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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 98

Essential management techniques for the technology-based special library

"Train-the-Trainers" Workshop in Berlin

Martina Büsse

In den letzten Jahren hat sich das Umfeld der Wissenschaftlichen Spezialbibliotheken wie des ganzen Bibliothekswesens rasant verändert. Kommunikation und damit auch Informationsfluß sind global und schneller; die Informationsquellen sind vielfältiger geworden. Die bisherige Organisation im deutschen Bibliothekswesen, beruhend auf den Faktoren Sammeln - Erschließen - Bewahren - Präsentieren, wird diesen Veränderungen nicht mehr gerecht. Wie schaffen wir es, unsere Spezialbibliothek ihrem sich stetig entwickelnden Umfeld anzupassen?

Im Rahmen des Projektes "New book economy" der Europäischen Union wurde vom Deutschen Bibliotheksinstitut ein Train-the-Trainer Workshop veranstaltet, um organisatorische Strukturen zu vermitteln, mit deren Hilfe dies möglich ist. Referentin war Barbie E. Keiser aus New York, die mit ihrer Firma Barbie E. Keiser, Inc. Information, Resources, Management, Consulting Bibliotheken international Service und Beratung anbietet. Vom 8. - 11. September 1998 trafen sich zu diesem Workshop in Berlin 20 Teilnehmer; Führungskräfte aus den unterschiedlichsten europäischen Spezialbibliotheken sowie Dozenten von bibliothekarischen Ausbildungsstätten.

Organisationsentwicklung und ihre Umsetzung

Naturgemäß sollte an erster Stelle eine Ist-Analyse stehen. Wir müssen die Strukturen und die Ziele der Institution, der unsere Bibliothek zugeordnet ist, nachvollziehen. Um sinnvolle Veränderungen durchzuführen, muß zunächst klar werden, was sich an den Anforderungen unserer Benutzer, nämlich der einzelnen Abteilungen und Mitarbeiter unserer Institution, geändert hat. So ist es zunehmend wichtig, nicht nur in der Bibliothek vorhandene Information in Form von Büchern und Zeitschriften zu erschließen, sondern zusätzlich auch den Zugang zu externen Informationsquellen (z. B. Datenbanken über Internet) zu erleichtern. Der zunehmende Einsatz von Neuen Technologien birgt einerseits die Notwendigkeit, interne Organisation umzustrukturieren (bis vor einigen Jahren hat es z. B. in Bibliotheken keine Stellen für "Systembetreuer" gegeben), sollte gleichzeitig aber auch als Chance begriffen werden, kommenden Anforderungen besser gerecht zu werden. So ist es durch die Erleichterung mancher traditionellen Arbeiten (z. B. Fremddatenübernahme in der Katalogisierung) möglich, Zeit für neue Anforderungen zu gewinnen. Bei aller Organisationsentwicklung sollte das primäre Ziel immer die "Erhöhung von Effektivität und Effizienz des Unternehmens Spezialbibliothek" sein.

Die Grundsteine einer solchen Entwicklung bilden:

Informationen: eine Ist-Analyse
Ein formuliertes Ziel: Dieses Ziel kann ruhig etwas weit gefaßt sein, wie z. B.: Wir wollen besseren Service für unsere Benutzer leisten.
Strategie: Schritt-für-Schritt-Plan für den Weg zum Ziel und für die Kontrolle des Erfolgs
Menschen: deren Fähigkeiten und soziales Umfeld. Sämtliche Mitarbeiter müssen in den Prozeß der Erneuerung mit einbezogen werden. Die persönlichen Fähigkeiten und Vorlieben sollten so weit wie irgend möglich berücksichtigt werden und vor allem muß eine kontinuierliche Fortbildung gewährleistet sein.
Werkzeuge: Hardund Software usw.

Bei allen Veränderungen, die geplant werden, ist es essentiell notwendig, daß alle betroffenen Personen in den Neuerungsprozeß mit einbezogen werden. Sowohl Vorgesetzte als auch Mitarbeiter sollten auf keinen Fall von Neuerungen überrascht werden, ebenso wenig wie Benutzer.

Entwicklung neuer Serviceangebote in der Bibliothek

Im folgenden zunächst einige Fragen, mit deren Hilfe wir feststellen können, wie das vorhandene Serviceangebot aussieht:

Wenn wir neue Angebote entwickeln, müssen wir uns darüber klar werden, was unsere Benutzer an Informationen wirklich brauchen. Es hat wenig Sinn, Energie, Zeit und Kosten für einen neuen Service aufzubringen, den wir zwar ganz wunderbar finden, der aber nicht angenommen wird. Überlegungen, die wir anstellen sollten, sind: Im dauernden Dialog mit sämtlichen Nutzern unserer Bibliothek können wir deren Anforderungen an uns und vor allem die Veränderungen daran erkennen. Dies kann im persönlichen Einzelgespräch, in Mitarbeitersitzungen oder auch über einen "Kummerkasten" geschehen. Sollten Vorschläge oder Wünsche formuliert werden, ist die einzig richtige Reaktion darauf: Wie können wir dies verwirklichen? Können wir es nicht, müssen wir dies begründen, und zwar so, daß derjenige, der diesen Vorschlag gemacht hat, es nachvollziehen kann. Im Idealfall wissen wir sehr genau, was in unserer Institution und ihren einzelnen Abteilungen vorgeht und sich verändert und können eventuellen Benutzerwünschen mit einem entsprechenden Serviceangebot begegnen, bevor sie explizit formuliert werden.

Je mehr und je gezielter wir Serviceangebote bieten, desto höher wird der Wert der Bibliothek eingeschätzt werden. Niemanden unserer Benutzer interessiert, wieviel Arbeit und Zeit tatsächlich aufgewandt wurde. Sämtliche Zeit, die wir mit internen Arbeiten verbringen (Akzession, Katalogisierung, Periodikaverwaltung usw.) hat keinerlei Wirkung nach außen. Nur unsere Serviceangebote (nicht der Katalog an sich, sondern die Einführung zum effektiven Suchen und Finden darin) werden als Leistung begriffen. Natürlich ist es notwendig, interne Arbeiten als Grundlage zu erbringen. Aber die Leistung einer Spezialbibliothek wird ausschließlich an ihrem Serviceangebot gemessen: Einführungen zur Benutzung unserer Bibliothek, Neuerwerbungslisten, Zugang zu einer neuen Datenbank, Einführungen zur Benutzung dieser Datenbank usw. Das bedeutet, daß wir versuchen müssen, unsere Organisation so um zu strukturieren, daß wir möglichst wenig Zeit für interne Arbeiten aufwenden.

Faktoren, die wir bei Einführung eines neuen Serviceangebots berücksichtigen müssen:

Einsatz und Motivierung der Mitarbeiter zur andauernden Entwicklung

Auch hier steht am Anfang die Ist-Analyse:

Sind Arbeitsplatzbeschreibungen mit Zeitangaben vorhanden, sollte jeder Mitarbeiter seine entsprechend daraufhin durcharbeiten, ob sie den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.

Wir sollten diese Dokumente sehr sorgfältig daraufhin prüfen, ob unsere Ziele, die wir uns gesetzt haben, wirklich sinnvoll umgesetzt werden. Sehr oft wird es der Fall sein, daß erheblich mehr Zeit für interne Tätigkeiten aufgewandt wird, als für die Außenwirkung der Bibliothek. Wo kann Zeit eingespart werden, um mehr Serviceangebote entwickeln zu können?

Damit eine Umstrukturierung und Entwicklung durchgeführt werden kann, muß zunächst jeder einzelne Mitarbeiter sich darüber im klaren sein, warum überhaupt dauernde Entwicklung nötig ist. Die Ziele der Bibliothek müssen eindeutig und immer wieder formuliert werden und es muß erreicht werden, daß alle sich mit diesen Zielen identifizieren. Wir können uns mit folgenden Überlegungen darüber klar werden, ob wir wirklich alle Mitarbeiter motiviert haben:

Wir müssen unbedingt klarstellen, daß keine Stelle in der Bibliothek gefährdet ist. Dazu sollte ein Gesamtkonzept ausgearbeitet werden, so daß jeder, der irgendwo Zeit einsparen soll, bereits weiß, was mit dieser gewonnenen Zeit getan wird. Es muß klar sein, daß die Qualität der Bibliothek und ihres Angebotes durch die Einsparung steigt, da höherwertige Tätigkeiten erbracht werden müssen.

Was kann motivieren?

Zur dauernden Anpassung der Bibliothek an neue Anforderungen müssen Wissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter ständig steigen. Das kann nur durch dauernde interne und externe Fortbildung erreicht werden.

Marketing für Spezialbibliotheken

Für den Begriff Marketing gibt es mannigfaltige Definitionen. Ein Standardwerk der Betriebswirtschaftslehre, der Wöhe, bezeichnet Marketing als "Lehre von der optimalen Gestaltung des Absatzbereichs" oder auch als "(marktbezogene) Betriebswirtschaftslehre". Für unsere Zwecke möchte ich Marketing definieren als unsere Methoden, wie wir uns "vermarkten", sowohl unseren Geldgebern als auch unseren Kunden (Benutzern) gegenüber.

Marketing für unsere Geldgeber

Der typische Haushaltsplan einer Spezialbibliothek ist aufgeteilt in Aufwendungen für Personal, Monographienerwerbung, Periodikaerwerbung, Buchbinder, Hardware usw. Wir sollten eine neue Aufteilung schaffen, und zwar bezogen auf unsere Leistungen für die einzelnen Abteilungen unserer Institution. So heißt es in unserem neuen Plan nicht mehr: Wir haben so und so viel für Monographien ausgegeben, sondern: Wir haben so und so viel für die Erbringung dieser bestimmten Leistung für diese bestimmte Abteilung aufgewandt. Dafür ist vor allem die vom Personal für diesen bestimmten Service aufgebrachte Zeit sehr wichtig. Diese Betrachtungsweise wird den Wert der Bibliothek für ihre Institution steigern.

Außerdem können wir diese Berechnungen als Werkzeug anwenden. Nun können wir prüfen, für welche Ziele und Projekte das meiste Geld ausgegeben wird. Wir müssen uns überlegen, welche Benutzergruppen für uns die wichtigsten sind und ob wir tatsächlich unsere Mittel für unsere Ziele richtig einsetzen. Der nächste Schritt ist die Überlegung, ob und wie wir neue Geldgeber gewinnen können: z. B. die eigene Institution, andere Benutzer, Sponsoren...

In diesen Zusammenhang gehört ebenfalls das Thema Outsourcing. Gründe für ein sinnvolles Outsourcing können sein:

Andererseits sollten wir genauso darauf sehen, ob wir nicht anderen Bibliotheken eine bestimmte Leistung von uns anbieten können, die wir besser erbringen können (sog. "Insourcing").

Marketing für unsere Benutzer

Zunächst müssen wir uns darüber klar werden, was wir "vermarkten" wollen; müssen uns also wieder die formulierten Ziele für unsere Bibliothek vergegenwärtigen.

Marketing fängt bei dem Erscheinungsbild unserer Bibliothek an:

Bei Produkten (Service), die wir anbieten wollen, sollten die folgenden Faktoren berücksichtigt werden: Wenn wir neu Entwickeltes anbieten, muß es als Service unserer Bibliothek eindeutig identifizierbar sein. Sehr hilfreich ist ein gleichbleibendes äußeres Erscheinungsbild (z. B. ein Logo, die Schriftart usw.), egal ob es nun auf Papier oder elektronisch ist. Egal ob Literaturlisten oder Faltblätter (Broschüren) über neue Dienste, wir müssen einfache Aussagen für den Benutzer treffen: Es sollten möglichst alle Fragen beantwortet sein, um den Service tatsächlich nutzen zu können. Im Englischen gibt es die "5 W's": What, Who, When, Where, Why. Ist ein neuer Service eingerichtet, sollte sehr sorgfältig auf seine Akzeptanz und Nutzung geachtet werden. Auch dies ist ein Bestandteil des Marketings. Wir müssen erkennen können, ob ein neues Produkt angenommen wird und auch, ob ein älteres vielleicht nicht mehr genutzt wird. Geht die Nachfrage nach einem bestimmten Serviceangebot zurück, müssen wir dieses modifizieren, oder vielleicht einer anderen Benutzergruppe anbieten - oder es absetzen und dafür neue Angebote entwickeln.

Denn eine Organisationsentwicklung passiert nicht einmalig und dann vielleicht wieder in 20 Jahren, sondern sollte ein andauernd fließender Prozeß sein. So wie sich unser Umfeld verändert, müssen wir uns immer wieder anpassen, im Idealfall angetrieben durch die Flexibilität und Motivation aller Mitarbeiter der Bibliothek.

Konkreter Ausblick nach diesem Train-the-Trainer Workshop

Bei einigen der Anwesenden ist deren Multiplikatorenfunktion ganz selbstverständlich dadurch gegeben, daß sie Dozenten an bibliothekarischen Ausbildungsstätten sind. Viele der anderen Kollegen sind aus den unterschiedlichsten Spezialbibliotheken und werden die neu gewonnenen Kenntnisse an ihre fachbezogenen Arbeitsgemeinschaften weitergeben (z. B. an Kunst- und Museumsbibliothekare, Medizinbibliothekare etc.). Ebenfalls geplant sind Arbeitsgruppen in einzelnen Städten, wo sehr viel besser reger Austausch gehalten werden kann, um diese Ideen gemeinsam durchzusetzen.

An dieser Stelle sei sowohl der ausgezeichneten Referentin Barbie E. Keiser nochmals gedankt, als auch dem DBI und Frau Morgenstern für die Ausrichtung dieses sehr lehrreichen und interessanten Workshops. Hoffentlich erreichen diese Ideen möglichst viele Kollegen!

Literaturhinweise

Somorowsky, Beate: Organisationsanalyse und Organisationsoptimierung in Spezialbibliotheken. Workshop, Leipzig, 17. - 19. Juni 1998. BIBLIOTHEKSDIENST 32 (1998)8, S. 1377 ff

Keiser, Barbie E.: Essential management techniques for the technology-based special library. Berlin, September 1998. Manuskript zum Workshop

Wöhe, Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. - München, 18. Aufl. 1993, S. 632


Stand: 07.10.98
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