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Bibliotheksdienst Heft 3, 1996

Bibliothekswesen in den USA Mitte der neunziger Jahre

Eindrücke von einer Studienreise der Humboldt Universität Berlin, Teil 21)
Diann Rusch-Feja

Bibliothekarische Ausbildungsstätten

University of Wisconsin-Madison, School of Library and Information Studies (Katja Kulick)

Vom 22.10. bis 25.10. waren wir Gäste der "Madison School of Library and Information Science" (SLIS). Sie wurde bereits 1906 unter der Schirmherrschaft der 'Wisconsin Free Library Commission' gegründet und 1938 unter die direkte Aufsicht der Universität gestellt. Heute bietet die Schule eines der drei M.A.-Programme der 'U.S. information studies education' an und gehört zu den fünf besten des Landes. Die Schule ist Mitglied des 'OCLC online bibliographic network' und integriert in das universitäre Online-Katalogs- und Leihverkehrssystem. Die Studenten haben Zugang zum 'campus network of bibliographic databases on compact disc'. Ein Rechenzentrum mit zwölf Computern steht den Studenten zur Verfügung. Die Bibliothek der SLIS umfaßt einen Bestand von ca. 70.000 Medieneinheiten und 550 Periodika und bietet den Studenten außerdem die Möglichkeit, dort ihr vorgeschriebenes Praktikum zu absolvieren. Im Gegensatz zur Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland haben Studenten, die sich an der SLIS bewerben, schon einen 'Bachelor's degree', d. h., sie haben bereits ein vierjähriges College-Studium in einem Fach absolviert. Das 'master's program' der SLIS wird mit dem Titel des Magisters Artium abgeschlossen. Die Gebühren für das Studium betragen zwischen $1.600 und $4.800 pro Semester, allerdings vergeben die Universität und andere Institutionen Leistungsstipendien. Das Studium beinhaltet 42 'credits' und ein vierzigstündiges Praktikum. Jeder SLIS-Kurs erstreckt sich über 3 'credits'. Pro Semester kann man zwischen 9 und 12 'credits' belegen, im Sommer hingegen nur 6. Das Vollzeitstudium mit einem Pensum von 12 'credits' pro Semester kann also in drei Semestern plus einem Sommerkurs absolviert werden.

Die Inhalte der Kurse entsprechen denen in Deutschland, von den 'Grundlagen des Bibliothekswesens' über das 'Katalogisieren' bis hin zum 'Information Management', um nur einige zu nennen. Die Art der Lehrveranstaltungen sind überwiegend Seminare, reineVorlesungen werden kaum angeboten. Den Absolventen der SLIS werden 'job-finding' Workshops and 'career-days' Seminare angeboten, die helfen sollen, sich optimal auf die Arbeitssuche vorbereiten zu können. Es erschließen sich viele Möglichkeiten, in denen die Absolventen tätig werden können, sei es in den traditionellen Bibliotheken, in 'information analysis centers', 'indexing and abstracting organizations' oder in Archiven.

Zusätzlich zum 'master's program' bietet die SLIS Madison eine Reihe von Weiterbildungs-möglichkeiten an. Sie beinhalten Seminare und Workshops, Telefonkonferenz-Kurse, Konferenzen und Studienreisen, die von Bibliothekaren belegt werden können und auch großen Zuspruch finden. Einige aktuelle Kurse aus dem Herbstprogramm, wie z. B. 'Managing the Electronic Library', 'Conservation of Photographs' und 'Multimedia for Information Professionals' zeigen, wie wichtig es ist, mit neuen Medien umgehen zu können und sie dem Nutzer zugänglich zu machen.

Es war sehr interessant, das deutsche und das amerikanische Ausbildungswesen im Bibliotheksbereich zu vergleichen. Es gibt viele Parallelen in Bezug auf die Inhalte, aber auch einige Unterschiede, die dort Selbstverständlichkeiten sind und bei uns noch nicht so richtig vorstellbar sind, wie z. B. die Rückgabe der Bücher außerhalb der Öffnungszeiten und in jeder beliebigen Zweigbibliothek innerhalb der Universität. Diese Anregungen haben große Motivation für das eigene Studium gebracht.

University of Wisconsin-Milwaukee, School of Library and Information Science (Kirsten Huthmann)

SLIS - Milwaukee ist eine von ca. 60 durch die American Library Association anerkannten Bibliotheksschulen, an der Studenten mit einer abgeschlossenen, mindestens vierjährigen College-Ausbildung den Master of Library and Information Science erwerben können. Daneben gibt es einen Ph.D.-Studiengang, mehrere Doppel-Abschluß-Programme zur Spezialisierung für Spezialbibliotheken und Archive und verschiedene Zertifikats-Programme.

Das Graduate-Studium, das zum MLIS-Abschluß führt, umfaßt 36 credits; ein Kurs ist meistens 3 credits wert. Pflichtkurse gibt es in Auskunftsdienst, Bestandsaufbau, Katalogisierung, Bibliotheksmanagement, Informationswissenschaft; die übrigen Kurse können je nach der gewünschten Verftiefungsrichtung belegt werden. Ein Bibliothekspraktikum muß nicht absolviert werden, jedoch wird praktische Bibliotheksarbeit als Kurs angeboten, für den man credits erwerben kann. Am Ende des Studiums steht eine schriftliche Abschlußprüfung.

Der MLIS kann schnellstens in einem Jahr - zwei Semester plus Sommer-Kurse - erworben werden; in der Regel dauert der Studiengang zwei Jahre.

Eine Voraussetzung für die Aufnahme am SLIS ist computer literacy; von den Studenten wird erwartet, daß sie vor Beginn des Studiums die Fähigkeiten erwerben

In den Computer-Labs des SLIS stehen sowohl PCs wie auch Macintosh-Rechner bereit (daß beide Systeme vertreten sind, haben wir in vielen Einrichtungen verschiedener Universitäten gesehen); besonders beeindruckend war eine Vorführung von Multimedia-Projekten, die hier im Unterricht durchgeführt werden, und die praktische Einführung in die Erstellung einer home page.

School of Library and Information Science, SLIS Pittsburgh (Ute Krost/Stefanie Hauske)

Die School of Library and Information Science ist einer von 17 Fachbereichen der 1787 gegründeten University of Pittsburgh, an der 34.000 Studenten eingeschrieben sind. Die SLIS befindet sich jedes Jahr unter den ersten Plätzen auf der Rangliste amerikanischer Ausbildungsstätten und ist mit etwa 700 Studenten auch die größte ihrer Art in Nordamerika.

Die SLIS verfügt über eine umfangreiche Fachbibliothek mit circa 100.000 Bänden, 1.375 laufenden Zeitschriften und fast 4.600 Mikroformen. Die computertechnische Ausstattung in Bibliothek (z. B. Zugriff auf ERIC/OCLC und EPIC/Knight Ridder) und Fachbereich hat einen vergleichbar hohen Standard wie in Madison und Milwaukee. Die SLIS hat eines der breitgefächertsten Studienangebote für Bibliotheks- und Informationswissenschaften in den USA und bietet darüber hinaus das Studium der Telekommunikationswissenschaften an.

Ausbildungsgang: Bibliothekswissenschaften

Der Master of Library Science( MLS) umfaßt 12 Kurse, davon vier Pflicht- und acht Wahlpflichtkurse ā drei Semesterwochenstunden. Der Abschluß kann in einem einjährigen Vollzeitstudium erworben werden, aber auch in einem Teilzeitstudium, das bis zu vier Jahre dauern kann. Die Studienschwerpunkte liegen in Kinder- und Jugendbibliotheken, Informationsmanagement im öffentlichen Gesundheitswesen, Informationsvermittlung, technischer Ausstattung sowie Bestandserhaltung und Buchkunst.

An Bibliothekare mit Berufserfahrung, die ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand bringen oder sich spezialisieren möchten, richtet sich das berufsbegleitende Certificate of Advanced Studies Program, welches den Master voraussetzt. Spezialisierungsschwerpunkte sind Archive und Bestandserhaltung, Automatisierung, Informationsmanagement im öffentlichen Gesundheitswesen, Betreuung von Bibliothekssystemen, Informationsdienstleistungen sowie Kinder- und Jugendbibliotheken.

Der Doctor of Philosophy in Bibliothekswissenschaft soll die theoretischen Inhalte der Bibliothekswissenschaften vertiefen und auf leitende Positionen im gesamten Bibliothekswesen vorbereiten. Voraussetzung für die Zulassung zum PhD-Programm ist der Master und erste Berufserfahrung. Der PhD umfaßt 18 Kurse und schließt mit einer Doktorarbeit ab.

Ausbildungsgang: Informationswissenschaften

Das Studium der Informationswissenschaften an der SLIS Pittsburgh konzentriert sich auf Computertechnologie, Ingenieurwissenschaften, Entwicklung, Implementierung und Management von Informationssytemen. Die technische Ausbildung soll Kenntnisse in Programmierung, Systementwicklung, Telekommunikation, Datenbankmanagementsystemen und Computergraphiken vermitteln. Ergänzt wird der technische Schwerpunkt durch Kurse zur menschlichen Informationsverarbeitung, Technikfolgenabschätzung und Mensch-Maschinen-Schnittstelle. Darüber hinaus sollen die Studenten Einblick in die Bereiche der Kommunikations- und Computerwissenschaften, Mathematik, Philosophie, Ingenieurwissenschaften und Wirtschaft gewinnen. Analog zu den Ausbildungsgängen in Bibliothekswissenschaften bietet die SLIS Pittsburgh folgende Abschlüsse an: Bachelor of Science in Information Science (BSIS), Master of Science in Information Science (MSIS), Doctor of Philosophy (PhD). Das Studium will insbesondere für die Berufsbereiche Systemanalytiker, Datenbankdesigner, Softwareentwickler und Programmierer vorbereiten. Für den Master Abschluß ist außerdem eine Spezialisierung auf künstliche Intelligenz möglich(Artificial Intelligence Specialist).

Darüber hinaus werden die Abschlüsse School Library Teacher Certification (SLTC) und Supervisor of Library Science Certification (SLSC) angeboten sowie in Kooperation mit zwei anderen Hochschulen: Agricultural Information Specialist.

Ausbildungsgang: Telekommunikation

Als Reaktion auf die wachsenden Bedürfnisse der Informationsgesellschaft wurde 1987 der Studiengang Master of Science in Telecommunications(MST) eingeführt. Der enge Praxisbezug zeigt sich durch finanzielle, technische und wissenschaftliche Unterstützung kommerzieller Firmen wie Hewlett Packard und die amerikanischen Telekommunikationsgesellschaften AT&T und Bell Atlantic Foundation. Als erste Universität der Welt verfügte Pittsburgh über ein campusweites ISDN-Telekommunikationsnetzwerk. Das Grundsstudium umfaßt Grundlagen der Informatik und der Elektrotechnik und vermittelt einen Überblick über Telekommunikation und Netzwerke. Die weiterführenden Kurse stammen aus den folgenden Bereichen: Kommunikationsmittel, Protokolle und Schnittstellen, Netzwerkentwicklung, -betrieb und -anwendungen. Dazu kommen Wahlgebiete wie lokale Netzwerke, Ton- und Datentelekommunikation, Datenverarbeitung und Netzwerkmanagement.

Eine Spezialisierung ist in den Bereichen gesetzliche Grundlagen der technischen Anwendungen, Netzwerkverwaltung, Informationsmanagement, Projektmanagement, Konfliktmanagement und Führungsverhalten möglich.

Bibliotheksverbände / Verbandstagungen

Wisconsin Library Association Conference 1995 (Elgin Jakisch)

Die diesjährige Herbstkonferenz der WLA (Wisconsin Library Association), des bundesstaatlichen Bibliotheksverbands, von Wisconsin fand vom 24. - 27. Oktober in Appleton statt.

Im Rahmen unseres Studienreisenaufenthaltes in Madison bot sich uns Dank der Mithilfe der School of Library and Information Science der University of Wisconsin - Madison und des Leiters der School of Library and Information Science der University of Wisconsin-Milwaukee die Möglichkeit, zwei Tage an dieser Konferenz teilzunehmen.

Die Konferenz stand unter keinem bestimmten Motto. Es sollten breit gefächert im bibliothekarischen Alltag entstandene Erfahrungen und Probleme diskutiert werden, zukunftsweisende Innovationen vor allem im technischen Bereich und erste Erfolge im Umgang mit Internet ausgetauscht werden. Kaum berührt wurden Themen wie Erwerbungspolitik oder Katalogisierungsprobleme. Vielmehr dienten meiner Ansicht nach die Vortragsveranstaltungen dazu, praktische Erfahrungen zu vermitteln und in anschließenden, meist regen Diskussionen zu erörtern.

Erste Orientierungshilfe bei der Ankunft im Foyer des Paper Valley Hotel and Conference Center gab das 60 Seiten umfassende Programmheft mit Würdigungen der Sponsoren, personellen Meldungen, Kontaktadressen in Appleton und natürlich den Themen der Sessions(Vorträge/Sitzungen). Hier eine kleine [aus dem Engl. übers.] Auswahl des breiten Themenspektrums:

Schwerpunkte meines Interesses auf dieser Tagung waren der Einsatz neuer Medien, vor allem das Internet und die Bibliotheksautomation als Wegbereiter zur "virtual library". Mehrere zu diesem Themenkreis besuchte Veranstaltungen lieferten mir zumindest neue Denkanstöße und Sichtweisen, eine virtuelle Bibliothek auf eine vielleicht nicht nur amerikanische Weise zu definieren. Beginnt Virtualität bei der Online-Katalogisierung, führt es über die Einscannung des gesamten Bestandes online bis hin zur Verknüpfung eigener Resourcen mit den Informationsangeboten des Internet? Muß man sich auf die Suche nach neuen Dokumentenliefersystemen machen? Ändert sich nicht plötzlich die Art des Zugriffs auf die Informationen, die in der eigenen Bibliothek lagerten? Virtualität beinhaltet eine völlig neue Beweglichkeit der Daten über die Mauern des Bibliotheksgebäudes hinaus und verlangt so auch einen beweglicheren Umgang der Bibliothekare damit. Durch Verlagerung der Auskunftsmöglichkeiten einerseits in den virtuellen Raum wird das traditionelle Berufsfeld und -bild des Bibliothekars in Frage gestellt. Andererseits kann die Bibliothek im Internet als völlig neue Auskunftsquelle (reference source), deren Erscheinung, Umfang und Aktualität die Bibliothekare selbst gestalten, durchaus aktiv auftreten.

Parallel zu den Vorträgen konnte man auf einer Ausstellung Produkte von Verlegern und Automationsfirmen besichtigen. Unter anderem gab es Repräsentationsstände der Bibliotheksschulen der Universitäten in Wisconsin (Madison und Milwaukee), die ihre Studieninhalte,Stipendien und Programme vorstellten. Interessant zu erwähnen ist noch der WLA-Store. Ein Verkaufsstand, an dem Souvenirs und Geschenkartikel mit Bibliothekslogos und Sinnsprüchen angeboten wurden, die für das Selbstverständnis des Berufes Bibliothekar und das Leben mit Büchern von einer spaßigeren Seite zeigten.

Die bleibenden Eindrücke auf dieser Tagung waren die Freundlichkeit, mit der man als Gast aus Deutschland empfangen wurde und das Bemühen um Transparenz für die Berufskollegen und die Öffentlichkeit. Das zeigte sich mehr als einmal durch die Bereitschaft der Referenten jederzeit auf Zwischenfragen während der Vorträge einzugehen und durch die Gestaltung der Vorträge, in denen positive und negative Erfahrungen vermittelt wurden. Die offenen Türen zu den Räumen, in denen die Sitzungen stattfanden, sorgten für eine entspannte Tagungsatmosphäre. Man hatte die Möglichkeit, jederzeit einzutreten und zuzuhören oder einfach wieder zu gehen. Dieser Umstand hat keineswegs zu Disziplinlosigkeit gegenüber den Referenten geführt, sondern ist eher Ausdruck amerikanischer Offenheit, die uns auch an anderen Orten auf dieser Reise begegnete.

American Library Association (Elisabeth Lothholz)

Die American Library Association (ALA) ist die älteste und größte bibliothekarische Berufsvereinigung der Welt. Gegründet 1876 hat sie heute 55.000 Mitglieder in allen Ländern der Erde. Zu ihren Mitgliedern zählen neben öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken auch Schulbibliotheken und die verschiedensten Spezialbibliotheken sowie Einzelpersonen, Bibliothekare und am Bibliothekswesen Interessierte.

Die ALA sieht ihre Aufgabe darin, ihren Mitgliedern zu helfen, qualitativ hochwertige Bibliotheks- und Informationsdienstleistungen anzubieten. Dazu zählen u. a. der Schutz der geistigen Freiheit ("intellectual freedom"), also der Schutz des Lesers vor Zensur, die Aus- und Weiterbildung von Bibliothekaren, die Verbesserung von Bibliotheksdienstleistungen und die Interessenvertretung von Bibliotheken gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit und der Regierung.

Geschichte

Die ALA hat die Entwicklung des amerikanischen Bibliothekswesens seit ihrer Gründung stark beeinflußt. Frühe Bibliotheksgrößen wie Melvil Dewey und Justin Winsor haben die Bibliothekare aufgerufen, eine Berufsvereinigung zu bilden. Während der Jahrhundert-Ausstellung (Centennial Exposition) in Philadelphia 1876 wurde die ALA dann von 90 männlichen und 13 weiblichen Bibliothekaren aus ganz Amerika gegründet. Heute sind Bibliothekare, Autoren, Buchhändler, Informationswissenschaftler, Bibliothekstreuhänder ("Library Trustees"), Firmen, Verleger und Bibliotheksfördervereine ("Friends of Libraries") in Amerika, Kanada und mehr als siebzig weiteren Ländern Mitglieder der ALA.

ALA heute

Die ALA, rechtlich eine Non-Profit-Organisation, hat ihren Hauptsitz in Chicago in der Huron Street und unterhält eine Zweigstelle in Washington, D.C. 275 Mitarbeiter kümmern sich um die vielfältigen Aufgaben des Verbandes, der in 11 Abteilungen, je eine für jeden spezifischen Bibliothekstyp oder -arbeitsbereich, aufgeteilt ist. Sie fördern die berufliche Weiterbildung ihrer Mitglieder und stellen ihnen in Veröffentlichungen und Veranstaltungen spezifisches berufliches Wissen dar. Die einzelnen Abteilungen der ALA sind:

Da in den USA Bibliotheken nur in wenigen Fällen vom Staat finanziert werden, ist ist notwendig, daß die ALA - stellvertretend für die Bibliotheken - mit der Regierung in Kontakt tritt und diese davon überzeugt, daß Bibliotheken notwendig und wichtig für ein Land wie Amerika sind, um so die gesetzlichen Grundlagen für die Schaffung und den Unterhalt von Bibliotheken zu ermöglichen. Das ALA-Büro in Washington D. C. arbeitet eng mit dem Gesetzgeber zusammen, um die notwendige staatliche Unterstützung für Bibliotheken zu erhalten. Dadurch konnte die ALA Mittel für Bibliotheksprogramme und Stellen erwirken. Während der jährlich abgehaltenen "National Library Week" können Vertreter der einzelnen Bibliotheken auf einem von der ALA und der Special Libraries Association (SLA) organisierten Forum mit Vertretern der Bundesregierung sprechen. Auf die unermüdliche Arbeit der ALA ist die Gesetzgebung der Bundesregierung zur Förderung der Bibliotheken sowie die Erklärung der Bibliotheksgrundrechte ("Library Bill of Rights") zurückzuführen.

Der Kampf für "intellectual freedom" ist ein Problem in amerikanischen Bibliotheken. Sie müssen sich immer wieder gegen Versuche wehren, bestimmte Bücher der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Diese Zensurversuche haben eine lange Tradition in der amerikanischen Geschichte. Besonders während der McCarthy Ära gab es einen starken Trend, Bücher politischen Inhalts (die sich beispielsweise mit Kommunismus beschäftigten) der Bevölkerung nicht zugänglich zu machen. Die Bibliothekare haben sich seit jeher gegen diese Form der Zensur - gestützt von der ALA - gewehrt. Die ALA hat in der "Library Bill of Rights" das das Recht der Bibliotheken formuliert, Bücher bereitzustellen, die unterschiedliche Ansichten zu aktuellen, politischen, religiösen und historischen Themen enthalten.

Die ALA veröffentlicht zahlreiche Bücher, Zeitschriften und Nachschlagewerke, die weltweit Abnehmer finden. Die Mitglieder der ALA erhalten monatlich die Zeitschrift "American Libraries". Zusätzlich werden Auswahlbibliographien für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken veröffentlicht, die annotierte Neuerscheinungslisten enthalten. Daneben vergibt die ALA Buchpreise, darunter die Newbery und Caldecott Medaillen, die für überragende Qualität bei Kinderbüchern verliehen werden.

Um das Interesse der Öffentlichkeit an Bibliotheken zu wecken und die ganze Bandbreite ihrer Dienstleistungen transparent zu machen, beschäftigt sich die ALA sehr intensiv mit Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Der Verband entwickelt Broschüren, Anzeigen, werbewirksame Mottos und Poster, die zur Benutzung von Bibliotheken anregen sollen (z. B. ein Foto von Elvis Presley beim Lesen eines Buches mit der Aufforderung "READ"). Diese können bei der ALA bestellt werden. Mit Veranstaltungen und Aktivitäten sowie der "National Library Week" soll für Bibliotheken geworben werden. Daneben organisiert und unterstützt die ALA Wanderausstellungen für Bibliotheken und Leserreisen von Autoren. Mit diesem Programm verbunden sind auch verstärkte Bemühungen, sowohl Nichtleser als auch Menschen ohne Schulabschluß, Arme, Arbeitslose und ethnische Minderheiten dazu zu bringen, die Bibliothek zu besuchen und die dort gebotenen Möglichkeiten zu nutzen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit der ALA ist die Aus- und Fortbildung. Dazu zählt das Setzen von Ausbildungsstandards und -normen. So werden in Stellenanzeigen in der Regel Bibliothekare mit einem von der ALA anerkannten Abschluß gesucht. Ein für deutsche Bibliothekare interessanter Aspekt ist, daß der Verband auch ausländische Zeugnisse von Experten übersetzen und mit amerikanischen Anforderungen vergleichen läßt, damit man sich im Ausland bewerben kann. Daneben spielen Programme für Weiter- und Fortbildung eine wichtige Rolle.

Zweimal im Jahr hält die ALA Kongresse ab, wo über die neuesten Entwicklungen im Bibliothekswesen berichtet wird. Der Veranstaltungsort wechselt dabei ständig, um allen Mitgliedern die gleiche Chance zu geben, an einer Konferenz teilzunehmen und dabei nicht allzu weite Wege auf sich nehmen zu müssen. Die erste Konferenz findet im Januar statt (Mid-Winter Meeting), die zweite im Sommer. An der Vielfältigkeit der Vorträge und der hohen Teilnehmerzahl läßt sich die Bedeutung der ALA-Tagung ablesen.

Special Libraries Association (Barbara Hamer-Hänsch)

Die Special Libraries Association (SLA) ist die weltweit größte Interessenvertretung von Spezialbibliothekaren. Sie repräsentiert annähernd 15.000 Mitglieder aus mehr als 60 Ländern, die in Spezialbibliotheken unterschiedlichster Träger und Fachrichtungen arbeiten.

Unser Besuch galt dem Hauptquartier der Organisation in Washingthon DC. In der kleinen Spezialbibliothek des Hauses wurde uns die Arbeit der SLA vorgestellt. Das Information Resources Center (IRS) unterstützt hier die Aktivitäten der Association mit ihrer Spezialsammlung zur Praxis und Organisation von Spezialbibliotheken. Ca. 3.000 Titel und 140 Zeitschriften und eine management document collection bilden den Bestand der Bibliothek. Jährlich werden hier mehr als 4.000 Anfragen von Mitgliedern, der Öffentlichkeit und Mitarbeitern des Hauses beantwortet. IRS erteilt Sachauskünfte, nimmt am Leihverkehr teil und ist um die Lösung von Problemen anderer Bibliotheken bemüht.

Organisatorisch ist die SLA aufgegliedert in 56 chapters (diese repräsentieren geographische Regionen: Amerika, Canada, Europa, arabische Region) und 28 divisions (spezielle Fachgebiete, Industriezweige), sowie 12 caucuses (Gruppen mit gemeinsamen Interessen, die nicht abgedeckt sind). Die SLA sieht ihre Aufgabe sowohl in der öffentlichen Darstellung des Berufsstandes und seiner Qualitäten, sowie in der Unterstützung der Spezialbibliothekare/Informationsvermittler in all ihren Belangen durch unterschiedliche Angebote und Dienstleistungen.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Fort- und Weiterbildung ihrer Mitglieder, die mit sich immer schneller verändernden technischen Anforderungen und Gegebenheiten konfrontiert sind. Das Professional Developement Program bemüht sich, unterschiedliche Erfahrungen und Bedürfnisse mit seinem Programm anzusprechen, dazu gehören z. B. Annual Conference Courses, Winter Education Conference, Self-Study Program oder Veranstaltungen des State-of-the-Art Institute zu bestimmten Themenschwerpunkten.

Public Relations spielen in amerikanischen Spezialbibliotheken sicherlich eine größere Rolle als im europäischen Raum. Mit mehr Selbstbewußtsein und Engagement wird in der Öffentlichkeit ein positives Bild der Organisation und Profession gezeichnet. Die SLA entwickelt dazu Informationsmaterialien (Broschüren, Public relations handbook, award program), um ihren Mitgliedern die nötigen Argumentationshilfen zu liefern, und bietet außerdem Fortbildungskurse in Marketing an.

Darüber hinaus beeindruckt die für deutsche Verhältnisse völlig ungewöhnliche politische Interessenvertretung auf Regierungsebene, sowohl in Amerika, als auch in Canada. SLA's Government Relations Program sorgt für regelmäßige Treffen mit Abgeordneten und bemüht sich um den nötigen Einfluß auf Entscheidungen, die die rechtlichen Belange ihres Beufsstandes betreffen.

Breiten Raum nahm die Vorstellung diverser Publikationen der SLA ein. Dazu gehörten Monographien zu verschiedenen Aspekten von Spezialbibliotheken, Auswahlbibliographien, Indices, Adressbücher etc. Eine kleine Auswahl sei hier genannt: Ein monatliches Newsletter "SpeciaList" informiert die Mitglieder über Management, Markt und Technologie aus dem Spezialbibliotheksbereich, sowie über Stellenangebote und Dienstleistungen und Produkte von und für Informationsprofis. "Special Libraries, die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift der SLA berichtet neben Artikeln über die Organisation und Verwaltung von Spezialbibliotheken über Bibliotheksforschung, Dokumention, Informationswissenschaft, Technologie etc. Ein jährliches Mitgliederverzeichnis und zahlreiche Informationen über die SLA finden sich im "Who's Who in Special Libraries".

Die SLA stellte sich als eine engagierte Interessenvertretung dar, die sich aktiv und aufmerksam um alle Problemfelder einer Spezialbibliotehek und ihrer Mitarbeiter kümmert.

ONLINE '95 in CHICAGO (Hanka Lange)

Als ein Höhepunkt der Reise wurde uns der Zugang zur Online Conference & Expo ermöglicht, die 1995 in Chicago stattgefunden hat.

Die Teilnehmer der Konferenz waren professionelle Informationsbenutzer, die selbst im Informationsservice arbeiten, und Lehrer, die an Schulen in der Anwendungsvermittlung tätig sind. Dementsprechend wurden Themen zu Online-Service, CD-ROM-Entwicklungen und die Nutzung des Internet angeboten. So gab es einen Allgemeinüberblick über die "Zugangsvoraussetzungen zum Internet", vorgetragen von Bill Gates. Vorstellungen zur Gestaltung der Informationstechnik und Informationslieferung in der Zukunft, Tips und Tricks zum sicheren Navigieren im Internet sowie elektronisches Publizieren auf CD-ROM und im World Wide Web wurden an Hand ausgewählter Projekte vorgestellt.

In den Ausstellungsräumen des Konferenzhotels stellten etwa hundert Datenbankanbieter ihre Produkte vor. Beteiligt waren in erster Linie amerikanische Informationsfirmen (z. B. Sociological Abstracts, Inc., Chemical Abstracts Service, Knight-Ridder Information, Inc., LEXIS-NEXIS, OCLC, BiblioData, etc.), aber auch Datenbankanbieter aus Island, Spanaien und Japan waren vertreten.

Zum guten Ton der Konferenz gehörte es, daß fast alle Vorträge mit dem Demonstrationsprogramm Power Point elektronisch begleitet wurden. Vor oder nach dem Vortrag gab fast jeder Redner eine HTML-Adresse im World Wide Web an, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, den Inhalt des Vortrages noch einmal nachzulesen oder sich mit konkreten Fragen an die E-Mail-Adresse zu wenden. In der ständig überfüllten E-Mail-Ecke standen den Teilnehmern zwei Computer zur Verfügung, um elektronische Nachrichten zu lesen oder zu verschicken.

Die kommende Konferenz könnte auf diesen Grundlagen zum Internet und World Wide Web aufbauen und damit allen Interessierten duch Vorträge und Work-Shops eine Möglichkeit zur Weiterbildung bieten.

Bibliothekssystem-, Bibliotheksdienstleistungen

OCLC Online Computer Library Center, Headquarters, Columbus, Ohio (Ute Krost / Stefanie Hauske)

1967 wurde in Ohio das regionale Verbundsystem Ohio College Library Center mit 54 angeschlossenen Collegebibliotheken gegründet mit dem Ziel, durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen die Kosten zu reduzieren. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte es sich zu einem internationalen Netzwerk. 1981 wurde dieser Tatsache mit der Namensänderung in Online Computer Library Center Rechnung getragen. OCLC ist heute das größte Forschungs- und Dienstleistungszentrum für die Bibliotheken, eine Nonprofit-Organisation, die computergestützte Dienstleistungen auf den Gebieten Auswahl, Erwerbung, Katalogisierung und Ausleihe von Büchern und anderen Materialien für Bibliotheken anbietet und Auskunftshilfen für Bibliothekare und Benutzer erstellt und vertreibt.

Wir hatten Gelegenheit, die Einrichtung zu besichtigen und uns insbesondere über die Katalogisierung und die Retrokonversion sowie über einige Produkte und Dienstleistungen aus dem breiten Spektrum des OCLCs zu informieren.

Katalogisierung und gemeinsame Nutzung der Betriebsmittel ("Resource sharing") auf der Basis des OCLC Online Union Catalog (OLUC)

OLUC ist der größte und umfassendste Verbundkatalog der Welt und steht seit 1971 online zur Verfügung. Er enthält über 31,1 Mio. Titelaufnahmen (Stand: 1995, jährlicher Zuwachs: 2 Mio.) mit über 532 Mio. Standortnachweisen der z.Zt. 6.877 Mitgliedsbibliotheken. Neben Büchern sind Zeitschriften, AV-Medien, Karten, Urkunden, Handschriften, Tonträger, Noten und Datenträger verzeichnet.

Titelaufnahmen werden von den Mitgliedsbibliotheken erstellt, die sich verpflichten, ihre gesamte Katalogisierung in OLUC einzugeben; zu ihnen zählen u. a. die Library of Congress, die National Library of Medicine und die Nationalbibliotheken Großbritanniens, Kanadas und Australiens. OLUC dient zugleich über 20.000 teilnehmenden Bibliotheken aus 61 Ländern als Fremddatenpool für die Katalogisierung (PromptCat). Die Trefferquote liegt bei annähernd 95 %; wöchentlich werden so 425.000 Medieneinheiten katalogisiert, und 1,2 Mio. Karten von OCLC gedruckt. Um den hohen Qualitätsstandard des Kataloges zu gewährleisten, unterhält OCLC eigens eine "Online Data Quality Control Section", welche 15.000 Aufnahmen monatlich korrigiert; daneben sind 124 Mitgliedsbibliotheken zur Korrektur berechtigt.

Katalogisierung

Neben der Teilnahme am Verbund besteht für Bibliotheken, insbesondere Firmenbibliotheken ohne eigenes Katalogisierungspersonal oder Bibliotheken, die diese Abteilung einsparen, auch die Möglichkeit, sämtliche Katalogisierungs- und Folgearbeiten auf OCLC zu übertragen (TechPro-Service). Dieser Service kann auch speziell für Titel in chinesischer, japanischer und koreanischer Sprache sowie für Sondermaterialien und Amtsdruckschriften in Anspruch genommen werden.

Der OCLC Union Catalog ist Grundlage für mehr als 60 Produkte und Dienstleistungen, von der Online-Auskunftsdatenbank bis hin zu Fernleihdienstleistungen.

Retrokonversion

Seit 1976 führt OCLC die Konvertierung konventionell vorliegender Bibliothekskataloge in maschinenlesbare Form durch. Kunden sind hauptsächlich wissenschaftliche Bibliotheken in den USA, aber auch aus anderen Ländern. Die Konversion erfolgt durch manuelle Eingabe anhand der Katalogkarten; dabei wird auf den OLUC zurückgegriffen. Durchschnittlich werden 600 Projekte im Jahr durchgeführt.

Seit 1992 gibt es den RETROCON Keying Service, der Kartenkataloge, welche nicht den gängigen bibliographischen Standards entsprechen, in maschinenlesbare Form überführt. Erstes Projekt dieser Art ist die Bibliothek der Harvard University. Dieses Titelmaterial ist noch nicht in den OLUC integriert, wird aber separat zur Verfügung gestellt.

Angesichts der Kürzungen von finanziellen Mitteln auch im amerikanischen Bibliothekswesens, die der Informationsflut gegenüberstehen, sieht das OCLC-Konzept für die Zukunft folgendermaßen aus:

Neben der Verbesserung der Katalogisierungsdienstleistungen strebt OCLC die Integration von Recherche, Fernleihe und Dokumentenlieferung zu einem einzigen umfassenden Dienstleistungspaket an. Zugleich soll dieser neue Service so in die lokalen Bibliothekssysteme implementiert werden, daß ein gleichzeitiger Zugriff auf verschiedene Systeme (z. B. OLUC und lokaler OPAC) unter einer Oberfläche möglich ist. Eine größere Benutzerfreundlichkeit soll z. B. durch OLUC-Recherchen auch in anderen Sprachen wie Spanisch und Französisch oder Bereitstellung lokaler Informationen wie Telefonnummern, Bestandsangaben und Ausleihstatus erreicht werden.

Durch die Automatisierung der Fernleihe und der Dokumentenlieferung, durch die Ausdehnung der Volltextlieferung und die Bereitstellung zusätzlicher Daten, wie z. B. Angaben zu Gebühren, Copyright oder Statistiken zur Unterstützung der Fernleihe soll die Effizienz gesteigert werden.

Wie für die Katalogisierung, wird auch für den Bereich "Resource Sharing" im Internet eine große Möglichkeit gesehen.

Im Folgenden sei ein kurzer Überblick über einige Auskunftsmittel, die uns demonstriert wurden, gegeben:

EPIC

1990 wurde EPIC eingeführt. Es handelt sich um ein kommandogesteuertes Online-Auskunftsmittel für Bibliothekare im Auskunftsdienst. EPIC ermöglicht den Zugriff zu 55 Datenbanken, meist mit Bestandsnachweis, darunter OLUC, ArticleFirst (OCLC-Datenbank mit 3 Mio. Zeitschriftenaufsätzen aus 12.500 Zeitschriften) und ContentsFirst (OCLC-Datenbank mit Zeitschrifteninhaltsverzeichnissen). Anschlußzeiten sind Mo. - Sa. je 23 Stunden, So. 20 Stunden; der Zugang über das Internet ist möglich.

FirstSearch

FirstSearch wurde im Oktober 1991 eingeführt und speziell für den Benutzer konzipiert. Es handelt sich um ein menugesteuertes System, das Recherchen ohne bibliothekarische Unterstützung in 59 Datenbanken aus den Gebieten Naturwissenschaften, Technik, Medizin, Wirtschaft, Ingenieur- und Geisteswissenschaften erlaubt. Mit FirstSearch kann der Benutzer elektronische Bestellung durchführen und sich Volltexte via Fax, e-mail oder Post zustellen lassen. Zugriff: Mo.-Sa. je 23 Stunden und So 20 Stunden; der Zugang über WWW ist möglich.

Electronic Journals Online (EJO)

EJO ist eines der neuesten Projekte, welches sich noch im Aufbau befindet. Zur Zeit ermöglicht EJO die Volltextsuche in 12 wissenschaftlichen Zeitschriften aus den Gebieten Ingenieurwissenschaften, Physik, Biologie und Medizin. Neben der Volltextdarstellung liefert EJO auch die Abbildung von Graphiken, Fotos und Tabellen. Ab 1996 sollen 60 Zeitschriften von elf Verlagen über EJO vertrieben werden. Geplant ist weiterhin, alle Zeitschriften des Verlages Elsevier online zugänglich zu machen.

NetFirst

NetFirst ist eine Datenbank, die Internetquellen verzeichnet, sie ist zugänglich über EPIC und FirstSearch. NetFirst indexiert WWW-Seiten, Diskussionsforen, Newsgroups, FTP-Seiten, elektronische Zeitschriften, Newsletters, Bibliothekskataloge und weitere Dienstleistungen im Internet. Eine Demonstration ist im WWW unter der Adresse http://www.oclc.org/oclc/netfirst.htm zu finden.

Forschungsabteilung2)

OCLC unterhält eine eigene Forschungsabteilung zur Entwicklung und Erprobung neuer Methoden und Technologien in den Bereichen Computer, Bibliotheken und Informationswissenschaften, dabei arbeitet OCLC nicht nur mit Bibliotheken zusammen, sondern auch mit Verlagen und Forschungseinrichtungen. Die Forschung wird sich in der Zukunft besonders auf die Bereiche Vernetzung und integrierte Systeme aber auch auf die "klassische" Bibliotheksforschung konzentrieren.

Ein 1994 durchgeführtes Projekt war die Integration von GUIDON (erläutern bzw. auflösen!) in das WWW: GUIDON, OCLC's graphische Oberfläche für EJO, wurde erweitert, so daß eine HTML-Integration möglich ist und GUIDON auch als WWW-Browser benutzt werden kann.

OCLC beteiligte sich am Projekt TULIP (University Licensing Project). In Zusammenarbeit mit Elsevier Science und neun Universitäten wurde ein System zur elektronischen Volltextlieferung von 43 Zeitschriften aus dem Gebiet der Materialwissenschaften direkt auf den Campus erprobt.

OCLC betreibt seit sechs Jahren ein Testlabor (Quality Insurance Center) für die Erprobung neu entwickelter Software. Anhand psychologischer Beobachtung von Testpersonen können vor allem Benutzerreaktionen auf neue Produkte und ihre Handhabung vor der Vermarktung getestet werden und Benutzerprofile entwickelt werden.

Information Center

Nicht zuletzt unterhält OCLC eine Spezialbibliothek ("information center") für seine Mitarbeiter. Externen Nutzern ist sie als virtuelle Bibliothek zugänglich. Sammelgebiete sind Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Informatik, Management, Marketing. Desweiteren gibt es ein Archiv für Veröffentlichungen von und über OCLC und eine Dokumentationsabteilung für Software und Handbücher.

Für die Mitarbeiter von OCLC ist die Bibliothek 24 Stunden am Tag geöffnet. Die sechs Bibliotheksmitarbeiter bieten die üblichen Dienstleistungen einer Spezialbibliothek, z. B. CC-Service, SDI, Sofortbeschaffung aller nicht in der Bibliothek vorhandenen Materialien über Leihverkehr oder Online-Ordering und Selbstausleihe. In den Räumen der Bibliothek befinden sich OPACS, CD-ROM-Auskunftsplätze sowie Online-Anschlüsse. Jeder Arbeitsplatz innerhalb von OCLC hat elektronischen Zugang zum Information Center, über den die Bestände abgerufen und bestellt werden können.

Die Erwerbung erfolgt "just in time", d. h. Literatur wird auf Bedarf angeschafft. Typisch für eine amerikanische Spezialbibliothek ist die "competitor intelligence", die Marktbeobachtung, das Sammeln von Informationen über die Konkurrenz. Anfragen externer Firmen werden sofort beantwortet, im Schnitt sind dies etwa 120 in der Woche. Interessanterweise hat die Bibliothek des weltgrößten Katalogisierungsdienstleisters seine eigene Katalogisierung einer Fremdfirma übertragen.

Ameritech Corporation(Torsten Conrad)

Unter den Firmen, die speziell für Bibliotheken Dienstleistungen und Produkte anbieten, wurde die Ameritech Corporation für einen Besuch ausgewählt, wobei der Division "Library Services" (Evanston, Illinois) unser besonderes Interesse galt. Ameritech ist weltweit im Bereich Bibliotheksdienstleistungen tätig. Es arbeiten 3.333 Bibliotheken rund um den Globus mit Ameritech Bibliothekssystemen. In weiteren 2.000 Bibliotheken sind Serviceleistungen von Ameritech installiert, neun davon in Deutschland (u. a. bei der Technischen Fachhochschule Berlin). Der Werbeslogan von Ameritech lautet: "If technology doesn`t work for people, it doesn`t work." Um diesem Ziel gerecht zu werden, bietet Ameritech unterschiedliche Dienstleistungen an. Eine für den Zugriff auf fremde OPACs interessante Anwendung ist das von Ameritech entwickelte WEBPAC.

WEBPAC ist eine Server-Software, die es Bibliotheken erlaubt, das WorldWideWeb als "public client" für die Suche in Bibliothekskatalogen, Citation Indizes etc. im Internet zu nutzen. Dabei fungiert WEBPAC als "gateway" zwischen dem HTTP Protokoll und Z39.50 und ermöglicht so "Web-Browsern" in jeder unter Z39.50 geführten Datenbank, inklusive dem eigenen OPAC, im Internet Recherchen durchzuführen.

Seitdem Web-Browser für alle größeren Betriebssysteme zur Verfügung stehen, kann der Benutzer mit WEBPAC unterschiedliche Datenbanken mit der gleichen Oberfläche nutzen. Dabei entfällt die Notwendigkeit, zu jeder Datenbank die jeweiligen Suchkriterien oder Indizierungen zu kennen. Es besteht die Möglichkeit, im Internet zur Verfügung stehende Bibliothekskataloge (OPACs) unter Umgehung bestehender Formate mit der von WEBPAC vorgegebenen graphischen ( Standard HTML) Oberfläche zu benutzen. Damit wird das Ziel erreicht, Kataloge unterschiedlichen Aufbaus unter einer einzigen normierten selbsterklärenden Oberfläche von jedem Ort, an dem das Internet mit WorldWideWeb-Browsern zur Verfügung steht, zu nutzen. Es ist außerdem möglich, zwischen einer Rechercheoberfläche für Erstbenutzer oder für erfahrenere Benutzer zu wählen.

WEBPAC unterstützt alle Web-Browser, inklusive NCSA Mosaic, Netscape und Spyglass Mosaic. Auf dieser Grundlage besteht grenzenloser Zugang zu Bibliotheksressourcen, da Web-Clients für alle Betriebsysteme zur Verfügung stehen, egal ob es sich um Windows, OS/2, Macintosh System 7.x, X-Windows oder andere Betriebsysteme handelt. WEBPAC steht zur Zeit kostenlos unter http://webpac.als.ameritech.com zur Verfügung. Von hier aus ist man z. B. mit einigen Mouseklicks im Katalog der Library of Congreß, die immerhin bibliographische Daten zu mehr als 110 Millionen Publikationen über WEBPAC weltweit zugänglich macht. Ameritech selbst ist über http://www.ameritech.com zu erreichen.


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1) Teil 1 in BIBLIOTHEKSDIENST 30(1996) Heft 2.
2) s. Annual Review of OCLC Research 1994, URL: http://www.oclc.org/oclc/research/publications/review94.htm


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