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Köszönöm és Viszontlátásra

Informationen und Eindrücke, gesammelt in 10 ungarischen Bibliotheken

Irene Scheer

Zentralbibliothek der Pannon-Agraruniversität - Keszthely

Die heutige Pannon-Agraruniversität geht zurück auf eine Gründung des Grafen György Festetics im Jahre 1797. In Anspielung auf die Bedeutung seines Vornamens Georg (griech.: Bauer) wurde die Hochschule Georgikon genannt. Das Georgikon war die erste eigenständige, landwirtschaftliche Hochschule Europas (Akademiestatus seit 1906, von 1841 - 1865, während der Auseinandersetzung Ungarns mit Habsburg, geschlossen). Keszthely auch "Hauptstadt des Balaton" (Plattensee) genannt, ist ein hübsches Städtchen (23.000 Einwohner) mit bemerkenswerten Baudenkmälern. Im Mai trafen sich dort mehrere europäische Staatsoberhäupter, unter ihnen Bundespräsident Herzog. Leider stand nur das vorbildlich restaurierte Barockschloß mit seiner wunderbaren Bibliothek "Helikon" (ca. 50.000 zum Teil äußerst seltene, alte Bücher) zur Besichtigung an.

Die Realität der Zentralbibliothek der Universität wurde nicht besichtigt. Von ihrer Ausstattung zur Zeit der Jahrhundertwende existieren noch Fotos, die die heutige traurige Situation unterstreichen. Augenblicklich stimmt in dieser Bibliothek wahrscheinlich nur noch die Zahl der PCs (11). Der Kauf dieser PCs war ganz sicher außerordentlich sinnvoll, zumal die verbliebenen 8 Bibliothekare dadurch auf die Dauer Arbeitskapazität auf andere Gebiete als die Datenerfassung konzentrieren können (Bestand 120.000 Monographien und 20.000 Bde. Zeitschriften, lfde. Zeitschriften: mehr als 200 ungarische und 242 ausländische Zeitschriften). Einen Sammelschwerpunkt bildet die Virologie (spezielle virologische Datenbank ab Mitte 1995 fertig, jährlicher Zugang hier: 400 Titel). Es besteht eine Internet-Verbindung zu den Datenbanken der landwirtschaftlichen Landesbibliothek Budapest.

Der gesamte Bestand der Bibliothek ist bereits retrospektiv EDV-erfaßt. Die Bibliothek nutzt das integrierte Bibliothekssystem ALEPH, das in den größten wissenschaftlichen Bibliotheken Ungarns im Einsatz ist (z. Z. 12, später 26). Z. Z. wird in Keszthely die Inbetriebnahme des Ausleihmoduls von ALEPH vorbereitet. Das Erwerbungsmodul ist schon im Einsatz. Vernetzung mit den anderen ALEPH-Bibliotheken ist vorgesehen. Die UB Keszthely arbeitet eng mit der UB Veszprém (gemeinsamer OPAC im Test) zusammen, da die Agrarchemie-Studenten die ersten beiden Semester in Veszprém absolvieren. Eine besondere Koordinationsaufgabe ergibt sich in Keszthely daraus, daß die Fakultäten in drei verschiedenen Städten angesiedelt sind: außer in Keszthely in Mosonmagyaróvár (200 km) und Kaposvár (90 km). Bei diesen Fakultäten befinden sich Bibliotheken mit ca. 280.000 Bänden, auch dort wird ALEPH installiert. Die Zentralbibliothek betreut das Universitätsarchiv (1 Angestellter) und stellt die Pressedokumentationen der Universität zusammen, führt Recherchen für Professoren durch und bearbeitet Fernleihen für die Fakultäten. Zwei Drittel der Bestände sind in einer veralteten Kompaktanlage untergebracht, die Sofortausleihe wird bis jetzt aufrechterhalten. Zwischen 1949 - 1954 (Stalin-Ära) war die Hochschule in Keszthely geschlossen. In dieser Zeit wurden 40.000 Bände von Keszthely nach Budapest geschafft und auf andere Bibliotheken verteilt. Ein Teil verschwand schon unterwegs, weitere Bücher gingen bei einem Rohrbruch im Lager zugrunde. Von den 12.000 restlichen Büchern wurden inzwischen 1.000 zurückgegeben. Nach 10-jährigem "Kampf" sollen nun 9.000 aus Gödöllö (Landwirtschafts-Universität), 1.500 vom Landwirtschaftsmuseum Budapest und einige 100 von der Landwirtschaflichen Landesbibliothek Budapest zurückgegeben werden. Für diesen Bestand soll im alten Schulhaus des "Georgikon" für das Jubiläumsjahr ein kleines Museum eingerichtet werden. Bis dahin (1997) ist nicht viel Zeit. Im Moment sehen die Bücher zum Teil schlimm aus, erfaßt werden müssen sie auch. Für die Bearbeitung ist eigentlich kein Platz vorhanden, da die Bibliothek räumlich sehr beengt ist. Alle Möbel sind in schlechtem Zustand, es fehlt an Regalen, die Räume sind viel zu dunkel. Der Personalbestand ist nicht gesichert. Wie in allen ungarischen Bibliotheken hat es finanziell bedingte Entlassungen gegeben. Der Erwerbungsetat ist geringer als früher, da Keszthely inzwischen wie die meisten Bibliotheken dem Kultusministerium untersteht (früher Landwirtschaftsministerium). Die Bibliothek hat 400 Tauschpartner. Ausländische Zeitschriftenabos werden mit der landwirtschaftlichen Landesbibliothek abgestimmt, "absichtliche" Dubletten sind im Lande heute kaum noch möglich, weil zu teuer, daher ist eine möglichst effiziente Organisation der Fernleihe nötig (realisiert, was die Lieferzeit angeht). Ausländische Literatur ist unerschwinglich geworden.


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