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Bibliotheksdienst Heft 1, 1996

Die Erwartungen von Wissenschaftler(innen) an Informationsdienstleistungen und Informationsmanagement einer Universitätsbibliothek

Bericht von einer Erhebung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau1)

Wilfried Sühl-Strohmenger

1. Vorbemerkungen

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, daß die Forschenden, die Lehrenden und auch die Studierenden der Fächer Medizin, Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaftswissenschaften relativ schnell den Zugang zu den entsprechenden fachlichen elektronischen Informationsressourcen gefunden haben, zumal für diese Fachrichtungen seit Jahren ein adäquates Datenbankangebot existiert.2) Die Informationsvermittlungsstellen der Hochschulbibliotheken rekrutierten ihre Kundschaft für Online-Auftragsrecherchen überwiegend aus diesem Interessentenkreis. Auch in der gegenwärtig zu beobachtenden Phase des Übergangs von gestützten Online-Recherchen zu selbst durchgeführten Endnutzerrecherchen nehmen die Vertreter(innen) der genannten Fächergruppen eine Vorreiterfunktion ein.

Demgegenüber wird seitens der Geistes- und Sozialwissenschaften ein Nachholbedarf - sowohl bezüglich eines erweiterten Angebots an elektronischen Fachinformationsmitteln und -dienstleistungen als auch der stärkeren Nutzung des bereits vorhandenen Angebots solcher Informationsressourcen - konstatiert. In der im Auftrag des damaligen BMFT durchgeführten GEWIPLAN-Studie zur Nutzung von Fachinformationssystemen heißt es dazu: "In den Sprach- und Kulturwissenschaften ist die Nutzung am niedrigsten, und die Unterschiede in der Nutzung sind zwischen den einzelnen Fächern besonders groß. Die Organisationseinheiten der Psychologie nutzen Datenbanken besonders stark. Auch der Anteil der Nutzer in den Erziehungswissenschaften liegt noch über dem Durchschnitt; in der Philosophie, der Geschichte, den Sprachwissenschaften und der Theologie liegt er deutlich darunter".3)

Das mangelnde Angebot und die Zurückhaltung werden teilweise auf die spezifischen Formen der vielfach quellenorientierten und eher auf gedruckte Medien rekurrierenden Geisteswissenschaften, aber auch auf fehlende Mittel und Zugänge zur Nutzung von elektronischer Fachinformation zurückgeführt. Unter Umständen bedarf es mehr Information über die Möglichkeiten und Grenzen der elektronischen Medien für die Zwecke der geisteswissenschaftlichen Forschung.4)

Anläßlich einer an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durchgeführten Erhebung soll dieser Problembereich - die Erwartungen der Wissenschaftler(innen) hinsichtlich des Informationsmanagements und der Bereitstellung von Informationsdiensten durch die Universitätsbibliothek - im folgenden skizziert werden. Zunächst seien einige Bemerkungen über den Entwicklungsstand des Informationssektors im Freiburger Bibliothekssystem vorangestellt.

2. Das Bibliotheksinformationssystem der Universität Freiburg im Breisgau

Bereits in der Periode von 1978 bis 1991 kündigten sich unter dem Eindruck der neuen elektronischen Medien für den Informationsbereich der UB Freiburg deutliche Veränderungen der Aufgabenstellung und des Dienstleistungsspektrums an. Dieser Prozeß des Umbruchs prägte sich in der Zeit danach noch deutlicher aus: Bildet die bibliographische Auskunft bislang zwar noch fast uneingeschränkt den Kristallisationspunkt der Informationsabteilung, so zeichnet sich vor dem Hintergrund der "electronic library" als der Bibliothek der Zukunft allmählich ein erweitertes Verständnis der Funktionen und der daraus resultierenden Dienste bzw. Dienstleistungen des Informationsbereichs ab.5) Das Bibliothekssystem der Universität Freiburg wandelt sich nach und nach zu einem Bibliotheksinformationssystem.6)

In enger Kooperation mit dem Rechenzentrum der Universität Freiburg wurde ein "InfoBase" genannter universitätseigener Host realisiert, der von allen an das Freiburger Datennetz angeschlossenen PCs erreichbar ist.7) Wer nutzungsberechtigt ist und sich in InfoBase einloggt, kann aus einer Vielzahl von lokal verfügbaren, aber auch von externen Datenbanken auswählen. Es handelt sich sowohl um fachübergreifende Datenbanken (Nationalbibliographien, Buchhandelsverzeichnisse, Zeitschriftenkataloge, Current Contents etc.) als auch um fachbezogene Datenbanken (Biosis, GeoRef, PsycLIT, Psyndex, Medline, PAIS, EconLIT, WISO, TREECD usw.).

Im Informationszentrum der Zentralbibliothek kann an 11 Rechercheplätzen außer in den über InfoBase im Netz angebotenen Datenbanken auch in zahlreichen lokal verfügbaren, vorwiegend bibliographischen Datenbanken recherchiert werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, in einem PC-Pool, der im Lesesaal errichtet worden ist, u.a. auch nichtbibliographische elektronische Publikationen wie Volltextdatenbanken, Multimedia-Anwendungen, Lehrprogramme u. ä. zu nutzen.

Im Rahmen einer Reihe von regelmäßigen Schulungen führen Mitarbeiter(innen) der UB bzw. des Rechenzentrums in die Bedienung der Datenbanken ein. In einigen Fachbereichen gehört die Kenntnis der einschlägigen Datenbanken und ihre selbständige Nutzung mittlerweile mehr oder weniger verbindlich zum Pflichtrepertoire, so in den mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Fächern, in der Medizin und Psychologie, aber auch in den Wirtschafts-, Forst- und Rechtswissenschaften, kaum oder gar nicht jedoch in den Fächern der Philosophischen Fakultäten.

Der Auf- und Ausbau des skizzierten Bibliotheksinformationssystems an der Universität Freiburg ist eingebettet in ein seit Jahren bewährtes kooperatives Bibliothekssystem8), bestehend aus der Zentralbibliothek und einer überschaubaren Zahl von dezentralen bibliothekarischen Einrichtungen (Fakul-täts-, Verbund-, Bereichs-, Seminar-/Instituts- und Klinikbibliotheken). Auf dieser Grundlage können die elektronischen Informationsdienstleistungen weiter ausgebaut, aber auch notwendige Verbesserungen auf dem Feld der Dokumentlieferung in Angriff genommen werden. Von großer Bedeutung ist jedoch, inwieweit ein Informationsmanagement entwickelt und praktiziert werden kann, das auf den Bedarf an elektronisch vermittelter Information seitens der Wissenschaftler(innen) und auf die Akzeptanz dieses Service rückgekoppelt ist. Leider existieren bislang kaum Erhebungen, die den entsprechenden Informationsbedarf und die mit zunehmenden elektronischen Informationsangeboten verbundenen Probleme seitens der wissenschaftlichen Nutzer(innen) in den Universitäten erkundet haben.

Welche Erwartungen und Bedürfnisse hinsichtlich des Informationsmanagements und der Bereitstellung von Informationsressourcen die Wissenschaftler(innen), insbesondere der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, haben, beruht bislang vielfach auf Spekulationen. Deshalb erschien es sinnvoll, die in Forschung und Lehre tätigen Wissenschaftler(innen) einer größeren Universität mit medizinisch-naturwissenschaftlichen, rechts-, wirtschafts-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten einmal bezüglich ihrer Erwartungen an die Informationsdienstleistungen der Universitätsbibliothek zu befragen.

3. Nutzerstudie an der Universität Freiburg zu den Erwartungen an die elektronischen Informationsdienstleistungen

3.1 Konzeption der Erhebung, Adressaten, Rücklauf

Der Fragebogen für die Erhebung wurde relativ allgemein konzipiert, d. h. richtete sich auch an Personen, die bislang noch nicht oder nur wenig mit elektronischen Medien gearbeitet haben. Als wesentliche Gesichtspunkte der Erhebung sollten die Rolle der UB bezüglich der Bereitstellung elektronischer Informationsmedien, sodann die Einschätzung dieser Medien seitens der Befragten, deren Nutzungserfahrungen sowie die Erwartungen an das Informationsmanagement abgedeckt werden.

Befragt wurden im Juni/Juli 1995 ca. 2.200 Wissenschaftler(innen) der Universität Freiburg, und zwar aus allen Fakultäten. Der Rücklauf der Fragebögen belief sich auf 859 ausgefüllte Bögen, d. h. knapp 40 Prozent. In einem kurzen Anschreiben der Direktorin der Universitätsbibliothek wurden Ziel und Zweck der Befragung erläutert. Für die Beantwortung der meisten Statements des Fragebogens war eine vierstufige Skala vorgegeben: "Trifft ... überhaupt nicht zu / ... weniger zu / ... zu / ... sehr zu". In einigen Fällen war lediglich mit "Ja / Nein / Weiß nicht" zu antworten.

Die Verteilung auf die Fakultäten entspricht etwa deren Anteil am wissenschaftlichen Personal der Universität, d. h. aus der Medizinischen Fakultät kamen mit Abstand die meisten Fragebögen zurück (322 oder 44,5 %), gefolgt von der Fakultät für Chemie/Pharmazie (75 oder 8,7 %), der Fakultät für Biologie (59 oder 6,9 %), der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (40 oder 4,7%) sowie den vier Philosophischen Fakultäten (zusammen 161 oder 18,9 %).

Im Hinblick auf den Status der Befragten ergab sich, daß auf die Gruppe der wissenschaftlichen Angestellten (bzw. Assistenten/MitarbeiterInnen) ca. 58 Prozent, auf die Gruppe der Professoren ca. 18 Prozent, auf die Gruppe des wissenschaftlichen Dienstes mit Lehraufgaben ebenfalls ca. 18 Prozent und auf die HochschuldozentInnen etwa 5,5 Prozent entfielen (Abb. 1).

Die Verteilung des Fragebogenrücklaufs nach dem Merkmal Geschlecht erbrachte folgendes Ergebnis: weiblich 152 (17,7%), männlich 705 (82,3%). Offensichtlich spielte der Faktor Geschlechtszugehörigkeit bei der Beantwortung der weitaus meisten Fragen jedoch keine Rolle.

Hinsichtlich des Alters der Befragten zeigte sich erwartungsgemäß ein starkes Übergewicht bei der Gruppe der jüngeren Wissenschaftler(innen) zwischen 20 und 39 Jahren (gut 65 Prozent), jedoch stieß die Erhebung auch bei den über 40jährigen durchaus auf eine lebhafte Resonanz.

3.2 Befunde der Erhebung

3 .2.1 Einschätzung der elektronischen Informationsmedien

Zunächst war von Interesse zu erfahren, inwieweit evtl. ein mangelndes Angebot an elektronischen Informationsdiensten in dem betr. Fach hinderlich für ein stärkeres Nutzungsinteresse sein könnte (Abb. 2). Nur gut 21 Prozent der Befragten meinen, daß für ihre Fächer das Angebot an solchen Medien und Diensten zu gering sei, während über 75 Prozent dies verneinen. Bei den Mitgliedern der Philosophischen Fakultäten liegt dieser Prozentsatz erwartungsgemäß niedriger (knapp 60%).

Wie wird die wissenschaftliche Qualität, wie werden die Zugriffsmöglichkeiten von der technischen Seite her eingeschätzt? (Abb. 3) Für ungenügend halten dies 333 der Befragten, das sind immerhin 40 Prozent, während in 497 Fällen (ca. 55%) keine Probleme gesehen werden (29 Bögen ohne Antwort).

Nicht nur das wissenschaftliche Personal der Philosophischen Fakultäten hat bezüglich der wissenschaftlichen Qualität und der technischen Zugriffsmöglichkeiten Vorbehalte (etwa 40 % der Befragten, das sind 62), sondern auch der Medizinischen Fakultät (ca. 30% bzw. 127 Fälle), der Rechtswissenschaften (etwa 45% bzw. 16 Fälle), der Wirtschaftswisenschaften (gut 40% bzw. 15 Fälle), der Fakultäten für Physik (über 50% bzw. 15 Fälle), Biologie (ca. 43% bzw. 26 Fälle) und Geowissenschaften (gut 65% bzw. 19 Fälle).

Sodann stellte sich die Frage, ob die elektronischen Informationsdienste sich vielleicht nur bedingt für die Geistes- und Sozialwissenschaften eignen könnten (Abb. 4). Etwa 58 Prozent der Befragten teilen diese Auffassung nicht, während ca. 19 Prozent diesbezügliche Zweifel haben. Bei den Befragten der Philosophischen Fakultäten ergab sich folgendes Bild: Knapp 30 Prozent (46 Fälle) bezweifeln eine sinnvolle Anwendungsmöglichkeit der elektronischen Informationsmedien für ihre Fächer, während ca. 70 Prozent (109) an der Eignung dieser Medien für die Geistes- und Sozialwissenschaften keine Zweifel haben.

Die Kenntnis der elektronischen Informationsdienste und der entsprechenden Zugangsmöglichkeiten halten 738 (etwa 86%) der Befragten bezogen auf ihr eigenes Fachgebiet für besonders wichtig, davon 507 mit Nachdruck (Abb. 5). Lediglich die Mitglieder der Philosophischen Fakultäten (ca. 30% bzw. 56 Fälle) bzw. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät (ca. 45% bzw. 16 Fälle) halten die fachspezifischen elektronischen Informationsdienste noch nicht für so bedeutsam.

Dieser Befund korrespondiert mit dem Ergebnis bezüglich des Stellenwerts der gedruckten Nachweisinstrumente (Abb. 6) bei den eigenen Literaturrecherchen (im Vergleich zu den elektronischen Datendiensten: Nur knapp 18 Prozent stützen sich weiterhin lieber auf die Printmedien, jedoch über 80 Prozent in erster Linie auf die Datenbanken. Erwartungsgemäß ergibt sich für die Philosophischen Fakultäten ein etwas anderes Bild, denn hier beläuft sich der Anteil derer, die die gedruckten Dienste vorziehen, auf etwa 30 Prozent.

Aus der Sicht der Bibliothek ist die Frage wichtig, inwieweit die Einführung der Studierenden in die Bedienung und die sinnvolle inhaltliche Nutzung vom Lehrpersonal selbst im Rahmen des Grundstudiums geleistet werden sollte (Abb. 7). Daß dies sehr zutrifft, meinen 190 (22%), daß dies zutrifft, weitere 270 (32%) der Befragten. Eher ablehnend äußerten sich 249 (29,5%), strikt ablehnend 135 (16%) der Befragten. (Abb. 9) Insbesondere das wissenschaftliche Personal der naturwissenschaftlichen Fakultäten, das schon seit geraumer Zeit mit Datenbanken arbeitet und ihre Studierenden im Rahmen des Studiums mit diesen Medien mehr oder minder eingehend vertraut macht, ist überwiegend der Meinung, daß dies zu den Aufgaben des Lehrpersonals zählt, während die Befragten der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, der Philosophischen Fakultäten und der Forstwissenschaftlichen Fakultät überwiegend anderer Meinung sind. Die Befragten der Medizinischen Fakultät, der Fakultäten für Mathematik bzw. Geowissenschaften sehen zumindestens in bemerkenswertem Ausmaß die Einführung der Studierenden in die Nutzung der Datenbanken nicht als Aufgabe des Lehrpersonals an, sondern wohl als Tätigkeitsfeld der Bibliothek. Im übrigen hielten unter der für Anmerkungen, Kritik etc. offenen Rubrik über 40 Befragte ein erweitertes Angebot der UB an Datenbankschulungen bzw. -einführungen für notwendig.

3.2.2 Nutzungserfahrungen im Umgang mit elektronischen Informationsmedien/-diensten

Zunehmend werden im übrigen die neuesten Forschungsergebnisse auf elektronischem Wege ausgetauscht (Abb. 8), jedenfalls im Bereich der Medizin und der Naturwissenschaften. Insgesamt äußerten sich 320 Befragte (über 37%) zustimmend dazu, allein aus der medizinischen Fakultät 125 und aus den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten 90 Befragte. Der Spitzenwert hat hier die Fakultät für Physik mit einem Anteil von etwa 80% der Befragten aus dieser Fakultät.

Anscheinend werden aber auch im Bereich der Philosophischen Fakultäten Forschungsergebnisse zunehmend elektronisch ausgetauscht: Von 156 Befragten äußerten sich 42 (37%) in diesem Sinne.

Hinsichtlich der Nutzungserfahrungen im Umgang mit elektronischen Datenbanken ergab die Erhebung, daß 733 Befragte (85,3%) in der Vergangenheit bereits selber Recherchen durchgeführt haben, während 110 (12,8%) dies verneinen. (Abb. 9) Dieser Prozentsatz liegt in der Theologischen und in den Philosophischen Fakultäten, ferner bei den Altersgruppen der über 50jährigen deutlich höher.

Das an der Universität Freiburg bestehende Angebot an elektronischen Informationsmitteln/-diensten nutzen gut 90 Prozent (735 Fälle), d.h. sind bereits aktive Nutzer(innen) des Angebots (Abb. 10), davon ca. 13 Prozent (113 Fälle) in den in den Instituts- bzw. Fakultätsbibliotheken, gut 16 Prozent (138) im Informationszentrum der UB, ca. 55 Prozent (471) im Rahmen von InfoBase und 1,5 Prozent (13) vom häuslichen Arbeitsplatz aus. Da hier Mehrfachnennungen möglich waren, ist zu berücksichtigen, daß die InfoBase-Nutzung teilweise auch in der Bibliothek oder von zu Haus aus erfolgt. 105 Befragte (ca. 12%) nutzen das Angebot bislang überhaupt nicht, teilweise wegen eines fehlenden Anschlusses an das Datennetz.

Knapp 58 Prozent (496) der Befragten bedienen sich bereits ganz selbstverständlich nicht nur der lokal vorhandenen bzw. zugänglichen elektronischen Informationsdienste, sondern auch des über WWW/Internet verfügbaren Reservoirs an elektronischen Diensten ( 215 = 25% antworteten mit "nein", 130 = 15,1% mit "weiß nicht"; Abb. 11).

3.2.3 Erwartungen an die Universitätsbibliothek

Die Erwartungen des wissenschaftlichen Personals an die Universitätsbibliothek konzentrieren sich in erster Linie auf die Frage, in welchem Umfang die Bibliothek sich überhaupt für den Bereich der elektronischen Informationsmedien bzw. -dienste verantwortlich fühlt, d. h. wie stark sie sich hier in personeller und in finanzieller Hinsicht engagieren sollte.

Insofern war es aus der Sicht der Bibliothek von Interesse zu erfahren, ob sie sich auf dem Feld der elektronischen Informationsmedien stärker als bisher engagieren sollte. (Abb. 12) Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Universitätsbibliothek Freiburg, wie eingangs dieses Beitrags schon kurz dargelegt, sich seit einigen Jahren nicht unbeträchtlich um die Beschaffung und die Bereitstellung einer Vielzahl von elektronischen Datendiensten bemüht und auch auf dem Sektor der Datenbankschulungen relativ große Anstrengungen unternimmt. Dennoch sprechen sich rund 85 Prozent der Befragten dafür aus, daß die UB sich noch stärker als bisher in dieser Richtung engagieren solle, etwa 15 Prozent sind anderer Auffassung. Dieser Anteil rekrutiert sich vorwiegend aus den Philosophischen Fakultäten (etwa 30 %), die bisher nur bedingt an der Nutzung elektronischer Dienste partizipieren.

Dementsprechend äußern sich nur knapp 24 Prozent der Befragten zustimmend zu der Aussage, daß die Universitätsbibliothek besser beraten wäre, sich auf das Sammeln, Archivieren und rasche Bereitstellen der gedruckten Quellen/Medien zu konzentrieren (Abb. 13), während nahezu 75 Prozent dieser Aufgabe keine Priorität einräumen.

Daraus kann jedoch nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, daß die Bibliothek sich in Zukunft fast ausschließlich um die elektronischen Medien bemühen solle. Jedoch erwartet das wissenschaftliche Personal offensichtlich nicht mehr, daß den Printmedien die dominante Stellung gegenüber den elektronischen Informationsmedien eingeräumt wird. Schon im Hinblick auf eine effiziente Literaturversorgung vor Ort, die zeitaufwendige Fernleihen bzw. kostenträchtige elektronische Dokumentlieferungen erspart, kann auf die Beschaffung von Büchern und Zeitschriften auf mittlere bis längere Sicht keinesfalls verzichtet werden.

Lediglich die Befragten aus den Philosophischen Fakultäten, ferner aus der Fakultät für Biologie und aus der Forstwissenschaftlichen Fakultät votieren in deutlich größerem Umfang (30 Prozent und mehr) dafür, daß die UB sich vorrangig den gedruckten Medien widmen solle.

Die Erwartungen an die Bibliothek konzentrieren sich sodann auf ein gezieltes Informationsmanagement sowie auf Beratung und Unterstützung bei der selbständigen Nutzung von elektronischen Informationsdiensten (Abb. 14): Gut 83 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Informationen über neue Datenbanken usw.

Der ausgeprägte Bedarf an einem effizienten Informationsmanagement seitens der Universitätsbibliothek sowie an einem stärkeren Angebot an Schulungen oder sonstigen Einführungsveranstaltungen bezüglich neuer elektronischer Informationsdienste wurde auch im Rahmen der für Anregungen und Bemerkungen offenen Rubrik des Fragebogens deutlich. Einige Aussagen seien exemplarisch zitiert:

"Ich wünsche mir von der UB mehr Informationsvermittlung über elektronische Datenbanken und Anleitung zu deren Nutzung."

"Bitte regelmäßig Informationen über neue Möglichkeiten/Nachrichtendienste an die Institute/Kliniken weitergeben."

"Anfertigung eines Katalogs der zur Verfügung stehenden Datenbanken."

"Handbuch der Dienste: Wenn ich im Netz bin, ist es für mich sehr wichtig zu wissen, wo ich bin, wie ich geschickt wohin komme, und ferner, was es wo gibt und wie es aufgerufen wird."

"Die wichtigsten WWW-Adressen sollten katalogisiert und in handlicher Form zur Verfügung gestellt werden."

"Mehr Informationen, was angeboten wird, oder wenigstens, an wen direkt man sich wenden kann bzgl. elektronischer Informationsvermittlung in der UB."

"Aktive Informationspolitik. Angebote, Ansprechpartner und Leistungen transparent machen."

"Ein Manual über die möglichen Datenbanken weltweit nach Themen geordnet."

"Informationsbroschüre über vorhandene Möglichkeiten, evtl. Periodikum, in dem auf Neuentwicklungen hingewiesen wird (könnte auch als Datenbank/E-mail angeboten werden)."

"Ich würde es begrüßen, wenn es von Zeit zu Zeit eine Zusammenstellung der Recherchemöglichkeiten mit Beschreibungen und Zugangsmöglichkeiten (evtl. Kosten) gäbe (z.B. deutsche Datenbanken oder auch ausländische: Zürich etc.)."

Knapp 70 Prozent erwarten, daß das Informationspersonal der Universitätsbibliothek in höherem Umfang Kenntnisse und Fertigkeiten beim Umgang mit elektronischen Datendiensten vermitteln (Abb. 15). Auch dieser Wunsch wird im Rahmen der für Anregungen offenen Rubrik vielfach thematisiert, wie die folgenden Zitate veranschaulichen:

"Sehr wünschenswert wären Seminare, die von der UB angeboten werden könnten, die kurze Lehrgänge über die Benutzung und die Art der neuen Möglichkeiten auf dem Feld der elektronischen Informationsmedien zu beinhalten hätten. Die Nachfrage wäre sehr groß!"

"Schulung über Verwendung von Internet und WWW wünschenswert."

"Es sollten häufiger Schulungen und Informationen über Kurse angeboten werden. Bisher nur durch längere Telefonate zu erhalten!"

"Es wäre sinnvoll, wenn es von der UB an die Uni-Mitarbeiter ein zeitlich festgelegtes Informationsangebot gäbe (z. B. Mo 14 - 16 Uhr usw.), man könnte dienstmäßig planen."

"Einweisungsseminare für Dozent(inn)en."

"Sinnvoll wäre eine Erweiterung und Intensivierung des Angebots von Kursen zur Einführung in Netzwerke, Datenbanken, Recherchesprachen."

"Schulung von Hilfskräften durch UB."

"Das 'enorme Reservoir', das über WWW bzw. Internet prinzpiell zur Verfügung steht, ist bekannterweise noch ungeheuer unübersichtlich und erfordert viel Recherche-Zeit. Kann die UB hier Vorarbeit leisten oder spezielle Informationen herausgeben?"

"Einarbeitung und Kenntnisvermittlung sollten auf fehlende Vorkenntnisse mit elektronischen Medien Rücksicht nehmen."

"Die UB könnte auch in den Instituten selbst Einführungen veranstalten zu InfoBase."

Diese Aussagen weisen auf zum Teil neue Aufgabenfelder der Universitätsbibliothek hin. Erwartet wird offensichtlich, daß in erheblich größerem Umfang als früher Schulungs- und Fortbildungsangebote der Zentralbibliothek vor Ort in den Instituten und Seminaren erfolgen sollten. Denkbar ist, daß solche Kurse in der Verantwortung der zuständigen Fachreferent(inn)en liegen, die sich entsprechende Kompetenzen und Kenntnisse hinsichtlich der in Frage kommenden Informationsdienste ggf. aneignen müßten.

Ein mögliches Hindernis für die Erfüllung der genannten Aufgaben könnte darin bestehen, daß die Informationsspezialist(inn)en der UB die Informationsbedürfnisse der Kunden zu wenig kennen (Abb. 16). Jedoch sehen über 50 Prozent der Befragten diese Gefahr nicht, knapp 40 Prozent wollen das nicht ausschließen, insbesondere aus den Reihen der Medizinischen Fakultät, der Wirtschaftswissenschaftlichen und der Naturwissenschaftlichen Fakultäten.

Immerhin 381 Befragte (ca. 44 %) würden bei der Literatursuche häufiger elektronische Informationsdienste berücksichtigen, wenn das Informationspersonal der Bibliothek die Recherchen für sie erledigen würde.

Stark ausgeprägt ist dieses Bedürfnis bei den Mitgliedern der Medizinischen Fakultät, ferner aber auch der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen, der Philosophischen, der Forst- und der Geowissenschaftlichen Fakultäten. Knapp 54 Prozent der Befragten erwarten einen solchen Service der Universitätsbibliothek nicht.

4. Zusammenfassung, Bewertung

Beim wissenschaftlichen Personal aller Fakultäten der Universität Freiburg ist mittlerweile eine relativ breite Basis der Nutzung elektronischer Dienste entstanden - und zwar nicht nur bezogen auf das lokale Angebot, sondern auch auf die Frequentierung der Möglichkeiten des Internets (WWW) generell. Die Praxis des elektronischen Publizierens gewinnt immer mehr an Bedeutung, auch im Bereich der Philosophischen Fakultäten.

Die Befunde der Erhebung zeigen vor allem, daß

Welche praktischen Konsequenzen, nicht zuletzt im Sinne eines verantwortungsbewußten Informationsmanagements, ergeben sich für die Bibliothek aus den Befunden der Freiburger Erhebung?

Weitere Konsequenzen der Erhebung sind denkbar, jedoch sollte am Ende ein kritischer Appell zur Besonnenheit stehen, wie er in einem Fragebogen zu Recht formuliert worden ist: "Machen Sie sich bitte nicht verrückt! Die limitierende Größe unserer Informationsgesellschaft bleibt der Mensch. Und der kann nur bedingt eine Unmenge von Literatur wirklich verarbeiten."

1) Der folgende Text wurde im Rahmen des Internationalen Kongresses "Informationsspezialisten zwischen Technik und gesellschaftlicher Verantwortung" (4./5.12.1995), der von der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen Stuttgart veranstaltet wurde, vorgetragen und für die Veröffentlichung leicht überarbeitet.

2) Entsprechende Befunde haben auch die von der Frankfurter Firma GEWIPLAN im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) erstellten Untersuchungen erbracht: "Nutzung elektronischer Fachinformation in den Hochschulen". Kurzfassung ... von GEWIPLAN (März 1990). Siehe auch die Empfehlung der Westdeutschen Rektorenkonferenz vom 25.6.1990 zu dieser Studie.

3) GEWIPLAN: Nutzung elektronischer Fachinformation in Hochschulen (Anm. 1), S. 8

4) Im angloamerikanischen Bereich scheint auf diesem Sektor schon einiges geschehen zu sein. Vgl. u. a.: Susan Hockey: Evaluating electronic Texts in the Humanities. In: Library Trends 42 (1994), S. 676-693; Erwin K. Welsch: Hypertext, Hypermedia and Humanities. In: Library Trends 40 (1992), S. 614-646; Mara R. Saule: User Instruction for Databases in the Humanities. In: Library Trends 40 (1992), S. 596-613

5) Vgl. dazu allgemein: Irmgard Lankenau, Georg Friedrich Schultheiß: Auswirkungen der modernen Informationstechnik auf das Dienstleistungsangebot von Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen. In: ABI-Technik 13 (1993), S. 289-296; für die UB Freiburg siehe: Wilfried Sühl-Strohmenger: Auf dem Weg zum Informationsvermittlungszentrum. Das Dezernat "Informationsdienste" der UB Freiburg. In: Bärbel Schubel (Hrsg.): Die Universitätsbibliothek Freiburg: Perspektiven in den neunziger Jahren. Freiburg i. Br. 1994 (Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.; 17), S. 23-41

6) Vgl.: Wolfgang Kehr: Vom Bibliothekssystem zum Bibliotheksinformationssystem. In: Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Informationen H. 60 (1994), S. 1051-1053

7) Siehe dazu Hans-A. Ruppert: Neue Strukturen in der Informationsvermittlung an der Universität Freiburg. In: Bibliotheksdienst 27 (1993), S. 1715-1720; Markus Hennies, Detlev Degenhardt: The Solution of the University of Freiburg for Network Access to Databases. In: Jan Knop (ed.): Trends in Academic Information Systems in Europe. Proceedings of the EUNIS' 95 Congress 6.-8. Nov. 1995. Düsseldorf 1995, S. 85-89

8) Vgl. dazu Wilfried Sühl-Strohmenger: Das Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Freiburg i. Br. 1986 (Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.; 14); Bärbel Schubel: Die dezentralen Bibliotheken im Bibliothekssystem der Universität Freiburg 1991-1994. In: Dies. (Hrsg.): Die Universitätsbibliothek Freiburg: Perspektiven in den neunziger Jahren. (s. Anm. 4), S. 151-171


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