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Bibliotheksdienst Heft 1, 1996

Rechtskommission des DBI

Herbstsitzung in Augsburg

Gabriele Beger

Zunehmend zeichnet sich ein neuer Schwerpunkt in der Arbeit der Rechtskommission ab: die rechtspolitische Interessenvertretung der Bibliotheken bei der Umsetzung von EG-Richtlinien in das deutsche Urheberrecht. So nahmen 1995 Vertreter der Rechtskommission an Anhörungen des Bundesjustizministeriums zu den EG-Richtlinien-Vorschlägen zum rechtlichen Schutz von Datenbanken, zur Harmonisierung der Schutzdauer im Urheberrecht und zum Entwurf eines EU-Grünbuchs "Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" teil.

Die EG-Richtlinien dienen ausnahmslos der Harmonisierung des Urheberrechts im europäischen Raum. In der Bibliothekspraxis tangieren wesentliche Tatbestände das Urheberrecht. Mit der Nutzung neuester technischer Entwicklungen, wie dem elektronischen Publizieren und der digitalen Verbreitung und Vervielfältigung, stehen beträchtliche Veränderungen in den bisherigen Regelungen des Urheberrechts an. Die Bestrebungen der Verlegerseite und der Verwertungsgesellschaften gehen europaweit dahin, die bisherigen zustimmungs- und z. T. vergütungsfreien Tatbestände einzuengen. Es gilt nunmehr, eine Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen der Urheber und Verlage und dem Auftrag der Bibliotheken im Sinne des Allgemeininteresses zu finden.

Allen o. g. Richtlinienvorschlägen ist gemein, daß das Verleihen durch Öffentliche Bibliotheken grundsätzlich in Übereinstimmung mit der bereits in Kraft getretenen EG-Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht ausgestaltet werden soll. Damit ist sichergestellt, daß die Bibliotheken gegen eine angemessene Vergütung (§ 27 UrhG - sog. Bibliothekstantieme) weiterhin zustimmungsfrei die in Eigentum erworbenen Medien ausleihen können. Ausgenommen davon sind - gemäß Selbstverpflichtungserklärung der BDB und des DBV - Computerstandardsoftware (vgl. Bibliotheksdienst 11/1995, S. 1833). Die Präsenznutzung stellt keine Verbreitungshandung dar und ist demzufolge zustimmungs- und vergütungsfrei.

Die Probleme werden sich zukünftig insbesondere auf die derzeit sanktionierten Tatbestände der Kopierfreiheit (§ 53 UrhG) beziehen. Mit der digitalen Verbreitungsmöglichkeit befürchten die Urheber- und Verlagsvertretungen eine geschäftsschädigende Kopiertätigkeit. Hier gilt es im Interesse der Allgemeinheit und der Gewährleistung des Grundrechts auf Informationsfreiheit sicherzustellen, daß jeder Bürger, unabhängig von seiner sozialen Stellung, weiterhin einen ungehinderten Zugang zu den Informationen erhält. Zunehmend werden Informationen nur noch über elektronische Medien und Datenautobahnen erhältlich sein. Wenn der Zugriff nicht allen Bürgern gleichermaßen gewährt wird, werden zukünftig regelmäßig große Teile der Bevölkerung nicht mehr wettbewerbsfähig an der Informationsgesellschaft teilnehmen können. Demzufolge ist nach eingehender Interessenabwägung auf die zukünftige Ausgestaltung der "Schranken des Urheberrechts" besonderes Augenmerk zu richten.

Neben diesem Arbeitskomplex wurden vielseitige andere Rechtsprobleme aus der Bibliothekspraxis behandelt. Auf Grund der Fülle sei hier nur auf einige näher eingegangen:

Die Rechtskommission erarbeitete ein Gutachten zur Problematik der Weitergabe von Filmduplikaten, die in Übereinstimmung mit § 53 Abs. 2 Ziff. 2 UrhG im Rahmen von Bestandserhaltungsmaßnahmen erstellt und an Bibliotheken, die über ein identisches Werkstück verfügen, weitergegeben wurden. Die Rechtskommission vertritt darin den Standpunkt, daß diese Weitergabe statthaft ist, da es unerheblich ist, ob das Duplikat vom Film oder von einem Printmedium gefertigt wird. Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Ziff. 2 UrhG muß gegeben sein, daß die Vervielfältigung geboten ist (u. a. Bestandserhaltung von Archivmedien) und die auftraggebende Bibliothek über ein identisches Werkstück verfügt.

Des weiteren prüft die Rechtskommission gegenwärtig anhand einer konkreten Anfrage, ob Bibliotheken "Reproduktionsrechte" an den in ihrem Eigentum befindlichen Medien bzw. in diesen enthaltenen Abbildungen, nachdem der Urheberrechtsschutz abgelaufen ist, geltend machen können. Grundsätzlich ist nach Ablauf der Urheberschutzdauer davon auszugehen, daß das Werk gemeinfrei geworden ist, so daß jedermann unter Nennung der Quelle Abbildungen und Text reproduzieren kann. Dennoch bleibt zu prüfen, ob aus den Eigentumsrechten an der Medieneinheit nicht eine zwingende Zustimmung des Eigentümers zur wirtschaftlichen Verwertung durch einen Dritten abgeleitet werden kann.

Auf Grund der leeren kommunalen Kassen sind Bestrebungen, Leistungen der Bibliotheken unter Gebühr zu stellen, flächendeckend zu beobachten. Demgemäß zahlreich sind die Anfragen der Bibliotheken zu den damit verbundenen juristischen Fragen. So wurden mehrere Vorträge zu diesem Thema, insbesondere in den Fachstellen für Öffentliche Bibliotheken, gehalten. Grundsätzlich ist dazu aus juristischer Sicht anzumerken, daß es in der Zuständigkeit der Kommunen liegt, Gebührentatbestände durch Regelung in Gebührenordnungen zu begründen. Für die Höhe von Gebühren gilt es zu berücksichtigen, daß diese nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und maximal bis zur Kostendeckung nach dem Haushaltsrecht gestaltet werden können. Bei Nichtbeachtung dieser Grundsätze könnte z. B. bei der Erhebung von Leihgebühren der Tatbestand der Miete erfüllt werden. Dies hätte zur Folge, daß regelmäßig die Zustimmung des Urhebers zur Vermietung gemäß § 27 Abs. 2 UrhG eingeholt werden müßte: die Anwendung der zustimmungsfreien Leihe gemäß § 27 Abs. 1 UrhG würde entfallen. In diesem Zusammenhang plant die Rechtskommission auf dem nächsten Bibliothekartag 1996 in Erlangen Referate zu den Themen: Bibliotheken und Wettbewerbsrecht, Gebühren, Preise, Mitteleinwerbung anzubieten.


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