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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 6, 98

Die Komplexitäts-Index-Analyse zur Unterstützung der Prozeßkostenrechnung

Abschätzung der Kostenwirksamkeit einer Teilautomatisierung der passiven Fernleihe

Martin Karlowitsch

1. Ausgangslage: Zur Notwendigkeit einer Kostenrechnung in wissenschaftlichen Bibliotheken

Viele wissenschaftliche Bibliotheken befinden sich zur Zeit in einem Dilemma: Einerseits wurde und wird die Notwendigkeit zur Steigerung der Benutzerorientierung erkannt und als bibliothekarisches Ziel etabliert. Infolge dieser Erkenntnis müssen Maßnahmen ergriffen werden, die nicht mehr mit vorhandenen Ressourcen realisiert werden können und hohe Ausgaben verlangen. Diesem Wunsch zur "Investition in die Benutzerfreundlichkeit" steht andererseits die sich verschlechternde finanzielle Situation öffentlicher Haushalte entgegen, die den Handlungsspielraum der Bibliotheken empfindlich einschränkt.

In dieser Situation ist die in öffentlichen Institutionen dominierende Kameralistik zur Entscheidungsunterstützung überfordert, da sie lediglich Zahlungsströme fokussiert, ohne die mit diesen Strömen korrespondierenden Ressourcenverbräuche darstellen zu können. Mithin wird als Ausweg aus diesem Dilemma in jüngster Zeit vielfach das betriebswirtschaftliche Instrumentarium der Kostenrechnung propagiert, mit dem in den anstehenden Entscheidungssituationen die relevanten und geeigneten Informationen gewonnen werden können.1)

Dabei übersehen die Protagonisten einer Kostenrechnung, daß deren Einführung in öffentlichen Einrichtungen nicht en passant vollzogen werden kann. Vielmehr ist die Kostenrechnung ein zwar mächtiges, aber eben auch diffiziles Entscheidungsunterstützungsinstrument, dessen erstmalige Umsetzung Ressourcen bindet. M.a.W.: Auch die Implementierung einer Kostenrechnung verursacht Kosten, die von der einführenden Organisation getragen werden müssen. Es stellt sich also die Frage, ob es nicht in gewissen Fällen sinnvoll sein kann, auf einigen Stufen der Kostenrechnung auf ein Stück Informationsqualität zu verzichten und somit stellenweise eine vereinfachte Datenerhebung zu Lasten eines hohen Informationswertes anzustreben.

Dieses Problems hat sich die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Düsseldorf im vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten DBI-Projekt "Der Wettbewerb auf dem Informationsmarkt. Findung einer praxiswirksamen Marketingstrategie für Bibliotheken"2) angenommen. So wurden beispielhaft mit einem in der Betriebswirtschaftslehre erstmals 1996 vorgestellten Ansatz die kostenmäßigen Auswirkungen der Teilautomatisierung des Fernleihprozesses in der ULB Düsseldorf durch einen Vergleich der Zustände vor und nach der Umstellung aufgezeigt. Im folgenden soll nun die dabei verwendete Methode vorgestellt und einer kritischen Reflexion unterzogen werden.3)

2. Die Grundidee der prozeßorientierten Kostenermittlung

Bevor dies geschieht, sollte zunächst innerhalb des betriebswirtschaftlichen Instrumentenkanons der Kostenrechnung ein geeignetes Vorgehen bzw. "Denkmuster" zur Kostenermittlung in Bibliotheken identifiziert werden. Dabei sollte dieses in der Lage sein, das in Bibliotheken virulente Problem der adäquaten Behandlung der Gemeinkosten4) größtenteils zu lösen.

Ein Verfahren, das eine beanspruchungsgerechte Verrechnung5) der Gemeinkosten auf die einzelnen Leistungen ermöglicht, ist die sogenannte Prozeßkostenrechnung.6) Grundlage dieser ist die Erkenntnis, daß ein Großteil der zur (Dienst-)Leistungserbringung elementaren Abläufe abteilungsübergreifend organisiert ist und daß sich daher das Kostenrechnungssystem von seiner üblichen funktionsbereichsorientierten Sichtweise lösen muß.7) Für den bibliothekarischen Bereich kann dieser Gedankengang ebenfalls vollzogen werden, wenn man berücksichtigt, daß die Dienstleistung "Abwicklung einer passiven Fernleihe" nicht nur in der Fernleihstelle vollzogen wird, sondern daß in Düsseldorf z. B. die Ausleihe für die Weitergabe der erhaltenen Titel an die Benutzer verantwortlich zeichnet. Eine Kostenrechnung, die zur Ermittlung der Kosten einer Fernleihe lediglich die in der Fernleihstelle anfallenden Kosten berücksichtigt, greift hier zu kurz. Vielmehr müssen auch die z. B. in der Ausleihe entstehenden Kosten auf die jeweilige Fernleihbestellung verrechnet werden.

Aus diesem Grunde werden bei der Einführung einer Prozeßkostenrechnung in einem ersten Schritt mit einer Tätigkeitsanalyse die Arbeitsschritte und ihre Zusammenhänge zur Erbringung einer bestimmten Leistung eruiert. Dabei werden die wesentlichen Dienstleistungen einer Bibliothek als "Hauptprozesse" charakterisiert (z. B. Abwicklung einer passiven Fernleihe),8) die sich dann gemäß der obigen Überlegungen zumeist über mehrere Abteilungen/ Kostenstellen erstrecken. Für jeden Hauptprozeß sind sodann Hypothesen über die Faktoren zu formulieren, die seine Kosten langfristig maßgeblich bestimmen.9) Diese Faktoren werden in der betriebswirtschaftlichen Terminologie als "Cost Driver" bezeichnet.

Wichtig dabei ist die Erkenntnis, daß Cost Driver und die Kosten des jeweiligen Hauptprozesses lediglich in einer langfristigen kausalen Beziehung zueinander stehen.10) So ist der Cost Driver für den Prozeß "Passive Fernleihe abwickeln" sicherlich die Anzahl der zu erledigenden Fernleihen, da mit einem permanenten Anstieg dieser Zahl irgendwann einmal die Kapazität der bearbeitenden Mitarbeiter ausgeschöpft ist und neues Personal zur Fernleihbearbeitung herangezogen werden muß. Kurzfristig allerdings werden die Kosten einer Fernleihbestellung bei - üblicherweise auftretenden - Schwankungen des Fernleihvolumens nicht variieren. Berens/ Schmitting sprechen in diesem Kontext von einer "Entkoppelung von Ressourcenbeanspruchung und Kostenverursachung"11).

Die in einer einzelnen Abteilung vollzogenen Tätigkeiten, die in den Hauptprozeß eingehen, werden als Teilprozesse bezeichnet. Mit einer Teilprozesse umfassenden Tätigkeitsanalyse kann offengelegt werden, aus welchen abteilungsinternen Teilprozessen sich ein abteilungsübergreifender Hauptprozeß zusammensetzt.12) Nach der Visualisierung der Prozeßstruktur muß die Kapazität, also im wesentlichen die Ausstattung mit Personal und Sachmitteln, der jeweiligen in den Hauptprozeß involvierten Abteilungen festgestellt sowie aus der Kostenstellenrechnung13) die Kosten für diese Ressourcenbereitstellung in den einzelnen Abteilungen quantifiziert werden. In der Zuordnung dieser Kosten zu den einzelnen Teilprozessen liegt der entscheidende Schritt der Prozeßkostenrechnung zur Lösung des Problems der adäquaten Gemeinkostenverrechnung.

Um dies zu erreichen, werden zunächst für die einzelnen Teilprozesse die sie kennzeichnenden Maßgrößen bzw. Bezugsgrößen identifiziert.14) Dies sind die Größen, die eine Abhängigkeit des jeweiligen Teilprozesses vom Leistungsvolumen der jeweiligen Abteilung beschreiben. Mit ihrer Hilfe kann das "Mengengerüst" der Teilprozesse offengelegt werden. Exemplarisch für den Hauptprozeß "Passive Fernleihe abwickeln" lassen sich folgende Teilprozesse mit ihren jeweiligen Bezugsgrößen herausstellen:

Nun gilt es durch Zeitaufschreibungen zu dokumentieren, wie oft in dem zugrundeliegenden Abrechnungszeitraum diese Teilprozesse ausgeführt wurden und welche Bearbeitungszeit dafür aufgebracht werden mußte. Mit dem somit erhobenen Mengen- und Zeitgerüst der einzelnen Abteilungen können dann die Kosten der sich in diesen Abteilungen vollziehenden Teilprozesse errechnet werden.

So wird zunächst der Teilprozeßkostensatz ermittelt, indem die Gesamtprozeßkosten15) durch die Prozeßmenge geteilt werden. Nachdem für alle Teilprozesse die Prozeßkosten und die Prozeßkostensätze ermittelt wurden, müssen die Teilprozesse wiederum zu den ihnen übergeordneten Hauptprozessen zusammengeführt werden. Dazu werden die jeweiligen Kosten der eingehenden Teilprozesse addiert, und man bekommt die Kosten des Hauptprozesses. Auch hier läßt sich sodann durch eine Division durch die Cost-Driver-Menge (im Beispiel die Anzahl der abgewickelten Fernleihen) der Hauptprozeßkostensatz berechnen.

Wie zu erkennen ist, stellt die Prozeßkostenrechnung ein Verfahren dar, das in sehr differenzierter Art und Weise Kostentransparenz in den Gemeinkostenbereichen hervorbringen kann und damit wertvolle Impulse zum Kostenmanagement liefert.16) Diese Detailliertheit und diese Exaktheit können aber nur durch einen gewissen Datenerhebungsaufwand erreicht werden: Es ist davon auszugehen, daß in einem überwiegenden Prozentsatz aller deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken noch keinerlei (oder nur rudimentäre) Anstrengungen zur Implementierung einer durchgängigen Kostenrechnung unternommen wurden. Daher stünden Bibliotheken, würden sie sich für eine exakte und betriebswirtschaftlich zu befürwortende Prozeßkostenrechnung entscheiden, zunächst vor der Herausforderung, eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung zu entwickeln. Der hierzu notwendige Aufwand würde noch gesteigert durch die prozeßkostenspezifische Notwendigkeit einer Zeitaufschreibung.

Da eine - der Feinheit der Methode gerecht werdende - derartige vollständige Untersuchung für die ULB Düsseldorf im Rahmen des umfangreichen Projektes COMBI zeitlich nicht zu leisten war, wurden die Kosten für die Fernleihe vor der Umstellung auf EDV mit einem dem grundsätzlichen Ideengerüst der Prozeßkostenrechnung gerecht werdenden Verfahren abgeschätzt. Dieses Verfahren wurde, den Düsseldorfer Verhältnissen entsprechend, in Anlehnung an die Komplexitäts-Index-Analyse (KIA)17) konzipiert.

3. Die Komplexitäts-Index-Analyse als Verfahren zur prozeßorientierten Kostenschätzung

3.1 Vorstellung des (theoretischen) Vorgehens

Die Komplexitäts-Index-Analyse ist eine Methode zur groben - und eben nicht: detailgenauen - Ermittlung von Prozeßzeiten ohne deren direkte Messung. Sie läßt sich vor allem zur kostenrechnerischen Behandlung solcher Prozesse nutzen, die erstens komplex und nur teilweise standardisiert, zweitens häufig unterbrochen und drittens leistungsmengeninduziert18) sind. Alle drei Charakteristika treffen unzweifelhaft für den Prozeß der Abwicklung einer passiven Fernleihe zu. Das Besondere der Komplexitäts-Index-Analyse ist, daß man sich von der Ebene der direkten Zeitgrößenzuordnung löst, da diese vor allem durch die Prozeßmerkmale "Nicht-Standardisierbarkeit" sowie "Unterbrechung" stark erschwert wird. Statt dessen wird die Arbeitsaufwendigkeit von Prozessen unter Nutzbarmachung einzelner Grundprinzipien der Äquivalenzziffernkalkulation19) anhand von Indexzahlen bewertet.

Der entscheidende, aus diesem Vorgehen resultierende Vorteil liegt darin, daß eine Konzentration der Beteiligten auf die Einschätzung des Arbeitsaufwandes von Prozessen stattfindet, so daß das Unbehagen vor Messungen vermieden werden kann. Allerdings - wie der Ausdruck "Einschätzung" bereits deutlich macht - entsteht bei der KIA im Vergleich zu einer Prozeßkostenrechnung ein Verlust an Genauigkeit. Die Komplexitäts-Index-Analyse sollte deshalb lediglich als Möglichkeit zur Kostenabschätzung gesehen und nicht als "Kostenrechnung" bezeichnet werden, um nicht den Anschein der Exaktheit zu erwecken. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, daß die hier vorgeschlagene Methode zur Kostenabschätzung hohe Anforderungen an das Abstraktionsvermögen der jeweiligen Mitarbeiter stellt. Daher fällt die Schätzung der Komplexität einzelner Vorgänge den Befragten vielfach schwer, wodurch weitere Ungenauigkeiten in den letztlich ermittelten Werten entstehen können.

Bevor das Verfahren nun en detail vorgestellt werden kann, ist noch anzumerken, daß die ursprünglich von Kaufmann vorgestellte KIA in der ULB Düsseldorf an einigen Stellen modifiziert wurde, um speziell bibliothekarischen Gegebenheiten gerecht zu werden. Die modifizierte Komplexitäts-Index-Analyse vollzieht sich in insgesamt sieben Schritten, die im folgenden zunächst allgemein, später dann in ihrer konkreten Umsetzung in der ULB Düsseldorf vorgestellt werden.20)

Schritt 1: Analyse des Tätigkeitenkanons der in den Prozeß involvierten Abteilungen

Vor der Bestimmung der Kosten eines Prozesses ist es geboten, mittels Beobachtungen und Befragungen einerseits die Prozeßstruktur offenzulegen und andererseits zu ermitteln, welche Tätigkeiten in den prozeßbeteiligten Stellen vollzogen werden. Nachdem den Mitarbeitern zunächst Zweck und Ablauf der Analyse vorgestellt und erklärt worden sind, werden sie gebeten, in einem "Brainstorming" alle von ihnen im Tagesgeschäft durchgeführten Tätigkeiten aufzuschreiben. Anschließend wird die dabei entstandene Liste strukturiert und bestimmte aufeinanderfolgende "Marginalaktivitäten" werden zu einer Tätigkeit zusammengefaßt,21) um die zu erstellende Tätigkeitenliste nicht zu komplex und damit anschließende Bewertungsvorgänge nicht zu schwierig werden zu lassen. Der mittels Befragung erstellte Tätigkeitsbogen der einzelnen Abteilungen wird sodann den jeweiligen Mitarbeitern zur Korrektur vorgelegt.

Schritt 2: Ermittlung der jeweiligen Abteilungskapazität

Nach der Offenlegung der Prozeß- und Tätigkeitsstruktur erfolgt die Quantifizierung der Kapazitäten der in den Fernleihprozeß integrierten Abteilungen anhand der in diesen Abteilungen monatlich anfallenden Personalkosten. Nachstehender Gedankengang läßt dieses Vorgehen für wissenschaftliche Bibliotheken zweckmäßig erscheinen. Mit Hilfe der modifizierten KIA soll nicht nur eine Ermittlung der Zeiten für die einmalige Ausführung eines Prozesses erhoben werden, sondern der gesamte Kostenanfall für die permanente Abwicklung dieses Prozesses.

Die Konzentration auf die Personalkosten folgt aus der Einfachheit, mit der sie ermittelt werden können: Da die Bibliotheken selten über eine ausgebaute Kostenarten- und Kostenstellenrechnung verfügen, stünde es der Intention der Aufwandsreduktion eines lediglich kostenschätzenden Verfahrens wie der KIA diametral entgegen, hierfür zunächst eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung zu implementieren.22) Außerdem ist - zumindest in der ULB Düsseldorf - die Abwicklung einer passiven Fernleihe ein bis dato weitgehend manuell vollzogener Prozeß, der sich als äußerst personalintensiv charakterisieren läßt. Daher machen die Personalkosten ohnehin einen sehr großen Anteil an den gesamten Prozeßkosten aus und stellen damit einen hinreichenden Indikator für das Kostenvolumen und das Kostenverhalten eines Fernleihprozesses dar.

Schritt 3: Festlegung des Ankerprozesses mit dem Komplexitätsindexwert 100

Um eine schlüssige Einschätzung der Prozeßkomplexität als Grundlage für die Kostenermittlung vornehmen zu können, wird zunächst der Prozeß, der vom befragten Mitarbeiter am häufigsten durchgeführt wird, der also die höchste Gesamtjahresmenge hat, als "Ankerprozeß" definiert. Ihm wird der Komplexitätsindex 100 zugewiesen, da dieser Wert eine relative Einschätzung der anderen Prozesse am besten und genauesten ermöglicht. Der Komplexitätsindex mißt die Arbeitsaufwendigkeit eines Prozesses, die im wesentlichen durch die Zahl der Einzelaktivitäten innerhalb dieses Prozesses und den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Aktivitäten zu bestimmen ist.23)

Schritt 4: Positionierung der übrigen Prozesse im Vergleich zum Ankerprozeß

Die übrigen Prozesse werden mittels anschließender Paarvergleiche in ihrer Komplexität relativ zum Ankerprozeß bewertet.24) So erhält ein Prozeß, der in seiner Bearbeitung halb so aufwendig ist wie der Ankerprozeß, den Wert 50 zugewiesen. Prozesse gleicher Komplexität erhalten demzufolge auch den gleichen Komplexitätswert. Da Erfahrungen eines Pre-Testes in der ULB Düsseldorf gezeigt haben, daß eine Einordnung äußerst heterogener Aktivitäten bezüglich der "schwer greifbaren" Größe Komplexität sehr hohe Anforderungen an das Abstraktionsvermögen aller Beteiligten stellt, wurde als Heuristik vorgegeben, daß sich die Komplexität primär in der Zeitaufwendigkeit für die Prozeßdurchführung niederschlägt. Für die Aufgabenstellung der Positionierung der Aktivitäten relativ zum Ankerprozeß resultieren daraus insbesondere nachstehende - heuristische - Fragestellungen: "Verbringen Sie für die gerade angesprochene Tätigkeit mehr, weniger oder gleich viel Zeit an einem durchschnittlichen Arbeitstag als für den Ankerprozeß? Wenn es viel weniger Zeit ist, dann müßte der Komplexitätswert z. B. 10 sein, wenn es z. B. halb so viel Zeit ist, dann ergibt sich ein Komplexitätswert von 50."

Schritt 5: Ermittlung der Prozeßkomplexität

Nach der relativen Positionierung aller Prozesse werden die so ermittelten einzelnen Indexwerte der Prozesse dann mit den jeweiligen Jahresmengen der Prozeßdurchführungen multipliziert.25) Als Grundlage für weitere Berechnungen wird sodann die Gesamtsumme der gewichteten Indexwerte gebildet. Bei diesem Schritt 5 ergibt sich nun bei der Anwendung in Bibliotheken zwangsläufig ein Problem, das zu einer den Ideen des Verfahrens dennoch gerecht werdenden Modifikation der Komplexitäts-Index-Analyse geführt hat. Dieses Problem konkretisiert sich in dem für viele Prozesse fehlenden Mengengerüst: Es liegen beispielsweise i.d.R. keine Informationen darüber vor, wie viele Beratungsgespräche ein Mitarbeiter eines Informationszentrums binnen eines bestimmten Zeitraumes führt. Ebenso werden keine Statistiken darüber geführt, wie oft Mitarbeiter in der Fernleihe ausgehende Sendungen handschriftlich adressieren. Da eine Erhebung dieser Daten der eingehend dargestellten Intention der KIA widersprechen würde, muß die KIA in diesem Punkt einer Modifikation unterzogen werden. Diese führt zu einem Verzicht auf die Gewichtung der Indexwerte mit den Prozeßmengen, so daß aus den erhobenen Komplexitätswerten unmittelbar eine Gesamtsumme gebildet wird.

Nun stellt sich die Frage, wie man bei einem Verzicht der Gewichtung der Komplexitätswerte mit den Prozeßjahresmengen zu gleichen oder zumindest ähnlichen26) Ergebnissen wie bei einem #34;normalen" Vorgehen gelangt. Die Voraussetzung dafür wurde bereits in Schritt 4 gelegt, da zur Überwindung von Abstraktionsproblemen die durchschnittliche zeitliche Beanspruchung für die Ausführung einer Tätigkeit als Richtmaß für die zu determinierende Komplexität eingeführt wurde. Somit ist es bei der Durchführung des modifizierten Verfahrens entscheidend, bei der relativen Positionierung der einzelnen Aktivitäten danach zu fragen, wieviel Zeit die einzelnen Mitarbeiter je Tätigkeit in Relation zum Ankerprozeß an einem durchschnittlichen Tag bzw. in einer durchschnittlichen Woche insgesamt aufbringen.

Schritt 6: Transformation der Komplexitätsindexwerte in Zeit- bzw. Kostengrößen

Um die in den vorangegangenen Schritten ermittelten abstrakten Komplexitätswerte in konkrete Kostenwerte "umzurechnen", erfolgt mitarbeiterweise eine Division der Gesamtkapazität der jeweiligen Abteilungen (ausgedrückt in Abteilungs-Personalkosten) durch die Summe der Prozeß-Komplexitätswerte, die auf Grund der hier gewählten Fragestellung die zeitliche Beanspruchung der Mitarbeiter durch einen Prozeß repräsentieren. Mit dem daraus resultierenden Personalkostenbetrag je Komplexitätseinheit werden sodann die Komplexitätswerte der einzelnen Prozesse multipliziert, und es ergeben sich die geschätzten Personalkosten für die Durchführung des jeweiligen Prozesses. Zur Erinnerung sei nochmals angefügt, daß diese Werte auf Grund des fehlenden Mengengerüsts keine Aussage über die einmalige Durchführung eines bestimmten Prozesses erlauben, sondern daß sie die Kosten angeben, die anfallen, um die Gesamtmenge eines bestimmten Prozesses innerhalb des Betrachtungszeitraumes bewältigen zu können.

Bevor nun die tatsächlichen Ergebnisse der KIA in der ULB Düsseldorf vorgestellt werden, wird zunächst - der Vollständigkeit halber - der Schritt 7 dieses Verfahrens skizziert.

Schritt 7: Plausibilitätsprüfung

Im Rahmen des von Kaufmann vorgeschlagenen Verfahrens ist abschließend die ermittelte Zeitdauer für einen Prozeß mit den Kostenstellenmitarbeitern zu diskutieren und gegebenenfalls zu ändern, falls die Mitarbeiter mit der Schätzung nicht einverstanden sind.27)

3.2 Umsetzung in der ULB Düsseldorf

Im folgenden werden zunächst die mit Hilfe der - den Verhältnissen der ULB Düsseldorf gerecht werdenden - modifizierten Komplexitäts-Index-Analyse geschätzten beanspruchungsgerechten Personalkosten für die Abwicklung einer Fernleihe vor der Automatisierung der Bestellaufgabe dargestellt. Dabei wird insbesondere ein Augenmerk auf die anzustellenden "Rechenschritte" und deren explizite Erklärung gelegt. Als besonders interessant erweist es sich in diesem Kontext, wie in Schritt 5 die jeweiligen gesamten Komplexitätswerte für die einzelnen Prozesse ermittelt wurden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, daß - dem Postulat der Einfachheit folgend - hier nur die Abteilungen in die Analyse integriert wurden, die der Fernleihschein tatsächlich durchläuft: Fernleihe, Ausleihe, Informationszentrum, Lesesäle und Poststelle. Abteilungen, die den Signierdienst partiell unterstützen, werden dahingegen nicht berücksichtigt. Dadurch wird der zu ermittelnde niedriger als der reale Kostenwert sein. Diese Ungenauigkeit ist aber in einem wissenschaftlichen Projekt, in dem die reine Methodenerprobung im Vordergrund steht, zu vertreten.

Zur Berechnung der Prozeßkomplexitäten mußte als erstes mitarbeiterweise die Summe der einzelnen Komplexitätswerte gebildet werden. Da diese Summen von Mitarbeiter zu Mitarbeiter variieren können, mußten die vergebenen Komplexitätswerte der einzelnen Mitarbeiter "gleichnamig" gemacht werden. Dies geschah, indem für jeden Mitarbeiter ermittelt wurde, welchen Komplexitätswert er den einzelnen Prozessen im Verhältnis zu der von ihm insgesamt vergebenen Komplexitätssumme beigemessen hat: Es ergaben sich die mitarbeiterspezifischen Prozeßkomplexitätsanteile (s. Spalten 2 bis 4 der Tabelle 1).

Nachdem diese Berechnungen für alle Mitarbeiter angestellt wurden, sollten die so gewonnenen Informationen über die zeitliche Beanspruchung der Mitarbeiter durch die Prozesse in Kostengrößen umgerechnet werden. Hierzu werden generell Daten aus einer (abteilungsbezogenen) Kostenstellenrechnung benötigt, die der ULB Düsseldorf im Rahmen des Projektes COMBI noch nicht vorlagen. Daher wurde auf Basis der These, daß die Personalkosten einen fundamental hohen Anteil an den Gesamtkosten des Fernleihprozesses ausmachen, die hier angewendete modifizierte Form der KIA auf die Personalkosten reduziert, die anhand der Besoldungs- und Vergütungsgruppen mit Personalkostenpauschalen für die einzelnen Abteilungen errechnet wurden. So betrugen bspw. im Jahr 1996 die monatlichen Personalkosten für das Informationszentrum der ULB Düsseldorf 16.000 DM. Um nun zu quantifizieren, wie diese 16.000 DM von den einzelnen Prozessen beansprucht wurden, mußte die relative zeitliche Inanspruchnahme der gesamten Abteilung durch die Prozesse ermittelt werden. Dazu wurde die Summe der mitarbeiterspezifischen Prozeßkomplexitätsanteile durch die Anzahl der Mitarbeiter in der Abteilung geteilt, wie es nachstehende Tabelle zeigt. Dabei werden, um eine ausreichende Anonymität der erhobenen mitarbeiterspezifischen Daten zu gewährleisten, in dieser und der folgenden Tabelle lediglich die fernleihbezogenen Tätigkeiten ausgewiesen.

Tabelle 1: Ermittlung der abteilungsbezogenen Teilprozeßkomplexitäten im Informationszentrum

TätigkeitMitarbeiterspezifische ProzeßkomplexitätsanteileAbteilungs-
bezogene
Prozeß-
komplexität
Mitarb. AMitarb. BMitarb. CSumme der
Anteile
Tätigkeit 128,57%20,20%4,08%52,86%17,62%
Tätigkeit 22,86%2,02%2,04%6,92%2,31%
Tätigkeit 311,43%6,06%2,04%19,53%6,51%
Fernleihberatung8,57%10,10%2,04%20,71%6,90%
Fernleihscheine an Institutsangehörige abgeben2,86%1,01%2,04%5,91%1,97%
Fernleihscheine entgegennehmen5,71%6,06%2,04%13,82%4,61%
Signieren der Fernleihscheine/ Bibliographieren der Fernleihen22,86%18,18%4,08%45,12%15,04%
Tätigkeit 84,29%20,20%2,04%26,53%8,84%
Tätigkeit 95,71%6,06%2,04%13,82%4,61%
Tätigkeit 100,00%8,08%0,00%8,08%2,69%
Tätigkeit 114,29%0,00%0,00%4,29%1,43%
Tätigkeit 122,86%2,02%0,00%4,88%1,63%
Tätigkeit 130,00%0,00%40,82%40,82%13,61%
Tätigkeit 140,00%0,00%12,24%12,24%4,08%
Tätigkeit 150,00%0,00%16,33%16,33%5,44%
Tätigkeit 160,00%0,00%4,08%4,08%1,36%
Tätigkeit 170,00%0,00%4,08%4,08%1,36%
SUMME300,00%

Die Werte der letzten Spalte der Tabelle 1 geben an, mit welchem Anteil die einzelnen Prozesse die Gesamtkapazität der jeweiligen Abteilung in Anspruch nehmen. Da die in der Befragung erhobenen Komplexitätswerte auf Grund der hier vorgenommenen Fragestellung als Indikatoren für Zeitgrößen zu verstehen sind, zeigen diese Werte tendenziell an, wieviel Zeit eine Abteilung monatlich damit verbringt, einen bestimmten Prozeß auszuführen. So werden z. B. 4,61 % der dem Informationszentrum der ULB Düsseldorf insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitszeit für das Entgegennehmen der Fernleihscheine aufgebracht. Wie nachstehende Tabelle veranschaulicht, lassen sich diese Zeitanteile nun mit den Personalgesamtkosten von 16.000 DM der Abteilung multiplizieren, so daß sich die personalbezogenen Prozeßkosten ergeben.

Hierbei ist allerdings kritisch zu konstatieren, daß dieses Verfahren implizit unterstellt, daß alle Mitarbeiter der betrachteten Abteilung das gleiche Gehalt empfangen. Dieses Problem war in der ULB Düsseldorf nicht lösbar, da den Projektbearbeitern von COMBI nur pauschale Abteilungssummen vorlagen. Bei einem anderen Informationsstand - z. B. wenn die Gehälter der Mitarbeiter den Projektbearbeitern bekannt gewesen wären - hätte der "Umweg" über die Bildung der abteilungsbezogenen Prozeßkomplexität nicht gegangen werden müssen. Statt dessen wären die mitarbeiterspezifischen Prozeßkomplexitätsanteile zunächst mit den jeweiligen Gehältern zu multiplizieren, um dann die Prozeßkomplexität zu ermitteln.

Tabelle 2: Personalbezogene Prozeßkosten der Teilprozesse im Informationszentrum

TätigkeitProzeßkomplexität
(abteilungsbezogen)
Prozeßper-
sonalkosten
Tätigkeit 117,62%2.818,94 DM
Tätigkeit 22,31%368,97 DM
Tätigkeit 36,51%1.041,60 DM
Fernleihberatung6,90%1.104,71 DM
Fernleihscheine an Institutsangehörige abgeben1,97%315,10 DM
Fernleihscheine entgegennehmen4,61%736,84 DM
Signieren der Fernleihscheine/ Bibliographieren der Fernleihen15,04%2.406,43 DM
Tätigkeit 88,84%1.414,86 DM
Tätigkeit 94,61%736,84 DM
Tätigkeit 102,69%430,98 DM
Tätigkeit 111,43%228,57 DM
Tätigkeit 121,63%260,13 DM
Tätigkeit 1313,61%2.176,87 DM
Tätigkeit 144,08%653,06 DM
Tätigkeit 155,44%870,75 DM
Tätigkeit 161,36%217,69 DM
Tätigkeit 171,36%217,69 DM
SUMME100,00%16.000,00 DM

Da in der hier vorgenommenen Untersuchung die Kosten der Abwicklung einer passiven Fernleihbestellung ermittelt werden sollten, sind im folgenden die personalbezogenen Prozeßkosten der Abteilungen zu bestimmen, die eindeutig dem passiven Fernleihprozeß zuzurechnen sind. Dazu bedient man sich der Ergebnisse der Prozeßanalyse und greift auf die jeweils identifizierten Teilprozesse des Hauptprozesses "Abwicklung einer passiven Fernleihe" zurück. Am Beispiel des Informationszentrums sind dies die Teilprozesse "Fernleihberatung", "Fernleihscheine an Institutsangehörige abgeben", "Fernleihscheine entgegennehmen" und "Signieren der Fernleihscheine / Bibliographieren der Fernleihen", so daß im Informationszentrum monatlich insgesamt Personalkosten von 4.563,07 DM für die Abwicklung der passiven Fernleihe anfallen. Betrachtet über alle in den Fernleihprozeß involvierten Abteilungen ergeben sich monatlich folgende personalbezogene Prozeßkosten für die Abwicklung der passiven Fernleihe:

Tabelle 3: Personalbezogene Prozeßkosten des Hauptprozesses "Abwicklung der passiven Fernleihe"

AbteilungGesamte PersonalkostenPersonalkosten des Prozesses "passive Fernleihe"
absolutvon gesamt
Fernleihe18.000,00 DM9.651,68 DM53,62%
Ausleihe32.000,00 DM5.225,60 DM16,33%
Inf.-Zentrum16.000,00 DM4.563,07 DM28,52%
Poststelle9.200,00 DM1.264,64 DM13,75%
Lesesäle29.000,00 DM156,93 DM0,54%
SUMME104.200,00 DM20.861,93 DM

Werden diese monatlichen Personalkosten für den Prozeß "Abwicklung einer passiven Fernleihe" nun auf das ganze Jahr hochgerechnet (250.343,16 DM) und durch die Anzahl der von der ULB Düsseldorf im Jahr 1996 erfolgreich abgewickelten passiven Fernleihen von 26.453 geteilt, so lassen sich die Kosten der Personalbeanspruchung durch eine passive Fernleihe mit 9,46 DM errechnen.

An dieser Stelle sei nun noch einmal betont, daß in diesen Wert bisher nur die Personalkosten "hineingerechnet" wurden. Daher läßt sich der hier ermittelte Wert nur schwerlich mit Ergebnissen anderer Kostenuntersuchungen zur passiven Fernleihe vergleichen. Um eine Vergleichbarkeit herstellen zu können, müßten neben den Personalkosten auch Sachkosten und die Kosten der EDV-Ausstattung in die Analyse integriert werden.28) Da auf Grund der fehlenden Kostenarten- und Kostenstellenrechnung in der ULB Düsseldorf hierüber keine Informationen vorlagen, wurden diese Werte zur Ergänzung der modifizierten Komplexitäts-Index-Analyse im Rahmen dieser Untersuchung grob abgeschätzt: Konform gehend mit anderen Untersuchungen zu den Kosten der passiven Fernleihe29) wurden - wie es die KGST empfiehlt - die Sachkosten mit jeweils 10 % der angefallenen Personalkosten angesetzt. Ähnlich wurden für einen PC laut den Angaben des Landesamtes für Informationstechnik in Berlin als jährliche Kosten 2.750 DM angesetzt,30) so daß sich die Gesamtkosten für die Abwicklung einer passiven Fernleihe in der ULB Düsseldorf letztlich wie folgt berechnen ließen:

Tabelle 4: Prozeßkostensatz zur Abwicklung einer passiven Fernleihe vor der Umstellung der Bestellabgabe31)

AbteilungPersonalkostenSachkostenPC-KostenSumme KostenAnteil PFKosten PF
Fernleihe18.000,00 DM1.800,00 DM916,67 DM20.716,67 DM53,62%11.108,37 DM
Ausleihe32.000,00 DM3.200,00 DM916,67 DM36.116,67 DM16,33%5.897,85 DM
Inf.-Zentrum16.000,00 DM1.600,00 DM458,33 DM18.058,33 DM28,52%5.150,09 DM
Poststelle9.200,00 DM920,00 DM0,00 DM10.120,00 DM13,75%1.391,11 DM
Lesesäle29.000,00 DM2.900,00 DM687,50 DM32.587,50 DM0,54%176,34 DM
Summe GK (Monat)23.723,77 DM
Summe GK in 1996284.685,20 DM
Porti7.467,00 DM
Kosten in 1996292.152,20 DM
Kosten je Schein11,04 DM

Durch den Einsatz der modifizierten Form der Komplexitäts-Index-Analyse konnte mithin der Schätzwert von 11,04 DM für die Abwicklung einer passiven Fernleihe in 1996 ermittelt werden. Die "hinter diesen Kosten stehende" Ablauforganisation der Fernleihe in der ULB Düsseldorf war durch eine nahezu völlig fehlende technische Unterstützung gekennzeichnet. Durch eine Umstellung der Bestellabgabe der passiven Fernleihe von der Schreibmaschine hin zu einer Bestellung per PC zum 1. 1. 1997 haben sich zwangsläufig Änderungen innerhalb der Struktur des Prozesses "Abwicklung einer passiven Fernleihe" ergeben. So sind einerseits gewisse Teilprozesse völlig entfallen - z. B. die Tätigkeiten "Fernleihschein mit Nummernstempel versehen" in der Fernleihstelle oder aber das "Abgeben der Fernleihscheine an Institutsangehörige" im Informationszentrum.

Gleichzeitig scheint die vollzogene Änderung der Bestellabgabe die Benutzerfreundlichkeit der passiven Fernleihe stark erhöht zu haben, da seit Anfang des Jahres 1997 in der ULB Düsseldorf ein enormer Anstieg des Volumens der passiven Fernleihbestellungen zu verzeichnen ist. Dies hat andererseits die Tatsache nach sich gezogen, daß bestimmte fernleihinduzierte Aktivitäten in der Häufigkeit ihrer Durchführung stark zugenommen haben, so daß durch diese Tätigkeiten mehr Kapazitäten in den jeweiligen Abteilungen gebunden werden. Beide Erkenntnisse - sowohl das Wegfallen einiger Teilprozesse als auch die Verschiebungen in den Teilprozeßausführungen - haben einen erneuten Einsatz der Komplexitäts-Index-Analyse für das Erkenntnisobjekt "passive Fernleihe" notwendig werden lassen.

Nachstehende Tabelle dokumentiert die Ergebnisse bezüglich der geschätzten Kosten für die Abwicklung einer passiven Fernleihe nach der Umstellung der Bestellabgabe. Da die wiederholte KIA Anfang Oktober 1997 durchgeführt wurde, beziehen sich die dargestellten Zahlen auf den Zeitraum von Januar bis einschließlich September 1997.

Tabelle 5: Prozeßkostensatz zur Abwicklung einer passiven Fernleihe nach der Umstellung der Bestellabgabe32)

AbteilungPersonalkostenSachkostenPC-KostenSumme KostenAnteil PFKosten PF
Fernleihe18.000,00 DM1.800,00 DM916,67 DM20.716,67 DM54,68%11.328,85 DM
Ausleihe32.000,00 DM3.200,00 DM916,67 DM36.116,67 DM19,87%7.176,38 DM
Inf.-Zentrum16.000,00 DM1.600,00 DM458,33 DM18.058,33 DM23,47%4.237,46 DM
Poststelle4.600,00 DM460,00 DM0,00 DM5.060,00 DM37,24%1.884,31 DM
Lesesäle29.000,00 DM2.900,00 DM687,50 DM32.587,50 DM0,54%176,34 DM
Summe GK (Monat)24.803,35 DM
Summe GK (bis Sept. 97)223.230,11 DM
Porti (bis Sept. 97)5.176,69 DM
Kosten (bis Sept. 97)228.406,80 DM
Kosten je Schein7,16 DM

3.3 Erkenntnisse aus dem Kostenvergleich

Ein Vergleich der Kosten für die Abwicklung einer passiven Fernleihe vor und nach der Umstellung der Bestellabwicklung sollte an verschiedenen Stellen der oben demonstrierten Berechnungen ansetzen.

Zunächst ist bei den Personalkosten auffallend, daß sich die Abteilungskapazitäten nicht wesentlich verändert haben: In der Fernleihe, der Ausleihe, dem Informationszentrum und den Lesesälen ist die in pauschalen Lohnkosten ausgedrückte Kapazität unverändert geblieben, so daß sich daraus auf eine gleichgebliebene Personalstruktur in Menge und "Qualität" schließen läßt. Lediglich bei der Poststelle ist es zu einer Kapazitätsreduktion gekommen. Das Bemerkenswerte an dieser Situation ist, daß mit einer marginal verringerten Gesamtkapazität ein nach der Umstellung zum 1. 1. 1997 drastisch gestiegenes Fernleihvolumen gehandhabt wird. Denn während 1996 monatlich durchschnittlich ca. 2.205 passive Fernleihen in der ULB Düsseldorf abgewickelt wurden, waren es in den ersten neun Monaten von 1997 immerhin durchschnittlich ca. 3.550. Dies läßt sich zum einen dadurch erklären, daß durch die Umstellung Teilprozesse weggefallen sind und somit ausreichend Bearbeitungskapazität für weitere Fernleihen frei wurde. Zum anderen kann aber auch vermutet werden, daß in den jeweiligen Abteilungen hinreichend "slack"33) gebildet wurde, mit dem nun ein gewisser Teil des Mehrvolumens bewältigt werden kann.

Neben den die Kapazitäten charakterisierenden Personalkosten erweisen sich im Rahmen der Abweichungsbetrachtung vor allem die Anteile des passiven Fernleihprozesses an der Gesamtkapazität der jeweiligen Abteilungen als besonders interessant:

Tabelle 6: Anteile des Hauptprozesses "Passive Fernleihe abwickeln"
an den jeweiligen Abteilungskapazitäten

Anteile der passiven Fernleihe am Abteilungskapazität
19961997Differenz
absolutprozentual
Fernleihe53,62%54,68%1,06%1,98%
Ausleihe16,33%19,87%3,54%21,68%
Inf.-Zentrum28,52%23,47%-5,05%-17,72%
Poststelle13,75%37,24%23,49%170,91%
Lesesäle0,54%0,54%0,00%0,00%

Deutlich zu sehen ist, daß die Ressourcenbeanspruchung in der Fernleihe (um 1,98 %), in der Ausleihe (21,68 %) und in der Poststelle (170,91 %) gestiegen ist, wohingegen im Informationszentrum durch die Umstellung eine fernleihseitige Minderbelastung (um 17,72 %) zu registrieren ist. Von der Umstellung der passiven Fernleihe unberührt sind die Lesesäle in der ULB Düsseldorf. Der Anstieg der Ressourcenbindung in der Fernleihstelle durch den Prozeß der passiven Fernleihe von 53,62 % auf 54,68 % wirkt auf den ersten Blick etwas fragwürdig, da der durch die Umstellung der Bestellaufgabe verursachte Wegfall einiger Teilprozesse eigentlich eine Reduzierung dieses Anteils vermuten lassen würde. Zu erklären ist dies damit, daß der Effekt der Prozeßvereinfachung überkompensiert wird durch die zunehmende Häufigkeit der Prozeßausführung, so daß zwar die Durchführung eines Prozesses weniger Kapazitäten bindet, die Summe aller vollzogenen Prozesse aber insgesamt zeitintensiver ist als vorher.

An dieser Stelle sei aber noch einmal darauf hingewiesen, daß die jeweiligen Anteile Ergebnisse subjektiver Schätzungen der in den Prozeß involvierten Mitarbeiter sind und daß damit die Ergebnisse beider Komplexitäts-Index-Analysen stets als Schätzwerte zu behandeln sind. Dies ist um so mehr von Bedeutung, als ein Großteil der befragten Mitarbeiter offen Schwierigkeiten bei der Komplexitätsschätzung zugab. Die stark angestiegene Belastung in der Ausleihe von vorher 16,33 % auf nunmehr 19,87 % resultiert aus dem Anstieg des Fernleihvolumens bei einem Gleichbleiben der fernleihseitigen Teilprozesse in der Ausleihe. Mit anderen Worten hat in der Ausleihe durch die Umstellung der Bestellabgabe keine Prozeßvereinfachung stattgefunden und somit nehmen die Mitarbeiter durch das festzustellende Ansteigen der passiven Fernleihen eine Mehrbelastung wahr. Demgegenüber ist es vor allem das Informationszentrum, das durch die vorgenommene Reorganisation der passiven Fernleihe stark entlastet wurde, so daß sich hierdurch die Abnahme des Fernleihanteils an der Gesamtkapazität von 28,52 % auf 23,47 % erklären läßt. Dahingegen ist die Mehrbelastung in der Poststelle primär durch den dort zwischenzeitlich erfolgten Kapazitätsabbau zu begründen.

Aus diesen veränderten Ressourcenbeanspruchungen der einzelnen Abteilungen durch die passive Fernleihe resultieren zwangsläufig Verschiebungen in den einer Abteilung zurechenbaren Monatsgesamtkosten für den Fernleihprozeß, so daß diese Werte keiner weiteren Erläuterung mehr bedürfen. Betrachtet man dahingegen die jeweiligen Monatssummen der Gemeinkosten für den Hauptprozeß "Abwicklung einer passiven Fernleihe" von 23.723,77 DM in 1996 und 24.803,35 DM in 1997, so fällt eine Gesamtkostensteigerung durch die Umstellung auf. Für diese kann man unterstellen, daß sie vor allem in der Steigung des Fernleihvolumens nach der Umstellung begründet liegt. Diese Unterstellung ist aber nicht zu belegen, da auf Grund einer fehlenden Planprozeßkostenrechnung kein "idealer" Zusammenhang zwischen Prozeßkosten, Prozeßkomplexität und Prozeßmenge bekannt ist.

Genauso ließe sich auf der anderen Seite die These aufstellen, daß die Ursache der Mehrkosten darin liegt, daß die Prozeßausführung durch die Umstellung an Komplexität zugelegt habe. Grund für eine Komplexitätszunahme durch die vorgenommene Teilautomatisierung könnte z. B. die Entstehung neuer Prozeßschnittstellen sein - insbesondere sei an hinzugekommene Schnittstellen zwischen "Mensch und Maschine" erinnert. Um diese mögliche Neukomplexität abzubauen und den Fernleihprozeß weiter zu vereinfachen, wäre eine weitere Automatisierung vonnöten - wie sie beispielsweise derzeit unter dem Stichwort "elektronische Dokumentlieferung" vollzogen wird.

Fokussiert man abschließend die pro Fernleihschein geschätzten Kosten, so fällt eine erhebliche Kostenreduktion um 3,88 DM von 11,04 DM auf 7,16 DM ins Auge. Diese einzig auf die Umstellung der Bestellabgabe zurückzuführen wäre unangemessen. Vielmehr handelt sich hier um das in der Betriebswirtschaftslehre hinreichend diskutierte Phänomen der Fixkostendegression, vor dessen Überinterpretation vielfach gewarnt wird: Die Stückkostenreduktion ist nach dem vorliegenden Datenmaterial lediglich eine Konsequenz der gestiegenen Anzahl von Fernleihbestellungen im Jahre 1997 bei einer nahezu unveränderten Kapazitätsausstattung, so daß es nun zu einer Division annähernd gleich hoher Prozeßkostensummen durch eine höhere Fernleihsumme kommt. Die eigentlichen kostenwirksame Resultate der Umstellung der passiven Fernleihe lassen sich daher besser in der vorab diskutierten Veränderung der monatlichen Kosten für die Abwicklung aller Fernleihen ablesen.

4. Kritische Würdigung der eingesetzten Methode: Komplexitäts-Index-Analyse oder Prozeßkostenrechnung?

Mit der Komplexitäts-Index-Analyse konnte die Kostenwirksamkeit der Umstellung der Bestellabgabe einer passiven Fernleihe in der ULB Düsseldorf tendenziell abgeschätzt werden - bei einem als gering zu charakterisierenden Datenerhebungsaufwand. Infolge der Einfachheit dieses Verfahrens läßt es sich in wissenschaftlichen Bibliotheken auch außerhalb eines Projektes, mithin im "Tagesgeschäft", umsetzen. Damit scheint die Komplexitäts-Index-Analyse eine Alternative zu der stark formalisierten und komplexen Zeitaufschreibung im Rahmen der Prozeßkostenrechnung darzustellen. Allerdings muß an dieser Stelle die Frage aufgeworfen werden, inwieweit die KIA auch die eingangs skizzierten Ziele einer Prozeßkostenrechnung unterstützt. Dieser Fragestellung soll abschließend anhand der Kriterien Prozeßorientierung, Gemeinkostenallokation und Entscheidungsunterstützung nachgegangen werden.

Bezüglich der Prozeßorientierung ist zu konstatieren, daß diese Philosophie beiden Verfahren zugrundeliegt. Sowohl die Komplexitäts-Index-Analyse als auch die Prozeßkostenrechnung fokussieren als Betrachtungsobjekt die unternehmerischen Prozesse und überwinden damit die bis dato vorherrschende Funktionen- bzw. Abteilungsorientierung in der Kostenermittlung. Da sich beide Verfahren eine konsequente prozeßorientierte Sichtweise zunutze machen, kann die KIA als Möglichkeit gesehen werden, die Zeitaufschreibung zu "umgehen", ohne der Philosophie der Prozeßkostenrechnung zu widersprechen.

Zur gleichen Erkenntnis gelangt man, wenn man die Art und Weise der Gemeinkostenallokation der Prozeßkostenrechnung und der Komplexitäts-Index-Analyse miteinander vergleicht. Mit beiden Methoden wird nicht der Versuch unternommen, die Gemeinkosten mit Hilfe willkürlicher Schlüssel auf die einzelnen Leistungen umzulegen (besser: umzulügen!). Vielmehr streben beide Verfahren eine Verrechnung der Gemeinkosten auf die jeweiligen Leistungen gemäß der Intensität, mit der die Leistungen die Gemeinkosten begründenden Kapazitäten beanspruchen, an.

Diffiziler gestaltet sich der kritische Vergleich von Komplexitäts-Index-Analyse und Prozeßkostenrechnung in bezug auf das Merkmal Entscheidungsunterstützung. Es läßt sich aber generell feststellen, daß eine Methode hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Entscheidungsunterstützung anhand des Beitrages der generierten Informationen zur zielsetzungsgerechten Entscheidungsfindung bewertet werden kann. Diese Bewertung soll nun anhand der Kriterien Art der Information und Genauigkeit der Information vollzogen werden.

Bezogen auf die Art der Information läßt sich konstatieren, daß mit beiden Verfahren Kostendaten ermittelt werden, so daß auf dieser Ebene zunächst kein Methodenunterschied besteht. Anders bei der Genauigkeit der Informationen: Während die Prozeßkostenrechnung ein annähernd exaktes Bild der Kostensituation einer Organisation zu zeichnen vermag, liefert die Komplexitäts-Index-Analyse stets nur Schätzwerte. Dies ist immer dann problemlos, wenn - wie im dargestellten Beispiel - die Kostenwirkungen einer vergangenen Entscheidung demonstriert werden sollen, wenn die Kostenanalyse mithin eine Ermittlungsfunktion wahrzunehmen hat. Für anstehende Entscheidungen eignen sich diese Informationen allerdings nur bedingt, da sie keinerlei Schlüsse auf die Zukunft zulassen: Das Steuerungspotential der Komplexitäts-Index-Analyse ist als extrem gering zu kennzeichnen.

Diese Bewertung kann noch unterlegt werden durch die Erkenntnis, daß mit der KIA keinerlei Mengeninformationen über die Bezugsgrößen der Teilprozesse erhoben, sondern nur Zeitschätzungen angestellt werden. Damit verzichtet die KIA auf die Chance, einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Mengengrößen eines Teilprozesses und seinen Kosten zu eruieren. Nur über einen derartigen funktionalen Zusammenhang und seine Implikationen lassen sich aber letztlich kapazitätswirksame und kostensenkende Entscheidungen fällen.

Auf Grund der hier angestellten Überlegungen kann die eingangs gestellte Frage "Zeitaufschreibung oder KIA?" nur mit einem entschiedenen "einerseits-andererseits" beantwortet werden: Einerseits basieren beide auf der identischen - betriebswirtschaftlich wünschenswerten! - Philosophie der prozeßorientierten, beanspruchungsgerechten Gemeinkostenallokation. Mithin erscheint der Einsatz jedes dieser beiden Verfahren ratsam, weil die "Basis-Analysen" beider Methoden gleich sind und der Bibliothek zu einer Entscheidungen erleichternden Prozeßstruktur-Transparenz verhelfen. Andererseits muß immer dann pro Zeitaufschreibung argumentiert werden, wenn Bibliotheken "einen - und zwar: einen notwendigen! - Schritt weiter" wollen: Wenn sie exakte Informationen zu einem kostenorientierten Kapazitätsmanagement benötigen - dafür aber auch bereit sind, einen weitaus größeren Datenerhebungsaufwand in Kauf zu nehmen.

Diesen "Schritt weiter" geht derzeit modellhaft die Universitäts- und Landesbibliothek Münster gemeinsam mit der ULB Düsseldorf und der Universitätsbibliothek Paderborn in dem von der DFG geförderten Projekt "Kostenmanagement in wissenschaftlichen Bibliotheken".34) Die hierbei zu erhebenden Informationen und gewonnenen Erfahrungen werden dazu beitragen, die in diesem Beitrag aufgeworfene Frage noch präziser zu beantworten, um somit Bibliotheken zukünftig den Weg von der Kameralistik zur Kostenermittlung wesentlich zu erleichtern!

Literatur:

Belkaoui, Ahmed (1989): Behavioral Accounting. The Research and Practical Issues, New York et al., 1989.

Berens, Wolfgang / Schmitting, Walter (1996): Neuer Entwicklungen im industriellen Rechnungswesen: Produktionsprogrammplanung im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis, in: Berens, Wolfgang/ Rieper, Bernd/ Witte, Thomas (Hrsg.), Betriebswirtschaftliches Controlling: Planung - Entscheidung - Organisation, Festschrift für Univ.-Prof. Dr. Dietrich Adam zum 60. Geburtstag, Wiesbaden, 1996, S. 1 - 29.

Berens, Wolfgang / Schmitting, Walter (1998): Controllinginstrumente für das Komplexitätsmanagement: Potentiale des internen Rechnungswesen, in: Adam, Dietrich (Hrsg.), Schriften zur Unternehmensführung, Band 61, Komplexitätsmanagement, Wiesbaden, 1998, S. 97 - 110.

Beyersdorff, Günter (1996): Was kostet die Fernleihe? Untersuchungen und Empfehlungen zu Kosten, Finanzierung und Abrechnung des Leihverkehrs und von SUBITO-Diensten, Berlin, 1996.

Bilo, Albert (1996): Information als Ware. Kosten- und leistungswirksames Marketing für Hochschulbibliotheken. In: Wefers, Sabine (Hrsg.), 85. Deutscher Bibliothekartag in Göttingen 1995, Die Herausforderungen der Bibliotheken durch elektronische Medien und neue Organisationsformen, Frankfurt/ Main, 1996, S. 125 - 135.

Bilo, Albert / Jäger, Wolfgang / Niggemann, Elisabeth / Oehmig, Ekkehard / Olliges-Wieczorek, Ute (i.V.): Controlling und Marketing in Wissenschaftlichen Bibliotheken (COMBI). Der Wettbewerb auf dem Informationsmarkt - Entwicklung einer praxiswirksamen Marketingstrategie für Hochschulbibliotheken unterschiedlicher Ausgangssituationen am Beispiel der Universitätsbibliotheken Düsseldorf und Magdeburg. Berlin, DBI.

Bourgeois III, L.J. (1981): On the Measurement of Organizational Slack, in: Academy of Management Review, 6. Jg., 1981, Heft 1, S. 29 - 39.

Ceynowa, Klaus (1997): Prozeßkostenrechnung in Hochschulbibliotheken, in: Wissenschaftsmanagement, 3. Jg., 1997, Heft 6, S. 302 - 309.

Ceynowa, Klaus (1998): Von der Kostenverwaltung zum Kostenmanagement - Überlegungen zum Steuerungspotential einer Kostenrechnung für Hochschulbibliotheken, in: Bibliotheksdienst, 32. Jg., 1998, Heft 2, S. 263 - 287.

Franz, Klaus-Peter (1992): Die Prozeßkostenrechnung. Entstehungsgründe, Aufbau und Abgrenzung von anderen Kostenrechnungssystemen, in: WiSt, 21. Jg., 1992, Heft 12, S. 605 - 610.

Haberstock, Lothar: Kostenrechnung I - Einführung, 9. Aufl., Hamburg, 1997.

Horváth, Péter / Mayer, Reinhold (1989): Prozeßkostenrechnung. Der neue Weg zu mehr Kostentransparenz und wirkungsvollen Unternehmensstrategien, in: Controlling, 1. Jg., 1989, Heft 4, S. 214 - 219.

Horváth, Péter / Mayer, Reinhold (1993): Prozeßkostenrechnung - Konzeption und Entwicklungen, in: krp, 37. Jg., 1993, Sonderheft 2, S. 15 -28.

Hummel, Siegfried / Männel, Wolfgang (1990): Kostenrechnung 1. Grundlagen, Aufbau und Anwendung, 4. Aufl., Wiesbaden, 1990.

Karlowitsch, Martin (i.V.): Maßnahmen zur Optimierung der Fernleihe. Erscheint in: Bilo, Albert / Jäger, Wolfgang / Niggemann, Elisabeth / Oehmig, Ekkehard / Olliges-Wieczorek, Ute: Controlling und Marketing in Wissenschaftlichen Bibliotheken (COMBI). Der Wettbewerb auf dem Informationsmarkt - Entwicklung einer praxiswirksamen Marketingstrategie für Hochschulbibliotheken unterschiedlicher Ausgangssituationen am Beispiel der Universitätsbibliotheken Düsseldorf und Magdeburg. Berlin, DBI.

Kaufmann, Lutz (1996a): Komplexitäts-Index-Analyse von Prozessen. Eine Methode zur Ermittlung von Ressourcenbeanspruchungen im Rahmen des Prozeß(kosten)managements, in: Controlling, 8. Jg., 1996, Heft 4, S. 212 - 221.

Kaufmann, Lutz (1996b): Vereinfachte Ermittlung von Prozeßzeiten in indirekten Bereichen, in: Controller Magazin, 21. Jg., 1996, Heft 6, S. 364 - 367.

Reckenfelderbäumer, Martin (1994): Entwicklungsstand und Perspektiven der Prozeßkostenrechnung, Wiesbaden, 1994.

1) Vgl. Ceynowa (1997), S. 302 ff. sowie Ceynowa (1998), S. 263 ff.

2) Als Arbeitsbezeichnung für dieses Projekt wurde COMBI (Controlling und Marketing für Bibliotheken) gewählt. Vgl. ausführlich zu diesem Projekt Bilo (1996), S. 125 ff sowie Bilo et al. (i.V.).

3) Eine ausführlichere und weitaus tiefer gehende Beschreibung dieses Vorgehens findet sich bei Karlowitsch (i.V.).

4) Gemeinkosten sind Kosten, die sich keiner Bezugsgröße unmittelbar zurechnen lassen. So sind z.B. die Kosten für eine Image-Werbekampagne nicht direkt den einzelnen Produkten eines Unternehmens zurechenbar. Die Einzel- und Gemeinkostenproblematik wird in den Standard-Lehrbüchern zur Kostenrechnung ausführlich thematisiert. Vgl. beispielhaft Hummel/ Männel ( 1990), S. 52 ff.

5) Da - entgegen der im Rahmen der Diskussion um die Prozeßkostenrechnung vielfach zu findenden Aussage - per definitionem keine verursachungsgerechte Verteilung der Gemeinkosten auf die einzelnen Leistungen möglich ist, wird im folgenden stets von einer beanspruchungsgerechten Umrechnung gesprochen: Mit der Prozeßkostenrechnung wird mithin quantifiziert, inwieweit die einzelnen Leistungen die Gemeinkosten begründenden Kapazitäten beanspruchen. Vgl. zu diesem Gedankengang Berens/ Schmitting (1996), S. 13 ff.

6) Die Prozeßkostenrechnung wurde in Deutschland maßgeblich von Horváth entwickelt und verbreitet. Vgl. Horváth/ Mayer (1989), Horváth/ Mayer (1993) sowie im Überblick Franz (1992).

7) Vgl. Horváth/ Mayer (1993), S. 16 f.

8) Vgl. zu diesem Gedankengang auch Ceynowa (1998), S. 269.

9) Vgl. Horváth/ Mayer (1993), S. 18 f.

10) Vgl. Berens/ Schmitting (1998), S. 101.

11) Berens/ Schmitting (1998), S. 101.

12) Für den Hauptprozeß "JASON-Dienste" ist dies plakativ veranschaulicht bei Ceynowa (1998), S. 275 ff.

13) Mit der Kostenstellenrechnung wird der Frage nachgegangen, "wo" in einem Unternehmen, d.h. in welchen Abteilungen gewisse Kosten angefallen sind. Die Kostenstellenrechnung weist somit die in einer Kostenartenrechnung ("Welche Kosten sind angefallen?") erhobenen Kosten den einzelnen Stellen des Unternehmens zu. Vgl. beispielhaft Haberstock (1997), S. 104 ff.

14) Es empfiehlt sich, um Verwechslungen zu vermeiden, an dieser Stelle - anders als bei Ceynowa (1998), S. 272 f. - von Bezugsgrößen zu sprechen, da der Terminus "Cost Driver" gedanklich stets eng mit den Hauptprozessen verknüpft ist. Vgl. Reckenfelderbäumer (1994), S. 57 ff.

15) Die Gesamtprozeßkosten werden berechnet, indem man den Quotienten aus benötigter Prozeßkapazität (Prozeßzeit) und Gesamtabteilungskapazität (als Zeitgröße) mit den Abteilungsgesamtkosten multipliziert.

16) Vgl. zum Kostenmanagement in Bibliotheken Ceynowa (1998), S. 281 ff.

17) Vgl. Kaufmann (1996a) sowie Kaufmann (1996b).

18) Leistungsmengeninduziert sind solche Prozesse, die in einer erkennbaren Korrelation mit einer bestimmten Bezugsgröße stehen. So variiert die Anzahl der Durchführung des Prozesses "Fernleihe abwickeln" mit der Anzahl der abgegebenen Fernleihscheine. Dahingegen ließe sich für den Prozeß "Bibliothek leiten" keine derartige Bezugsgröße identifizieren: Er wäre als leistungsmengenneutral zu kennzeichnen.

19) Vgl. zu den Grundlagen der Äquivalenzziffernkalkulation z.B. Haberstock (1997), S. 153 ff.

20) Obwohl Kaufmann (1996a), S. 214 ff., der Begründer der Komplexitäts-Index-Analyse, ein sechsstufiges Vorgehen vorschlägt, wird hier ein siebenstufiges gewählt, da für Bibliotheken davon auszugehen ist, daß sie den hier vorgestellten ersten Schritt noch nicht vollzogen haben. Ohne diesen ersten Schritt läßt sich aber das von Kaufmann entwickelte Verfahren nicht realisieren.

21) Hiermit ist gemeint, daß z.B. Aktivitäten wie "Nehmen eines Briefumschlages", "Nehmen der an eine Bibliothek zu versendende Fernleihen", "Packen der Fernleihen in den Umschlag" und "Adressieren des Umschlages" zu der Tätigkeit "Versandfertigmachung" aggregiert werden können.

22) Diese wären nötig, um insbesondere die den in den Fernleihprozeß einbezogenen Abteilungen zurechenbaren Sachkosten zu ermitteln.

23) Vgl. Kaufmann (1996a), S. 214.

24) Vgl. Kaufmann (1996a), S. 214.

25) Vgl. Kaufmann (1996a), S. 215.

26) Die Erzielung "ähnlicher" Ergebnisse ist bei der Modifikation der KIA eine hinreichend exakte Zielvorgabe, da mit der grundsätzlichen Entscheidung pro KIA von der Forderung nach einer kostenrechnerischen Exaktheit abgesehen wurde.

27) Vgl. Kaufmann (1996a), S. 215 f.

28) Streng genommen wären ebenso Abschreibungen für Büroräume zu ermitteln, in denen die in den Fernleihprozeß involvierten Abteilungen untergebracht sind. Der hierzu notwendige Datenerhebungsaufwand stünde aber dem Ziel einer möglichst einfachen Kostenschätzung entgegen und würde auch nur zu einem marginal höheren Informationswert führen.

29) Vgl. Beyersdorff (1996), S. 8.

30) Dieser Wert beinhaltet bereits eine Pauschale für die Wartung der PCs durch die jeweilige EDV-Abteilung.

31) Die Porti ergeben sich aus dem Versand der bibliographierten Fernleihscheine in die jeweiligen Lieferbibliotheken.

32) Der Tabelle ist zu entnehmen, daß trotz der Teilautomatisierung der passiven Fernleihe die PC-Kosten in der Fernleihstelle der ULB Düsseldorf gleich geblieben sind. Begründet werden kann dieses Phänomen mit der Tatsache, daß in der Fernleihstelle auch schon vor der hier thematisierten Umstellung Arbeitsprozesse computerunterstützt vollzogen wurden. Durch die weitergehende Automatisierung der passiven Fernleihe werden also bereits vorher vorhandene PC-Ressourcen besser ausgelastet.

33) "Slack" ist ein Begriff aus der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie, der die Tatsache kennzeichnet, daß in bestimmten Bereichen einer Unternehmung mehr Kapazität geschaffen, als tatsächlich benötigt wird. Vgl. zum Phänomen des "slacks", seiner Entstehung und seiner Verwendung beispielhaft Bourgeois (1981), S. 29 ff. sowie Belkaoui (1989), S. 43 ff.

34) Vgl. zu diesem Projekt Ceynowa (1997), S. 303 ff. sowie Ceynowa (1998), S. 266 f.


Stand: 09.06.98
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