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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 1, 97

Kommission des DBI für Benutzung und Information
Letzte Arbeitsvorhaben der laufenden Amtsperiode


Ulla Usemann-Keller

Mit der Sitzung am 21. und 22. Oktober in Köln beendete die Kommission in dieser Zusammensetzung ihre Arbeit in dieser Amtsperiode. Dieser Situation entsprechend verknüpfte sich das Resümee der geleisteten Arbeit, der anfallenden Probleme und der beobachteten Entwicklungen mit der Gewichtung zukünftiger Vorhaben.

Die Kommission bedauert, daß der vom DBI beantragte und von der Kommission unterstützte Projektantrag zur Untersuchung des Einsatzes von multifunktionalen Chipkarten in Bibliotheken derzeit wegen anderer Prioritätensetzung des Ministeriums nicht gefördert wird. In dem Einsatz der multifunktionalen Chipkarte wurde eine Möglichkeit zur reibungs- und bargeldlosen Nutzung der unterschiedlichen Bibliotheksangebote und -leistungen gesehen. U. a. sollten in dem Zusammenhang die SUBITO-Vorhaben unterstützt werden, die den Einsatz der Karte am heimischen PC bzw. Arbeitsplatzcomputer vorsehen. Die Karte, die Geldfunktionen haben sollte, würde anfallende Gebühren und Entgelte bargeldlos transferieren. Daneben könnte sie weitere Funktionen abdecken, wie z. B. als Studentenausweis dienen oder bargeldlosen Museumseintritt ermöglichen. Mit dem Projekt sollten realistische Einsatzmöglichkeiten, rechtliche Konsequenzen und Verwaltungsaufwand, Vernetzungen, Kosten, d. h. das gesamte Umfeld für Bibliotheken untersucht werden, einschließlich praktischer Erprobungen.

Erfreulich dagegen ist die Zusage des BMBF, die Umsetzung der Projektergebnisse Büchertransportsysteme für die Beschleunigung des Leihverkehrs (s. dbi-materialien 146) zu fördern. Die im vorliegenden Projektbericht ausgewiesenen Einsparungs- und vor allem Optimierungsmöglichkeiten haben bereits seit dem Erscheinen im Frühjahr zu weiteren Reorganisationen geführt. Dem neuen Projektvorhaben bleibt ein Jahr Zeit, die Reorganisation flächendeckend vorzunehmen, um die Verbindung zwischen überregionalen (Container-) Diensten und staatlichen Bücherautos zu koordinieren und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Im Hinblick auf dieses zweite Projekt fand bereits im September eine Sitzung der Bücherautobetreiber statt, in der die bisherigen Änderungen, d. h. die unterschiedlichen Containerdienste, diskutiert wurden. Für die Umsetzung müssen veraltete Daten durch Neuerhebungen ergänzt werden, diese werden derzeit in den von Göttingen angeschriebenen Bibliotheken erhoben.

Diskutiert wurden Aktivitäten im und für das Internet, die jedoch keine eindeutige Beschlußfassung begründet hätten. Im Zusammenwirken mit der Konferenz der Zentralkataloge wird an den Homepages der Verbund- und Zentralkataloge und zum Leihverkehr gearbeitet. Von seiten einzelner Bibliotheken zu Fragen des Internet besteht Fortbildungsbedarf, der sich jedoch weder von seiten des DBI noch von den Mitgliedern der Kommission präzisieren läßt. Als sinnvoll wird die Diskussion des Themenfeldes mit Praktikern erachtet, um ggf. mit Arbeitsgruppen Problemfelder schrittweise zu klären oder gezielte Fortbildung zu initiieren.

Die Kommission ist nach wie vor bemüht, ihre Arbeit mit den regionalen Benutzungskommissionen bzw. Aktivitäten zu verzahnen. Allerdings ist die Umsetzung des Synergismus nicht immer so erfolgreich wie derzeit mit Bayern.

Aus der im Sommer 1996 von der BDB und dem DBV eingerichteten "Beratungsstelle für Bibliotheken", die die Rechtssicherheit bei der Ausleihe von Computersoftware in Übereinstimmung mit der Selbstverpflichtungserklärung gewährleisten soll (s. Bibliotheksdienst 30.1996, H. 8/9, S. 1361), lagen keine berichtenswerten oder gar behandlungswürdigen Anfragen vor.

Zum Themenkreis Leihverkehr gab es zunächst die wenig erfreuliche Mitteilung aus der Staatsbibliothek zu Berlin, daß die russische Staatsbibliothek infolge ihrer schwierigen finanziellen Situation nicht in der Lage ist, Bestellungen zu erledigen und ausgeliehene Bücher zurückzusenden. Diese Mitteilung wurde provoziert durch mehrere Mahnschreiben der Berliner Bibliothek.

Die Kommission möchte auf die 1995 erschienene Auflage des von Leslie R. Morres herausgegebene "Interlibrary Loan Policies Directory" aufmerksam machen. Dieses Directory enthält präzise Angaben zu Kosten und Zahlungsmodalitäten der einzelnen Bibliotheken und ist somit hilfreich für den Leihverkehr mit den Vereinigten Staaten von Amerika.

In diesem Zusammenhang ist das auf dem IFLA-Kongreß in Peking gehaltene Referat von Mary A. Jackson "Measuring the Performance of Interlibrary Loan Operations in North American Research and Academic Libraries" interessant. Nach der Studie von 1993 belaufen sich die Kosten einer positiv erledigten Leihverkehrs-Transaktion auf rund US-$ 30 von denen $ 19 auf die nehmende und $ 11 auf die gebende Bibliothek entfallen. Der Personalanteil liegt dabei knapp über ¾ der Kosten. So konnte bei der Erhebung ein Kostenanstieg von 100% in den letzten zehn Jahren festgestellt werden. Bei diesen Ergebnissen, die gewichtet, d. h. auf ihre Vergleichbarkeit abgestimmt, mit dem im Zuge von SUBITO ermittelten deutschen Kosten (s. Günter Beyersdorff: Was kostet die Fernleihe? Berlin, DBI 1996) verglichen werden sollten, zeigt sich, daß zwei Fernleihen in den USA ungefähr soviel kosten wie eine Neuerwerbung.

Auch Frankreich überdenkt und reorganisiert derzeit den Leihverkehr, wie die Bibliothèque Nationale Mitte des Jahres in einem Rundschreiben mitgeteilt hat. Die Staatsbibliothek zu Berlin hatte angesichts dieser Situation eine Umfrage über die einschlägigen Listen im Internet nach den derzeitigen Praktiken im nehmenden Leihverkehr mit Frankreich und nach den Erfahrungen mit der französischen Entgeltordnung gestellt. Bis zur Kommissionssitzung lagen 12 Antworten aus deutschen Bibliotheken und eine aus der Schweiz vor. Als Ergebnis wurde vorgestellt, daß alle deutschen Bibliotheken ihre Monographien-Bestellungen bisher an das Centre de Prêt der Bibliothèque Nationale schickten bzw. ihre Dissertationen direkt bei den Hochschulbibliotheken bestellen. Die Schweizer Bibliothek bestellt Monographien direkt aufgrund der Bestandsnachweise in SIBIL-France. Die Mehrzahl der deutschen Bibliotheken schickt auch die Zeitschriftenbestellungen an das Centre de Prêt. Dieses rechnet über Vignetten ab. Das als landeseinheitliches Abrechungssystem geplante Verfahren wird jedoch nur zum Teil von den französischen Bibliotheken akzeptiert. Es werden folglich Rechnungen erstellt und unterschiedlich hohe Gebühren gefordert, die den Schluß zulassen, daß die Situation in Frankreich ähnlich uneinheitlich wie in Deutschland ist.

Zu diesen Leihverkehrsfragen hat es bereits Informationen der Kommission in Bibliotheksdienst 1996, H. 12, S. 2014 - 2015 gegeben.

Im Nachgang zu dem Vortrag von Graham P. Cornish in Peking über das IFLA-Voucher wurde nochmals über die Vor- und Nachteile dieses Vouchers diskutiert. Bislang wurden über 3.600 Vouchers weltweit verkauft von 100 registrierten Bibliotheken. Von deutschen Bibliotheken sind offiziell eingetragen die UB Augsburg, die LuHB Darmstadt, die SUB Göttingen, TIB Hannover und die UB Heidelberg. Die Diskussion ergab, daß im Augenblick noch wenig Erfahrung über dieses Zahlungsverfahren vorliegen. Augenblickliche Nachteile sieht die Kommission darin, daß für eine Transaktion, d. h. eine Ausleihe oder die Lieferung von bis zu 15 Seiten, ein Voucher zu verlangen von der IFLA zwar empfohlen wird, es den Bibliotheken jedoch freigestellt ist, dafür mehr als einen Voucher oder auch weniger zu fordern. Auch ist der Einsatz des Vouchers bei Fax- oder E-Mail-Bestellungen noch ungeklärt. Im Gegensatz zu internationalen Antwortscheinen, die von Bibliotheken, die mehr geben, bei der Post verrechnet werden können, gibt es Schwierigkeiten in den Bibliotheken, die Rückerstattungsbeträge für Vouchers zu verbuchen, sofern sie über keinen Einnahmetitel verfügen. Die Kommission empfiehlt trotzdem den deutschen Bibliotheken, sich an den IFLA-Voucher-Scheme zu beteiligen, weil die Vorteile die Nachteile bei weitem überwiegen.

Zur Kenntnis genommen wurden weitere Informationen zum Planungsstand von SUBITO und erste Erfahrungsberichte zur "Expreß-Fernleihe" der UB Konstanz, die derzeit nicht im erwarteten Umfang angenommen wurde. In diesen Zusammenhang werden die Vorhaben und Erfahrungen zur Digitalisierung von Dokumenten auf ihren Handlungsbedarf untersucht.

Aus dem Bereich der Öffentlichen Bibliotheken werden die Konsequenzen der Sparpolitik und deren Auswirkungen auf die Benutzungsbereiche diskutiert. Festgestellt wird, daß die Gebühren-/Entgeltstrukturen unüberschaubar sind und erneut analysiert werden müssen. In unmittelbaren Zusammenhang dazu stehen auch Produktdefinitionen. Zur weiteren Bearbeitung der Definitionen der Produktpaletten für die Benutzungsbereiche beabsichtigt die Kommission eine Round-table-Diskussion anzusetzen.

Die von seiten der Bibliotheken signalisierte Unsicherheit über die Qualitäten von interaktiver Lernsoftware, die z. B. bei Sprach- und Lernprogrammen sehr hochpreisig sein kann, erfordert Tests und Qualitätsbeschreibungen in der Art, wie sie von der Stiftung Warentest (Test H. 7.1996) angestellt wurden. Die Kommission hatte bereits über eine bibliothekarische Ausbildungsstätte - z. B. über eine Diplomarbeit - erfolglos versucht, Bewertungsraster entwickeln zu lassen, die den Besprechungsdiensten als Grundlagen für Bewertungen dienen könnten.

Weit zögerlicher als erwartet bewertet die Kommission den Einsatz von Selbstverbuchungsgeräten, wie sie z. B. in der Stadtbibliothek Köln installiert sind. Anzustreben ist, möglichst alle bei der Verbuchung anfallenden Arbeitsschritte in die Software zu installieren. Ein reines Ausleihverbuchungssystem ohne Funktionen für Rückgabe, Kontenverwaltung und De- und Aktivierungsfunktionen der Sicherheitsstreifen erscheint teuer, weil keine wirksamen personellen Entlastungen damit erzielt werden können. Eine Verbindung mit dem OPAC wird empfohlen, um nicht EDV-Geschäftsgänge manuell erledigen zu müssen. Die Entwicklungen auf dem Marktsegment Verbuchung/ Bestandssicherung werden derzeit weiter optimiert. Die Bibliotheken sollten folglich nur Komplettausstattungen anpeilen, die sich durchaus stufenweise installieren lassen.

Für Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken gleichermaßen von Bedeutung sind die Änderungen im Auskunftsbereich durch Verlagerungen zu Online-Auskunftsdiensten. Auch bietet sich das Internet für fachbezogene Informationen an. Aktivitäten dazu werden die neuen Mitglieder in der nächsten Amtsperiode entfalten. Für den Bereich Online-Bestellung und -lieferung wird ein Round Table vorgeschlagen, der praktische Modalitäten klären soll.

Für die Überlegungen zu neuen Formen der Medienpräsentation und der Entwicklung neuer Leitsysteme kontaktierte die Kommission Dr. Preuss-Neudorf der Firma Vereinigte Universitätsbuchhandlungen in Köln, um sich mit dem Gedankenansatz eines Unternehmers auseinanderzusetzen. Bestimmte Erfordernisse wie Servicequalität und gute Kundenorientierung führen zur Kundenzufriedenheit. Diese wird bzw. sollte in Bibliotheken gleichermaßen angestrebt werden. Medienpräsentation und neue Leitsysteme in Öffentlichen Bibliotheken wird folglich ein Thema, das im nächsten Jahr von der Kommission wieder behandelt wird.

Den Mitgliedern der Kommission, Dr. Ekkehard Henschke, Dr. Horst Neißer, Werner Schwarz, Beate Straka und der umsichtigen und kompetenten Vorsitzenden Dr. Gisela Herdt gebührt Dank für ihre z. T. zehnjährige Mitarbeit. Allein die letzten zehn Jahre Benutzungskommission beinhalten viel Arbeit, viel Entwicklung und noch mehr Veränderungen, die bewältigt, begleitet und beraten sein wollten. Die Kommission hat versucht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre Themen "abzuarbeiten", hinterläßt folglich der "neuen" Kommission jede Menge Anregungen, ein versiertes Mitglied und hoffentlich eine auf die Kommissionsarbeit reagierende Bibliothekslandschaft.


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