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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 98

Sommer in Sibirien - eine bibliothekarische Reise nach Novosibirsk und Tomsk


E. Anna Graemer, Gabriela Ullrich

Seit ihrer Gründung im Jahre 1963 hat die Bibliothekarische Auslandsstelle (BA) den Erfahrungsaustausch, die persönlichen Kontakte zwischen Bibliothekaren und die Kooperation zwischen Bibliotheken in Deutschland und im Ausland gefördert.

Aufbauend auf den langjährigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Ländern, vor allem mit Großbritannien und Frankreich, wurde gleich zu Beginn der neunziger Jahre die Kooperation mit den mittel- und osteuropäischen Ländern intensiviert und ausgebaut. Seitdem haben zahlreiche Bibliothekare aus diesen Ländern durch Vermittlung der BA Bibliothekseinrichtungen in der Bundesrepublik besucht, darunter viele Bibliothekare aus Rußland.

Die Zusammenarbeit mit deutschen Bibliotheken und die Unterstützung aus Deutschland hat bei den russischen Bibliothekaren einen sehr hohen Stellenwert. Der Dank war oft mit einer Gegeneinladung und dem Wunsch verbunden, daß auch deutsche Bibliothekare sich über die Entwicklung und die Situation der Bibliotheken in Rußland informieren.

So entstand die Idee, einen einwöchigen Austausch zwischen russischen und deutschen Bibliothekaren zu organisieren. 1997 besuchten auf Einladung der BA zehn Bibliothekare aus Sibirien Bibliotheken in Berlin, Wolfenbüttel und Hannover. 1998 erhielt die BA von der Staatlichen Öffentlichen Wissenschaftlich-technischen Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften (Sibirische Abteilung) eine Einladung für zehn deutsche Bibliothekare nach Sibirien. Als Termin wurde die Zeit vom 22. bis 28. August 1998 festgelegt.

22. August - im Zentrum von Rußland

Nach einem siebenstündigen Flug mit Zwischenstop in Moskau erreicht die Gruppe die Stadt Novosibirsk. Novosibirsk wurde 1893 gegründet und liegt geographisch in der Mitte Rußlands, in Westsibirien. Mit 1,6 Mio. Einwohnern, sechs Theatern, einem Philharmonischen Orchester, einem Opernhaus, einem Ballettensemble, 16 Hochschulen sowie zahlreichen Bibliotheken ist Novosibirsk die viertgrößte Stadt Rußlands und das kulturelle und geistige Zentrum Sibiriens.

Novosibirsk ist in zehn Verwaltungsbezirke untergliedert, wobei zwei Bezirke links der Ob angesiedelt sind. Der Ausbau der Stadt Novosibirsk begann mit dem Bau der Brücke für die Transsibirische Eisenbahn im Jahre 1894.

1958 wählte der damalige Regierungschef Chruschtschov Novosibirsk zum Sitz der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften. Seitdem entwickelte sich die Stadt und vor allem das nahegelegene Akademgorodok zum größten Wissenschafts- und Forschungszentrum im sibirischen Teil Rußlands. Im nahegelegenen Akademgorodok befinden sich die Staatliche Universität von Novosibirsk, ca. 40 Forschungszentren, eine Landwirtschaftswissenschaftliche und eine Medizinische Akademie.

Akademgorodok ist auch das Ziel des ersten Bibliotheksbesuchs. Die Bibliothek, in einem Birkenwäldchen am Ufer des Obsees gelegen, ist eine Abteilung der Staatlichen Öffentlichen Wissenschaftlich-technischen Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk. Als Zentralbibliothek ist sie für die Mittelverteilung, die Erwerbung, den Leihverkehr und die Organisation des Auskunfts- und Informationsdienstes für sämtliche Forschungsbibliotheken in Akademgorodok verantwortlich.

Die Bibliothek verfügt über einen Bestand von ca. 1,5 Mio. Bänden, verteilt auf zwei Gebäude. 50 Bibliotheksmitarbeiter sind für die bibliothekarische Versorgung der ca. 3.000 regulären Bibliotheksbenutzer zuständig. (Homepage: http://www.prometeus.nsc.ru)

23. August - "Wir bauen die Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen aus"

Am Sonntag, den 23. August 1998 findet ein Besuch in der Zentralbibliothek für Blinde und Sehschwache in Novosibirsk statt. Im Lesesaal haben die Bibliotheksmitarbeiter eine kleine Ausstellung aufgebaut. Ein Regal mit bibliothekarischer Fachliteratur aus Deutschland sowie Firmenprospekte über technische Geräte und Hilfsmittel für Sehbehinderte. Darüber hängt eine deutsche und eine russische Fahne und die Aufschrift "Wir bauen die Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen" aus.

Die Zentralbibliothek ist nicht nur Bibliothek sondern gleichzeitig Informations- und Rehabilitationszentrum für Behinderte, speziell für Sehbehinderte. In der Bibliothek werden auch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt. Entsprechende PC-Arbeitsplätze mit Braille-Ein- und Ausgabezeile und Peripheriegeräten, ein Synthesizer mit Keyboard zum Komponieren stehen zur Verfügung. Ein Internet-Zugang ist ebenfalls vorhanden.

Die Bibliothek besteht aus der Zentralbibliothek sowie zwei Filialen in der Stadt. 3.000 Benutzer sind registriert. Die Bibliothek existiert seit 35 Jahren. Der Bestand umfaßt ca. 600.000 Medieneinheiten; wobei ein und dasselbe Werk oft in dreifacher Ausgabe vorhanden ist: als Buch mit Großschrift, als Buch mit Brailleschrift, sowie als "sprechendes Buch", d.h. als Audiokassette.

Die Bestände sind über zwei Kataloge erschlossen: erstens in einem Katalog in kyrillischer Schrift und zweitens in einem Katalog in Brailleschrift. Ein elektronischer Katalog wird derzeit erstellt.

Die Ausleihe der Bücher erfolgt vor Ort oder über den Postversand. Der Postversand von Büchern für Blinde ist innerhalb Rußlands gebührenfrei.

Die Bibliothek führt eine Kontaktkartei zu über 500 Behindertenzentren im Ausland. Kontakte existieren vor allem zu Behinderteneinrichtungen in den USA, Deutschland, Großbritannien, der Schweiz, Spanien, Schweden, Dänemark und Finnland. Alle Informationen dieser Zentren werden gesammelt, verwaltet und für Kunden bei Bedarf bereitgestellt.

In der Bibliothek sind 40 Mitarbeiter angestellt, darunter zwei Informationsvermittler sowie Ausbilder für das Rehabilitationszentrum.

Die Initiative für die Bibliothek und das Informations- und Rehabilitationszentrum stammt vom Leiter der Bibliothek, Jurij Lesnevski. Seine Aktivitäten werden inzwischen auch vom Kultusministerium unterstützt. Er gibt der Gruppe ein Zitat Mao Tse Tungs mit auf den Weg: "Auch durch ein kleines Loch kann ein starker Wind wehen."

24. August - die größte Bibliothek Sibiriens

Der folgende Tag war ganz der Gastbibliothek, der größten Bibliothek Sibiriens, gewidmet. (Homepage: http://www-sbras.nsc.ru/libr)

Die Staatliche Öffentliche Wissenschaftlich-technische Bibliothek (russ. GPNTB) wurde 1918 in Moskau als erste Bibliothek nach der Revolution gegründet. Sie wechselte häufig ihre Zugehörigkeit, bis sie von der Bibliothek des Sowjets der Volkskommissare zur Akademiebibliothek ernannt wurde. In ihrer wechselhaften Geschichte lag sie im Zuständigkeitsbereich von Dmitrij Uljanov, dem Bruder Lenins, und Ordonikidze, einem der engsten Mitarbeiter Stalins, Mitglied des Politbüros und späterem Volkskommissar für Schwerindustrie. 1958 ist sie mit der Gründung der Sibirischen Abteilung der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften nach Novosibirsk umgesiedelt, behielt aber den Status einer öffentlichen Bibliothek. Die GPNTB ist eingebunden in das große Netz der Akademiebibliotheken, zu dem ca. 200 Bibliotheken in ganz Rußland gehören. 1966 konnte die Bibliothek das neue Gebäude beziehen, in dem sie bis heute untergebracht ist. Es besteht aus 5 überirdischen und 4 unterirdischen Stockwerken, auf denen der Bestand von ca. 14 Mio. Einheiten untergebracht ist. Die Bibliothek hat 12 Lesesäle mit zusammen 1.000 Arbeitsplätzen. Jeder Lesesaal hat einen eigenen Bestand, der aber nicht frei zugänglich ist, und einen eigenen Katalog. Zu den wichtigsten gehört der Lesesaal für Patente und Firmenliteratur, für Wirtschaft und Soziales, Geschichte, Mathematik, Technik, Medizin und Bibliothekswesen. Das Personal wurde aus finanziellen Gründen in den letzten Jahren von 600 auf 475 Stellen reduziert. Den Etat erhält die Bibliothek von der Akademie der Wissenschaften und vom Fonds für Grundlagenforschung (= DFG). Er beläuft sich z.Zt. auf 200.000 $, was bei einer Bibliothek dieser Größenordnung katastrophale Folgen haben muß. Bis 1972 gehörten zum Bibliotheksnetz der GPNTB mehr als 80 Bibliotheken. Nach der Bildung eines eigenen Netzes in Fernost verbindet sie 54 Bibliotheken, von denen die größten sich in Irkutsk, Krasnojarsk und Ulan-Ude befinden. Ulan-Ude ist ein großes Zentrum für Buddhismus mit einer bekannten Sammlung tibetischer medizinischer Handschriften.

Seit 1992 erfolgt die Katalogisierung per EDV, die Daten sind im Internet zugänglich. Was zentral erworben wird, wird auch hier erfaßt. Was die Zweigstellen dezentral beschaffen, gelangt nicht immer in den Verbundkatalog, da den Zweigstellen z.T. noch die technischen Voraussetzungen fehlen. Das ist auch der Grund dafür, daß weiterhin parallel konventionelle Zettelkataloge geführt werden.

Die Bibliothek unterhält Tauschbeziehungen zu über 370 Partnern, darunter zu 70 deutschen Bibliotheken. Für diesen Zweck erhält die Bibliothek von der Sibirischen Abteilung der Akademie je 40 Exemplare Zeitschriften und je 25 Exemplare aller übrigen Publikationen. Der Tauschbestand umfaßt derzeit 450.000 Bände. Da z.Zt. Geld für den Versand von Tauschlisten fehlt, sollen Ende des Jahres ca. 70.000 Titel im Internet erscheinen, damit die Tauschpartner weiterhin das Tauschangebot der GPNTB nutzen können.

Dank des vom BMBF geförderten Projekts "Kooperation zwischen deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion" - MOE-Projekt konnte die Bibliothek 1997 ein elektronisches Dokumentenbestell- und Liefersystem einrichten, über das die GPNTB von der Bayerischen Staatsbibliothek bis zu 1.000 Aufsätze im Jahr kostenlos erhält. Darüber hinaus bezieht sie im Rahmen dieses Projektes auch 16 Abonnements deutscher Fachzeitschriften.

In der Bibliothek befindet sich als Untermieter ein Büro des wissenschaftlichen Springer Verlages und der Leipziger Messe GmbH.

An der GPNTB ist auch die Bibliothekarsausbildung angesiedelt, die wie folgt strukturiert ist:

25. August - die Zentrale Landwirtschaftsbibliothek in Krasnoobsk bei Novosibirsk

An diesem Tag war der Besuch der Zentralen Landwirtschaftsbibliothek der Sibirischen Abteilung der Russischen Landwirtschaftsakademie in Krasnoobsk vorgesehen. Die Bibliothek ist das größte Informations- und Kulturzentrum für agrarwissenschaftliche Literatur in Sibirien und im Fernen Osten. Im Jahre 1971 wurde die Bibliothek von dem Akademiker I.I. Sinjagin gegründet. 1988 erhielt sie ein neues Gebäude. Der Bestand zählt mehr als 650.000 bibliographische Einheiten.

Der Bestand ist nach folgenden Schwerpunkten gegliedert: Land- und Fortwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Biologie, Medizin, Umweltschutz, Ökonomie und Recht. Darunter befindet sich vorwiegend graue Literatur, die von den Wissenschaftlern dieser Akademie herausgegeben wird sowie wissenschaftlich-technische Bulletins und wissenschaftlich-methodische Empfehlungen. Die Bibliothek hat ca. 5.000 Benutzer, die in erster Linie Wissenschaftler der Akademie sind.

In den letzten Jahren hat sich eine neue Gruppe von Kunden gebildet. Dazu gehören kommerzielle Firmen, Banken und Aktiengesellschaften. Diese zahlen bei jedem Besuch fünf Rubel.

Die Bibliothek gibt bibliographische Verzeichnisse in Papierform und auf CD-ROM heraus. Für die Information und Auskunft stehen den Benutzern Datenbanken zur Verfügung. Bei der Informationsversorgung gewinnt das Internet immer mehr an Bedeutung.

26. August - ein Tagesausflug nach Tomsk

Nach rund fünf Stunden Fahrt durch Steppe und Taiga erreicht die Gruppe die Stadt Tomsk. Tomsk liegt 270 km von Novosibirsk entfernt und ist für sibirische Verhältnisse eine sehr alte Stadt. Sie wurde bereits 1604 gegründet. Tomsk war zu Zarenzeiten vor allem Verbannungsort. Heute leben ca. 500.000 Einwohner in der Stadt. Tomsk ist Standort für Maschinenbau und Holzindustrie. Viele alte russische Holzhäuser, leider vom Verfall bedroht, prägen das Bild der Innenstadt. In Tomsk gibt es Hochschulen, Theater, Museen und einen großen Botanischen Garten.

Die Universität Tomsk feierte in diesem Jahr ihr 120-jähriges Bestehen. Den Grundstein für den Bibliotheksbestand bildeten ca. 96.000 Bücher, zum großen Teil deutsche und französische Literatur, die von Aristokraten, Wissenschaftlern und anderen bedeutenden Persönlichkeiten der Bibliothek geschenkt wurden. Die Bibliothek ist in einem alten und einem neuen Gebäudetrakt untergebracht. Die Gebäude sind durch eine Brücke verbunden.

13.000 Studenten (Pädagogik, Medizin, Bauwesen, Polytechnikum etc.) sind an der Tomsker Universität und dem Polytechnikum eingeschrieben. Die Bibliothek wird aber von etwa 18.000 Benutzern besucht.

Der Bestand reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Insgesamt verfügt die Universitätsbibliothek über rund 4 Mio. Bände. Erwähnenswert ist ein Archiv, das seltene Bücher verzeichnet. Hier werden Bilder, Karten, Stempel, Handschriften z.B. von Graf Stroganoff, alte Drucke und regionale Sammlungen archiviert. Seit 1988 existiert ein Labor zur Restaurierung alter Schriften.

Für die Automatisierung der Bibliothek werden Mittel der Europäischen Union genutzt. Bei der Einführung der EDV wurde die Software "Virginia State Library System - VTLS" installiert, die auch in der Staatsbibliothek Moskau eingeführt werden soll. Mit Geldern der Soros-Stiftung wurde ein Raum mit 15 Internet-Arbeitsplätzen eingerichtet, die vor allem von Studenten stark frequentiert werden. Die Nutzung ist derzeit kostenlos.

In Tomsk gibt es einen Lehrstuhl für Deutsche Literatur. In der Universitätsbibliothek befindet sich ein vom Goethe-Institut eingerichteter Deutscher Lesesaal, der öffentlich zugänglich ist und auch für den Deutschunterricht genutzt wird. Der Lesesaal wird regelmäßig mit aktueller Literatur aus Deutschland beliefert.

27. August - Öffentliche Bibliotheken in Novosibirsk

Die Regionalbibliothek

Die Regionalbibliothek ist die Hauptbibliothek des Systems Öffentlicher Bibliotheken in der Region Novosibirsk. In der Größe kommt sie mit ihren 1,5 Mio. Bänden direkt hinter der GPNTB. Sie ist 70 Jahre alt und fungiert als Zentrum eines Bibliothekssystems mit 800 dazugehörigen staatlichen Bibliotheken in der Region, davon 70 in Novosibirsk selbst. In 32 Ortschaften der Region gibt es weitere zentrale Bibliotheken, denen wiederum jeweils 20 - 30 Dorfbibliotheken unterstellt sind.

Thematische Schwerpunkte liegen in der Regionalbibliothek bei der Sammlung von landeskundlicher Literatur und Sibirica. Die Bibliothek unterstützt die Erwachsenenbildung mit Sprachkursen und verschiedenen "Leserclubs", die wiederum Literatur- und Musikabende organisieren.

In den 17 Abteilungen der Bibliothek arbeiten 150 Mitarbeiter, davon 120 Bibliothekare. Finanziert wird die Bibliothek in erster Linie vom Landeskomittee für Kultur. Die Bibliothek hat planmäßig einen Zugang von 50.000 Bänden pro Jahr, der jedoch im letzten Jahr trotz Pflichtexemplarrecht für die Region Novosibirsk de facto nur noch bei 12.000 Bänden lag. Für dieses Jahr wird aufgrund der finanziellen Situation mit einem noch geringeren Zugang gerechnet.

Die 50.000 Benutzer im Jahr (täglich 1.000) werden mit Hilfe einer elektronischen Benutzerverwaltung erfaßt.

Seit sechs Jahren hat die Bibliothek einen elektronischen Katalog, der seit 1998 auch für die Benutzer zugänglich ist. Der elektronische Katalog umfaßt z.Zt. ca. 100.000 Eintragungen. Mit der Retrokatalogisierung wird in diesem Jahr begonnen. Im Haus gibt es 30 interne EDV-Arbeitsplätze.

Eines der Prunkstücke der Bibliothek ist der von der Soros-Stiftung ausgestattete zwei Jahre alte Internet-Lesesaal mit 10 modern ausgerüsteten Arbeitsplätzen. Die Internet-Nutzung ist in der ersten Stunde pro Sitzung kostenlos. Ab der zweiten Stunde kostet es pro Stunde einen Dollar. Man will vermeiden, daß der Lesesaal von "Dauerbenutzern" ständig belegt ist.

Auch im Internet ist die Regionalbibliothek mit eigenen Seiten vertreten (Homepage: http://rstlib.nsc.ru). In Arbeit ist z.Zt. ein Verzeichnis der alten technischen Literatur, daß über das Internet angeboten werden soll.

Ein weiteres "Highlight" der Bibliothek ist der vor fünf Jahren vom Goethe-Institut eingerichtete Deutsche Lesesaal. Er ist ein Informationszentrum über die Bundesrepublik Deutschland mit Materialien zur Kultur- und Zeitgeschichte, Literatur, Kunst, Philosophie, Sprach- und Sozialwissenschaft. Der Bestand setzt sich aus 5.500 Bänden, 34 Zeitungen- und Zeitschriftentiteln (z.B. die FAZ, die Zeit, der Spiegel), 1.500 Audio- und Videokassetten und CD-ROMs zusammen.

Die Jugendbücherei

Die Jugendbücherei in Novosibirsk umfaßt einen Bestand von 350.000 Bänden und ist für die Literatur- und Informationsversorgung der 14 - 23-jährigen Jugendlichen zuständig. Sie versteht sich nicht nur als traditionelle Bibliothek, sondern auch als Informationszentrum für die Jugend zu Themen wie Studien- und Berufswahl, Jugendschutz, Umweltschutz und zu Wirtschaftsfragen. Die Bibliothek arbeitet mit Jugendorganisationen zusammen und gibt z.B. regelmäßig einen "Wirtschaftsbrief" als Informationsquelle für Jugendliche heraus. Ebenso werden verschiedene Projekte realisiert, wie z.B. ein "Umweltmarathon" (vergleichbar mit dem deutschen "Jugend forscht").

Durch die Realisierung von Projekten in der Jugendarbeit erhält die Bibliothek Mittel, die z.T. für die Automatisierung verwendet werden. Seit 1995 wird elektronisch katalogisiert. Ein OPAC für die Benutzer und Internet-Arbeitsplätze stehen noch nicht zur Verfügung.

28. August - Resümee

Die in Novosibirsk und Tomsk besuchten verschiedenen Bibliothekstypen mit ihren Organisationsstrukturen weisen eine sehr unterschiedliche technische Ausstattung auf. Von einem PC-Arbeitsplatz bis hin zu einem mittelgroßen PC-Pool ist alles zu sehen. Der Zugriff aufs Internet ist allerdings Standard und sichert den regen Kontakt mit dem In- und Ausland. Die EDV-Katalogisierung der Bibliotheksbestände und der Zugriff auf Online-Kataloge mittels Internet ist meist realisiert; alle anderen Abteilungen, wie die Leihstelle oder der Erwerbungbereich, sind häufig konventionell organisiert. Die Ursachen hierfür liegen vermutlich auch in der problematischen finanziellen Situation der sibirischen Bibliotheken.

Infolge der sprichwörtlichen Gastfreundschaft der russischen Kollegen erschien uns das sommerliche Sibirien wie ein Schlaraffenland. Ein romantisches Picknick auf einer Insel in der Ob und der abenteuerliche Ausflug nach Tomsk am Rande der Taiga wird sicherlich jedem in Erinnerung bleiben. Unser "sibirischer Cowboy" Dimitrij Tsukerblat, stellvertretender Direktor der GPNTB, hielt energisch mit dem "Lasso" die Gruppe zusammen. Auf diese Weise konnte das umfangreiche Programm, der Besuch von sieben Bibliotheken, zwei Museen und zwei Stadtbesichtigungen, fast vollständig bewältigt werden.

Alles in allem war es eine gelungene Reise, die bibliothekspolitisch, aber auch menschlich beeindruckte. Die für alle erlösende offizielle Mitteilung über die Zahlung der seit Monaten ausstehenden Gehälter unserer russischen Gastgeber erreichte uns am Abschiedsabend.

Der vorliegende Artikel basiert auf Teilberichten von: Anne Otto (Bibliothek GeoForschungszentrum Potsdam), Dr. Hannelore Gonschior (Bayerische Staatsbibliothek München), Petra Kirsten (Die Deutsche Bibliothek/Deutsche Bücherei Leipzig), Prof. Susanne Speck (Fachhochschule Stuttgart/HBI), Melanie Pape (Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich GmbH) und Dr. Ekkehard Henschke (Universitätsbibliothek Leipzig).

Dank auch an die Dolmetscherinnen Dr. Tatiana Czepurnyi (Technische Informationsbibliothek Hannover) und Maria Schumacher (Universitätsbibliothek Rostock).


Stand: 09.12.98
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