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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 7, 97

Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin

Wissenschaftlicher Beirat gegründet

Wolfgang Jänsch

Seit April 1997 existiert am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin ein Wissenschaftlicher Beirat. Dieser wissenschaftliche Beirat versteht sich als Einrichtung zur wissenschaftlichen Begleitung, vor allem der Fernstudienaktivitäten des Instituts für Bibliothekswissenschaft. Bei dem Fernstudium sind zwei Entwicklungsrichtungen zu sehen:

  1. Zusatzstudium zur Ausbildung der/des Wissenschaftlichen Bibliothekarin/Wissenschaftlichen Bibliothekars im Rahmen eines postgradualen Studiengangs.
  2. Das Fernstudium der Bibliothekswissenschaft im Rahmen der M.A.-Ausbildung. Hierbei handelt es sich um das bisher bekannte Zweifachstudium, wobei Bibliothekswissenschaft als 2. Hauptfach belegt werden kann. Das 1. Hauptfach könnte an einer beliebigen anderen Universität im Direktstudiengang absolviert werden, und das 2. Fach, also die Bibliothekswissenschaft, wird in Fernstudienform absolviert. Hierdurch ließen sich Studiengänge und Studienverläufe entzerren. Auch werden Studienfachkombinationen möglich, die bisher an der Humboldt-Universität nicht kombiniert werden konnten.
Der unter 2. genannte Studiengang befindet sich erst in der Planungsphase.

Der unter 1. genannte Studiengang wird im Rahmen eines von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung geförderten Projekts seit 1995 am Institut für Bibliothekswissenschaft realisiert (s. hierzu auch BIBLIOTHEKSDIENST 31 (1997) 3, S. 390 ff.). Das Studium ist inhaltlich eng an die Referendarausbildung angelehnt. Im Fernstudium dauert dieses Studium zwei Jahre, wobei zwei Praktika integrierter Bestandteil der Ausbildung sind. Die 1. Matrikel wird im Herbst 1997 ihr Studium beenden.

Zunächst mußte angenommen werden, daß die zwei sechswöchigen integrierten Praktika während des Studiums zu kurz sein werden. Einer Verlängerung dieser Praktika stand jedoch entgegen, daß dann für den einzelnen Studenten ggf. das ganze Studium nicht mehr durchgeführt werden kann. Im Extremfall muß der Fernstudent größte Teile seines Urlaubs hierfür verwenden. Zwar können einzelne Teilnehmer hierfür Bildungsurlaub gewährt bekommen, aber nicht alle Bundesländer bieten diese Möglichkeit, und nicht alle Arbeitgeber ermöglichen entsprechende Freistellungen. Bei der praktischen Durchführung der Ausbildung für die 1. Matrikel mußte dann aber festgestellt werden, daß dieses Problem zwar vorhanden ist, für die Ausbildung jedoch zumeist keinen eklatanten Mangel darstellt, da über 90 % der Fernstudenten in bibliothekarischer Praxis tätig sind. Auf Grund sehr langer Praxiserfahrungen, die bei vielen Studenten vorliegen, konnte auch oft der Weg der Anerkennung vorheriger praktischer Erfahrungen als Praktika beschritten werden. An diesem Problemkreis zeigt sich derzeitig kein Handlungsbedarf bezüglich der Änderung von Ordnungen. Darüber hinaus gibt es aber eine Vielzahl von Problembereichen, die als Gegenstand der wissenschaftlichen Begleitung eines solchen Projekts angesehen werden müssen. Gerade hierzu zählen:

1. Definition von Lehrinhalten und Stundenrelationen

Die vorliegenden Ordnungen (Studienordnung, Prüfungsordnung, Praktikumsrichtlinie) liegen zwar bereits bestätigt vor, jedoch ist eine laufende Fortschreibung erforderlich. Ggf. ist auch eine Präzisierung/Veränderung der inhaltlichen Ausbildung der definierten Lehrgebiete zweckmäßig. Im Wissenschaftlichen Beirat werden hier insbesondere die Praxisvertreter gute Hinweise geben können.

2. Ermittlung von Praxiserfordernissen/-wünschen an die Absolventen

Auch dieser Bereich ist bewertbar und ermittelbar mit Unterstützung des Wissenschaftlichen Beirats. Wir werden hierzu eine Praxiserhebung durchführen, deren Ergebnisse dann vom Wissenschaftlichen Beirat eingeschätzt werden müssen. Da die Vertreter des Wissenschaftlichen Beirats selbst extensiven Einblick in bibliothekarische Praxis haben, ist zu erwarten, daß ein großer Teil der Aussagen zu diesem Punkt bereits im Rahmen der Beiratsarbeit ermittelt bzw. festgestellt werden kann.

3. Definition/Beratung einer effektiven Lehr- und Lernmethodik

Da die Projektphase vom Deutschen Institut für FernstudienForschung (DIFF) begleitet wird und zu dieser Problematik auch Workshops in Tübingen am DIFF durchgeführt werden, kann eingeschätzt werden, daß derzeitig ein optimaler Weg gegangen wird. Wir haben uns für Präsenzphasen (1 x monatlich zwei Tage Freitag/Sonnabend) entschieden, und wir präferieren ein Studienführerkonzept. Sollten sich Lehrbriefe als zwingend notwendig erweisen, so wird der Wissenschaftliche Beirat diese begutachten können und sicher dann auch müssen. Auf Grund der Schnellebigkeit von gerade auch im Bereich des Bibliothekswesens angewendeten Techniken und Technologien haben wir derzeitig von der Erarbeitung eines Lehrbriefwerks Abstand genommen. Vielleicht müssen zukünftig aber doch zu ausgewählten Lehrkomplexen solche Lehrbriefe erarbeitet werden. Bezüglich der Einspeisung solcher Materialien ins Internet existieren z. Z. noch vielfältige rechtliche Bedenken (auch bei den Autoren!).

4. Ermittlung von Einschätzungen der Absolventen/Studenten bezüglich der Ausbildungsinhalte/-ziele

Solche Ermittlung werden wir durch Erhebungen bei unseren derzeitigen Studenten und bei den Absolventen durchführen. Oftmals können unsere Studenten hierzu auch schon deswegen die besten Aussagen treffen, weil sie ständig unsere Theorievermittlung mit der bibliothekarischen Praxis, in der sie ja selbst meist tätig sind, vergleichen können. Die Lehrveranstaltungen gewinnen häufig auch schon deswegen den Charakter von "Erfahrungsaustauschen unter Kollegen". Ein Effekt, den wir durchaus durch die Art und Weise der Durchführung der Lehrveranstaltungen befördern. Zumindest in der zu jedem Lehrgebiet gehörenden Abschlußkonsultation können solche Erfahrungsaustausche mit einfließen. Der Wissenschaftliche Beirat soll auch hierbei die Lehrmethodik begutachten; ggf. natürlich auch Hinweise zur Veränderung/Verbesserung geben.

5. Begleitung der Projektphase und Überführung in das Regelstudienangebot

Die jetzige Projektphase wird finanziell auch mit abgesichert durch Fördermittel des Bundes. Für die Zeit ab 1999 gibt es zwar eine Bemühungszusage der Humboldt-Universität zu Berlin, daß bei positivem Projektverlauf der Studiengang in das Regelstudienangebot der Humboldt-Universität überführt wird und daß dazu die dann noch benötigten Mitarbeiterstellen dauerhaft am Institut für Bibliothekswissenschaft implementiert werden. Allein die derzeitige finanzielle Situation im Land Berlin und damit auch die Situation an der Humboldt-Universität zu Berlin lassen erwarten, daß schon sehr prononciert der Bedarf an Personal (also unserer Absolventen) für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst angemahnt werden muß. Allein die hohe Nachfrage nach Studienplätzen (ca. sieben Bewerber auf einen Studienplatz) dürfte wohl nicht ausreichen. Auch hier muß zu gegebener Zeit der Wissenschaftliche Beirat entsprechend votieren.

Um all die genannten Aufgaben befriedigend lösen zu können, haben wir die Zusammensetzung des Wissenschaftlichen Beirats sehr bewußt und gezielt vorgenommen. Zunächst haben wir an eine Vielzahl von Vertretern aus entsprechenden Einrichtungen gedacht. Demgegenüber stand die Erfahrung, daß ein kleinerer Kreis sicher effizienter arbeiten kann und ggf. auch zu präziseren Aussagen kommt. Nach Abwägen aller Für und Wider ergab sich dann die folgende Liste von Institutionen, aus denen jeweils ein Vertreter (vielmals eine/ein leitende/r Bibliotheksdirektorin/direktor) im Wissenschaftlichen Beirat mitwirkt. In der folgenden Auflistung sind bewußt die Personen nicht namentlich genannt, weil wir der Auffassung sind, daß die konkrete Person hinter den Belangen der Aufgabenstellung zurücktritt. Demgegenüber ist jedoch immer der Kerngedanke genannt, der zur Berufung eines Vertreters gerade dieser Einrichtung geführt hat. Auch soll die Reihenfolge der Auflistung keinesfalls eine Wertigkeit darstellen.

  1. Bibliothek der Freien Universität Berlin: besonders auch für den Bereich wissenschaftliches Bibliothekswesen
  2. Zentral- und Landesbibliothek Berlin: besonders auch für den Bereich öffentliches Bibliothekswesen
  3. Bibliothek des Deutschen Bundestages: als Vertreter aus dem Bereich Spezialbibliotheken
  4. Staatsbibliothek zu Berlin: als Vertreter aus dem Bereich einer wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek
  5. Die Deutsche Bibliothek: um insbesondere die Belange einer Nationalbibliothek zu berücksichtigen
  6. Konferenz bibliothekarischer Ausbildungseinbildungseinrichtungen - Sektion 7 des Deutschen Bibliotheksverbandes (DBV): um die Belange bibliothekarischer Ausrichtungen allgemein zu vertreten
  7. Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB): um die Belange aller berufsständigen Vereine zu vertreten
  8. Deutsches Bibliotheksinstitut: um bundesweit zentrale Vorgaben/Empfehlungen/Entwicklungen einfließen zu lassen
Die Vertreter aller dieser Institutionen sind äußerst engagiert und werden sehr fachkompetent durchaus nicht nur ihren jeweiligen "Institutionsbereich" vertreten. Trotzdem ist dieser einmal genannt worden, um deutlich zu machen, welcher besondere Aspekt zur Wahl gerade dieser Einrichtung geführt hat. Alle Beiratsmitglieder wünschen sich natürlich sehr, daß Hinweise zum vorgestellten Fernstudium, besonders natürlich auch anregende Kritik zur Verbesserung der Ausbildung an uns herangetragen werden. Auch würden wir uns sehr über weitere Diskussionsbeiträge in dieser Zeitschrift zur angeschnittenen Problematik freuen.


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