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bearbeitet. Kürzlich hat sich zum Beispiel ein Musikredak-
teur für alte Aufnahmen von Manfred Krug interessiert. Ahl
spielt die Titel ein und digitalisiert sie, natürlich in unkompri-
mierten WAV-Dateien mit allen Höhen und Tiefen, nicht in
klangreduzierten MP3-Files. Ist das betrefende Werk seit zwei
Jahren nicht mehr im Handel erhältlich, kann es auf eine CD
kopiert werden und diese gegen eine Bearbeitungsgebühr vom
Besteller zur privaten oder wissenschaftlichen Nutzung bezogen
werden. Bei Benutzung im Lesesaal steht es vier Wochen lang
auf einem Server zur persönlichen Benutzung bereit. Von dem
Moment der Bestellung an dauert das je nach Tonträger und Be-
trieb wenige Stunden bis maximal zwei Tage. Hören kann man
es optional im Multimedialesesaal der Deutschen Nationalbib-
liothek in Frankfurt am Main oder im Musiklesesaal in Leipzig.
Die Qualitätsansprüche dieser Serviceleistung sind hoch. Es gilt
die Maßgabe, den Klang der Originaltonträger im Digitalisat
tontechnisch in optimaler, aber auch möglichst originalgetreu-
er Qualität einzufangen. So wird auf jegliche Beeinträchtigung
des Ursprungsmaterials durch Rauschunterdrückung oder
Klangbearbeitung verzichtet. Wie ernst man es im Deutschen
Musikarchiv mit der Klangqualität nimmt, zeigt eine Kleinigkeit:
Momentan erwartet das Musikarchiv eine Lieferung von spezi-
ellen Nadeln für Schellackplatten mit Diamanten aus England.
Diese Diamanten sind so geschlifen, dass sie die Tonrillen
optimal abtasten und mit möglichst wenig Aufagedruck
belasten und gleichzeitig den Klang optimal abnehmen.
Der Weg zu dem Musiklesesaal in Leipzig führt über einen
Steg. Er verbindet die im zweiten Obergeschoss des Hauptge-
bäudes eingerichtete Dauerausstellung des Musikarchivs, die
Klassiker und Kuriositäten des tontechnischen Fortschritts aus
den vergangenen 130 Jahren präsentiert (mehr hierzu ab Seite
36), mit dem futuristischen Neubau im Innenhof. Vollverglast
bietet der Musiklesesaal auf zwei Etagen alles Wünschenswer-
te, um sich intensiv mit Musik auseinanderzusetzen: eine um-
fangreiche Handbibliothek mit 5.000 musikwissenschaftlichen
Nachschlage- und Standardwerken, 30 laufende Zeitschriften,
18 großzügige Arbeitsplätze, von denen vier über eine heraus-
ziehbare Klaviatur verfügen. Die Rechner sind mit exzellen-
ten Soundkarten ausgestattet, auch die Kopfhörer sind vom
Feinsten. Nur Schallplatten, CDs oder Abspielgeräte sind
nirgendwo zu entdecken, nicht mal der Schlitz eines Laufwerkes.
Allzeit bereit: Tausende CDs
kann man direkt anhören
„Wir müssen unseren Auftrag, die Werke zugänglich zu ma-
chen, mit unserer Pficht, sie auf Dauer zu bewahren, in Ein-
klang bringen“, erklärt Franziska Bohr, Leiterin des Lesesaals.
Zu dem Schutz der empfndlichen Tonträger kommt der
Schutz der Urheberrechte. Um zu verhindern, dass Nutzer die
Werke mal eben so kopieren, kann man hier zwar jedes Werk
hören, die zugehörige Schallplatte oder CD hingegen erhält
man nicht. Und wenn man sich für die Texte in den Booklets
oder die Gestaltung von Plattenhüllen interessiert? „Unsere
Gäste bekommen vorgelegt, was sie benötigen“, so Bohr. Will
man im Lesesaal Musik hören, muss man sie nicht unbedingt
vorher aus den Magazinen bestellt haben – so das Konzept.
Neben der persönlichen Bereitstellung ist auch der direkte
(selbständige) Zugrif über den Katalog möglich: Rund 15.000
CDs hat das Musikarchiv bereits auf einen Server spielen
lassen, jeden Tag kommen 500 weitere hinzu. Diese Titel kann
man jederzeit und sofort – hier und in Frankfurt am Main
– anhören. Ein schöner Service. Die massenhafte Digitalisie-
rung hat gleichwohl noch einen anderen Grund: der Zahn der
Zeit. Chemische Prozesse sorgen dafür, dass die archivierten
CDs immer schlechter lesbar sind. Insofern dient die aufwen-
dige Migration der Daten in ein sicheres Speicherumfeld ihrer
akuten Rettung und Bewahrung für die Zukunft.
Welche Menschen nutzen die Angebote des Musiklesesaals?
Und warum? Franziska Bohr erzählt von den „Entspan-
nungsnutzern“, die in Lernpausen aus den anderen Lese-
sälen des Hauses hierher kommen, um Musik zu hören.
Von Musikliebhabern, die sich Noten ausleihen und auf der
Klaviatur spielen. Von Forschern, die über ihren musikwis-
senschaftlichen Arbeiten brüten. Von Chorleitern, die Leih-
materiale einsehen. Und sie erzählt von Anfragen, die an das
Deutsche Musikarchiv in seiner Funktion als musikbiblio-
grafschem Informationszentrum gestellt werden. Oft geht
es um komplexe Forschungsfragen, manchmal aber auch
nur um die Melodie zu einem bestimmten Text. Einmal,
erinnert sich Bohr, hat eine Anruferin auf ihrer verzwei-
felten Suche nach dem Titel eines Liedes dessen Melodie
kurzerhand per Mundharmonika vorgespielt. Was tut man
in solch einem Fall? „Wir hören zu, versuchen den Titel zu
erkennen und die Frage zu beantworten. Dafür sind wir ja
da und wir haben fast alles.“
Links:
Auf dem Weg zum
Musiklesesaal passiert man die
Dauerausstellung des Archivs.
Anhand von prägenden, zum Teil
auch kuriosen Objekten vollzieht
sie die technische Entwicklung der
Tonträger und Abspielgeräte seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts
bis heute nach: von der Nadel
zum Laser, vom handbetriebenen
Grammophon zum DVD-Player
und von der Notenrolle zum
MP3-File.
Rechts:
Bis 2010 befand sich
das Deutsche Musikarchiv in
Berlin. Mit Fertigstellung des
vierten Erweiterungsbaus zog es
2010 an den Leipziger Standort
der Deutschen Nationalbibliothek
am Deutschen Platz.

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