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Bibliotheksdienst Heft 1, 1996

Internet

Das erste OMNI-Seminar in London

Oliver Obst

Am 30. November 1995 wurde nach halbjähriger Vorlaufzeit das OMNI-Projekt in London der Öffentlichkeit vorgestellt.1) OMNI steht für Organising Medical Networked Information und ist ein breit angelegter Versuch, qualifizierten Zugang zu medizinischen (Internet-)Ressourcen zu bieten. Da sich ernstzunehmende deutsche Initiativen mit einer ähnlichen Zielrichtung noch im Planungsstadium befinden2), mag ein detailierter Überblick von diesem "arbeitenden" Projekt vielleicht gerade rechtzeitig kommen, um einige Anregungen geben zu können.

OMNI speist sich aus zwei Quellen: der BIONIR-Initiative und dem Follett-Report. In BIONIR (Biomedical Networked Information Resources) hatten sich schon früh britische Medizinbibliothekare zusammengefunden, um auf freiwilliger Basis die wie Pilze nach einem Frühlingsregen aus dem Boden schießenden Internet-Quellen systematisch zu erschließen. Angesichts der Größe der Aufgabe wurde aber bald deutlich, daß dieses Unterfangen ohne professionelle Organisation und eigene Mitarbeiter zum Scheitern verurteilt sein würde. Die dazu notwendige Finanzierung wurde durch den Follett-Report ermöglicht, der von den britischen Unterhaltsträgern der Bibliotheken (den Higher Education Founding Councils) in Auftrag gegeben wurde, um die Bibliotheksversorgung der britischen Hochschulen zu untersuchen3). Der Report kommt u. a. zu dem Schluß: "The exploitation of IT (information technology) is essential to create the effective library service of the future" und empfiehlt, eine Anzahl von Entwicklungsprojekten ins Leben zu rufen, um den Gebrauch von Informationstechnologie auf bestimmten Gebieten zu fördern. Die Regierung genehmigte daraufhin für ein Electronic Libraries Programme4) 12 Mio. Pfund auf drei Jahre. Mittlerweile sind unter der Schirmherrschaft des Joint Information Systems Committee (JISC) zahlreiche Projekte ins Leben gerufen worden, die von der Follett Implementation Group on Information Technology (FIGIT) überwacht werden. Projektthemen sind u.a.: elektronische Dokumentlieferung, elektronische Zeitschriften, Digitalisierung, Archivierung, Publishing-on-demand, Copyright-Fragen und Zugang zu Netz-Ressourcen. Zu der letzten Gruppe von Projekten gehört OMNI5).

OMNI wird nicht nur mit Sach- sondern auch mit Personalmitteln gefördert und kann dadurch auf einen festen Stamm von fünf Mitarbeitern mit insgesamt 2,5 vollen Stellen bauen. Die Leiterin von OMNI ist Sue Welsh <s-welsh@nimr.mrc.ac.uk>. Wer gerne als Freiwilliger bei OMNI mitarbeiten möchte und z.B. ein bestimmtes Land oder Fachgebiet betreuen möchte, kann sich per E-Mail an sie wenden.

Sechs britische Medizinbibliotheken und das Wellcome Center for Medical Science unterstützen dieses Projekt, weil sie die Aufgabe, einen qualitativ hochwertigen Zugang zu medizinischen Informationen zu gewährleisten, angesichts der chaotischen Zustände im Internet für vordringlich halten. Das Schwergewicht liegt eindeutig auf den britischen Internetquellen, die möglichst vollständig erfaßt werden sollen. OMNI ist unter der URL http://omni.ac.uk zu erreichen. Mit Hilfe einer speziellen Datenbank werden die begutachteten Quellen entweder hierarchisch strukturiert (nach National Library of Medicine Classification oder nach Universal Decimal Classification) angeboten oder können mit Schlagwörtern durchsucht werden. Dazu werden die einzelnen Quellen mit Medical Subject Headings (MeSH) indexiert. Geplant ist zudem die Verwendung des Unified Medical Language Systems, was natursprachliche Suchen ermöglichen würde. Bei jeder dieser Möglichkeiten können entweder alle Ressourcen weltweit abgefragt werden oder die Suche auf Großbritannien (und in Zukunft auch auf andere Länder) beschränkt werden.

Das OMNI-Team sieht sich in der Tradition von Referateorganen und zieht Parallelen zum ersten Erscheinen der wichtigsten medizinischen Bibliographie, des Index Medicus. Und in der Tat erinnert die sachliche Erschließung von Homepages an die von Zeitschriftenartikeln. Wird OMNI eines Tages so wichtig sein wie die Literaturdatenbank Medline?

Ich möchte noch auf zwei weitere Versuche hinweisen, die ebenfalls den MeSH-Thesaurus der NLM dazu verwenden, medizinische Internet-Informationen sachlich zu erschliessen: CliniWeb, Oregon und Karolinska, Stockholm6). Die zu bewältigende Aufgabe läßt sich erahnen, wenn man die Zahl der URLs betrachtet, die von der größten Suchmaschine im Internet - Lycos7) - verwaltet werden: über 16 Mio. (Stand 12.12.1995)! Die Selektion, Katalogisierung und Erschließung dieser gewaltigen Informationsmasse ist wohl nur durch eine weltweite Kooperation und die Einführung von Uniform Resource Numbers ähnlich der ISBN möglich. Immerhin hat der größte Katalogisierer der Welt - OCLC - schon 1.000 Internet-Quellen erfaßt8), also knapp 0,015% ...

Internet-Adresse des Verfassers: <obsto@uni-muenster.de>

1) Ein Programm des Seminars finden Sie unter der URL http://omni.acuk/general-info/launch/launch.html.

2) Siehe z. B. 1. "Wissenschaftliche Information im elektronischen Zeitalter", Bericht der Schverständigenkommission "Elektronische Fachinformation an den Hochschulen in Bayern" (Im Internet unter der URL http://www11.informatik.tu-muenchen.de/EFI), 2. "Internet-basierte Informationssysteme", unveröffentlichtes Planungspapier der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulbibliotheken NRW /Arbeitsgruppe PC-gestützte Dienste vom 27.10.1995 und 3. "Aufbau eines World Wide Web Servers für die Sondersammelgebiete an Deutschen Bibliotheken", ein DFG-Projekt an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.

3) Higher Education Funding Council for England et al.: Joint Funding Council's Libraries Review Group. London: HMSO, 1993 (im Internet unter URL http:/ukoln.bath.ac.uk/follett/follett _report.html).

4) Informationen zum Electronic Libraries Programme finden Sie unter der URL http://ukln.bath.ac.uk/elib.

5) Zu OMNI, SOSIG und ROADS (zwei weiteren Access-Projekten) siehe Library Association Record 97(7): S. 374 (1995)

6) Oregon Health Sciences University: URL http://www.ohsu.edu/cliniweb/. Karolinska Institute, Stockholm: URL http://www.mic.ki.se/Diseases/index.html.

7) URL http://www.lycos.com

8) URL http://www.oclc.org:6990


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