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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 97

Weiterbildung für Frauen und Männer im Erziehungsurlaub

Ute Winter

Auszug aus dem Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (2. GleiBG vom 24. Juni 1994):

In einer Zeit, in der mit der Einführung der EDV die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisationen einem schnellen Wandel unterworfen sind, ist es gerade für Beschäftigte, die in Erziehungsurlaub sind, sehr schwer mit diesen Fortschritten Schritt zu halten. Kommen sie nach drei oder noch mehr Jahren an die Dienststelle zurück, finden sie einen völlig veränderten Arbeitsplatz mit völlig neuen Anforderungen vor. Für die Dienststellen bedeutet das, daß sie die zurückkehrenden Beschäftigten neu einarbeiten müssen, ja es führt sogar soweit, daß manche Abteilungen sich gar nicht erst mit "Rückkehrern" belasten wollen. Für die Beurlaubten selbst ist dieser Wandel mit einer erhöhten Angst verbunden, nicht mehr den Anforderungen gewachsen zu sein.

Darum ist es sehr wichtig, daß die Beurlaubten in ihrem Erziehungsurlaub die Möglichkeit erhalten, in Kontakt mit ihrem Beruf zu bleiben, zu erfahren, wenn es irgendwo Veränderungen gibt, und ihre Kenntnisse aufzufrischen oder neue Kenntnisse hinzuzugewinnen.

Eine Möglichkeit, diesen Kontakt herzustellen, sind speziell auf die Bedürfnisse der Beurlaubten zugeschnittene Fortbildungsangebote. Es hat wenig Sinn, einen Beurlaubten kurz vor dem Ablauf des Erziehungsurlaubs aufzufordern, er möge doch an einem Fortbildungskurs teilnehmen. Diese Fortbildungskurse sind auf die Vollzeitbeschäftigten zugeschnitten, dauern meistens den ganzen Tag und nehmen keinerlei Rücksicht auf den unterschiedlichen Bedarf an Bildung bei Beurlaubten und denjenigen, die die ganze Zeit aktiv im Arbeitsleben verhaftet sind. Auch die Angebote einiger Fortbildungszentren (z. B. HBZ Köln: Rückkehr in die Bibliothek oder Bayerische Bibliotheksschule München: RAK-Auffrischungsseminar) erreichen die Beurlaubten erst dann, wenn sie schon wieder an ihren ehemaligen Arbeitsplatz zurückgekehrt sind. Der Kontakt zur Dienststelle und die Fortbildungsmaßnahmen sollten aber schon während des Erziehungsurlaubes greifen.

Für dieses Fortbildungsangebot sollte man schon in der Zeit vor der Beurlaubung Werbung machen. Es sollte eine Kinderbetreuung organisiert werden. Dazu schreibt das 2. GleiBG, § 8,2 vor:

Die Kurse sollten möglichst halbtags sein.

Wichtig ist, daß die Fortbildung direkt an der Dienststelle stattfindet. Zentrale Kurse z. B. in der Bayerischen Bibliotheksschule können ergänzend wahrgenommen werden, aber das Hauptaugenmerk sollte auf dem direkten, persönlichen Kontakt mit dem alten Arbeitsplatz liegen. Da die Teilnahme freiwillig ist und die Beurlaubten auch keine Vergütung für diese Zeit erhalten, sollte man sich rechtzeitig überlegen, wie sie zu motivieren sind (z. B. wäre eine Anrechnung der Kurszeit auf die zukünftige Arbeitszeit vorstellbar).

Als Beispiel sei hier die Stadt Augsburg genannt. Siebenmal wurde bisher das Seminar "Beruf und Familie - wir bleiben in Kontakt" durchgeführt mit durchweg positiver Bilanz bei den Teilnehmerinnen. 120 Frauen nahmen teil. Alle Beurlaubten werden in Augsburg zur Teilnahme an internen Fortbildungsmaßnahmen aufgefordert. Die beurlaubten Beschäftigten erhalten über die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Augsburg das halbjährlich erscheinende Fortbildungsprogramm zugesandt.

Die Stadt Augsburg kann hier auf die Einrichtungen der Stadtakademie mit den vielfältigsten Fortbildungsmöglichkeiten zurückgreifen.

Für den Bereich der Bibliotheken könnte dieses "Wir-Bleiben-In-Kontakt"-Seminar etwa mit folgenden Themen gestaltet werden:

Die Referate sollten so flexibel gestaltet sein, daß auf Fragen aus dem Teilnehmerkreis ausführlich geantwortet werden kann. Die ReferentInnen sollten aus dem Bereich der Bibliothek selbst kommen, damit größtmöglicher Praxisbezug gewährleistet ist.

Ergänzt werden sollten die Referate durch ein oder mehrere Gesprächskreise, bei denen die TeilnehmerInnen gezielt Fragen stellen und diskutieren können.

Die Kinderbetreuung stellt ein Problem dar, da Kinderkrippen von Universitäten oft nur Kinder von StudentInnen aufnehmen. Eine Ausweichmöglichkeit wären StudentInnen aus dem pädagogischen Bereich, die die Kinder in einem Uni-eigenen Raum betreuen könnten oder aber eine Tagesmutter, die das Jugendamt vermitteln könnte.

Die Benachrichtigung der Beurlaubten kann nur auf postalischem Weg erfolgen. Daraus ergibt sich ein hoher Pflegeaufwand bei der Adressenverwaltung und die anfallenden Portokosten. Auch durch den Ausfall der Arbeitskraft der ReferentInnen entstehen der Bibliothek Kosten.

Diese Kosten werden aber durch den Nutzen aufgewogen, den die jeweilige Bibliothek durch motiviertere und qualifizierte RückkehrerInnen und durch die Zeiteinsparung bei der Wiedereinarbeitung hat.

Ergänzend zu den Weiterbildungsmöglichkeiten kann die Bibliothek auch den beurlaubten Beschäftigten die Möglichkeit einräumen, erziehungsgeldunschädlich aushilfsweise in der Bibliothek zu arbeiten (19 Stunden). Dabei können die Beschäftigten dann auch die Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und den Anforderungen der Familie testen.

Zusammenfassend liegen die Vorteile der Weiterbildung innerhalb des Erziehungsurlaubes
seitens des Beschäftigten bei

  1. Absenken der Schwellenangst vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz
  2. Erleichterung des Wiedereinstiegs, weil die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten schon vorhanden sind
  3. Test der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und
seitens der Bibliothek bei

  1. qualifizierteren und motivierteren Mitarbeiterinnen
  2. Verkürzung der Wiedereinarbeitungszeit.
Somit bietet diese Idee für beide Seiten Vorteile und sollte durchaus mal in der Praxis getestet werden.

Zum Abschluß sei noch Margot Gebhardt-Benischke zitiert aus ihrem Bericht: Das Hochschulrahmengesetz aus der Perspektive des Art. 3 des Grundgesetzes. (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Materialien und Dokumente Hochschule und Forschung ; 85):
"§ 2 Abs. 4 HRG: Novellierungsverschlag ergänzend:
Die Weiterbildungsangebote sollen auch der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienen. Zu diesem Zweck berücksichtigen sie auch den aus der beruflichen Praxis entstandenen spezifischen Weiterbildungsbedarf von Frauen. Die Hochschulen treffen Vorsorge dafür, daß die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten mit der Wahrnehmung der Elternverantwortung vereinbart werden kann."


Stand: 07.10.97
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