Höhepunkte
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Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen National-
bibliothek. Und das geht selbstverständlich nicht alles auf
einmal, die Ausstellung wächst langsam und sukzessive. „Wir
haben darauf geachtet, dass wir im ersten Schritt nicht nur
bekannte Personen und deren Werk vorstellen, sondern auch
unbekanntere Künstler und Künstlerinnen berücksichtigen“,
erklärt Asmus. So sucht man auf der Website Anna Seghers
und Else Lasker-Schüler zwar noch vergeblich (Stand: An-
fang 2014), dafür findet man aber bereits den Fotografen
Eric Schaal, die Tänzerin Jo Mihaly oder den Designer
Heinz Schwerin.
Oder eben auch Künstler wie Rainer Bonar. Sein bildnerisches
Werk stand nicht im Einklang mit der offiziellen Kunstpoli-
tik der DDR. Die Militärführung ließ die Bilder vernichten,
Bonar wurde mehrmals verhaftet, sein Kunststudium durfte
er nicht beenden. Nach mehreren Ausreiseanträgen konnte
er 1981 schließlich in die Bundesrepublik ausreisen. Auch
dort blieb sich Bonar treu: Er regte politische Diskussionen
an und kämpfte gegen die Verharmlosung des DDR-Regimes.
Inhaltlich besteht die große Besonderheit der virtuellen
Ausstellung „Künste im Exil“ darin, dass sie die inzwischen
historischen Exile mit den Exilen der Gegenwart verbin-
det und auch Künstler zeigt, die heute in Deutschland
vor Verfolgung Zuflucht suchen. Wie zum Beispiel Liao
Yiwu. In Gedichten und Prosatexten hatte der chinesische
Schriftsteller, Dichter und Musiker seit den 1980er-Jahren
immer wieder die chinesische Regierung kritisiert. So ver-
fasste er 1989 beispielsweise ein Gedicht über das Massaker
auf dem Tiananmen-Platz. Es wurde schnell populär, und
der Schriftsteller wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Seine Erfahrungen von Gewalt und Folter während der
Haft hat er – in mehreren Anläufen, da das Manuskript
immer wieder konfisziert wurde – in seinem Buch „Für ein
Lied und hundert Lieder“ eindringlich beschrieben. Aus
der Haft entlassen, fand sich Liao Yiwu von Familie und
Kollegen isoliert. Er schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten
durch und begann in dieser Zeit, Interviews mit Menschen
zu führen, die am Rande der chinesischen Gesellschaft
stehen: eine Prostituierte, ein Feng-Shui-Meister, ein Grab-
räuber, ein Straßensänger und viele andere – Gespräche,
die die Grundlage unter anderem für sein Buch „Fräulein
Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von un-
ten“ bildeten. Permanent von Repressalien bedroht, gelang
es Liao Yiwu 2011, über Vietnam nach Deutschland zu
flüchten, er lebt seither in Berlin. Der Schriftsteller wurde
mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit
dem Geschwister-Scholl-Preis 2011 und dem Friedenspreis
des Deutschen Buchhandels 2012.
Präsentation des Projekts „Künste im Exil“ am 18. September 2013 im Bundeskanzleramt, Berlin: Liao Yiwu, Herta Müller, Bernd Neumann, Elisabeth Niggemann, Sylvia
Asmus und Parastou Forouhar (v. l. n. r.) schalten die virtuelle Ausstellung frei.