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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 98

Kultur braucht eine Lobby!

Olaf Zimmermann

Was braucht die Kultur schon eine Lobby? Ein Land ohne Musikerinnen und Musiker, ohne Theater, Museen, ohne Bücher, wer will das schon? Eigentlich niemand, auch nicht die Politiker und Politikerinnen in den Städten, Ländern oder dem Bund. Und trotzdem verschlechtern sich die Rahmenbedingungen für die Kultur. Die ständige Kürzung der Mittel für Kultur ist ein Ausdruck dieser veränderten Rahmenbedingungen. Die Gründe für diese Veränderungen sind vielfältig. In den Städten und Gemeinden muß der Kulturetat immer öfter hinter den kommunalen "Pflichtaufgaben" anstehen. In den Ländern, die bekanntlich die Kulturhoheit besitzen, wird Kulturförderung immer öfter mit regionaler Wirtschaftsförderung verwechselt. Förderung erhält nur das Projekt, das ökonomischen Mehrwert für die Region schafft.

Und auch der Bund, der im Inland nur eine begrenzte direkte Kulturkompetenz hat, schafft nicht die notwendigen Rahmenbedingungen für die kulturelle Entwicklung durch eine kulturfreundliche Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik.

Dabei wird gerade der Bund oft unterschätzt, wenn es um die Gestaltung der ökonomischen Struktur der Kultur geht. Der Bund selbst ist in beschränktem Maße "Kulturförderer". Bei sinkenden Gesamtausgaben des Bundes (1996 = 451 Milliarden DM) hat der Bund seine Kulturausgaben im Inland auf 1,3 Milliarden DM erhöht. Dieses Engagement ist sehr positiv, da der Bund gerade hier seine Vertretung gesamtstaatlicher Interessen dokumentieren kann. Wichtiger aber als diese Kulturfinanzierung sind seine Möglichkeiten, durch Bundesgesetze ein kulturfreundliches Klima im Land zu schaffen. Besonders das Urheberrecht und das Steuerrecht sind hervorragende Instrumentarien, um Kultur zu unterstützen.

Ohne eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Urheberrechtes können Künstlerinnen und Künstler in der Informationsgesellschaft von ihrer Kunst in der Zukunft nicht mehr leben. Auch die Kunstverwerter, wie Verlage, Kunsthandlungen, Produzenten und die Medien brauchen diese rechtlichen Rahmenbedingungen, um ihre ökonomische Basis zu erhalten. Eine positive Weiterentwicklung des Urheberrechtes ist die beste Wirtschaftspolitik für die Kultur.

Mindestens ebenso wichtig wie das Urheberrecht ist die Entwicklung eines kulturfreundlichen Steuerrechtes. Besonders die Städte, Gemeinden und Länder fordern ein stärkeres Engagement der Bürger für die Kultur ein. Aber nur der Bund kann die dafür notwendigen steuerlichen Rahmenbedingungen schaffen. Der kürzlich erschienene Erlaß zur ertragssteuerlichen Behandlung des Sponsoring ist ein gutes Beispiel dafür. Der Bund hat in diesem Erlaß erreicht, daß der Sponsor seine Aufwendungen leichter als Betriebsausgaben absetzen kann. Das ist sehr zu begrüßen, da dadurch die Firmen eher bereit sind, kulturelle Projekte zu sponsern. Im selben Atemzug aber hat der Bund die Körperschaftssteuerpflicht von gemeinnützigen Vereinen verschärft. Durch diese Maßnahme können möglicherweise die positiven Effekte des Sponsoring-Erlasses wieder zunichte gemacht werden.

Doch wie erfahren die Politikerinnen und Politiker von den Möglichkeiten und Problemen der Kultur? Die Lobbyisten des Bundesverbandes der Deutschen Wirtschaft oder des Deutschen Gewerkschaftsbundes werden wohl kaum hauptsächlich für die Interessen der Kultur streiten. Der Deutsche Sportbund wird seine hervorragende Interessenpolitik in Bonn auch nicht mit der Kultur teilen wollen. Es bleibt den Künstlerinnen und Künstlern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Museen und Theater, den Verlegern und Galeristinnen nichts anderes übrig, als ihre Interessen selbst zu vertreten. Zu diesem Zweck wurde vor fünfzehn Jahren der Deutsche Kulturrat gegründet.

Der Deutsche Kulturrat e.V. hat das Ziel, der Ansprechpartner der Politik und Verwaltung des Bundes und der Europäischen Union in allen die einzelnen Sparten des Deutschen Kulturrates e.V. übergreifenden kulturpolitischen Angelegenheiten zu sein. Er ist das kulturpolitisches Forum für Verbände, Einrichtungen und Experten der Kunst- und Medienberufe, der Kulturwirtschaft, der Kunstwissenschaft, der kulturellen Bildung und der Kulturvermittlung.

213 Bundesverbände, darunter auch die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) haben sich in acht Sektionen dem Deutschen Kulturrat e.V. angeschlossen. Ziel des Deutschen Kulturrates e.V. ist, bundesweit spartenübergreifende Fragen in die kulturpolitische Diskussion auf allen Ebenen einzubringen.

Der Deutsche Kulturrat e.V. wird getragen durch seine acht nach fachlichen Gesichtspunkten gegliederten Sektionen:

Deutscher Musikrat Rat für Darstellende Künste
Deutsche Literaturkonferenz Kunstrat
Rat für Baukultur Sektion Design
Sektion Film/Audiovision Rat für Soziokultur

Jede dieser selbständigen Dachorganisationen ist im Sprecherrat und in der Delegiertenversammlung des Deutschen Kulturrates e.V., dem jährlich tagenden Plenum, vertreten. Die Gremien und die Geschäftsstelle des Deutschen Kulturrates e.V. werden in ihrer Arbeit von Fachausschüssen unterstützt. In den Fachausschüssen arbeiten neben Expertinnen und Experten aus den Mitgliedsorganisationen auch Fachleute, die keiner Mitgliedsorganisation des Deutschen Kulturrates e.V. angehören. Die Expertinnen und Experten in den Fachausschüssen erarbeiten Empfehlungen und Stellungnahmen, die kultur- und medienpolitische Problemfelder benennen und Handlungsperspektiven aufzeigen.

Ziel der Arbeit des Deutschen Kulturrates e.V. ist, Lobby für die Kultur zu sein.

Gerade in den letzen Monaten wurde deutlich, was das bedeutet. Da wurde in Bonn versucht, kurzerhand den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Bildende Kunst abzuschaffen, wenige Wochen später sollte es dem Kuratorium junger deutscher Film ans Leben gehen, und schließlich verzichtet die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung kurzerhand auf den gesamten Modellbereich Kulturelle Bildung. Nur einige Beispiele aus wenigen Wochen, die aber deutlich machen, daß eine wachsame Lobby in Bonn für die Kultur erforderlich ist.

Nicht immer ist die Arbeit der Kulturlobbyisten von Erfolg gekrönt. Wir konnten erreichen, daß der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für die Bildende Kunst nicht abgeschafft wird, und dem Kuratorium junger deutscher Film haben wir eine Galgenfrist erkämpft. Die Bund-Länder-Kommission aber hat leider ihre Ausgrenzung der Kulturellen Bildungsarbeit noch nicht aufgegeben.

Die Erfolge des Deutschen Kulturrates e.V. liegen zum größten Teil in seiner ungewöhnlichen Struktur begründet. Im Deutschen Kulturrat e.V. haben sich nicht nur Bundesverbände aller kulturellen Sparten vereinigt, sondern es haben sich auch die Produzenten, also die Künstlerinnen und Künstler, und die Verwerter, wie z. B. die Verleger, die Konzertveranstalter, die Galeristen, die Filmproduzenten, zusammengeschlossen. Der Deutsche Kulturrat e.V. spricht deshalb nicht nur für alle Kultursparten, sondern auch für die Vertreter des gesamten künstlerischen Produktionsprozesses.

Die Kultur muß ihre Interessen genauso wie die Wirtschaft, der Sport und die Wohlfahrtsverbände durchsetzen. Die Interessengruppen in allen Bereichen übernehmen eine unverzichtbare Aufgabe in der Demokratie. Sie informieren die politischen Entscheidungsträger und die Verwaltung über die ihrer Klientel entsprechenden Probleme und Wünsche. Die Politik braucht im Gegenzug die Verbände, um ihre Entscheidungen über die Verbandsstrukturen direkt in die Bevölkerung transportieren zu können (push-pull-Beziehungen). Demokratie lebt vom Wechselspiel zwischen Verbänden und Politik!


Stand: 19.01.98
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