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DIGITALE
GRABENKÄMPFE
Musik ist nicht mehr an physische Tonträger gebunden. Das erschwert
den Sammelauftrag des Deutschen Musikarchivs, stellt aber vor allem die
Industrie vor scheinbar unlösbare Herausforderungen. Doch die meisten
Probleme sind hausgemacht – meint Medienunternehmer Tim Renner.
INTERVIEW: ULRICH ERLER
Herr Renner, Ihr 2011 erschienenes Buch heißt „Digi-
tal ist besser“. Erklären Sie doch jemandem, der kein
Digital Native ist, der noch viele Stunden mit den Fin-
gern gleichzeitig auf Play und Record vor dem Radio
verbracht hat, der dann zwar den Wechsel von Vinyl zu
CD mitgemacht hat – wenn auch nur zähneknirschend –,
der aber an MP3-Files einfach keinen rechten Gefallen
fnden kann, erklären Sie dem doch einmal, was denn
nun genau an digital so viel besser ist.
Digital ist die Fortsetzung der von Ihnen beschriebenen
analogen Pop-Kultur, jedoch mit optimierten Mitteln.
Unsere Finger auf der Play- und Record-Taste waren bereits
Ausdruck eines selbstbewussten Umgangs mit Pop-Kultur
einer neuen Generation. Wir haben den Medienmix aus
dem Radio und die Alben nicht mehr als gegebene Größe
akzeptiert, sondern selbst kompiliert. Wir haben uns das
Recht herausgenommen, Einfuss zu nehmen und Musik so
zu gestalten, wie es uns passt. So entstand auch Punkrock,
eine Musik die man selbst machen kann, auch ohne wirk-
lich ein Instrument spielen zu können. Oder deshalb gab
es die Mix-Tapes mit unterschiedlichen selbst zusammen-
gestellten Playlists. Wir hatten keine Lust mehr, eine Oper
vom Anfang bis zum bitteren Ende auszuhalten, wenn sie
uns nicht gefel. Nichts anderes passiert heute mit Hilfe
von MP3-Playern, Software wie „GarageBand“, auf YouTube
oder anderswo auf digitale Art und Weise. Es nennt sich User
Generated Content, Personal Playlist oder wie auch immer,
ist aber nichts wirklich Neues. Mich erinnert die aufgeregte
Diskussion um die Digitalisierung der Medien und das
Urheberrecht deshalb an die Kollision der Pop-aff inen
Jugend mit der Elterngeneration in den 1970er-Jahren. Im
Grunde haben wir es also lediglich mit der Fortsetzung der
Popkultur mit anderen Mitteln zu tun. Nur hat ein Groß-
teil des Bildungsbürgertums Pop einfach nicht verstanden
und steht deshalb ratlos vor den Entwicklungen des Inter-
netzeitalters.
Sven Regener von Element of Crime hat ja kürzlich in
einem Interview seinen Frust über die illegalen Down-
loads zum Ausdruck gebracht. Er sei es leid, nur weil
er auf das Urheberrecht pocht, als uncool bezeichnet zu
werden. Warum reagierte die Netzgemeinde überwiegend
hämisch?
Ich kenne Sven schon ein Vierteljahrhundert und schätze ihn
sehr. Seine Brandrede hat mich gefreut, weil er mit vielem
recht hat und außerdem eine nützliche Diskussion ausgelöst
hat. Die Häme im Netz bezog sich nicht auf seine Ausfüh-
rungen zum Urheberrecht. Das lässt sich im Übrigen aus
meiner Sicht nur durchsetzen, wenn es legale Alternativen
gibt, die mindestens den gleichen Angebotsumfang wie
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