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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 97

Das Gesamtverzeichnis der Kongreß-Schriften (GKS) letztmalig erschienen

Günter Franzmeier

Mit der jetzt vorliegenden 12. Ausgabe (auf 52 Mikrofiches) ist das von der Staatsbibliothek zu Berlin seit nunmehr über 20 Jahren bearbeitete und herausgegebene GKS endgültig zum letzten Mal erschienen. Es wird jedoch, so ist zu hoffen, noch über viele Jahre ein wichtiges Nachschlagewerk für die in deutschen Bibliotheken vorhandenen Kongreß-Schriften bleiben, nicht zuletzt in seiner Online-Version (mit Bestellkomponente) als Datenbank im Rahmen von DBI-LINK.

Der Datenbestand hat bis zu dieser 12. Ausgabe einen Umfang von fast 104.000 Kongreß-Schriften mit insgesamt 335.000 Besitznachweisen erreicht, davon 267.000 Besitznachweise mit den genauen Signaturen, was den Leihverkehr sehr erleichtern dürfte. Das GKS ist damit einer der weltweit umfassendsten Nachweise für dieses spezielle Material aus den Jahren von ca. 1960 bis 1990. In ihm spiegelt sich wie sonst wohl nirgends das in dieser Zeit geradezu explosionsartig zunehmende Kongreßwesen, speziell auch das internationale, sowie die damit einhergehende Flut von Kongreß-Publikationen. (Man sehe sich nur einmal die Vielzahl von unterschiedlichen Publikationen an, die zu fast jedem der einzelnen internationalen Kongresse der Geographen, der Geologen, der Slawisten erschienen sind, um nur einige augenfällige Beispiele zu nennen; dabei werden im GKS sogar nur diejenigen Titel aufgeführt, die in deutsche Bibliotheken Eingang gefunden haben, nicht unbedingt alle überhaupt erschienenen!)

Anläßlich des letztmaligen Erscheinens des GKS ist es wohl angebracht, einen kurzen Blick auf das Entstehen und den Erscheinungsverlauf dieses Gesamverzeichnisses zu werfen und zugleich ein paar Hinweise darauf zu geben, warum ein Weiterführen des GKS nicht mehr notwendig bzw. nicht mehr sinnvoll erscheint.

Das Sammeln der "Meldungen" für dieses Gesamtverzeichnis begann bereits Ende der 60er Jahre, als in der Redaktion des damals noch im Erscheinen begriffenen, mit konventionellen Methoden bearbeiteten GAZS (Gesamtverzeichnis ausländischer Zeitschriften und Serien) entschieden wurde, das besondere Material Kongreß-Schriften, und zwar durchaus auch das von "periodischen" Kongressen, doch besser aus einem Zeitschriftenverzeichnis herauszulassen. Die zahllosen damals von den deutschen Bibliotheken zusammen mit den Meldungen für Zeitschriften an die GAZS-Redaktion in der Staatsbibliothek geschickten Kopien von Titelkarten zu Kongreßmaterialien wurden deshalb zunächst beiseitegelegt. Zum Zeitpunkt der Umstellung des Zeitschriftenverzeichnisses auf die neuen Regeln RAK, verbunden mit der gleichzeitigen Einführung der maschinellen Datenverarbeitung, ergab sich dann Anfang der 70er Jahre eine konkrete Möglichkeit, neben dem Gesamtverzeichnis der Zeitschriften und Serien (GZS) ergänzend ein spezielles Gesamtverzeichnis für die Kongreß-Schriften ins Leben zu rufen, das GKS. Zumal dafür weitgehend die Programme verwendet werden konnten, die in der Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik (ABT), einem der Vorläufer des heutigen DBI, für das GZS (später: die ZDB) ohnehin entwickelt wurden.

Erstmals ist das GKS dann 1976 in Buchform (im Verlag K G. Saur) erschienen. Kumulierende Supplemente schlossen sich an, bis sich - auch vom Umfang her - im Jahre 1986 ein Wechsel zur Mikroform anbot. Die Online-Recherche- und Bestellversion auf der Basis der GRIPS-Software konnte hingegen schon 1983 realisiert werden.

Als Besonderheit soll an dieser Stelle noch einmal vermerkt werden, daß für das GKS bis zuletzt konsequent die seinerzeit in der ABT bzw. im DBI entwickelte komfortable ZDB-Software einschließlich der sog. Stufenaufnahmen genutzt worden ist, d. h. weit über die ZDB hinaus, in der die hierarchische Abstufung verknüpfter Datensätze Ende der 80er Jahre "flachen" (flacheren) Datenstrukturen weichen mußte, da sonst die (notwendige) Zusammenarbeit und der Datentausch der ZDB mit den regionalen Verbundsystemen nicht zustande gekommen wäre. Das GKS konnte sich damals den "Luxus" der Stufenaufnahmen erhalten, weil es von vornherein und auf Dauer ganz auf das traditionelle Meldeverfahren an einen Zentralkatalog ausgerichtet war. Bei diesem Verfahren werden bekanntlich von allen beteiligten Bibliotheken Kopien ihrer Katalogkarten an eine Zentrale geliefert, die anschließend damit macht, was sie für richtig hält, und von der keinerlei Daten in maschinenlesbarer Form an die Lieferanten zurückfließen müssen.

Genau dies ist allerdings auch einer der Gründe, weshalb das GKS nun nicht mehr fortgeführt werden kann. Es gibt landauf, landab in den deutschen Bibliotheken kaum noch eine nennenswerte Katalogkartenproduktion, aus der Meldungen an einen konventionell zu beliefernden Zentralkatalog abgezweigt werden könnten. Die Zahl der eingehenden Meldungen an das GKS ist in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen und schon seit geraumer Zeit nicht mehr im geringsten repräsentativ für das von deutschen Bibliotheken erworbene Kongreß-Schrifttum gewesen. (Umso dankbarer waren und sind die Herausgeber denjenigen Bibliotheken, die bis zuletzt die Redaktion des GKS mit Meldungen beliefert haben.)

Das Ausbleiben von Titelmeldungen war aber bei weitem nicht der einzige Grund dafür, das GKS jetzt auslaufen zu lassen. Mindestens ebenso entscheidend waren zwei weitere Umstände. Das war einmal die deutsche Wiedervereinigung, in deren Folge das GKS ungewollt von einem nationalen Gesamtverzeichnis zum einem Teilverzeichnis wurde, nämlich zu einem Verzeichnis lediglich für die Bibliotheken der "alten" Bundesrepublik. Dabei gab es kaum eine Chance, für mehrere zurückliegende Jahrzehnte die Besitznachweise aus den Bibliotheken der neuen Länder zu ermitteln und im GKS nachzutragen, um auf diese Weise wieder zu einem wirklichen Gesamtverzeichnis zu kommen.

Der zweite Umstand ergab sich dadurch, daß die in den regionalen Monographiensystemen katalogisierten Kongreß-Schriften ab Ende der 80er Jahre regelmäßig auch überregional im Verbundkatalog Maschinenlesbarer Katalogdaten (VK) nachweisbar wurden, so daß der bis dahin hauptsächlich vom GKS geleistete überregionale Nachweis dieses Schrifttums eine Konkurrenz bekam; noch dazu eine Konkurrenz, die nun nicht mehr nach dem traditionellen Prinzip alter Zentralkataloge funktionierte, sondern die mit vollständigen RAK-Titelaufnahmen in maschinenlesbarer Form operierte.

Die Summe dieser Umstände hat dazu geführt, daß das GKS, zeitbedingt wie es war, seine Funktion mittlerweile erfüllt hat, und daß eine laufende Fortführung nicht mehr angezeigt erscheint. Da dies schon seit einiger Zeit abzusehen war, wurde in der Redaktion außerdem schon vor einigen Jahren beschlossen, den sich - auch wegen der leichten Merkbarkeit - anbietenden Schluß der Berichtszeit des GKS auf Kongresse bis zum (Kongreß-)Jahr 1990 festzulegen.

Die Staatsbibliothek zu Berlin beendet hiermit die Herausgabe eines Kataloges, eines Nachschlagewerkes, das sie über 20 Jahre lang überwiegend aus eigener Kraft und mit eigenem Personal bearbeitet hat, zur besseren Erschließung des weltweit als bibliographisch "schwierig" geltenden Materials "Kongreß-Schriften", insbesondere aber zum Nutzen des überregionalen Leihverkehrs. (Im Unterscheid zur ZDB hat hier die Deutsche Forschungsgemeinschaft nur kurzfristig einmal Hilfestellung gegeben, als es darum ging, Mitte der 80er Jahre in großem Umfang Signaturen nachzutragen, damit die Online-Bestellkomponente effizient eingesetzt werden konnte.) Daß das GKS nun nicht mehr weitergeführt wird, bedeutet, wie schon eingangs gesagt, andererseits ja keineswegs, daß es nicht noch viele Jahre lang erfolgreich für bibliographische und Leihverkehrs-Zwecke eingesetzt werden kann und eine fast unerschöpfliche Fülle von Informationen über Kongresse und deren Publikationen bietet.

Ein Dank gilt zum Schluß dem Deutschen Bibliotheksinstitut für die jahrelange DV-mäßige Betreuung sowie den Vertrieb des GKS als Mikroform wie auch in der GRIPS-Version. Um das GKS verdient gemacht hat sich aber vor allem der viele Jahre mit großem Engagement die Hauptlast der redaktionellen Arbeit tragende Kollege Reinhard Weber.


Stand: 09.10.97
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