die illegalen Angebote haben. Derzeit sind die legalen Ange-
bote aber schlechter als die illegalen – sie erscheinen später
und sind nicht verbraucherfreundlich.
Weshalb dann die Häme?
Die negativen Kommentare bezogen sich hauptsächlich auf
die Ignoranz etablierter Musikschafender, die völlig aus-
blenden, was im Netz alles passiert. Es gibt keineswegs, wie
von Sven behauptet, seit 15 Jahren ein durch das Internet
verursachtes Musikloch, sondern viele spannende Entwick-
lungen und neue Genres, die nur nicht mehr in den alten
Medien verhandelt werden. Mir geht es um eine Demokra-
tisierung der Musik- und Medienwelt von unten: Sparten-
sender in TV und Radio, Online-Medien und Weblogs sowie
Mikromedien aller Art. Viele Kulturschafende, insbesondere
auch Musiker leben inzwischen sehr gut von den neuen
Geschäftsmodellen im Internet. Früher kamen beim Musiker
nicht mehr als fünf Prozent des Endverkaufspreises an. Auf
seinem YouTube-Channel bekommt er heute bis zu 50 Prozent
der Werbeeinnahmen. Und bei der Direktvermarktung über
Amazon sind bis zu 70 Prozent des Umsatzes drin. Die
Programm- und Deutungshoheit liegt eben längst nicht
mehr bei einigen wenigen. Wenn die Massen Medien
machen, machen Massenmedien keinen Sinn mehr. Dass diese
Entwicklung nicht allen schmeckt, ist nur allzu gut nachvoll-
ziehbar.
Es geht also gar nicht darum, im Internet alles um-
sonst zu bekommen?
Überhaupt nicht. „Free“ ist nichts anderes als eine Chimäre.
Dass Musiker für ihre Kunst bezahlt werden müssen, sofern
sich ein Publikum dafür fndet, ist doch unstrittig. Gutem
Content wird im Netz auch eine Wertschätzung entgegen-
gebracht – entweder durch zusätzliche Zeit, die für Werbe-
einblendungen notwendig ist, durch persönliche Daten oder
durch Geld, das für freie Zugänge anfällt. Vor allem ist es ja
so, dass ich heute als Künstler im Internet wesentlich mehr
Geld verdienen kann als auf traditionellem Weg, weil ich die
ganzen Zwischenhändler nicht mehr benötige. Aber dafür
muss ich mich eben mit dem Netz beschäftigen, es verstehen
und als gesetzt akzeptieren. Das macht die Musikindustrie bis
heute nicht konsequent. Mit der Einführung von CDs wur-
den noch riesige Gewinne erzielt. Dann kam es durch die
legalen und illegalen Downloads zu dramatischen Einbrüchen.
Dieser nicht enden wollende Sinkfug hält bis heute an, weil
sich alte Geschäftsmodelle einfach nicht eins zu eins auf neue
Gegebenheiten übertragen lassen. Hier muss radikal umgedacht
werden. Was Sven Regener – und mit ihm viele Musikschafen-
de – verkennt, ist, dass alle ACTA-Abkommen dieser Welt die
Situation der Kreativen nicht verbessern werden. Der Erfolg
jedes Geschäftsmodells hängt entscheidend davon ab, die Wün-
sche und Bedürfnisse der Kundschaft zu erfüllen. Und da sich
das Rad nun mal nicht zurückdrehen lässt, kann es deshalb
künftig nur darum gehen, unter den gegebenen Bedingungen
neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die funktionieren.
Apple hat das als branchenfremdes Unternehmen ofen-
bar verstanden und ist mit iTunes zu einem der größten
Musikhändler geworden. Wieso sind die Musikfrmen
nicht in der Lage, den digitalen Markt zu erobern?
Dazu muss man in Sachen Aktualität, Qualität und Voll-
ständigkeit mindestens so gut sein wie die Konkurrenz. Egal,
ob man das fair fndet oder nicht, besteht der Wettbewerb
eben auch aus illegalen Angeboten. Die Musikindustrie hätte
sich in den letzten 15 Jahren immer wieder die Frage stellen
müssen, wie die Menschen Musik konsumieren und wie die
sich wandelnden Bedürfnisse so befriedigt werden können,
dass alle Beteiligten noch genug verdienen. Für diese Frage-
stellung hat sich die Musikindustrie aber nicht interessiert,
da sie in einer Welt verhaftet blieb, in der ein Konsument ein
Produkt in der Form zu akzeptieren hat, wie es ihm vom Pro-
duzenten angeboten wird. Diese Haltung hat zunächst dazu
geführt, dass man Ende der 1990er-Jahre die große Chance
verpasst hat, eine eigene Downloadplattform zu schafen.
Wer Musik downloaden wollte, musste dies zwangsläufg
illegal tun. Das prägte eine halbe Nutzergeneration. Auch
heute noch hat man den Eindruck, dass die Medienindustrie
die Notwendigkeit der Ausrichtung an den Bedürfnissen der
Kunden immer noch nicht verinnerlicht hat. Viele Nutzer
besorgen sich heutzutage zum Beispiel amerikanische TV-
Serien schlicht deshalb illegal, weil es in Deutschland keine
legalen Angebote gibt.
Nun bleibt ja die Entwicklung nicht stehen. Mit Spotify
gibt es eine neue Plattform, auf der sich Konsumenten
gegen eine Lizenzgebühr Musikstücke als Stream anhö-
ren, aber nicht erwerben können. Die Lizenzgebühren
werden entweder über ein Abonnement oder Werbung
fnanziert. Unterschiedliche Berechnungen sprechen da-
für, dass bei diesem Modell den Künstlern unter dem
Strich fast nichts bleibt.
Der eigentliche Knackpunkt ist doch der Vertrag zwischen
Plattenfrma und Künstler. Wenn beispielsweise Sven Regener
mit seiner Band Element of Crime seine Alben selbst produ-
zieren und die eigenen Rechte kontrollieren würde, könnte
er ein Vielfaches verdienen. Die Ärzte, die Toten Hosen oder
auch Xavier Naidoo machen es ja mit ihren Veröfentlichungen
bei eigenen Plattenfrmen vor.
Wann werden die Download-Umsätze die Einbrüche
bei der CD aufangen?
Bei uns beträgt der Marktanteil der CD gegenüber dem le-
galen Download zwar immer noch 83 Prozent, ich bin aber
ziemlich sicher, dass der Niedergang der CD noch weitergehen
wird. In Frankreich und Schweden ist der Marktanteil der ge-
kauften Downloads schon wesentlich größer. Dort wächst der
gesamte Musikmarkt auch wieder, was zeigt, dass die Leute be-
reit sind Geld auszugeben, wenn nur die Convenience stimmt.
Ich rate der Musikindustrie, Musikinteressierten unserer
g
Rechts:
Dass man als Musiker nicht
unbedingt ein Label benötigt, beweist
die Berliner Sängerin Zoe Leela. Für das
Debüt-Album der jungen Kreuzbergerin
konnten bereits im ersten Monat nach der
Veröffentlichung über 34.000 Downloads
registriert werden.
Links:
Der Element-of-Crime-Sänger
Sven Regener hat in einer Brandrede das
Urheberrecht verteidigt und Google und
YouTube verfucht. Illegale Downloads
seien Diebstahl von geistigem Eigentum
und keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Die
Vorstellung, man könne auf Plattenfrmen
verzichten und würde dann trotzdem noch
dieselbe Musiklandschaft vorfnden, hält er
für einen großen Irrtum.
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