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Bibliotheksdienst Heft 3, 1996

Zugang zu Zeitungsbeständen und Zeitungsinhalt in einer Zeit des Wandels
Geoff Smith1)

Einleitung

Bibliotheken, die Zeitungssammlungen besitzen und darauf gegründete Dienstleistungen anbieten, sowie Leser, die Zugang zu Zeitungen und ihrem Inhalt haben wollen, haben seit einigen Jahren allerlei Wandlungen erlebt und werden sie weiterhin erleben. Neue Technologien wurden und werden entwickelt, die verbesserte Zugangsmöglichkeiten bieten, während die traditionellen Methoden der Sammlung und Erhaltung weitgehend im Gebrauch bleiben und eine wichtige Unterstützung für Zugangsverbesserungen in der Zukunft sind.

In diesem Vortrag werde ich die Stärken und Schwächen sowohl der traditionellen als auch der computerisierten Zeitungserschließung untersuchen. Ich werde die gegenwärtige Lage der Zeitungserschließung bewerten und meine Ansichten über den Wandel in der nahen Zukunft mitteilen.

Gebundene Bände und Mikrofilm

Traditionell haben Bibliotheken Zeitungen für langfristige Forschung zugänglich gemacht, indem sie sie nach der Veröffentlichung gesammelt und aufbewahrt haben, oft in Kartons gepackt oder gebunden; sie haben sie katalogisiert, gewöhnlich nach Erscheinungsort und Titel, und sie zur Benutzung in Lesesälen bereitgestellt. Seit den 1950er Jahren bietet sich die Mikroverfilmung von Zeitungen als wirtschaftliche und platzsparende Alternative für die Erhaltung des gesamten Zeitungsinhalts in bildlicher Form an. Dies kann durch hauseigene Verfilmung von Beständen der eigenen Bibliothek oder durch die Erwerbung von Filmen von Firmen oder anderen Bibliotheken geschehen. Mikroverfilmung gemäß den entsprechenden konservatorischen Normen ist die von Bibliotheken generell akzeptierte Methode, den gesamten Inhalt von Zeitungen zu erhalten und Duplikate von Zeitungen weiter zu verbreiten. Ihre Wichtigkeit und Praktikabilität läßt sich aus den fortgesetzten Bemühungen und Leistungen kooperativer Programme zur Sicherheitsverfilmung ersehen, wie dem United States Newspaper Program und NEWSPLAN in Großbritannien und Irland. Mikrofilm ist immer noch das von Bibliotheken am meisten gebrauchte Medium, um ganze Sätze von Zeitungen zugänglich zu machen, obwohl man darauf hinweisen sollte, daß viele Leser eine starke Vorliebe für die Benutzung der Originale haben, soweit zugänglich.

Aus der Sicht der Zugänglichkeit sind die Beschränkungen und Schwächen dieser traditionellen Ansätze den damit befaßten Bibliothekaren wie den Zeitungsforschern wohlbekannt. Wer immer Zeitungen sammelt und in der Originalform bewahrt, sieht als erstes Haupterfordernis viel Magazinplatz. Die 600.000 gebundenen Bände und Pakete von Zeitungen sowie die 300.000 Rollen Positiv-Mikrofilm der British Library Newspaper Library nehmen 29 laufende Regal-Kilometer ein. Die Bibliothek ist mit einem ihrer periodischen Platzprobleme konfrontiert und muß sich nach Ausweichmagazinen für weniger gebrauchte Titel umsehen, bis Erweiterungen in Colindale möglich sind. Das Material ist umfangreich, schwer, und neigt zu rascher Selbstzerstörung des holzigen, säurehaltigen Papiers, auf dem die meisten Zeitungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gedruckt worden sind.

Der Mikrofilm gibt eine Antwort auf das Platzproblem; er ist außerdem leicht und bequem zu lagern und zu finden. Aus der Sicht des Nutzers haben jedoch sowohl gebundene Bände als auch Mikrofilm bedeutende Nachteile für Zugang und Nutzung. Wo größere Archivsammlungen aufgebaut wurden, sei es durch Pflichtstücke oder umfangreiche Sammeltätigkeit über einen längeren Zeitraum, tendieren sie zur Zentralisierung und zur Präsenthaltung, so daß der Forscher zum Archiv reisen muß. Die Kosten und der Umfang einer systematischen Sammeltätigkeit führen dazu, daß die lokalen Sammlungen oder die eigene Institution des Forschers wahrscheinlich nur begrenzte, spezialisierte oder lokalbezogene Untermengen der gesamten Zeitungsproduktion besitzen. In einigen Ländern sind Zeitungen auf Mikrofilm über Fernleihe zugänglich; dies ist generell in Großbritannien allerdings nicht der Fall. Die Ermittlung eines Zeitungsbestandes kann problematisch sein, wenn kein Zentralkatalog vorhanden und zugänglich ist. Das United States Newspaper Program hat die systematische Erfassung bibliographischer Details und des Nachweises von Zeitungen in der gemeinsamen OCLC-Datenbank zur Hauptaufgabe seiner einzelnen Länderprojekte gemacht, neben der Sicherheitsverfilmung der erfaßten Zeitungen. In Großbritannien gibt es keinen Gesamtkatalog der Zeitungen, obwohl ein solcher höchst wünschenswert wäre und ein wichtiges Element für den systematischen Zugang auf nationaler Ebene darstellen würde. Ich hoffe, daß die Konversion des British Library Newspaper Library Katalogs in maschinenlesbare Form, so daß er Bestandteil des British Library Online-Publikumskatalogs werden kann, der erste Schritt zur Schaffung eines Gesamtkatalogs der Zeitungen in Großbritannien sein wird.

Das größte Problem für Nutzer von Zeitungsbeständen im Original wie in Mikroform ist die Schwierigkeit eines sachlichen Zugangs; wenn die Zeitung nicht eine der wenigen ist, zu der ein Sachregister publiziert wird oder ein Index zu einem oder einer Gruppe von Titeln auf lokaler Ebene geschaffen wird, dann ist die Suche nach Artikeln zu einem bestimmten Thema sehr zeitaufwendig, es sei denn man hat eine genaue Angabe der Daten, zu denen die entsprechenden Artikel publiziert worden sein dürften. Trotz dieser Zugangsprobleme ist in Großbritannien und sicherlich auch anderwärts die Nachfrage nach Zeitungen für Forschungszwecke im Wachsen begriffen. Die Skala der Verwendung des Materials ist breit - von akademischer Forschung auf allen Ebenen auf Gebieten wie Geschichte, Sozialwissenschaften, Medienforschung, über Quellenmaterial für Fernsehen, Verlagswesen oder Journalismus, bis hin zu Beweismaterial bei Gerichtsprozessen, geschäftliche Zwecke und individuelle Forschungen zur Familiengeschichte, Ortsgeschichte und persönlich motivierte Recherchen in verschiedenen Gebieten der populären Kultur wie Sport, Mode und Unterhaltung.

Ausschnitte

Wo der thematische Zugang das Haupterfordernis einer Sammlung ist, besteht die traditionelle Alternative zur Sammlung kompletter Sätze von Zeitungen in der Schaffung von Ausschnittssammlungen. Dies ist die Methode, die gemeinhin von den Zeitungen selbst in ihren Bibliotheken angewendet wird. Sie besteht im Ausschneiden der Artikel aus den Zeitungen, in denen sie erschienen sind, und in der Anordnung nach Schlagwörtern oder einer Systematik. Die Artikel werden dann im Kontext anderer Artikel zum selben Thema gesehen, aber nicht im Kontext der Zeitungsausgabe, in der sie ursprünglich erschienen waren. Der Prozeß der Schaffung und Fortführung eines Schnittarchivs ist arbeitsintensiv auf Grund des physischen Ausschneidens, der manuellen Kollation nach Thema und des Sortierens. In vielen kommerziellen Organisationen, die auf Presseausschnitten beruhen, besteht ein starker Druck zur Kostenreduktion, entweder durch Verringerung der Personalkosten oder der Zahl der ausgewerteten Titel, und daher sind es solche Organisationen, die in erster Linie Computermethoden zur Lösung der Probleme beim Zugang zu Zeitungsinformation anwenden.

Online-Zugang zur Information

Obwohl der traditionelle Zugang wie beschrieben heute noch sehr verbreitet ist, wird er jetzt durch die Möglichkeiten verbesserten Zugangs mittels neuer Technologien und automatisierter Systeme begleitet. Der Wandel setzte ein in den achtziger Jahren mit dem Beginn der Speicherung in Online-Datenbanken und der Bereitstellung des kompletten Textes von Zeitungsartikeln. Solche Systeme sind effizient, erlauben schnellen Zugriff auf vielerlei Titel und einen größeren Berichtszeitraum. Sie werden im allgemeinen täglich aktualisiert, so daß die Daten bis zum Vortage komplett sind. Sie haben einen weiten Umfang. FT Profile, der größte britische Online-Zeitungs-Host, bringt den Text von etwa 20 britischen Zeitungen; die amerikanischen Systeme NEXIS und DIALOG eine große Anzahl amerikanischer und anderer Titel. Obwohl diese Systeme effizient sind, haben sie auch Nachteile. Sie sind teuer, und daher können nur wenige Institutionen im öffentlichen Bereich dem Nutzer freien Zugang dazu eröffnen. Die Systeme werden hauptsächlich von kommerziellen und Forschungseinrichtungen genutzt. Obwohl vielerlei Titel ausgewertet werden, sind sie nicht umfassend; es sind im wesentlichen die nationale Presse oder spezielle Titel, die vertreten sind. Die populäre Presse, die für Forschungszwecke sehr gefragt ist, findet sich typischerweise in diesen Online-Systemen nicht. Auch Lokalzeitungen sind gewöhnlich nicht online erhältlich. Ebenso ist die zeitliche Abdeckung nicht umfassend. Die Online-Dateien beginnen meist in der Mitte der achtziger Jahre, als Folge der Einführung von Computern bei der Zeitungsherstellung, da die maschinenlesbaren Daten für den Online-Zugang ein Nebenprodukt der computerisierten Herstellungssysteme waren. Überdies stellen die online erhältlichen Texte nicht die gesamte Zeitung dar, sondern eher ausgewählte Artikel daraus. Ausgeschlossen sind gewöhnlich Beiträge, für die die Zeitung nicht das Copyright hat, z. B. Agenturmeldungen, namentlich gezeichnete Artikel einzelner Kolumnisten sowie Fotos, Anzeigen, Karikaturen, Kreuzworträtsel und vieles andere, das den Kontext für die Artikel bietet und ihnen einen individuellen Charakter verleiht. Der Leser sieht die Seite nicht, auf der der Artikel erschien, so daß die Größe der Schlagzeile, die Bedeutung, die dem Artikel gegeben wurde, und die beigegebenen Fotos alle verloren sind. Für den Nutzer jedoch, dessen Haupterfordernis der schnelle aktuelle thematische Fernzugriff auf bedeutendere Artikel aus den letzten Jahren ist und für den die Kosten kein Hindernis sind, für den sind viele Zugriffsprobleme bereits gelöst.

CD-ROMs

Seit dem Beginn der Neunziger Jahre haben Bibliotheken, für die die hohen variablen Kosten der Nutzung von Online-Systemen problematisch waren, eine Festpreisalternative, die dem Endnutzer Recherchen ohne Zusatzkosten erlaubt, sobald das Abonnement und die Hardware bezahlt sind. Dies ist die Verwendung von CD-ROMs, die die Texte einzelner Zeitungen oder Zeitungsregister oder -abstracts speichern und erschließen, welch letztere es früher nur in gedruckter oder in Online-Form gegeben hatte. Viele Zeitungen sind in den USA und Großbritannien derart publiziert worden; einige kontinental-europäische Zeitungen sind auch erhältlich: Le Monde, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Corriere della Sera und sicherlich noch andere weltweit.

CD-ROM-Systeme haben die Leistung von Online-Systemen, besonders in der Fähigkeit, mit Hilfe von Text-Retrieval-Software jedes vorhandene Datenelement zu suchen, vom Text eines Artikels bis zur Überschrift, zum Namen des Berichterstatters und zu den Publikationsdaten und verschiedentlich Schlagwörtern. Die Beschränkungen der CD-ROMs sind dieselben wie bei Online-Systemen: nur die letzten Jahrgänge sind erhältlich; nur eine begrenzte Anzahl von Titeln liegt vor, und der Inhalt ist unvollständig im Vergleich zum Original der Zeitung. Die Aktualisierung der Scheiben ist weniger häufig als bei Online-Diensten, denn die CDs werden gewöhnlich vierteljährlich hergestellt. Zusätzliche Probleme bestehen darin, daß jeder Titel oder jede Titelgruppe getrennt veröffentlicht wird, und gewöhnlich erscheint jeder Jahrgang auf einer neuen Scheibe. Dies führt schnell zu Problemen der CD-Verwaltung innerhalb der Bibliothek und der Notwendigkeit, den Einsatz (und die Kosten) von Netzen und Mehrfachspielern vorzusehen, damit mehrere Scheiben von mehr Nutzern verwendet werden können.

Wenn eine Bibliothek das Original oder einen Mikrofilm der betreffenden Zeitungen besitzt, dann ist CD-ROM ein gutes Medium für den Zugang zu Registern und Abstracts, besonders für mehrere Jahrgänge und Titel, wo die Druckfassung in zahlreiche Bände aufgeteilt wäre. Beispiele solcher nützlichen Produkte sind die amerikanischen Newspaper Abstracts, British Newspaper Index und Palmer's Index to The Times, 1785-1905.

Sowohl Online- wie CD-ROM-Systeme existieren schon eine Reihe von Jahren und stellen ausgereifte und weithin verwendete Technologien dar. Wir sehen nun allmählich andere technische Entwicklungen, die die Erschließung von Zeitungen beeinflussen und in der Zukunft auch verbessern werden.

Digitalisierung von Zeitungen, vom Original oder vom Mikrofilm

Es hat in letzter Zeit großes Interesse an der Möglichkeit gegeben, Bibliotheksmaterial zu digitalisieren, d.h. elektronische Bilder der Seiten eines Dokuments durch Scannen entweder des Originals oder einer Mikrofilmkopie davon herzustellen. Wenn optische Texterkennung eingesetzt wird, kann man theoretisch einen ASCII-Text erzielen, der dann automatisch durch Textretrieval-Software indiziert werden kann. Aus der Sicht des traditionellen Archivs und seiner Nutzer gäbe es viele Vorteile der elektronischen Speicherung und Anzeige von Zeitungsmaterial in Form von Bildseiten in Verbindung mit Textretrieval: Da wäre die enorme Platzersparnis bei elektronischer Speicherung im Vergleich zu Mikrofilm und Druckausgabe; mehrere Leser könnten gleichzeitig und viel schneller dasselbe Material benutzen; Fernzugriff würde die Beschränkungen zentraler Präsenzbestände überwinden; Stichwortsuche wäre möglich, um bislang nicht indiziertes Material zugänglich zu machen und die Schätze des Sammlungsinhaltes erschließen. Zur Zeit allerdings bleibt all das eher ein Traum denn eine erreichbare Realität, zumindest was große Zeitungssammlungen angeht. Einige Projekte zur Digitalisierung von Zeitungen sind bereits durchgeführt, und die Ergebnisse über das Internet zugänglich gemacht worden. Ein interessantes Beispiel ist das amerikanische Valley of the Shadow Projekt, das die Digitalisierung von Zeitungen aus Virginia und Pennsylvania aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs umfaßt.

Die Erfahrungen der British Library selbst mit dem Scannen vom Mikrofilm ergaben, daß die Digitalisierung von Zeitungsseiten vom Mikrofilm möglich und realisierbar ist, jedoch gegenwärtig langsam, arbeitsintensiv und teuer ist. Die Durchlaufrate beruht entscheidend auf der Qualität des Mikrofilms und auf der Anordnung des Materials auf dem Film. Die Hardware- und Softwaresysteme für die Digitalisierung von Bibliotheksgut und speziell für Zeitungen stecken noch in den Kinderschuhen. Sie können nur besser werden, und Verbesserung ist jedenfalls notwendig hinsichtlich der Geschwindigkeit, Einrichtung, Optimierungssoftware und der automatischen Klärung und Verbesserung der Bilder. Texterkennungssoftware hat sich noch nicht in der Lage gezeigt, Texte älterer Zeitungen zu erkennen und zu konvertieren. Trotz der Fortschritte der letzten Jahre ist eine weitere Verbesserung bezüglich der Leistung, der Bildauflösung, der Speicherkapazitäten, der Texterkennung, der Telekommunikation, der Benutzungsfreundlichkeit und der relativen Kosten notwendig, um die bestehenden Beschränkungen zu überwinden und die Konversion von Zeitungssammlungen zu digitaler Form in großem Stil bezahlbar und möglich zu machen.

Bis vor kurzem wäre die einzig zufriedenstellende Methode, Zeitungen in Bandform zu digitalisieren, gewesen, diese aufzubinden und die einzelnen Seiten zu scannen. Nun gibt es Systeme, die von oben scannen und großformatige Bände erfassen können. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn für Interessenten an elektronischen Lösungen. Jedoch sind solche Systeme zur Zeit sehr teuer, und die Probleme der Indizierung und Texterkennung sind die selben wie beim Scannen vom Mikrofilm.

Elektronische Archivierung von Zeitungen

Viele Beschränkungen der Digitalisierung lassen sich überwinden, wenn das betreffende Material bereits in elektronischer Form vorliegt. Die britische Zeitungsindustrie hat erhebliches Interesse an elektronischen Archivierungssystemen, die die gesamte Information, die bei der Herstellung einer Zeitung gebraucht wird, speichern und nutzen können. Statt nur den Text der Artikel in Texterkennungssystemen zu sichern, können solche modernen Archivsysteme auch Fotos, Graphik, Farben und den Umbruch jeder Zeitungsseite speichern. Sie können also effizient den gespeicherten Text durchsuchen, aber mit der Anzeige von Fotos und Graphik und der Textseite, auf der der Artikel erschien, kombinieren. Da die Seite nur für die Anzeige bzw. den Export wieder hergestellt wird, ist der Speicherbedarf viel niedriger als bei einer ganzen als Bild festgehaltenen Seite. Da die Auflösung der angezeigten oder ausgedruckten Seite auf dem Endgerät beruht, ob als Ausdruck, Online-Anzeige oder von der CD-ROM, ist es möglich mit solchen Systemen das Originalmaterial in originalgetreuer Wiedergabe zu bringen, ja erneut zu publizieren. Wie und welche öffentlich erreichbaren Dienste solche Systeme nutzen werden, ist noch nicht klar. CD-ROM-Versionen einzelner Titel sind wahrscheinlich, wohl zunächst populärer illustrierter Titel, für die reine Textversionen nie eine Alternative waren. Ob es zentrale Archivdatenbanken mit vielen Titeln nach dem Muster von FT Profile oder NEXIS geben wird oder ob der Zugang getrennt nach einzelnen Zeitungen oder den Zeitungen und Systemen eines Konzerns sein wird, bleibt abzuwarten, ebenso welche Systeme freien oder nur kommerziell gebührenpflichtigen Zugang bieten werden.

Vor einem Jahr hätte ich vorausgesagt, daß es nun mehrere britische populäre Zeitungen, mit dieser Technologie hergestellt, in CD-ROM-Form auf dem Markt geben würde - die vollständigen Seiten jeder Ausgabe würden angezeigt, mit Textretrievalmöglichkeit. Die Verzögerung in dieser Hinsicht war nicht technischer, sondern rechtlicher Natur. Das britische Copyright bezüglich des Zeitungsinhalts ist komplex, und Zeitungen haben nicht unbedingt das Recht der Weiterverwertung für einen großen Teil des Inhalts einzelner Ausgaben. Das Copyright für Material der Nachrichtenagenturen, für Fotos, namentlich gezeichnete Artikel und Arbeiten freischaffender Journalisten gehört oft nicht der Zeitung, sondern dem Urheber. Eine erneute Publikation der Zeitung in elektronischer Form kann die Notwendigkeit von Neuverhandlungen und Zahlung für die weitere Verwertung der der Zeitung nicht gehörenden Teile bedeuten. Die Lösung dieser Problems für das jetzige und zukünftige Material erweist sich als schwierig für die Zeitungsbranche (und als profitabel für Anwälte).

Das Internet

Ich möchte nun kurz über die Rolle des Internet bei der Erschließung von Zeitungen sprechen. Eine steigende Anzahl von zeitungsbezogenen Quellen wird über das Internet zugänglich. Zeitungen wie der Daily Telegraph in England und die Irish Times in Irland haben Material aufgelegt, das den Zugang zu den Artikeln des aktuellen Tages, und in manchen Fällen auch zu den Ausgaben des letzten oder der beiden letzten Jahre erlaubt. Ein ähnlicher Zugriff über das Internet ist auf Material einer Reihe amerikanischer Zeitungen möglich. Die Verlage nutzen oft die Gelegenheit, weitere Information über ihre Titel und Gruppen zu geben und bieten die Daten visuell in einer Art und Weise an, die interessanter ist als in traditionellen Online-Systemen. Es scheint sicher zu sein, daß weitere Verlage das Potential des Internet nutzen werden, um den Lesern in der Zukunft direkten Zugang zu ihrem Material zu bieten, obwohl abzuwarten bleibt, wie lange ein solcher Zugang kostenlos bleibt.

Das Internet bietet den Bibliothekaren auch leistungsfähige Möglichkeiten, ihren eigenen sowie den auswärtigen Nutzern zu helfen, wichtiges Material zu finden und daran heranzukommen, und bietet überdies einen Weg, Information über die eigenen Sammlungen und Dienstleistungen weit zu verbreiten. Die Fähigkeit des World Wide Web, Hypertext-Verbindungen für schnellen Zugang zu und das Pendeln zwischen in Beziehung stehenden Quellen zu gestatten, bietet Bibliothekaren eine Aufgabe, Navigationshilfen für ihre Nutzer herzustellen. Im Bereich von Zeitungsinformation und -zugang ist die WWW- Homepage des Library of Congress Newspaper and Current Periodicals Room ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, was man erreichen kann.

Zum Abschluß

Was ist nun die gegenwärtige Lage bezüglich Zeitungserschließung und wie wird sie sich wahrscheinlich in der nahen Zukunft ändern?

Diejenigen, deren Forschungsbedürfnisse durch Zugang zu aktuellen und den Jahrgängen größerer Zeitungen aus entwickelten Ländern erfüllt werden können, und die Bibliotheken, die solche Dienste diesen Forschern anbieten, haben bereits eine Auswahl vorhandener Möglichkeiten, von der Benutzung der Zeitungsoriginale selbst bis hin zu Mikrofilmsurrogaten und Online-Volltext- oder CD-ROM-Versionen. Diese Auswahl wird sich durch weitere elektronisch angebotene Titel, z.B. populäre illustrierte Blätter in elektronischem Faksimile, und durch den Umfang von Zeitungsmaterial, das über das Internet erreichbar ist, erweitern.

Wer anderes Material braucht, Zeitungen vor 1980, die meisten Lokalzeitungen sowie Zeitungen aus Ländern, deren Zeitungsproduktionssysteme technisch weniger entwickelt sind, für den sind die Möglichkeiten geringer, und Änderungen werden langsamer eintreten. Nach meiner Ansicht ist umfassende, systematische Digitalisierung von Zeitungssammlungen mit automatisch generierter Volltextindizierung technisch und wirtschaftlich noch etwas von der Realisierung entfernt, obwohl viele der technischen Bausteine schon existieren und weitere Verbesserungen mit Sicherheit zu erwarten sind. Für solches Material wird der Zugang zu den Original-Zeitungen oder, häufiger, zu den Mikrofilmen, die gewöhnliche Nutzungsmethode bleiben. Einzeln wie im Verbund müssen Bibliotheken ihre systematische Sammlung von Zeitungen fortsetzen und die Erhaltung des Materials in ihren Sammlungen in der Zukunft durch Verfilmungsprogramme sicherstellen. Wenngleich die Vorteile des elektronischen Zugangs zum primären Inhalt der Zeitungen noch nicht in großem Umfang für dieses Material erreichbar ist, so ist doch wertvolle Arbeit bei der Verbesserung der sekundären Erschließungshilfen wie Kataloge, Indizes und Benutzungsführer sowie beim Einsatz von CD-ROM und Internet bei deren Verbreitung zu leisten.

Aus der Sicht der Bibliotheken mit Zeitungssammlungen wie auch der Nutzer von Zeitungen ist der Wandel im Gange und wird weitergehen. Unsere Aufgabe ist es, Prozeß und Natur dieses Wandels zu verstehen, ihn zu beeinflussen und zu leiten zu versuchen und Änderungen anzunehmen, wo sich reale und preiswerte Vorteile für uns und unsere Kunden bieten. Gleichzeitig sollten wir die Stärken und den Wert unserer traditionellen Zugangsmethoden im Auge behalten und sie dort weiterführen, wo sie immer noch die geeignetsten und effizientesten Möglichkeiten darstellen.

1) Der Verfasser ist Direktor der British Library Newspaper Library. Dieser Beitrag ist die ergänzte Fassung eines auf der 61. IFLA General Conference (Istanbul, August 1995) gehaltenen Vortrages. Autorisierte deutsche Übersetzung von Hartmut Walravens.


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