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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 3, 97

Das bibliothekswissenschaftliche Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin

Wolfgang Jänsch

1. Die Vorbereitung

Am Institut für Bibliothekswissenschaft (IfB) der Humboldt-Universität zu Berlin wird seit 1995 ein Projekt zur Ausbildung von Wissenschaftlichen Bibliothekarinnen/Wissenschaftlichen Bibliothekaren von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gefördert.

Die Ausbildungsinhalte sind so angelegt, daß sie analog zur Referendarausbildung formuliert wurden. Die Ausbildungsdauer ist auf zwei Jahre festgelegt, wobei die Besonderheit der Studienform "Fernstudium" gegeben ist. Es war von Anfang an so geplant, daß die Fernstudienphasen mit Präsenzphasen kombiniert werden sollten. In die Gesamtstudiendauer von zwei Jahren sind zwei jeweils sechswöchige Praktika integriert. Die Praxisanteile erscheinen zunächst gering, jedoch muß bedacht werden, daß weitestgehend bereits in bibliothekarischer Praxis Tätige dieses Studium realisieren. Diese "Leute aus der Praxis" haben zwar alle ein Fachstudium abgeschlossen (eine Zulassungsvoraussetzung zu diesem postgradualen Fernstudium), haben jedoch alle keine bibliothekswissenschaftliche Theorieausbildung. Das Studium soll eben auch genau dieses Theoriedefizit ausgleichen. Die Teilnehmerzahl wurde auf maximal 30 festgelegt, da die Räumlichkeiten am IfB begrenzt sind, und da auch das erforderliche Üben in Gruppen (besonders in den Rechnerlaboren) Grenzen vorgibt.

2. Derzeitiger Realisierungsstand des Projekts

Die 2. Matrikel wurde im Oktober 1996 immatrikuliert, wobei die Verfahrensweise auf Grund der Erkenntnisse aus der Immatrikulation der 1. Matrikel verbessert wurde.

Für die 1. Matrikel (1995) muß das Prüfungsgeschehen vorbereitet werden, welches bis Mitte 1997 praktisch durchgeführt sein muß. Da die Ausbildung zur Wissenschaftlichen Bibliothekarin/zum Wissenschaftlichen Bibliothekar im Fernstudium adäquat zur Ausbildung des höheren Dienstes erfolgen sollte, wurde bezüglich des Prüfungsgeschehens, der Prüfungskommissionsbildungen und der Einrichtung des Prüfungsausschusses auch adäquat verfahren.

Es muß festgestellt werden, daß die Bestätigung bzw. Anzeige sowohl der Studien- als auch Prüfungsordnung durch das Land Berlin langwierig war. Mehrfach mußten noch Änderungen erfolgen, die oftmals mehr formaler Art waren, zum Teil aber auch inhaltlich gravierende Probleme berührten. Zwischenzeitlich sind die Ordnungen soweit vorbereitet, daß sowohl der Institutsrat des IfB als auch der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I diesen zugestimmt hat. Seit November 1996 sind die Ordnungen von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur offiziell bestätigt und werden nun veröffentlicht.

Ganz besonders muß hervorgehoben werden, daß die Zusammenarbeit mit der Studienabteilung der Humboldt-Universität zu Berlin ständig ausgezeichnet funktionierte. Dies betraf sowohl das ganze Immatrikulationsgeschehen als auch Unterstützungen bei der Einführung des Studiengangs und die Hilfe bei der Zusammenarbeit mit den Gremien der Humboldt-Universität zu Berlin (z. B. Kommission Lehre und Studium oder akademischer Senat). Auch gab die Studienabteilung große Hilfe und Unterstützung bei den finanz- und abrechnungsmäßigen Arbeiten zum Projekt.

Letztendlich ist nun der Studiengang sowohl formal eingerichtet als auch durch die entsprechenden Ordnungen realisierbar. Ein inhaltliches Problem stellt dabei (nach wie vor) die Bezeichnung des Abschlusses dar. Prinzipiell sind sich alle Beteiligten darüber einig, daß eine universitäre Zertifizierung erfolgen kann. In den jetzt vorliegenden Ordnungen wird die Bezeichnung "Wissenschaftliche Bibliothekarin"/"Wissenschaftlicher Bibliothekar" gewählt. Inhaltlich ist diese Bezeichnung für das Tätigkeitsgebiet sehr zutreffend. Da das postgraduale Studium aber so angelegt ist, daß

sollte unseres Erachtens die Bezeichnung "Wissenschaftlicher Bibliothekar"/"Wissenschaftliche Bibliothekarin" als akademischer Grad vergeben werden. Dadurch wäre ersichtlich, daß das Studium als universitäres Studium absolviert wurde. Weiterhin wäre eine Äquivalenz zur wissenschaftlichen Bibliothekstätigkeit des höheren Dienstes erkennbar (die beamtenrechtlich verwendete Bezeichnung "Referendar" kann nicht benutzt werden). Die Durchführung dieses Studiums als postgradualer Studiengang würde mit der entsprechenden Bezeichnung des Abschlusses auch erkennen lassen, daß es sich um eine zusätzliche Qualifizierung nach Abschluß eines Universitäts-/Hochschulstudiums handeln würde. Damit wäre auch eindeutig eine Abgrenzung dieses Zusatzstudiums zum grundständigen Studium der MA-Ausbildung am IfB gegeben.

Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien für die Lehre erfolgte noch nicht so intensiv wie geplant. Zwar werden durchaus bereits alle wichtigen formalen Materialien im Internet bereitgestellt, jedoch ist die wechselseitige Kommunikation über Online-Netze noch unzureichend. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich. Teilweise fehlt für einige Mitarbeiter des Fernstudienbereichs derzeitig noch immer die Netzanbindung an das Hochschulnetz, wodurch beispielsweise eine stärkere E-Mail-Kommunikation erschwert wird. Dies soll sich 1997 verbessern. Es sind auch noch größere Probleme bei der Einspielung ins Netz von Texten/Materialien für die Lehre gegeben. Hier ist derzeitig die rechtliche Situation ungelöst. Das Ergebnis dieses ungeklärten Zustands sieht so aus, daß die "Studienführer" im Internet eingegeben werden. Volltexte werden jedoch weitestgehend nicht eingespielt. Handelt es sich um von den jeweiligen Dozenten ausgearbeitete Materialien, so werden diese in Papierform übergeben. Sind es Kopien aus anderen Primärquellen, so werden diese auf individuellen Wunsch der Studenten ebenfalls in Papierform als Kopien übergeben, oder die Studenten besorgen sich über die Bibliotheken die erforderlichen Materialien. Sobald die rechtliche Situation hier eindeutig und klarer wird, werden wir auch hier stärker moderne Informations- und Kommunikationsmittel nutzen. Auch sind die technischen Mittel und Methoden der Ausrüstung bei den Studenten noch nicht umfassend gegeben, bzw. es existieren Nutzungsbarrieren. Um speziell diese Situation besser zu erkennen und zu analysieren, haben wir uns zu einer diesbezüglichen (auf Wunsch teilweise anonymen) Erhebung bei den Teilnehmern der 1. Matrikel entschlossen. Teile dieser Erhebungsergebnisse werden im weiteren gesondert dargestellt.

3. Die inhaltliche Seite der Lehre im Fernstudium

Wie bereits genannt, bezieht sich die Stoffvermittlung auf Selbststudienanteile und auf Präsenzphasen. Die zu behandelnden Lehrgebiete sind durch Lehrkomplexe näher gekennzeichnet. Im folgenden sind die elf Lehrgebiete aufgeführt, die Zahlen in den Klammern geben an, wieviel Konsultationsstunden in den Präsenzphasen dafür vorgesehen sind. Zu jedem Unterpunkt eines Lehrgebietes gibt es einen Studienführer. Aus dem geht u. a. hervor, welche Pflichtliteratur zu studieren ist, wieviel Zeit dafür vorgesehen ist, welche Fragen zu beantworten sind, und es sind auch Angaben zu weiterführenden Problembereichen/Fragestellungen gemacht.

Übersicht über die Lehrgebiete und Lehrinhalte für das postgraduale Fernstudium "Wissenschaftliche Bibliothekarin" bzw. "Wissenschaftlicher Bibliothekar"

1.Ziele und Aufgaben des Bibliotheks- und Informationswesens(12)
1.1Grundlagen des Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesens
1.2Funktion, Struktur und Typologie des Bibliothekswesens
1.3Organisationsabläufe in B/I-Einrichtungen
2.Bibliotheken als Infrastruktureinrichtungen für Wissenschaft und Gesellschaft; Entwicklung des modernen Bibliothekswesens; Wissenschaftsorganisation(20)
2.1Grundlagen der Kommunikationstheorien
2.2Informationsangebote von Bibliotheken / Nutzung und Benutzung von Bibliotheken
2.3Bibliothekspolitik
2.4Institutionen und Organisation der Wissenschaft und des Bildungswesens
2.5Allgemeine Rechts- und Verwaltungskunde
3.Bibliotheksbetriebslehre(36)
3.1Betriebsabläufe, -analyse
3.2Organisationsformen der Bibliotheken
3.3Bibliotheksverwaltung
3.4Betriebsführung (Management)
3.5Personalführung und -recht
3.6Öffentlichkeits- und PR-Arbeit
3.7Haushalts- und Bibliotheksrecht
4.Informationstechnik als bibliothekarisches Organisationsmittel(32)
4.1Bibliotheks- und Informationstechnologie (Mathematische Grundlagen, Grundlagen der EDV)
4.2Datentechnik
4.3Rechner- und Datennetze
4.4Medientechnik
4.5Ausgewählte Softwarelösungen im Bibliotheks- und Dokumentationswesen
4.6Grundlagen der Nachrichten- und Übertragungstechnik
4.7Methoden der Speicher- und Vervielfältigungstechnik
4.8Multimediale Methoden
5.Bestandsaufbau; Deakquisition(16)
5.1Erwerbungspolitik
5.2Auswahl, Beschaffung
5.3Buchhandel und Verlagswesen
5.4Bestandserhaltung / Deakquisition
6.Bestandserschließung(28)
6.1Formalerschließung, -kataloge
6.2Verbale Sacherschließung
6.3Online-Katalogisierung
6.4Bibliothekarische Klassifikationssysteme
6.5Zentralkataloge und Verbundkatalogisierung
7.Bestandsvermittlung(20)
7.1Benutzerorganisation
7.2Bibliographie (Literaturdienste und Auskunftsmittel; spezielle Fachbibliographien)
7.3Benutzer- und Leserforschung
7.4Benutzerschulung
7.5Pädagogische und psychologische Grundlagen der Bibliotheksbenutzung
8.Informationsproduktion und -vermittlung(24)
8.1Recherchemethoden und -strategien in Datenbanken
8.2Online- und CD-ROM-Informationsvermittlung
8.3Informationsdienste
8.4Auskunfts- und Informationstätigkeit
8.5Herstellung, Verbreitung und Rezeption von Publikationen und Informationsmedien
8.6Publikationswesen
9.Bibliotheksbau, -einrichtung und -technik(16)
9.1Bibliotheksbau
9.2Bibliothekseinrichtung
9.3Bibliothekstechnik
10.Buch- und Medienkunde, Bibliotheksgeschichte(36)
10.1Schriftgeschichte
10.2Handschriftenkunde
10.3Inkunabelkunde
10.4Einbandkunde
10.5Buchkunde, -geschichte
10.6Medienkunde, -geschichte
10.7Allgemeine Bibliotheksgeschichte
10.8Geschichte des Dokumentations- und Informationswesens
11.Fremdsprachige Fachterminologie(16)
11.1Fachenglisch
11.2Fachfranzösisch
11.3Fachrussisch
11.4Fachspanisch

Zu jedem Unterpunkt gibt es zumindest eine Eingangs- und eine Abschlußkonsultation. Oftmals liegen dazwischen aber auch weitere Konsultationen, so daß maximal fünf Konsultationen zu einem Unterpunkt gehören können.

Die Beendigung des Studiums erfolgt mit Prüfungen. Dazu werden drei schriftliche Aufsichtsarbeiten (1 x 2 Stunden, 2 x 1,5 Stunden) absolviert, wobei jede dieser Arbeiten zu einer komplexen Fragestellung aus den Lehrgebieten geschrieben wird. Darüber hinaus wird eine schriftliche Hausarbeit angefertigt. Die Themenstellungen sind in enger Zusammenarbeit zwischen Student und Lehrkraft formuliert worden. Oftmals ergeben sich die Themen auch aus den jeweiligen Praxiseinrichtungen. Den letzten Punkt der Prüfung bildet eine mündliche Prüfung, wobei alle Lehrgebiete zur Diskussion stehen können. Die jeweils erzielten Noten fließen mit entsprechenden Gewichtungsfaktoren in eine Endnote ein. Die Endnote erscheint auf dem Zeugnis.

Für das Prüfungsgeschehen sind jeweils Prüfungskommissionen gebildet worden. Der für das Fernstudium zuständige Prüfungsausschuß bestätigt sowohl die Themen der Abschlußarbeiten als auch die Klausurthemen, und er beurteilt/bestätigt auch die Praktikumsberichte zur Anerkennung der Praktika.

4. Die weitere Fortführung des Projekts

Ein sehr großes Problem stellt die dauerhafte Implementierung des Studiengangs in das Regelstudienangebot der Hochschule dar. Das Interesse an diesem Studiengang ist konstant hoch: Es liegen 5 bis 7 Bewerber auf einen Studienplatz vor, die Zahl der Interessenten ist weitaus höher. Entsprechend der Ordnungen zur Immatrikulation wurden zunächst solche Interessenten bevorzugt, die bereits ausführliche Praxiserfahrungen in Bibliotheken hatten. Prinzipiell sollte das Studium aber auch für Interessenten möglich sein, die sich durch dieses Studium erst neue Arbeitsbereiche und bessere Berufsmarktchancen erarbeiten wollen. Auch hier sollte stärker die Äquivalenz zur Ausbildung des höheren Dienstes beachtet sein. Es ist zu hoffen. daß dies besser bei den folgenden Matrikeln berücksichtigt werden kann. Eine diesbezügliche Tendenz zeigt sich bereits bei der 2. Matrikel. Hierzu können allerdings erst sichere Aussagen nach weiterer Immatrikulation erstellt werden (3. Matrikel). Gerade für nicht bibliothekspraxiserfahrene Bewerber wird dann die Absolvierung der Praktikumsanteile schwieriger. Derzeit bestehen hier naturgemäß nahezu keine Schwierigkeiten. Realistische und verallgemeinerungsfähige Erfahrungen können hierzu aber erst mit der 3. und 4. Matrikel gesammelt werden.

Damit ist das z. Z. größte Problem der Fortführung des Projekts angesprochen. Zwar läuft das Projekt derzeit sehr erfolgreich, die Arbeitsergebnisse sind erfreulich, die Teilnehmer signalisieren positives Echo. Auch gibt es die Bemühungszusage der Humboldt-Universität zu Berlin, bei positivem Verlauf den Studiengang ins Regelstudienangebot zu überführen und nach Ablauf der durch Bundesmittel unterstützten Projektphase (Januar 1999) zu entscheiden, welche Kapazitäten dann noch zur Weiterführung der Arbeitsaufgaben benötigt werden. Trotzdem muß festgestellt werden, daß die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur derzeitig nur die Immatrikulation der 2. Matrikel gestattet hat, da die Fördermittel nach 1998 auslaufen (zugegebenermaßen ist die Haushaltslage des Landes Berlin bekanntlich problematisch). Derzeit bemüht sich das IfB intensiv um die Fortführung des Studiengangs. Auch wird eine Ressourcenumverteilung am Institut erwogen. Sollten all diese zusätzlichen institutsinternen Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg haben, so müßte das erfolgreiche Projekt 1998 beendet werden. Es ist jedoch sehr zu hoffen, daß sich noch Lösungen ergeben werden.

5. Die weitere zukünftige Einbindung des Studiengangs

In diesem Jahr soll die Praxisresonanz auf den Studiengang intensiver festgestellt werden. Ab Herbst 1997 sind die Absolventen der 1. Matrikel in der Praxis tätig, und wir werden dann eine Erhebung bei den jeweiligen Praxiseinrichtungen durchführen. Auch daraus werden sich nicht nur Resonanzen über das durchgeführte Studium herleiten lassen, sondern es werden sich auch konkrete Hinweise auf Verbesserungswünsche für zukünftige Matrikel ableiten lassen.

Im Verlauf der Arbeit am Projekt ließ sich mehrfach Erfahrungsaustausch mit anderen Ausbildungseinrichtungen realisieren. Besonders erfreulich ist hierbei auch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Fernstudienforschung in Tübingen. Durch die dort durchgeführten Tagungen und Workshops ergab sich auch eine sehr konkrete Zusammenarbeit mit der Universität Koblenz. Es entstand der Wunsch, daß der am IfB als Magisterzweitfach angebotene Studiengang der Bibliothekswissenschaft im Fernstudium für Direktstudenten der Präsenzuniversität Koblenz angeboten werden sollte. Damit ließen sich Studiengänge und -verläufe entzerren. Auch wäre damit der bundesweit nur am IfB in Berlin vorhandene universitäre Studiengang der Bibliothekswissenschaft als Kombinationsfach an anderen Universitäten/Hochschulen studierbar. Es ist derzeit schwer abzuschätzen, welche positiven Aussichten bezüglich ihres erforderlichen Realisierungsaufwandes und Folgenutzens sich damit ergeben können. Im Rahmen eines weiteren Projekts könnten aber solche Aufgaben durchaus gelöst werden. Sowohl der Fakultätsrat der Universität Koblenz als auch der Institutsrat des IfB haben beschlossen, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, und jeweils Verantwortlichkeiten zur Vorbereitung festgelegt.

Da Teleteaching und Telelearning weltweit an Bedeutung gewinnen, konnten auch die Kontakte zur Technologie-Vermittlung-Agentur Berlin e.V. weiter verbessert werden. Zusammen mit Vertretern der Industrie (z. B. Siemens/Nixdorf, DeTeBerkom) und mit Verantwortlichen für die Hochschulentwicklung des Landes Berlin in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur werden und wurden Veranstaltungen/Workshops zur Problematik Teleteaching/Telelearning durchgeführt. Auch diese Aktivitäten sind positives "Nebenergebnis" des Fernstudienprojekts, und sie sollen die mit der Problematik befaßten Kollegen näher zusammenbringen.

6. Eine statistische Betrachtung der 1. und 2. Matrikel

Von den 30 gemäß Zulassungssatzung ausgewählten Bewerberinnen/ Bewerbern der 1. Matrikel haben sich 29 immatrikulieren lassen. Eine Studentin hat kurz nach Studienbeginn aus gesundheitlichen Gründen das Studium abgebrochen und wollte dieses im nächsten Jahr (mit dem Wintersemester 1996/97) erneut aufnehmen. Somit wurden zwei Nachfolgekandidaten immatrikuliert, d. h. in der 1. Matrikel waren im ersten Semester 30 Studierende (mit einem Durchschnittsalter von 37,1 Jahren) immatrikuliert.

Im Verlauf des ersten Studienjahres wurde ein Student aus beruflichen Gründen exmatrikuliert. Damit ist eine sehr geringe Quote von Studienabbrechern (3,3 %) im 1. Studienjahr zu verzeichnen. Die Anwesenheit bei den Konsultationen ist sehr hoch, sie liegt bei den einzelnen Lehrveranstaltungen durchschnittlich über 90 % (teilweise sogar 100 %).

Aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen haben drei weitere Studierende nach Abschluß des 1. Studienjahres das Studium nicht mehr fortgesetzt, so daß sich zur Zeit 26 Studierende im 3. Semester befinden. Die Abbruchquote stieg damit auf 13,3 %. Für ein Fernstudium ist diese äußerst geringe Abbruchquote sehr erfreulich.

Alle Studierenden (mit einer Ausnahme) waren im ersten und zweiten Semester parallel zum Studium auch noch berufstätig. Da sich diese Berufstätigkeit auf Einrichtungen des Bibliotheks-, Informations-, Dokumentations- bzw. Archivbereichs bezieht, konnte in den Lehrveranstaltungen (Konsultationen) die Praxisbezogenheit ausgezeichnet realisiert werden.

Die Analyse nach dem Wohnsitz (bezogen auf Bundesländer) ergab für die in der 1. Matrikel Immatrikulierten für die beiden Studienhalbjahre (bezogen auf den Semesterbeginn) folgendes Ergebnis:

Anzahl der Studierenden
Bundesland1. Semester2. Semester
Baden-Württemberg--
Bayern11
Berlin78
Brandenburg--
Bremen--
Hamburg11
Hessen11
Mecklenburg-Vorpommern21
Niedersachsen43
Nordrhein-Westfalen23
Rheinland-Pfalz21
Saarland--
Sachsen44
Sachsen-Anhalt33
Schleswig-Holstein11
Thüringen11
Ausland (Polen)11

Die Durchführung der beiden für das Fernstudium Bibliothekswissenschaft geforderten Praktika bereitet derzeit keine Probleme, da fast alle Immatrikulierten in bibliothekarischen Einrichtungen tätig sind.

Bis zum Juli 1996 haben insgesamt 176 Personen ihr Interesse an dem postgradualen Fernstudiengang Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin neu (also erstmalig) bekundet, davon waren 130 (73,9 %) weibliche und 46 (26,1 %) männliche Interessenten. Nach dem Wohnsitz sind diese Interessenten wie folgt verteilt:

Berlin 40 (22,7 %)
alte Bundesländer107 (60,9 %)
neue Bundesländer 27 (15,3 %)
Ausland 2 ( 1,1 %) (davon 1 x Italien, 1 x Niederlande)

Ein sehr großer Bedarf nach diesem Zusatzstudium scheint insbesondere in den alten Bundesländern zu bestehen, um diesen berufsbegleitenden Studiengang auch für berufliche Aufstiegschancen zu nutzen. Viele Interessenten sind auch Diplom-Bibliothekare (FH). Bemerkenswert scheint auch das Interesse aus dem Ausland an diesem Studiengang zu sein.

In der Zulassungsordnung (Ordnung über die Zulassung im Fernstudiengang Bibliothekswissenschaft), vom Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät I am 17.4.1996 beschlossen, wurde die Anzahl der für die 2. Matrikel zur Verfügung stehenden Studienplätze auch wieder auf 30 festgelegt.

Die evaluierte Zulassungsordnung hat sich sehr bewährt. Bevorzugt werden demgemäß solche Bewerber, die in bibliothekarischer Praxis tätig sind bzw. lange tätig waren. Auch gibt es einen Bonus für Bewerber über 35 Jahre, da dann ein Eintritt in eine verbeamtete Ausbildung nicht mehr möglich ist. Auch für Wiederbewerbungen wurden Bonuspunkte vergeben (einige weitere Kriterien sind der Ordnung zu entnehmen).

7. Probleme des Teleteaching / Telelearning aus der Sicht der Studenten

Zur Problematik Teleteaching/Telelearning wurde im Rahmen des Fernstudienprojekts "Bibliothekswissenschaft" eine Befragung durchgeführt. Als Methode der Informationsermittlung wurde die nichtstandardisierte schriftliche Befragungsmethode mittels Fragebogen (mit teilweise offenen Fragen) für die Zielgruppe "Fernstudenten" ausgewählt. Durch die Befragung sollte ermittelt werden:

  1. Welche Mittel der Telekommunikation haben Sie schon mal unterstützend im Rahmen des Fernstudiums benutzt?
  2. Mit welchen Telekommunikationsmitteln sehen Sie die größten Vorteile bzw. Nachteile?
  3. Ab welchem Zeitpunkt wollen Sie neuere Telekommunikationsmittel nutzen, welche und wozu?
  4. Wo sehen Sie für sich im allgemeinen die größten Probleme bei der Nutzung von modernen Telekommunikationsmitteln?
  5. Wo sehen Sie für sich im allgemeinen die größten Vorteile bei der Nutzung von modernen Telekommunikationsmitteln?
  6. Was müßte noch gegeben sein, damit Teleteaching/Telelearning für Sie einfacher und hilfreicher sein kann?
Bei der Befragung von 26 Fernstudenten bekamen wir einen Rücklauf von 13 Fragebögen. Diese Rücklaufrate von 50 % entsprach nicht unseren Erwartungen.

Aus den Antworten hauptsächlich zur Frage 1 wurde ersichtlich, daß neben dem Telefon nur die Online-Kommunikation etwa gleich häufig (je 40mal pro Monat) genutzt wird. Danach folgt E-Mail (29mal). ISDN (11mal) und vor allem Fax (4mal) werden nur sehr gering genutzt. Wir schlußfolgern daraus, daß derzeitig die Mittel ISDN und auch Fax für die Kommunikation mit und unter den Studenten bzw. zu entsprechenden Providern nur unzureichend nutzbar sind. Wir stellen demzufolge auch alle Studienmaterialien noch parallel grundsätzlich in Papierform bereit. In der 2. Matrikel werden wir eine ähnliche Erhebung durchführen. Derzeitig ist jedoch noch keine verbesserte Situation abzusehen.

Aus den Beantwortungen der weiteren Fragen kann man die folgenden Probleme erkennen:

Wir hoffen, daß einige der angesprochenen Probleme sich zukünftig lösen lassen. Weiterhin nehmen wir an, daß einige der angesprochenen Probleme zukünftig durch verbesserte Leistungen der technischen Geräte und bessere Verfügbarkeit für den Studenten gelöst werden.

8. Ergebnisse und Schlußfolgerungen

  1. Bisher konnten allgemein sehr positive Erfahrungen mit der Realisierung des Fernstudiums der Bibliothekswissenschaft in Form eines postgradualen Zusatzstudiums gewonnen werden. Für die weitere Fortführung des Studiengangs ist allerdings die dauerhafte Eingliederung in das Regelstudienangebot der Humboldt-Universität zu Berlin derzeitig noch nicht sicher geklärt.
  2. Da die Bewerberzahlen für diesen Studiengang konstant hoch bleiben, sollte die parallele Einführung eines inhaltlich und auch bezüglich des formalen Abschlusses gleich ausgerichteten Direktstudiengangs erfolgen. Eine direkte Äquivalenz zur Referendarausbildung (nicht verbeamtet) kann damit bedarfsgerecht erfolgen. Vorarbeiten laufen hierzu am IfB.
  3. Die Zusammenarbeit mit der Universität Koblenz sollte weiter intensiviert werden. Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts sollten landesübergreifend die Möglichkeiten zur Verknüpfung von Fern- und Direktstudiengängen erprobt werden. Die damit zu gewinnenden Erfahrungen könnten exemplarisch auf andere Bundesländer und weitere Studiengänge transferiert werden.
  4. Nach/Bei Studienabschluß der 1. Matrikel sind Praxiserhebungen bezüglich Resonanz/Akzeptanz der Absolventen durchzuführen.
  5. Die unterstützenden Möglichkeiten von Industriepartnern sind weiterhin zu erörtern. Ggf. sind konkrete Projekte zur Erprobung von ausgewählten Technologien (z. B. ISDN-Nutzung, Multimedia-Einbeziehung) im Rahmen des Fernstudiums zu bearbeiten.
Trotz einiger der genannten Probleme (und einer Vielzahl nicht genannter kleinerer Probleme) können die bisherigen Ergebnisse positiv beurteilt werden. Das Projekt hat eine bisher in Deutschland vorhandene Lücke im Bildungsangebot geschlossen. Hervorhebenswert ist auch, daß über die Grenzen Deutschlands hinaus eine neue Bildungsmöglichkeit Resonanz findet und auch Bewerber aus anderen Staaten am IfB um einen Studienplatz nachsuchen.

Zusatzstudium "Bibliothekswissenschaft"
Das Studium aus der Sicht einer Studentin

Karen Schäfer

Das postgraduale Fernstudium wurde 1995 am IfB eingerichtet. Nach der Hälfte der Studiendauer scheint ein günstiger Zeitpunkt gekommen zu sein, um einen Zwischenbericht über das Studium abzugeben.

Dieses Studium ist in elf Lehrgebiete gegliedert, die in vier Semestern an jeweils zwei achtstündigen Vorlesungstagen im Monat vorgetragen werden - ein Fernstudium, das heute noch eine gewisse "Präsenzpflicht" erfordert. Im Selbststudiengang wird die Theorie weiter vertieft, Pflichtlektüre und ergänzende Literaturangaben werden anhand der Studienanleitungen aufgearbeitet. Zusätzlich sind zwei sechswöchige Praktika zu absolvieren, von denen das erste einen fachgebietsorientierten Einsatz mit den Schwerpunkten Katalogisierung, Fachreferat, Einsatz von EDV-, CD-ROM-Techniken und Online-Informationsvermittlung in einer Bibliothek freier Wahl vorsieht. Das zweite Praktikum steht unter der Thematik "Leitung und Management" und soll einen Einblick in die Aufgabenbereiche der Führungsebenen einer Bibliothek ermöglichen. Im letzten Teil des Studiums ist eine schriftliche Hausarbeit anzufertigen, und mit den obligatorischen Abschlussprüfungen wird das Studium abgerundet.

Den Richtlinien des Landes Berlin folgend, hat das IfB das Fächerangebot um den Bereich der modernen Informationstechnologien erheblich ergänzt. Die an diesem Institut vorhandene technische Ausstattung ermöglicht den Studienteilnehmern, sich praktische Erfahrungen mit Online-Recherchen und Multimedia-Technologien anzueignen. Die Bibliothek von morgen, vielleicht eine Multimedia-Bibliothek, wird am Institut vorgestellt.

Es wird gezeigt, wie man sich in die OPACs anderer Bibliotheken einloggen kann, mit der Erstellung von Multimedia-Komponenten wird experimentiert, und der Lehrkörper macht den einzelnen Studenten mit elektronischen Publikationen im Internet vertraut. Elektronische Datenverarbeitungsanlagen, ihre Verknüpfung zu einem LAN (Local Area Network) oder WAN (Wide Area Network), unterschiedliche Programmiersprachen, die mathematischen Grundlagen der Funktionsweisen eines Computers und die Übertragungs- und Nachrichtentechniken werden dem Absolventen ausführlich erläutert. Die eingehende, zunächst theoretische Einführung in eine Vielzahl von Informationsretrievalsystemen kann an den technischen Geräten praxisnah erprobt werden. Zur vereinfachten Beschaffung von Fachinformationen und elektronischen Publikationen werden Lösungskonzepte vorgestellt, z. B. das OSI-Projekt für Bibliotheken, die miteinander vernetzt sind.

Im Lehrgebiet Bibliotheksmanagement wird die Notwendigkeit einer gründlichen Planung technologischer Infrastrukturen für eine effiziente Serviceleistung verdeutlicht; Kosten-Nutzen-Analysen, moderne Controlling-Techniken und Folgekostenberechnung werden als essentielle Bestandteile bibliothekarischer Aktivitäten vermittelt.

Orientiert am allgegenwärtigen Sparzwang werden nicht nur die neuesten Hard- und Softwarelösungen für Bibliotheken diskutiert, sondern insgesamt werden informationstechnologische Neuheiten unter dem Aspekt kostengünstiger Effizienzsteigerung von Bibliotheksdienstleistungen betrachtet. Im Lehrgebiet Bibliotheksinformationsmanagement werden verschiedene Verfahren zur Analyse von Betriebsabläufen erläutert, die Interdependenz von Einzelabläufen bei einem EDV-gestützten integrierten Geschäftsgang hervorgehoben. Information wird auch in diesem Zusammenhang als ein marktfähiges Gut gewertet, dem, gestützt auf moderne DV-Technologie, steigende Bedeutung auf dem Markt zukommt.

Die rechtliche Brisanz der elektronischen Dokumentenlieferung, Aspekte der Urheberrechte der Verlage oder Herausgeber werden mit in die Diskussionen einbezogen.

Bei allem Nachdruck, der am Humboldt-Institut auf der Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin/ zum wissenschaftlichen Bibliothekar auf moderne Wissensbereiche gelegt wird, haben die klassischen Lehrgebiete wie z. B. Formal- und Sacherschließung nicht an Bedeutung verloren - ganz im Gegenteil. Doch wird die Katalogisierung von Literatur nicht nur unter konventionellen Gesichtspunkten betrachtet, auch das "Herausfischen" von digitalisierten Werken im Internet und ihr vollständiges Bibliographieren mittels Metadaten wird erläutert. All diese Lehrinhalte stehen unter dem Motto, daß auf nationaler wie internationaler Ebene die Kommunikation zwischen den Bibliotheken in Zukunft nahezu ausschließlich über Rechner- und Datennetze erfolgen wird. Die Ausbildung am IfB ist eine gute Vorbereitung, um den Herausforderungen moderner Bibliothekstechnologie gewachsen zu sein, trägt es doch dem hohen Innovationstempo im Informations- und Kommunikationswesen Rechnung.

Eine Bemerkung zu den eingangs erwähnten Praktika sei am Schluß noch gestattet. Für einige Bibliothekare ist die Dauer der Praktika Ansatzpunkt zu Skepsis. Berechtigt wäre sie, hätte man bei der Wahl der Studiengänger nicht die längjährige Erfahrung im Bibliothekswesen als ein Selektionskriterium herangezogen. Dieses Studium wird wesentlich durch unsere Bibliothekserfahrung mitbestimmt. Dem Lehrkörper des Institutes bieten unsere Bibliothekskenntnisse eine solide Basis, um Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen. Die Erarbeitung der angebotenen Theorie wird dadurch erleichtert, und die Konsultationen sind oftmals ein Dialog zwischen Dozenten und Studenten.


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