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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 97

Wie katalogisiert man virtuelle Inkunabeln?

Nachtrag zum Testbericht zur Reihe "Omnia Opera" der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt (ADEVA) in Graz1)

Arno Mentzel-Reuters

Nach Eingang, Prüfung und Katalogisierung der von der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt herausgebrachten Reproduktionen der Handschriften und Inkunabeln der Biblioteca Angelo Mai auf CD-ROM lassen sich weitere Kritikprunkte festmachen, die an der Probe-CD-ROM, die der Verlag zur Verfügung gestellt hat, nicht erkennbar waren. Zum einen zeigt sich, daß die gesamte Reihe nur auf Bestellung auf beschreibbaren CDs ohne weitere Beschriftung gebrannt wird; lediglich die Nummer der Serie wird in die Oberseite der CD gestanzt. Das Deckblatt der CD-Hülle wird (wohl mit Photokopierer) mit einem Kurztitel versehen. Das Begleitheft ist zu allen CD-ROM gleich; es enthält eine verkürzte Auflistung aller in der Unterserie "Biblioteca Angelo Mai" enthaltenen CD-ROM. Auf jeder CD selbst befindet sich eine Datei mit Namen "schedule.doc" (ASCII-Format), die ausführlichere bibliographische Angaben zu den reproduzierten Stücken enthält.

Damit stellt sich sofort die Frage, auf welcher Grundlage eine Katalogisierung erfolgen soll. Die CD-ROM selbst trägt keine verwertbaren Angaben zu Autor und Titel, insbesondere, wenn die CD mehrere Drucke beinhaltet. Das Heft ist ausführlicher, aber auch nicht hinreichend; die Datei ist sicherlich die beste Quelle - aber doch eine unzuverlässige, wie sich bei Stichproben sogleich zeigt. Die Angaben, die wahrscheinlich aus einem alten Katalog der Biblioteca Angelo Mai entnommen sind, sind zumindest für die Inkunabeln häufig fehlerhaft. Eine lateinische Bibel wird als italienisch angegeben, die GW- oder Hain-Nummern sind oft falsch usw. Bei den Handschriften wäre eine Überprüfung nur bei unvertretbarem Aufwand möglich, sie unterblieb.

Wo man die CD-ROM nach dem für solche Medien üblichen Schema katalogisiert, hat man zwar nicht viel Arbeit, kann aber nicht behaupten, dem Medium gerecht geworden zu sein oder gar dem Benutzer die Information geliefert zu haben, die er sucht. Bei den Handschriften ist dies in einer Katalogabteilung nicht zu leisten, zumal ein moderner Katalog der Handschriften der Biblioteca Angelo Mai nicht vorliegt.2) Handschriftenerschließung ist aber auch nicht Gegenstand der Formalkatalogisierung nach den RAK-WB. Anders verhält es sich mit den Inkunabeln. Natürlich sind die CD-ROM keine Inkunabeln, natürlich müßte man sie nicht analog erschließen. Die CD-ROM als solche ist aber nicht von Interesse, sondern die darauf enthaltene Reproduktion einer Inkunabel. Man sollte also durch die Titelaufnahme den Benutzer in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob die von ihm gewünschte Ausgabe auf dieser CD-ROM reproduziert ist oder nicht, und zwar mit einer zuverlässigen Angabe, nicht mit den irreführenden Informationen, die die Akademische Druck- und Verlagsanstalt liefert. Hierzu ist keine Aufnahme im Sinne eines Inkunabelkataloges erforderlich, aber doch ein Mehr an Angaben, als von den RAK-WB gefordert.

Für die Katalogisierung der MGH-Bibliothek wurden sämtliche mitgelieferten Aufnahmen in diesem Sinne überarbeitet und mit den nach RAK-WB erforderlichen Standardangaben ergänzt. Insbesondere erfolgte ein Abgleich mit den wichtigsten Inkunabelbibliographien (Hain, Copinger, GW). Enthaltene Werke, mitwirkende Personen usw. wurden ebenfalls angegeben und nach der PND angesetzt (die mitgelieferten Personennamen, auch der Drucker, sind italienisch).

Die Aufnahmen sind im Internet abrufbar (http://www.mgh.de/bibliothek/opera.html). Die Kategoriennummern beziehen sich auf das A-Schema von Allegro-C, eine Übersicht über diese Kategorien liegt unter http://www. mgh.de/bibliothek/kategorien.html. Bibliotheken, die das A-Schema verwenden, können die Aufnahmen entweder mit update.exe oder mit dem Drag-and-drop-Modus von Windows 95 mit der Maus aus dem Webbrowser in eine geöffnete Allegro-Aufnahme ziehen. Die MGH-spezifischen Kategorien 90 (Signatur) und 311 (systematische Verweisung) müßten natürlich verändert bzw. gelöscht werden.

Als Beispiel hier die erste Aufnahme:

Formatiert sähe das so aus:

1) vgl. Bibliotheksdienst 30.1996, S. 2018-22

2) Zur Katalogsituation vgl. Paul Oskar Kristeller: Latin manuscript books before 1600 : A list of the printed catalogues and unpublished inventories of extant collections 4th revised and enlarged ed. by Sigrid Krämer. München 1993 (Monumenta Germaniae Historica. Hilfsmittel ; 13), S. 277f.


Stand: 09.10.97
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