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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3, 98

EULER - Ein EU-Projekt zur Integration heterogener Informationsquellen


Michael Jost

Einleitung

Seit März diesen Jahres fördert die Europäische Kommission im "Telematics for Libraries"-Sektor das EULER-Projekt. Das Kick-off Meeting der Projektpartner fand am 2.-3. März in Berlin statt.

Ziel von EULER (European Libraries and Electronic Resources in Mathematical Sciences) ist die Integration unterschiedlicher, elektronisch verfügbarer Informationsquellen im Bereich der Mathematik. Verschiedenartige, bisher nur getrennt zugängliche Angebote sollen in diesem Projekt zu einer "digitalen Mathematikbibliothek" integriert werden.

EULER wurde im Rahmen des 2. Aufrufs zur Einreichung von Vorschlägen im 4. Rahmenprogramm positiv evaluiert und ist mit einem EU-Förderbeitrag von über 1 Million ECU eines der größten Projekte des Bibliothekssektors.

Ausgangslage: Heterogene Informationsangebote

Wissenschaftliche Informationen stehen heute netzbasiert in einer Vielzahl unterschiedlicher Dienste zur Verfügung:

So erfreulich die Fülle des hier beschriebenen Angebots auch ist, sie stellt den informationssuchenden Fachwissenschaftler vor erhebliche Probleme. Der Umgang mit einer Vielzahl verschiedenartiger Anbieter und Angebotsformen zwingt ihn, sich an immer neue, anders aufgebaute Benutzeroberflächen zu gewöhnen und Retrievalsprachen zu erlernen. Die mangelnde Integration der einzelnen Dienste untereinander erschwert zusätzlich die effektive Nutzung des ständig wachsenden Informationsangebots. Es besteht die paradoxe Situation, daß man in der Überfülle des Angebots die richtige, gewünschte Information nicht lokalisieren kann und uninformiert bleibt. Hier zeigt sich, daß ein hochqualitatives, integriertes Informationssystem dringend gebraucht wird.

Projektziele

Ziel des EULER-Projektes ist die Entwicklung eines nutzerorientierten, netzbasierten, integrierten Zugangs zu mathematischen Publikationen und anderen elektronischen Quellen. Durch die Verwendung von international akzeptierten Standards soll die effektive Integration der oben beschriebenen Informationsquellen zu einem "one-stop shop" erreicht werden.

Bei der Integration verschiedenartiger Informationsangebote muß den unterschiedlichen Erfordernissen der Anbieter Rechnung getragen werden: Die teilnehmenden Institutionen sollen im Verlauf des Projekts weiterhin ihre Autonomie im Bezug auf wissenschaftliche und organisatorische Entscheidungen behalten. Gleichzeitig muß aber eine gemeinsame Zugangsstrategie zu den Informationsdiensten angeboten werden. Die wichtigste Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Wahl und Verwendung geeigneter offener Standards, Formate und Protokolle.

EULER ist als offenes System konzipiert. Weiteren Anbietern wird es möglich sein, ihre Informationsdienstleistungen in das System einzubringen. Die einzige Voraussetzung hierfür ist, daß die offenen Standards, auf denen EULER aufbaut, verwendet werden.

Dem Nutzer wird es möglich sein, im World Wide Web die EULER-Suchmaschine zu benutzen, die die Informationen der Anbieter unter einem Dach bereitstellt. Der homogene Zugriff auf heterogene Quellen soll den Nutzer entlasten, indem die wesentlichen Informationen gebündelt und koordiniert verfügbar gemacht werden. Es wird möglich sein, etwa Datenbank-Rechercheergebnisse direkt mit Bibliotheksbeständen abzugleichen, und - falls erforderlich - die gewünschte Literatur gleich beim angeschlossenen Dokumentenlieferservice zu bestellen. Das gemeinsame Angebot von gedruckten Publikationen mit netzbasierten dokumentähnlichen Objekten und Dokumentennachweisen wird die Lücke schließen, die in diesem Bereich bisher besteht.

EULER wird auf Entwicklungen vorausgegangener EU-Projekte aufbauen, deren Resultate weiterverwenden und, wo erforderlich, anpassen und verbessern.

Obwohl EULER lediglich mathematikrelevante Informationsdienste integriert, wird es problemlos möglich sein, den technischen Ansatz auf andere Wissenschaftsbereiche zu übertragen.

Technischer Ansatz

EULER will den einheitlichen Zugang zu heterogenen Quellen (Dokumentbeschreibungen - Volltexte; frei verfügbare Quellen - kommerzielle Angebote) und Datenbanken mit verschiedenartigen Strukturen und Anfragesprachen herstellen. Der Integrationsansatz besteht in der Verwendung von Metadatenbeschreibungen basierend auf dem Dublin Core Element Set. Technisch wird die Integration durch die Produktion von Dublin Core-basierten Metadaten (durch Konversion, automatische Generierung oder "Metadata Creator Software") und deren Verfügbarmachung durch die Anbieter erreicht. Die EULER-Suchmaschine, die bei verschiedenen Partnern installiert wird, benutzt diese Datenbanken für eine verteilte, parallele Suche auf der Basis des Z39.50-Protokolls.

Die Nutzerinteraktion mit der Suchmaschine wird über normale World-Wide-Web-Browser stattfinden.

Arbeitsplan

Die Projektziele und der technische Ansatz spiegeln sich in dem Aufbau des Arbeitsprogramms wieder:

Die enge Zusammenarbeit der Informationsspezialisten mit der wissenschaftlichen Community ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor bei der Entwicklung nutzerfreundlicher elektronischer Informationssysteme. Erfahrungen aus anderen Projekten - wie dem "Fachinformationsprojekt" der Deutschen Mathematiker-Vereinigung - zeigen dies deutlich. Aus diesem Grunde strebt EULER eine breite Diskussion mit der mathematischen Community, den Bibliotheksvertretern und anderen Informationsanbietern an. Die EULER-Dienste werden an allen beteiligten Bibliotheken und über den Informationsserver der Europäischen Mathematischen Gesellschaft zugänglich sein. Informationen über den Fortgang des Projektes werden allgemein öffentlich gemacht, um einen hohen Rücklauf von Informationen und Meinungen zu sichern.

Das EULER Konsortium

Die Initiative zur Durchführung des Projektes ging von der European Mathematical Society aus, die europaweit die potentiellen fachwissenschaftlichen Nutzer repräsentiert.

Die Projektleitung liegt beim Fachinformationszentrum Karlsruhe, Abteilung Mathematik und Informatik - Zentralblatt für Mathematik - in Berlin. Das FIZ Karlsruhe ist zusammen mit der European Mathematical Society Herausgeber der wissenschaftlichen Literaturdatenbank MATH (mehr als 1.600.000 Literaturnachweise ab 1931).

Weiterer Hauptpartner auf deutscher Seite ist die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, die die mathematikrelevanten Teile ihres OPAC einbringt und im Bereich der Preprints und Nachweise von Internetquellen arbeiten wird.

Zusätzlich übernehmen Vertreter der Fachhochschulen Hamburg und Köln Aufgaben im Bereich der Evaluierung und Ergebnisvalidierung.

Sieben weitere internationale Partner sind an dem Projekt beteiligt:

Der Typ der Forschungsbibliothek eines nationalen mathematischen Zentrums wird durch das niederländische Centrum voor Wiskunde en Informatica (CWI Amsterdam) repräsentiert. Die zentrale Universitätsbibliothek ist durch die Università di Firenze vertreten; Aktivitäten zweier mathematischer Institutsbibliotheken (Orsay und Strasbourg) werden durch den französischen Partner Cellule de Coordination Documentaire pour les Mathématiques (Grenoble) koordiniert. NetLab, die Entwicklungsabteilung der Bibliothek der Lunds Universitet (Schweden), arbeitet zusammen mit Danmarks Tekniske Videncenter & Bibliotek im Bereich der Entwicklung neuer netzbasierter Dienste in Bibliotheken.

EULER online

Weiterführende Informationen und Projektbeschreibungen sind online unter http://www.emis.de/projects/EULER/ verfügbar. Diese Informationen werden im Laufe des Projektes ständig erweitert und aktualisiert.


Stand: 10.03.98
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