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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 97

Laser-Reinigung von Pergament-Handschriften und Papier

Wolfgang Kautek

Konservierung von Handschriften und Kunstwerken stellt einen Wettlauf mit der Zeit dar. Chemische und physikalische Umwelteinflüsse können empfindliche Oberflächen angreifen, unlesbar machen, oder sogar zerstören. Dabei geht es um den Erhalt volkswirtschaftlicher und kultureller Werte höchsten Ranges.

Traditionelle Pergament- und Papierrestaurierung beruht auf mechanischen Schabe-, Kratz-, Radiergummi- und Lösungsmittelmethoden.1) Der Einsatz von Alkoholen und Wasser kann allerdings zur Hydrolyse der Kollagenbindungen führen, wodurch die Proteinmoleküle abgebaut werden und schließlich sogar Gelatine gebildet wird. Radiergummi (z. B. aus Polyvinylchloriden) können Schmutz von Oberflächen ablösen, wobei jedoch ein gewisser Grad mechanischer Zerstörung nicht vermieden werden kann. Oft verdichtet der angewandte Auflagedruck die Kollagenfasern und bewirkt einen veränderten Hydratationsgrad. Das Resultat ist unter Umständen eine inakzeptable Veränderung des optischen Eindruckes der Pergamentoberfläche.

Neben der langen Tradition konventioneller Konservierungstechniken sollen im Rahmen des europäischen EUROCARE-Programmes "Laser Cleaning of Paper and Parchment" (LACLEPA, EU 1681) unter dem EUREKA-Dach im Laboratorium für Dünnschichttechnologien (Dr. W. Kautek) der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin, zusammen mit dem Institut für Kunstgeschichte, Freie Universität Berlin (Arbeitsgruppe Prof. E. König) und namhaften Archiven, Museen und Instituten aus Österreich, Italien, Deutschland, Slowenien und dem Vatikanstaat in den kommenden Jahren neue Laser-Cleaning-Techniken an Pergamenten und Papieren erforscht und entwickelt werden. Laser-Reinigung ("Laser Cleaning"), die kontaktlose Reinigung von technischen oder biogenen Substraten durch Laserstrahlung, stellt ein neues aufstrebendes Gebiet der Laser-Materialbearbeitung dar. Laser werden bereits in der technischen Praxis zur Reinigung bzw. Entfernung von Lackanstrichen auf Flugzeugen eingesetzt. In diesem Fall kommt der Abtragungsprozeß von selbst zum Stillstand sobald der Laserstrahl das reine Metall erreicht hat ("Etch Stop"). Im Falle der Pergamente und Papiere, welche komplexe biologische Faserverbundwerkstoffe darstellen, müssen völlig neue Laser-Abtragungsbedingungen gefunden werden, die ausschließlich Schmutz und Fremdstoffe entfernen, ohne das wertvolle empfindliche Grundmaterial zu verändern. Dabei geht es einerseits um die Vermeidung von flüssigen toxischen Reinigungssubstanzen, die auch Verbundwerkstoffe nach längerer Zeit zerstören können, und andererseits um die Möglichkeit, Reinigung im Mikrobereich lokalisieren zu können.

Eine erste Monographie über das Thema "Laser-Reinigung von Kunstwerken" wird vom Autor und von E. König, Institut für Kunstgeschichte, FU Berlin, in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Zweig des International Institute for Conservation of Historic and Artistic Works (IIC) unter dem Titel "Lasers in the Conservation of Artworks I", herausgegeben.2) An einem Band "Lasers in the Conservation of Artworks II" wird derzeit gearbeitet.

An Pergamenten aus dem 15. Jahrhundert konnten mit einem Excimer-Laser mit einer Pulsdauer von 17 ns und einer Wellenlänge von 308 nm mit Erfolg Reinigungsversuche durchgeführt werden (Tabelle 1). In allen Fällen müssen die Laserpuls-Energien in einem Arbeitsbereich gehalten werden, der oberhalb der Ablationsschwelle (Verdampfungsschwellwert der Laser-Energiedichte) der Schmutzschichten und unterhalb der Ablations- und Zerstörungsschwelle des zu reinigenden Substrates liegt. Die Wellenlänge 308 nm erweist sich gegenüber den weitverbreiteten Bereichen von 1064 nm (Nd:YAG-Laser) oder 248 nm (Excimer-KrF-Laser) als weit vorteilhafter, da der optische Dichteunterschied zwischen Verschmutzung und zu erhaltendem Kunstobjekt optimal ist.3) Zu den untersuchten Pergamenten gehören u.a. norditalienische Notariatsurkunden aus dem 15. Jahrhundert. Tinten wurden während des Schreibvorganges von der Kollagenfasermatrix in einer verhältnismäßig großen Tiefe aufgenommen. Deshalb konnten Tintenschriften erhalten werden, sobald die Schmutzschicht beseitigt war und die Laserstrahlung mit einer unkritischen Energie von der gereinigten Pergamentoberfläche bestrahlt wurde. 4), 5)

Ein stark verschmutztes Notenblatt aus Pergament eines süddeutschen Chorbuches aus dem 15. Jahrhundert konnte ebenfalls gereinigt werden. Es wurde während eines Bombenangriffs im zweiten Weltkrieg von Feuer in den Randbereichen versengt und mit Staub von einstürzendem Mauerwerk und durch Ruß verschmutzt. Hitze und gleichzeitige Wassereinwirkung (Brandlöschung) haben dazu geführt, daß die Kollagenfasern oberflächlich durch die verdampfende, vorher aufgesaugte, Feuchtigkeit aufgerissen und aufgerauht wurden. Staub und Rußpartikel konnten mit gutem Erfolg mit dem UV-Laser beseitigt werden. Tintennoten konnten dabei erhalten werden.

Der Mechanismus der Laser-Reinigung von feinem Vellum unterscheidet sich von der an Pergamenten dadurch, daß Vellum Freiräume zwischen den relativ lose gelagerten Kollagenfasern aufweist, welche überdies gegenüber einer Wellenlänge im nahen ultravioletten Bereich (308 nm) wenig Absorptivität zeigen. Dadurch kann die Laserstrahlung viel weiter in das Innere der Vellumstruktur vordringen, sobald die optisch dichteren Schmutzphasen explosiv verdampft werden konnten, ohne daß den Kollagenfasern Schaden zugefügt wurde. Dieser Mechanismus konnte an einem sehr empfindlichen Buchmalereiblatt eines französischen Stundenbuches aus dem 15. Jahrhundert nachgewiesen und demonstriert werden.

Druckbuchstaben auf Papier limitieren den Lasereinsatz. Sie werden sehr effektiv entfernt, da ihre optische Dichte sehr hoch ist. Leimflecken können dagegen zu einem bestimmten Grad schonungsvoll beseitigt werden.3)

Laserspektroskopische Methoden werden zur Zeit erprobt, um während des Laser-Reinigungsvorganges sicher und schnell den Endpunkt des Vorganges zu detektieren, bevor zu erhaltende Substratmaterialien (Pigmente, Pergament etc.) in irgendeiner Weise verändert werden. Als zerstörungsfreie Prüfmethode kommt die Laser-induzierte Fluoreszenzspektroskopie (Laser-Induced Fluorescence, LIF) zum Einsatz. Dabei wird vom zurückbleibenden Material unter der nicht zerstörenden Laser-Bestrahlung charakteristische elektromagnetische Strahlung aufgefangen, die eine chemische Identifkation zuläßt. Auf diese Weise kann eindeutig festgestellt werden, ob erhaltenswerte Schichten nach einem Laser-Reinigungspuls vorliegen. Komplementär dazu ist die Laser-induzierte Plasmaspektroskopie (Laser-Induced Plasma Spectroscopy, LIPS), bei der die Strahlungsemission des verdampften Schmutzes Auskunft über seine Zusammensetzung gibt. Dieses moderne Instrumentarium wird derzeit für die Laser-Reinigung an speziellen Modellsystemen, die z. B. aus synthetischen Kontaminations- und Pigmentschichten auf Pergamenten bestehen, entwickelt.3)

Die Laser-Reinigung von Pergamenten und Papier steht noch am Anfang ihrer Erforschung und Entwicklung, wie die Literaturliste deutlich zeigt. In den ersten Studien hat sich jedenfalls schon gezeigt, daß Verfahrenseigenschaften Berührungslosigkeit und Trockenheit zu einem bisher unerreichten Vorteil entwickelt werden können. Die Arbeitsparameter des Lasers können an Pergamenten in einem weiteren Bereich gewählt werden als bei Papier, welches sich der nahen ultravioletten Laserstrahlung gegenüber als das empfindlichere Substrat zu erweisen scheint. Es gilt in der nahen Zukunft, in einer engen und systematischen Zusammenarbeit zwischen Restauratoren, Kunsthistorikern, Archivaren und Bibliothekaren die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen, dieser neuen Technik auszuloten. Zu dieser Vorgehensweise haben sich in dem oben erwähnten europäischen EUROCARE-Forschungsprojekt "LACLEPA" Partner aus diesen Disziplinen zusammengefunden und auf den Weg gemacht.

Tabelle 1: Laser-Reinigungsergebnisse an Pergamenten und Papier (ausgewählte Beispiele)

MaterialObjektHerkunftRestaurierungsproblemLaser-Reinigungsergebnis
PergamentNotariatsurkundeNorditalien 1430*starke Verfärbung*reine Oberfläche
*intakte Tinte
*intakte Pergamentstruktur
Pergament (Vellum)StundenbuchMaitre François, Paris 1460*dunkle Farben durch Flüssigkeitseinwirkung verschmiert
*Fingerabdrücke
*reine Oberfläche
*intakte Pergamentstruktur
PergamentNotenblattPsalterium;
St. Michael, München 1600;
nach Bombenangriff 1945
*Ruß
*Staub
*Verfärbung
*Aufrauhung
*reine Oberfläche
*intakte Pergamentstruktur
*intakte Tinte
PapierBuchG. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868*Leimflecken*partielle Entfernung der Leimflecken
*Druckbuchstaben werden entfernt
*intakte Papierstruktur

1) R. Reed, Ancient skins, parchments and leathers, Seminar Press, London and New York 1972.

2) (Hrg.) W. Kautek, E. König, G. Bonsanti, C. Fotakis, V. Vergès-Belmin, K. Watkins Restauratorenblätter (Sonderband), Verlag Mayer & Comp., Wien 1997, im Druck.

3) W. Kautek, P. Rudolph, S. Pentzien, J. Krüger, and E. König, Appl. Surf. Sci., im Druck.

4) W. Kautek, S. Pentzien, J. Krüger, and E. König, in Lasers in the Conservation of Artworks I, Restauratorenblätter, Sonderband 1, (Eds.) W. Kautek, E. König, G. Bonsanti, C. Fotakis, V. Vergès-Belmin, K. Watkins, Mayer & Comp., Wien, 1997, im Druck.

5) W. Kautek, P. Rudolph, S. Pentzien, J. Krüger, and E. König, in Lasers in the Conservation of Artworks II, Restauratorenblätter, Sonderband 2, (Eds.) W. Kautek, E. König, C. Fotakis, V. Vergès-Belmin, J. Larson, K. Watkins, Mayer & Comp., Wien, 1998, in Vorbereitung.


Stand: 07.10.97
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