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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 5, 97

"Bibliotheken auf dem Weg in die Informationsgesellschaft"


Die Eröffnungsveranstaltung des Projektes "New Book Economy" aus der Sicht des DBI als Veranstalter, der Referenten und der Teilnehmer

1. Anliegen des Veranstalters

Die digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen es gerade kleinen Bibliotheken, ihr Leistungsspektrum wesenlich zu erweitern und bestehende Unterschiede zwischen Stadt und Land oder zwischen Großstadt und Kleinstadt dadurch zu verringern. So können z. B. durch Vernetzung bestimmte Dienstleistungen großer Bibliotheken mitgenutzt werden, läßt sich eine thematische Suche in den traditionellen Medien Buch und Zeitschrift durch Recherchen im Internet ergänzen oder können attraktive Bürgerinformationssysteme Bürgern und Einrichtungen der Kommune schnelle und übersichtliche Information zu jeder Tageszeit bieten. In der Realität sind entsprechende Dienstleistungen bisher aber nur in wenigen Klein- und Mittelstadtbibliotheken vorhanden. Woran liegt das?

Wahrscheinlich stehen nur wenige Bibliothekare dem Einsatz neuer Medien und Technologien in ihrer Kleinstadtbibliothek negativ gegenüber. Die starke Nutzung von Fortbildungsangeboten zu diesem Thema beweist eher großes Interesse und große Offenheit. Wünsche, Pläne und Initiativen zum Einsatz neuer Medien scheitern häufig an den erforderlichen finanziellen Mitteln, z. T. an fehlenden Partnern, die sich zum Beispiel in das Bürgerinfo-System einbringen wollen, mitunter aber auch daran, daß die Stadt neue und scheinbar unsichere Wege für ihre Bibliothek nicht zulassen will. Natürlich gibt es auch die anderen Beispiele, daß engagierte Bürgermeister oder Kulturdezernenten Visionen von einer großartigen Bibliothek in Ihrer Stadt haben, für deren Verwirklichung sie sich sehr einbringen. Dort, wo sich Bibliothekare auch heute noch der Forderung gegenübersehen, sich ausschließlich auf das Buch zu konzentrieren und die Bibliothek als eine Art "heilige Stätte der traditionellen Kultur" zu bewahren, muß dies genau an den eigentlichen Aufgaben einer Bibliothek vorbeigehen. Die Bibliothek kann u. a. auch ein Ort der Ruhe und Besinnung in unserer hektischen Welt sein, vor allem aber hat sie die Verpflichtung, Zugang zu Information, Bildung und natürlich auch zu Unterhaltung zu bieten, ohne daß dies auf das Print-Medium beschränkt bliebe. Gerade die Kleinstadtbibliothek muß das Kultur- aber auch Informationszentrum ihrer Kommune sein oder werden, das durch Medienvielfalt und Möglichkeiten der schnellen Informationsbeschaffung für seine Bürger Ort des Lesens, der Kommunikation und zugleich Tor zur Welt ist.

Dies zu erreichen, ist ganz ohne zusätzliche Mittel nicht möglich, bedarf aber auch nicht immer unbedingt sehr großer Summen. Unverzichtbar sind dafür aber ein geradezu leidenschaftliches Engagement des Bibliothekars/der Bibliothekarin für neue Medien und moderne Service-Leistungen und die Unterstützung durch die Stadtverwaltung. Je besser die Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Verwaltung ist, desto leichter läßt sich eine moderne Bibliothek verwirklichen, die den unterschiedlichen und berechtigten Bedürfnissen der Bürger und der Stadtverwaltung selbst wirklich gerecht wird.

Anliegen der Veranstaltung "Bibliotheken auf dem Weg in die Informationsgesellschaft" am 17./18.3.97 in Stuttgart war es deshalb, Bibliothekaren gemeinsam mit ihren Bürgermeistern, Kulturdezernenten oder Kämmerern das Spektrum der neuen Möglichkeiten einer modernen Öffentlichen Bibliothek vorzustellen. Vorträge, Gespräche, eigenes Surfen im Netz und das Ausprobieren interessanter Angebote aus Bibliotheken sollten den 31 Teilnehmern aus Städten unter 50.000 Einwohnern der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen Anregungen dafür geben, nach eigenen Wegen zu suchen und zu prüfen, was in der Bibliothek der Heimatstadt mit vertretbaren Mitteln umgesetzt werden kann. Die Themen der Vorträge und Vorführungen an den beiden Tagen reichten von Gedanken zur modernen Bibliothek heute und ihrer Zukunft über Internet, Mitarbeit in Verbünden, Bürgerinfo, Lernprogramme und Edutainment für Kinder bis zu Erfahrungsberichten über Akzeptanz der neuen Medien und den oft "steinigen Weg" zur modernen Bibliothek sowie der Erörterung der Frage: Sind neue Medien für die Öffentliche Bibliothek Luxus, Bedrohung oder Chance?

Nachdem das Tagesprogramm reichlich an geistiger Nahrung geboten hatte, gab der Abend in der Mediothek am Rotebühlplatz Gelegenheit zu Gesprächen und leiblicher Stärkung am "Kalten Buffett". In diesem Zusammenhang sei den Sponsoren

sehr herzlich gedankt, die mit ihrer großzügigen Unterstützung nicht unerheblich dazu beitrugen, daß die meisten der Teilnehmer trotz des anstengenden Tages auch nach 22.00 Uhr noch Kraft für wichtigen Gedankenaustausch hatten. Dank gebührt auch der FH Stuttgart HBI für eine hervorragende technische Betreuung der Veranstaltung.

Annemarie Samlenski (DBI)

2. Motivation einer Referentin

Als mich Frau Samlenski vom Deutschen Bibliotheksinstitut gefragt hat, ob ich bereit sei, einen Vortrag bei der Eröffnungsveranstaltung des Projektes "New Book Economy" in Stuttgart zu halten, habe ich spontan zugesagt. Seit Ende 1995, dem internen "Startschuß" für das Hachenburger Internet-Projekt bin ich von den Möglichkeiten, die dieses Medium für Öffentliche Bibliotheken gerade im ländlichen Raum bietet, fasziniert. Die Erfolge, die die kleine Stadtbücherei Hachenburg mit der Nutzung elektronischer Medien feiern konnte, können - davon bin ich überzeugt - auch andere Städte und Gemeinden motivieren, in diese Technologie zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger zu investieren. Dabei überwiegt aber nicht das Monetäre, viel wichtiger ist die Unterstützung der Verantwortlichen in der jeweiligen Bücherei durch die "Stadtväter".

Es gilt - und da "paßt" das Hachenburger Beispiel genau in die Eröffnungsveranstaltung des Projektes "New Book Economy" mit Bibliothekaren und Vertretern der Stadtverwaltung - gemeinsame Ziele von Stadt und der Bücherei herauszustellen, es gilt, einen Anfang zu machen und nicht nur darauf zu warten, daß schon irgendjemand irgendetwas tut. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, den Verantwortlichen anderer Städte und Gemeinden aufzuzeigen, was alles mit einer Internet-Präsenz bewegt werden kann.

Vor diesem Hintergrund - meine persönliche Begeisterung für das Thema Internet in Büchereien und der Tatsache, daß wir in Hachenburg den Weg ins Internet gemeinsam mit der Stadt gegeangen sind - habe ich mich ohne zu zögern bereiterklärt, über den Weg, die Mittel und die Ergebnisse des Internet-Projektes zu berichten.

Schaue ich auf die Tagung zurück, dann sind mir besonders die Diskussionen mit Teilnehmern in Erinnerung, die eher erstaunt darüber waren, daß hier die Initiative, die Stadt Hachenburg im Internet zu präsentieren, von der Stadtbücherei ausging. Ich hoffe, einen kleinen Beitrag dazu geliefert zu haben, daß sich Kommunen mit dem Medium Internet auseinandersetzen, daß die Büchereien dazu aufgefordert sind, auch andere herkömmliche Medien in die Bibliotheksarbeit zu integrieren und Zugangsmöglichkeiten zu den weltweit vorhandenen Informationen zu schaffen.

Wenn unser Stadtbürgermeister Hendrik Hering"virtuell aus dem Netz" und ich es geschafft haben, daß ein kleiner Funke übergesprungen ist, dann haben sich diese zwei Tage auch für mich gelohnt.

Elfriede Ludwig (Leiterin der Stadtbücherei Hachenburg)

3. Meinungen der Teilnehmer1)

Mit Infogepäck in Form von Papier, aber auch im Kopf kehrte ich nach der Veranstaltung in Stuttgart zurück ins heimische Bad Tölz.

1 1/2 Tage Vorträge und praktische Übungen rund um öffentliche Büchereien, für einen Nichtinsider durchaus fordernd. Jetzt im Zug nach Bad Tölz sortiere ich die Eindrücke und frage mich: hat die Veranstaltung mir etwas gebracht?

Nun, zunächst sollte man die Motive kennen, die einen Verwaltungschef veranlassen, eine Tagung zu besuchen, die sich doch mit einem am Rande seiner Tätigkeit befindlichen Thema beschäftigt.

Da wären einmal:

  1. steht die Stadt vor dem Sprung ins Internet - Verknüpfungsmöglichkeiten sollten rechtzeitig erkannt werden,
  2. steht der Wechsel in der Büchereileitung kurz bevor, der Personalchef sollte also wenigstens wissen, was im Bibliothekswesen derzeit so läuft und vielleicht auch ein paar "gute Fragen zur Hand haben",
  3. es eröffnete sich die Chance einmal zwei Tage sich nur dem Thema Stadtbücherei zu widmen, was sonst im Tagesgeschäft nicht möglich ist.
Nicht verhehlen möchte ich die zunächst vorherrschende Skepsis, eigentlich sah ich nach wie vor das Buch im Mittelpunkt des Interesses.

Nun, die Tagung hat mir zunächst einmal die Augen dafür geöffnet, welche gigantischen Veränderungen auf diesem Sektor derzeit geschehen; welch unendlich viele Möglichkeiten die neuen Techniken eröffnen, wenn man nur bereit ist sich darauf einzulassen; wie sehr die von den Kommunen finanzierten Bibliotheken davon profitieren können.

Der Ausspruch "do or die", den der Referent der Stadtbibliothek Köln, Herr Daniel, gebrauchte, beschreibt das Szenario treffend.

Mir wurde auch während des Vortrags "Mit dem Mausklick zum Durchblick! Lernprogramme und Edutainment in Angebot und Aktion" der Stadtbücherei Stuttgart klar, daß es jenseits von Vorlesestunden noch viele andere Möglichkeiten gibt, Kinder und Jugendliche via Kombination verschiedener Medien in die Bücherei zurückzuholen, um sich ganz nebenbei den späteren Kundenstamm aufzubauen. Erfahrungen sollen beweisen, daß das Interesse am Buch nach wie vor besteht, trotz des umfassenden medialen Angebots.

Zu den Vorträgen im speziellen möchte ich positiv herausstellen, daß auch Büchereien wie Biberach oder Hachenburg zu Wort kamen.

Gerade am Beispiel Hachenburg zeigte sich überdeutlich, selbst eine Kleinstbücherei mit nur einer Beschäftigten ist zu hervorragenden Leistungen fähig, wenn Mitarbeiter so hoch motiviert wie Frau Ludwig die Aufgaben angehen.

Abschließend möchte ich die Tagung für mich als absoluten Gewinn bezeichnen. Die Erkenntnisse werde ich sicherlich gut bei der Personalauswahl - auch für die Argumentation gegenüber dem Stadtrat bei der Umgestaltung der Bibliothek - verwenden können.

Anmerkung:

1) Die Zuschriften von Teilnehmern werden hier in Auszügen wiedergegeben. (Red.)

Pelikan (Geschäftsleitender Beamter Stadt Bad Tölz)

Es boten sich viele Anregungen an, die Ziele für eine zukunftsgerichtete Bibliotheksarbeit neu zu überdenken. Die von Frau Jouly aufgezeigten Aspekte:

waren überzeugend. Die vorgestellten Beispiele waren so ausgewählt, daß auch kleinere Bibliotheken Modelle zur Übernahme finden konnten. Beeindruckend waren die ersten eigenen Surfversuche und das Kennenlernen der Lern- und Edutainment-Programme auf CD-ROM.

Locher (Bürgermeister Wangen im Allgäu)

Unsere Bücherei zieht Ende des Jahres um in ein neues Domizil im Neubau Biegel. Im Hinblick auf den Umzug war diese Veranstaltung sehr wichtig. Es wurde deutlich, daß wir mit unserer Planung betreffend OPAC's und Benutzerbildschirmen (CD-ROM) auf dem richtigen Weg sind. Außerdem wurde demonstriert, welche vielfältigen Möglichkeiten die neuen Medien bieten können, und zwar nicht als Konkurrenz sondern als Ergänzung zu Büchern. Die neuen Medien und Technologien werden gerade in Bibliotheken als öffentliche Bildungseinrichtungen in naher Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Die Veranstaltung "New Book Economy" können wir sehr empfehlen.

Daniela Gmeiner (Stellvertretende Amtsleiterin des Kulturamtes Backnang)

Hinweis:
Trotz zahlreicher Nachfragen nach weiteren Veranstaltungen dieser Art, ist es uns nicht möglich, dies in großer Anzahl durch das DBI zu realisieren. Es wird aber im Herbst noch eine Veranstaltung in Leipzig geben, in der Verantwortliche aus Bibliothek und Verwaltung gemeinsam Informationen zum Thema "Neue Medien, neue Technologien und die Bibliothek der Zukunft" vermittelt und Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus anderen Städten geboten werden. Außerdem ist ein Video zu den Schwerpunkten der Stuttgarter Veranstaltung in Arbeit. Dieses Video ist die Arbeit von Studenten. Es entspricht deshalb nicht allen technischen Anforderungen. Wir hoffen aber, daß es gelingen wird, das Anliegen der Referenten trotzdem deutlich zu machen. Selbstverständlich werden auch die Vorträge durch uns ins Internet gegeben, sobald der letzte bei uns eingegangen ist.


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