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Bibliotheksdienst Heft 11, 96

"Aus Alt mach Neu"

Umsetzung von terminalbasierten Anwendungen in Client-Server-Lösungen am Beispiel der Integration des Ausleihsystems der Badischen Landesbibliothek ins WWW

Uwe Dierolf

Einleitung

Die Bibliothekswelt ist wie andere Branchen, in denen Massendatenverarbeitung betrieben wird, bezüglich ihrer EDV-Basis noch stark geprägt von terminalbasierten Anwendungen. Ein Zentralrechner (Host) stellt einen Dienst zur Verfügung, wobei die den Dienst repräsentierende Anwendungssoftware auf dem Zentralrechner läuft. Eine solche zentralistische Architektur eignet sich nicht zur Integration eines Dienstes in eine Gesamtlösung. Es bedarf einer Client-Server-Architektur mit offenen Schnittstellen, um von "außen" den Dienst nutzen zu können.

Exemplarisch wird im folgenden ein Ansatz beschrieben, wie eine solche Umsetzung durchgeführt werden kann.

Aufbau einer Client-Server-Architektur für das Ausleihsystem der BLB

Seit August (s.[BNN96]) verfügt die Badische Landesbibliothek (BLB) über den Online-Katalog OLIX. Hiermit können Benutzer der BLB auf Windows-basierten PCs mit Hilfe der graphischen OLIX-Software Literaturrecherchen durchführen.

Zur Ausleihverwaltung kommt das in Baden-Württemberg weit verbreitete, etablierte System OLAF zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein terminalbasiertes System. Zur Ermittlung des Ausleihstatus sowie zur Bestellung/Vormerkung eines mit OLIX gefundenen Titels muß sich der Benutzer die Signatur ausdrucken und damit zum nächstgelegenen Ausleihterminal begeben.

Das Beispiel BLB ist kein Einzelfall. In vielen Bibliotheken besteht eine Trennung zwischen Katalog- und Ausleihsystem. Integrierte Gesamtsysteme - womöglich noch mit graphischer Benutzeroberfläche oder Internetanbindung - finden sich kaum.

Wie für alle in Baden-Württemberg eingesetzten OLIX-Kataloge wurde auch für den BLB-Katalog seitens der Universitätsbibliothek Karlsruhe direkt eine WWW-Anbindung bereitgestellt. Der Wunsch nach einer Anbindung des Ausleihsystems OLAF lag nahe, da bereits im März 1996 (s. [Dier96]) an der Universitätsbibliothek Karlsruhe erstmalig in Deutschland auch das Ausleihsystem ins WWW integriert werden konnte.

Auf Grund der Erfahrungen im Bereich der Netzwerkkommunikation im KVK-Projekt (s. [DiMö96]) gelang im Rahmen des Projekts WWWOLAF innerhalb von nur drei Wochen die Anbindung des Ausleihsystems OLAF der BLB ins WWW. Seit Anfang September sind Ausleihstatusanfragen sowie Bestellung und Vormerkung realisiert. Hierdurch verfügt die BLB zumindest im WWW über ein integriertes Gesamtsystem. Der Medienbruch zwischen Online-Katalog und Ausleihsystem besteht nicht mehr.

Die Technik

Das im Rahmen des WWWOLAF-Projekts entwickelte Gesamtsystem besteht aus zwei Komponenten, dem OLAF-Client und dem OLAF-Server

Abb. 1

Der OLAF-Client nimmt die Anfragen aus dem WWW entgegen, sendet diese an den OLAF-Server und konvertiert das erhaltene Ergebnis nach HTML. Der OLAF-Client wurde als CGI-Programm realisiert.

Der OLAF-Server stellt sich als universeller Dienst mit offener Schnittstelle im Netzwerk dar. Hierdurch kann technisch auch seitens des Rechercheprogramms OLIX auf diesen Dienst zugegriffen werden.

Er besteht aus einer Instanz zur Anfrageverwaltung und variabel vielen Instanzen zur Terminalsteuerung. Letzteres erlaubt die Skalierbarkeit des Parallelitätsgrades. Derzeit werden ständig drei Sitzungen seitens der Prozesse zur Terminalsteuerung zum OLAF-System der BLB aufrechterhalten, um auch mehrere WWW-Anfragen gleichzeitig bedienen zu können. Die Anzahl der Sitzungen kann beliebig verändert werden. Kommen mehr Anfragen als Terminalsteuerungsprozesse vorhanden sind, so reiht die Anfrageverwaltung diese in eine Warteschlange ein.

Die Terminalsteuerung basiert auf dem Auslesen der Zeichen, die vom Ausleihsystem OLAF normalerweise ans Terminal als neuer Bildschirminhalt geschickt werden. Diese Zeichenketten werden nach gewissen markanten Worten untersucht (z.B. "... ausleihbar...", "...bestellbar...", "...offenes Magazin..." etc.).

Normalerweise gestaltet sich die Arbeit mit dem terminalbasierten Ausleihsystem der BLB für Benutzer wie folgt:

Vor Ort stehen Terminals bereit, die direkt mit dem Ausleihsystem OLAF verbunden sind.

Externe Benutzer müssen diese Anbindung an den Rechner, auf dem das Ausleihsystem OLAF läuft mittels einer Terminalemulationssoftware (z.B. TELNET) erst aufbauen. Dieser Verbindungsaufbau gestaltet sich in der Regel mehrschrittig und ist sehr langwierig (ca. 20 Sekunden).

Anschließend muß sich ein Benutzer bei jeder Sitzung mittels Benutzername und Passwort anmelden, auch wenn er nur den Ausleihstatus eines Buches ermitteln möchte.

Der OLAF-Server bietet gegenüber dieser herkömmlichen Arbeit zwei Vorteile:

Erstens besteht die Verbindung zum Ausleihsystem OLAF auch für externe Benutzer direkt. Die Terminalsteuerungsprozesse halten diese Verbindung aufrecht. Die Arbeit für externe Benutzer wird hierdurch wesentlich beschleunigt. Da externe Verbindungen rar sind, können mittels des OLAF-Servers Benutzer schneller bedient werden.

Zweitens meldet sich der OLAF-Server beim Verbindungsaufbau zugleich schon mit einer hierfür reservierten Benutzernummer und einem Passwort an. Hierdurch kann eine Ausleihstatusabfrage direkt, also ohne Anmeldung seitens des Benutzers durchgeführt werden. Diese Vorgehensweise schafft einen weiteren Geschwindigkeitsvorteil. Erst bei einer Bestellung/Vormerkung wird die Anmeldung erzwungen. Danach erfolgt keine Abmeldung, da es für nachfolgende Ausleihstatusanfragen irrelevant ist, unter wessen Benutzernummer diese durchgeführt werden.

Erste Erfahrungen und Ausblick

Das System wurde Anfang September 1996 freigegeben. Die Akzeptanz ist groß. Seitens weiterer OLAF-Bibliotheken in Baden-Württemberg wurde bereits Interesse an der Karlsruher Lösung bekundet. Die OLAF-Systeme bieten alle eine vergleichbare Funktionalität. Eine Anpassung wäre daher nur an zwei Stellen erforderlich. Zum einen differieren die OLAF-Systeme in der Syntax der zurückgelieferten Texte bzw. Bildschirminhalte. Hier kann einiges an Vorarbeit seitens weiterer Interessenten geleistet werden. Die Hauptarbeit bei der Realisierung des OLAF-Servers für die BLB war das Kennenlernen der Reaktion des Systems auf gewisse Benutzereingaben.

Zum anderen ist eine Anpassung des CGI-Programms notwendig, das die Recherche in dem jeweiligen Katalog durchführt, um die Integration des WWW-Online-Katalogs und dem entsprechenden OLAF-Client und OLAF-Server zu ermöglichen.

Fazit

Der beschriebene Ansatz eignet sich zur Realisierung von Client-Server-Lösungen für beliebige Anwendungsgebiete, sofern deren Komplexität begrenzt bleibt.

Ansprechpartner

Dipl.-Inform. Uwe Dierolf, Tel. (07 21) 60 8-60 76, E-Mail: dierolf@ubka.uni-karlsruhe.de

Literatur

[BNN96]OLAFs Bruder heißt OLIX: Badische Neueste Nachrichten, 6.8.1996
[Dier96]UB Karlsruhe erweitert Dienste - vom WWW-Katalog zur WWW-Ausleihe: Uwe Dierolf, Bibliotheksdienst, März 1996, S.484-487
[DiMö96]Karlsruher Virtueller Katalog: Uwe Dierolf, Michael Mönnich; Bibliotheksdienst, August/September 1996, S.1395-1401


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