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Bibliotheksdienst Heft 11, 96

ARIADNE:

Der rote Faden durch das britische eLib-Programm

Stefan Olbrisch, Kerstin Szmolka 1)

1. Überblick

Im vorliegenden Beitrag wird die elektronische Zeitschrift ARIADNE, ein Informationsangebot im Internet, analysiert und bewertet. Da ARIADNE als Teil des eLib-Projekts (http://ukoln.bath.ac.uk/elib/projects.html) konkrete Aufgaben innerhalb des Projektes wahrnimmt, wird zunächst kurz auf dieses eingegangen. Es folgt eine Darstellung der Ziele von ARIADNE aus Sicht der Herausgeber und eine Beschreibung und schließlich eine Bewertung des Angebotes. Diese orientiert sich u.a. auch an den von den Herausgebern selbst gestellten Zielen. ARIADNE wird neben der elektronischen Form auch als Print-Version angeboten, wodurch ein Vergleich beider Veröffentlichungsformen möglich wird.

2. Das eLlib-Programm

Im Jahre 1993 untersuchte eine Expertengruppe unter der Leitung von Sir Brian Follet das wissenschaftliche Bibliothekswesen in Großbritannien (GB). Ihr Arbeitsergebnis, der sog. Follet-Report (http://ukoln.bath.ac.uk/follett/ follett_report.html) zeigt die zunehmende Belastung der Universitätsbibliotheken durch die steigende Studentenzahl auf der einen und den Anstieg wissenschaftlicher Publikationen auf der anderen Seite auf. Eine Hauptempfehlung zur Lösung der erkannten Probleme ist die konsequente Nutzung moderner Informationstechnologien. Als Reaktion auf den Follet-Report rief das Joint Information System Committe (JISC) (http://www.niss.ac.uk/JASPER. html) das Electronic Libraries Programm (http://ukoln.bath.ac.uk/elib/projects.html) ins Leben. Dieses Pogramm läuft seit Mitte 1995, ist auf drei Jahre angelegt und mit 15 Millionen Pfund ausgestattet. Geleitet wird eLib von der Follet Implementation Group in Information Technologie (FIGIT). Seine Schwerpunkte liegen in folgenden Bereichen:

3. Das Projekt ARIADNE

3.1 Die Zielsetzungen von Ariadne

Das Projekt ARIADNE (der Name ist keine Abkürzung (http://ukoln.bath.ac. uk/ariadne/about/myth.html), sondern bezieht sich tatsächlich auf die Frau mit dem Faden) ist in der Projektliste (http://ukoln.bath.ac.uk/elib/projects. html) des JISC im Bereich Training and Awareness angesiedelt und nicht im Bereich Electronic Journals. Diese Einordnung mag überraschen, wird aber nachvollziehbar, wenn man die Ziele der Herausgeber (The University Library of the University of Abertay Dundee, UK Office for Library and Information Networking (UKOLN)) betrachtet:

Nicht so sehr das Know-How elektronischen Publizierens steht im Vordergrund - dies geschieht in anderen Projekten -, sondern die Heranführung der Bibliothekare an netzwerkorientierte Verfahrensweisen und hierbei besonders die Angebote und Möglichkeiten des Internets. ARIADNE möchte den interessierten Bibliothekaren Neuigkeiten, Erfahrungsberichte und Kommentare zur Verfügung stellen.

Diese Zielsetzungen können auch die Tatsache erklären, daß ARIADNE als Parallelpublikation erscheint. So können auch Bibliothekare erreicht werden, die eher konventionell erscheinende Publikationen bevorzugen. Der direkte Vergleich beider Publikationsarten kann die Vorteile elektronischer Publikationen sehr deutlich machen (Aktualität, Interaktivität)

3.2 Erscheinungsweise

ARIADNE erscheint seit Januar 1996 zweimonatlich. Von Anfang an war ARIADNE als Parallelpublikation konzipiert. Die zweimonatliche Erscheinungsweise bezieht sich auf die Print-Version, die elektronische Version wird durch das Update Board (http://ukoln.bath.ac.uk/ariadne/about/update.html) laufend aktualisiert. Die Kosten der Print-Version betragen 12 £ tjährlich für Abonnenten außerhalb Großbritanniens. Innerhalb Großbritanniens wird ARIADNE kostenlos an alle Hochschulen abgegeben.

3.3 Gliederung bzw. inhaltliche Schwerpunkte

Es wurde von Anfang an versucht, die Beiträge feststehenden Rubriken zuzuordnen. Im einzelnen sind dies:

Main Articles

Diese Rubrik enthält ausführliche Artikel zu einer breiten Palette von Themen, die für das Bibliothekswesen relevant sind. Dazu gehören zum Beispiel:
Berichte über die Einbeziehung von Netzwerken in die Bibliotheksarbeit

Diese Rubrik macht den größten Teil des Umfangs der Zeitschrift aus und stellt ihren thematischen Schwerpunkt dar. Hier finden sich z.B. Berichte über laufende Projekte oder Vorstellungen neuer Projekte.

Research Elsewhere

Berichte über Entwicklungen außerhalb des eLib-Programms.

Get tooled up

Hier stehen Artikel zu technischen Aspekten neuer Informationstechnologien, Vorstellungen neuer Software, Problemlösungen in Netzwerkanwendungen, usw.At the event

Diese Rubrik enthält Berichte von Tagungen, Kongressen und Projekten.

LIS Web Journals

Beschreibungen weiterer elektronischer Zeitschriften desselben Themenkreises.

Forthcoming Events

Vorankündigungen von Neuerscheinungen und Kongressen.

Regulars

Hier findet man Interviews, Berichte, Meinungen, Buchbesprechungen und Besprechungen von Internet-Angeboten. Hinter diesem Inhaltspunkt verbirgt sich also eine Vielzahl von unterschiedlichen Rubriken, man findet sogar eine Kolumne über Lyrik im Internet.

Odds and Ends

Enthält Vorschauen, Aktuelles, Leserbriefe.

ARIADNE legt ihren Schwerpunkt bei der Berichterstattung auf Großbritannien, aber es finden sich durchaus auch Artikel von ausländischen Autoren, sofern sie die genannten Themengebiete behandeln und für die Bibliothekare in Großbritannien von Nutzen sein können (so erschien z.B. ein Artikel von Traugott Koch aus Schweden).

4. Aufbereitung der Texte

Bei der Gestaltung der Texte werden die Möglichkeiten, die das elektronische Publizieren im Internet bietet, konsequent genutzt:

Alle Texte enthalten Links auf andere relevante Quellen, wo sinnvoll werden Grafiken in den Text eingebunden. Nahezu alle Artikel bieten dem Leser die Möglichkeit, direkt mit dem Autor oder ARIADNE (http://ukoln.bath.ac.uk/ ariadne/mail/) in Kontakt zu treten.

Da eine Hauptaufgabe von ARIADNE in der laufenden Berichterstattung über die eLib-Projekte besteht, kommt der Aktualität der Artikel eine große Bedeutung zu. Allein durch die zweimonatlich erscheinenden Ausgaben würde diese Aktualität nicht gewährleistet. Die elektronische Version wird daher laufend aktualisiert. Um auf die Aktualisierungen aufmerksam zu machen, wurde das sogenannte Update Board eingerichtet. Hier wird auf die Artikel oder Informationen verwiesen, die geändert wurden oder neu hinzugekommen sind.

Aktualisierungen oder Veränderungen sind nicht ausschließlich auf die letzte Ausgabe bezogen, sondern können auch schon länger veröffentlichte Beiträge betreffen. Die Anzahl der bisher veröffentlichten Artikel ist aufgrund der wenigen Ausgaben zur Zeit noch gering, wird aber ständig zunehmen. Um auch dann einen gezielten Zugriff auf jeden Artikel zu ermöglichen, wurde bereits ab der ersten Ausgabe eine Suchmaschine implementiert. Nach unseren Erfahrungen ist allerdings lediglich eine Suche nach Namen von Personen oder Projekten sinnvoll, da eine Suche nach Begriffen im Volltext zu viel Ballast mit sich bringt.

5. Vergleich der beiden Publikationsformen

Vergleicht man die beiden Versionen von ARIADNE, sollte man im Gedächtnis behalten, daß die elektronische Version von Anfang an als Hauptergebnis des Projekts konzipiert war und die Print-Version nur eine Ergänzung darstellt, die Benutzern, die ARIADNE noch nicht online erhalten können, einen Zugriff ermöglicht. Die Herausgeber von ARIADNE gehen mit der Parallelpublikation einen zur Zeit ungewöhnlichen Weg:

Momentan stellen elektronische Versionen bereits erscheinender Zeitschriften lediglich ein zusätzliches Angebot dar. Will man auf den gesamten Inhalt der Zeitschrift zugreifen, so findet man diesen nur in der Print-Version (z.B. NfD). Das Projekt ARIADNE verschiebt diesen Schwerpunkt auf die Seite der elektronischen Version. ARIADNE-Print ist also das zusätzliche Angebot. Die Hauptartikel sind weitgehend vorhanden - manchmal allerdings in gekürzter Form -, auch wird versucht, die verschiedenen Rubriken der elektronischen Version abzudecken. Von Ausgabe zu Ausgabe kann es jedoch passieren, daß manche Rubriken überhaupt nicht oder nur in Teilen vertreten sind, die Rubrik "Get tooled up", in der hauptsächlich technische Aspekte behandelt werden, fehlt in der Print-Version vollständig.

Auch die Entwicklung des Umfangs zeigt, daß der Schwerpunkt von den Herausgebern auf die e-Version gelegt wird: Der Umfang der elektronischen Version wird ständig größer, es werden neue Rubriken eingefügt. Der Umfang der gedruckten Ausgabe bleibt dagegen konstant auf 12 Seiten festgelegt.

6. Bewertung

ARIADNE versteht sich selbst als Sprachrohr für die Berichterstattung über die eLib-Programme einerseits und als Informationsmittel für britische Universitätsbibliotheken andererseits. Diese beiden Ansprüche werden durch die veröffentlichten Artikel gut erfüllt: Die Berichte über die Projekte sind sehr umfangreich und aktuell, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, daß das JISC der finanzielle Träger der Zeitschrift ist und diesem Punkt somit eine übergeordnete Bedeutung zukommt. Auch die Features als Rubrik, die Artikel über das Bibliothekswesen im Zusammenhang mit neuen Technologien und den damit verbundenen Rollenwandel enthalten, sind sehr ausführlich (in der elektronischen Version) und informativ.

Ein großer Vorteil der elektronischen Version liegt in der ständigen Aktualisierung durch das Update Board und ihrem stark interaktiven Charakter. Es besteht für die Leser von fast jeder Seite aus die Möglichkeit, mit dem Autor des jeweiligen Artikels oder der Redaktion per e-mail in Kontakt zu treten.

Ein Punkt, der in der Zukunft kritisch betrachtet werden muß, sind die Kosten. Es bestehen noch keine Angaben darüber, ob ARIADNE auch in Zukunft entgeltfrei über das Internet zugänglich sein wird oder wie eine evtl. eingeführte Kostenstruktur aussehen wird.

1) Die vorliegende Arbeit entstand als Seminararbeit im Rahmen der Veranstaltung "Internet: eine Einführung mit BID-Perspektive" von Prof. Dr. Achim Oßwald im SS 1996 am Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen der FH Köln.


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