BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 98
Erfahrungen mit Inhouse-Fortbildung in den Städtischen Bibliotheken Dresden
Arend Flemming
1. Grundsätze
Zuallererst kommt es darauf an, bei Planung, Durchführung, Auswertung und Finanzierung von Fortbildungen das richtige Optimum von Mitarbeiter- und von Nutzerorientierung zu finden.
Die Ressource Personal ist nicht nur quantitativ sondern vor allem qualitativ die wichtigste Arbeits- und Erfolgsbasis der Bibliothek.
Die Personalentwicklung muß höchste Priorität haben, auch und gerade wegen der mangelnden oder fehlenden Wachstumsmöglichkeiten.
Die Investition in die Ressource Personal durch Fortbildung schafft Motivation durch Aufmerksamkeit und Förderung, ermöglicht Innovation durch Information, bringt Effekte für die tägliche Arbeit durch Schaffung neuer Kompetenz und sichert damit die Qualität der Dienstleistungen der Bibliothek.
Die Durchführung oder Genehmigung einer Fortbildung sollte nicht nur aus der Kostensicht erfolgen. In jedem Fall muß die Verantwortung in der Bibliothek liegen (Neues Steuerungsmodell).
Die Fortbildungskosten (Städtische Bibliotheken Dresden 1997: 43.827 DM inkl. aller Kostenarten) relativieren sich ohnehin, wenn sie im Verhältnis zum Gesamtbudget (Städtische Bibliotheken Dresden 1997: 0,3 %) oder zur Gesamtsumme der Personalkosten (Städtische Bibliotheken Dresden 1997: 0,4 %) betrachtet werden.
Kommunikation ist ein wichtiges Thema von Fortbildung, hilft aber auch bei Organisation und Durchführung. Partnersuche bündelt Kompetenzen und reduziert deutlich die Kosten.
2. Fortbildung der Städtischen Bibliotheken Dresden
2.1 Planung und Ziele
Das Fortbildungskonzept ist integriert in die Planung zur Personalentwicklung. Diese stellt einen Teil des Bibliotheksentwicklungsplanes dar.
In den intern und politisch diskutierten und beschlossenen Bibliotheksentwicklungsplänen (1993-1996; 1996-1998; 1999-2001) werden die strategischen Ziele definiert und die zu deren Erreichung nötigen Wege und Maßnahmen konzipiert. Natürlich spielt dabei die Fortbildung eine unverzichtbare Rolle.
Die der politischen Vorlage vorausgehende umfangreiche interne Diskussion der strategischen Schwerpunkte sichert den Einbezug der ganzen Belegschaft. Die Fixierung in der Bibliotheksentwicklungsplanung schafft Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit.
Die jährliche Fortbildungsplanung basiert auf den Festlegungen der dreijährigen Entwicklungsplanung und bezieht die Ergebnisse von Befragungen ein:
- In den regelmäßigen Mitarbeiterumfragen äußert man sich zur Zufriedenheit mit Umfang und Inhalten der Fortbildung sowie mit den Informationen über Fortbildungsangebote:
1997/1998:
| sehr gut | gut | durch- schn. | schlecht | sehr schlecht | keine Antwort
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Einschätzung der internen Fortbildung: | 9,69 | 52,42 | 20,16 | 5,65 | 0 | 12,10
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Einschätzung der externen Fortbildung: | 0,81 | 16,13 | 36,29 | 14,52 | 8,87 | 23,39
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Einschätzung der Fortbildungsinformation: | 11,29 | 41,13 | 28,23 | 8,06 | 0 | 11,29
|
- Die größeren Erfolge der Inhouse - Fortbildungen gegenüber der Zufriedenheit mit der Fortbildung außerhalb der Bibliothek beruhen unter anderen auf den Themenumfragen, an denen sich auch der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (1996 mit immerhin durchschnittlich 6 Themenvorschlägen) beteiligt.
TOP 10 der Themenwünsche (1996):
01. Werbestrategie in Stadtteilbibliotheken
02. Umgang mit Kindern und Jugendlichen
03. Klassenführungen
04. Vorstellung neuer Belletristik
05. Benutzerorientierte Bestandspräsentation
06. Neue Kommunikationsformen und -techniken
07. Innerbetriebliche Kommunikation und Teamarbeit
08. Multimedia und Informationsgesellschaft
09. Bibliothekspolitik im Rahmen der öffentlichen Verwaltung
10. Arbeit mit Partnern
Zu Beginn des Jahres werden zunächst auf Basis der oben genannten Informationen sechs innerbetriebliche Fortbildungen geplant. Im Laufe des Jahres setzen wir flexibel aktuelle Schwerpunktthemen um, so daß mindestens je Monat eine Veranstaltung organisiert werden sollte.
Planungen für die gegenwärtigen Fortbildungsveranstaltungen in unserer Bibliothek sollen jährlich:
- mindestens eine Veranstaltung zum Thema Kinderbibliotheksarbeit;
- mindestens eine Veranstaltung zum Thema Gegenwartsliteratur;
- einen Erfahrungsaustausch (Bereich jährlich wechselnd);
- ein psychologisches bzw. kommunikatives Thema (z.B. Kundenbetreuung);
- eine sprachliche Fortbildung (Englisch, evtl. Französisch, Russisch);
- weitgehende Einführungen und Schulungen PC, CD-ROM, Internet berücksichtigen.
Damit ist schon ein Gerüst für das Jahr vorhanden, welches je nach Bedarf mit anderen Themen ergänzt wird.
Quantitatives Ziel der Fortbildungsaktivitäten ist die Teilnahme jedes Mitarbeiters an durchschnittlich zwei Fortbildungen im Jahr. Dabei sollte ein Thema die Arbeitsgegenwart betreffen und eine Weiterentwicklung der täglichen Arbeit ermöglichen (Bestandsarbeit, Umgang mit Nutzern, Literatur, Personalführung, ...), das zweite Thema soll horizonterweiternd und zukunftsorientiert sein und damit auf neue Möglichkeiten, Aufgaben oder Schwierigkeiten vorbereiten (Kosten- und Leistungsrechnung, Internet, Soziologie, Sprachen, ...). Klar ist, daß ständig Themen des zweiten in den ersten Komplex wechseln und damit die Diskussion über neue Zukunftsfragen immer angeregt bleiben muß.
2.2 Ergebnisse und Erfahrungen
Eine statistische Übersicht der Entwicklung der Fortbildungsaktivitäten der Städtischen Bibliotheken Dresden enthält beigefügte Tabelle.
Wichtigstes Standbein ist die Inhouse-Fortbildung:
- sowohl externe Referenten, als auch eigene Fachleute (Berichte von Multiplikatoren),
- offen für Bibliotheken des Umlandes,
- Freistellung: 100% Arbeitszeit; hohe Effektivität durch geringe Rahmenzeit-Verluste (Reisen),
- Finanzierung: nur externe Referenten, ggf. mit Partnern (Fachstelle, DBI) zu Sonderkonditionen; preiswert für großen Mitarbeiterkreis,
- Schwerpunkte:
1995: Bibliotheksorganisation, Neue Steuerungsmodelle (4 Veranstaltungen),
1996: Elektronische Medien (3 Veranstaltungen),
1997: Moderne Literatur (3 Veranstaltungen).
Zweites Standbein ist die Teilnahme an Fortbildungsangeboten in anderen Einrichtungen:
- Orientierung auf möglichst umfassende Teilnahme verschiedenster Angebote von in der Regel einer Kollegin oder einem Kollegen (Ausnahmen sind natürlich möglich: Messe, Fortbildungen für Ausbilder u.a.),
- erwartet wird Bericht im eigenen Haus: Dienstberatung, Arbeitsgruppen, Inhouse-Fortbildungen,
- Freistellung: 100% Arbeitszeit im Rahmen Dienstreiseregelung,
- Finanzierung: analog Dienstreise.
Dritte und neueste Organisationsform sind die konzentrierten Fortbildungskurse in der seit 1998 eingeführten Schließwoche. Ausgangspunkt war die Notwendigkeit der Pflege der EDV-Anlage zur Qualitätssicherung der Online-Angebote (bis 1996 Weihnachten, 1997 bei Umzug der Hauptbibliothek) sowie notwendige interne Tätigkeiten, welche durch die Maximierung der Öffnungszeiten und den hohen Leistungsanfall nicht parallel zum Benutzungsservice leistbar sind:
Konzentration der Fortbildung auf die Schließwoche, um das Problem der Absicherung der Öffnungszeiten zu lösen,
- Möglichkeiten zu mehrtägigen Kursen,
- hohe Konzentration auf Fortbildung durch Abkopplung vom täglichen Arbeitsstreß,
- Freistellung: 100% im Rahmen der Regelarbeitszeit der Schließwoche,
- Finanzierung: 100% bei überwiegend betrieblichem Interesse (z. B. Internet), zur Absicherung der Aufgaben lt. Bibliotheksentwicklungsplan; Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Themen, welche über die Arbeit in der Bibliothek hinausgehen (Sprachen),
- Schwerpunkt 1997: PC, Windows, CD-ROM, Internet-Einstieg.
Bei berufsbegleitenden Fortbildungen ist das persönliche Engagement vorauszusetzen bezüglich Organisation, zeitlicher und finanzieller Absicherung. Bei betrieblichem Interesse (bibliothekarische Berufe, Sekretariat, Verwaltung, Sprachkurse) unterstützen die Städtischen Bibliotheken die Interessenten mit teilweiser Freistellung bzw. finanzieller Beteiligung. Jeder Einzelfall muß im Sinne der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters, in Abhängigkeit der rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten und in Absprache mit dem Personalrat geprüft und entschieden werden.
2.3 Probleme und Schwierigkeiten
Natürlich tauchen bei Planung, Durchführung und Auswertung der Fortbildungsaktivitäten auch einige nicht zu vernachlässigende Probleme auf:
- Die Streuung der durchschnittlich zwei Veranstaltungen ist immer noch sehr hoch. Die Motivation "fortbildungsfauler" Kollegen darf nicht nachlassen, ohne die "fortbildungsfleißigen" einzuschränken.
- Die Verbesserung der Information über existierende und empfehlenswerte Fortbildungsangebote sichert die Durchsetzung des Informationsflusses bis zu allen Mitarbeitern. Dabei bietet sich die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (Internet, Intranet) an. Die Einführung hat jedoch finanzielle Grenzen und ist natürlich zuerst nutzerorientiert.
- Zur Verbesserung des Bedarfsrückflusses aus der Belegschaft sind weitere Mitarbeiterbefragungen und persönliche Gespräche notwendig.
- Die Bewertung von externen Angeboten im Planungsstadium ist sicher schwierig. Zur Sicherung des Nutzens sollte jedoch schon in der Vorbereitungsphase die Qualität kritisch beobachtet werden. Der zu erwartende Nutzen ist mit zwei Effekten kalkulierbar:
- Neues kennen- und nutzenlernen -> Innovation,
- eigene Arbeit wird bestätigt -> Stolz auf Erreichtes.
- Oft stellt sich die Abstimmung des Fortbildungsbedarfes mit den arbeitsorganisatorischen Notwendigkeiten als Schwierigkeit heraus. Wichtig ist die Überzeugung aller Leiterinnen und Leiter von der Bedeutung der Fortbildung u.a. mittels der Qualitätssicherung der Veranstaltungen. Um die natürlichen Grenzen der Arbeits- und Personalorganisation einer vielbenutzten Bibliothek zu überwinden, orientieren wir auf den Ausbau der Aktivitäten während der Schließwoche. Natürlich wäre auch die Freizeitbeteiligung der Mitarbeiter hilfreich. Voraussetzung ist zum einen eine hohe Qualität und Bedarfsgerechtigkeit der Angebote und zum anderen der erkennbare Gewinn für die Mitarbeiterin, den Mitarbeiter, auch über eine dienstliche Tätigkeit hinaus.
Fortbildungsaktivität | 1995 | 1996 | 1997
|
Inhouse-ortbildung | Veranstaltungen | 10 | 11 | 8
|
| Teilnehmer | 372 | 391 | 191
|
| Arbeitstage | 186 | 191 | 123
|
externe Fortbildung | Veranstaltungen | 46 | 33 | 39
|
| Mitarbeiter | 36 | 25 | 37
|
| Arbeitstage | 100 | 79 | 134
|
Wochenkurse | Veranstaltungen | 6 | 0 | 5
|
| Teilnehmer | 6 | 0 | 74
|
| Tage | 30 | 0 | 311
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Fortbildungstage je Mitarbeiter | 1,56 | 1,33 | 2,96
|
Stand: 09.12.98