Bibliotheken gehen und aufmerksam das aufnehmen, was mir gezeigt wurde, sicher fehlen einige Angaben. Die Rahmenbedingungen der einzelnen Bibliotheken unterscheiden sich erheblich. Ausgezeichnet bis gut schien mir die räumliche, technische und personelle Situation in den Budapester Bibliotheken und in Martonvásár. Die Universitätsbibliotheken in Gödöllö und Kesthely sind schlechter gestellt. In beiden scheint den Hochschullehrern die Rolle der Bibliothek für den Erfolg der Lehre nicht klar zu sein; was ist mit den verantwortlichen Ministerien? In beiden Bibliotheken sind die Mitarbeiterräume unzulänglich ausgestattet, das ist im Fall von Kesthely untertrieben, wo auch die Benutzungsräume Tristesse vermitteln. Schlimmer sieht es in öffentlichen Bibliotheken aus. Auffällig und herzerwärmend sind der Idealismus der Kollegen, ihre Professionalität und ihr Leistungswille bei Gehältern, die wir uns nicht vorstellen können. Bibliothekare gehören wohl nirgends auf der Welt zu den Spitzenverdienern. Die ungarischen Kollegen sind überwiegend krass unterbezahlt. Auffällig und erfreulich für mich als Bibliothekarin ist die Besetzung von Führungs- und Spitzenpositionen in ungarischen Bibliotheken mit Frauen. Die Bibliotheksdirektorin ist keine Ausnahmeerscheinung. In Ungarn scheint eine Quotenregelung nicht nötig zu sein. Hoffentlich ändert sich das nicht. Eine Trennung von Dokumentation und Bibliothek war in den besuchten Bibliotheken wenig ausgeprägt. Unselbständig erschienene Literatur wird in viel größerem Ausmaß erfaßt und in Katalogen zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot und die hervorragenden Übersetzungsdienste sollten unbedingt aufrechterhalten werden, da die ungarische Sprache, trotz ihres literarischen Rangs, eine wirkliche Barriere im internationalen Austausch bedeutet. Zu hoffen ist, daß das Bibliotheksgesetz von 1972, das allgemein als außer Kraft behandelt wird, bald durch ein neues Bibliotheksgesetz abgelöst wird, das die rechtlichen und finanziellen Unsicherheiten zufriedenstellend beseitigt. Schade wäre es, wenn bis jetzt mühsam aufrechterhaltene Kooperationen gänzlich aufgelöst würden durch Dezentralisierungsbestrebungen. Wenn Pflichtexemplare für kleine Verlage eine zu große finanzielle Belastung bedeuten, müßten die Bibliotheksetats aus öffentlichen Mitteln aufgestockt werden. Fatal wäre eine Demontage der wissenschaftlichen Zentralbibliotheken zu Gunsten der Bibliotheken in der Provinz. Ein Hochschulgesetz, in dem als einzige Aussage zu Bibliotheken zu finden ist, daß eine Hochschule eine Bibliothek haben muß, ist in diesem Punkt sicher ergänzungsbedürftig. So fortgeschritten die Elektronisierung vieler ungarischer Bibliotheken ist - in vielen besichtigten Bibliotheken weiter fortgeschritten als in Deutschland - so unersprießlich ist die Tatsache, daß eine Vielzahl verschiedener, zum Teil nicht kompatibler Bibliotheks-Software im Einsatz ist. Beim Gedanken an die derzeitigen deutschen "Verbundflickenteppiche" ist allerdings der bescheidene Blick auf die eigenen Fußspitzen angezeigt. Ein besonders problematisches Zwischenergebnis der unterschiedlichen Software ist die isolierte Situation der Széchényi-Nationalbibliothek. Eine Möglichkeit der Übernahme elektronischer Daten müßte schnellstmöglich eingerichtet werden.

Ich habe in den Wochen meines Aufenthaltes exemplarische Gastfreundschaft kennengelernt, die mir zukünftig als Orientierung dienen soll. Wenn nun die gute Fee für Bibliothekare käme, wäre einer meiner 3 Wünsche, daß sich deutsche Stiftungen, Ministerien, Universitäten und Bibliotheken ihrer Partnerschaften in Ungarn entsinnen oder neue einrichten und weitere 5 bis 10 Jahre den geregelten Ausbau ungarischer Bibliotheken fördern. Daß das eine gute Investition sein könnte, zeigen die unter der folgenden URL aufgelisteten ungarischen Bibliotheken:

http://www.hungary.com/Magyar/Text/hudir/Sci/Libraries


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