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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 98

Zusammenarbeit zwischen der Universitätsbibliothek Bochum und der Bibliothek des Ruder Boskovic Institutes Zagreb (Kroatien)


Sigrid Woeste

Seit Oktober 1996 betreut und koordiniert das Deutsche Bibliotheksinstitut (DBI) das vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) geförderte Projekt "Kooperation zwischen deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion" (MOE-Projekt). Es ist das zweite Förderprojekt des BMBF für wissenschaftliche Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa und wurde auf Initiative der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Zusammenarbeit mit Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa" entwickelt.

Das Gesamtprojekt besteht aus 21 Teilprojekten. Die Kooperation zwischen der Universitätsbibliothek Bochum und der Bibliothek des Ruder Boskovic Instituts Zagreb ist Teilprojekt 6 des MOE-Gesamtprojekts.

Das Ruder Boskovic Institut in Zagreb

Das Ruder Boskovic Institut (RBI) wurde 1950 als Institut für Theoretische Physik gegründet. Heute ist es das größte und bedeutendste wissenschaftliche Institut in Kroatien und beschäftigt ca. 400 Wissenschaftler auf vielen Gebieten der Physik, Chemie, Biologie, Medizin, Ozeanologie und Ökologie.

Grundlegende und angewandte Forschung stehen im Mittelpunkt. Die Möglichkeiten des RBI gehen hier weit über die eines einzelnen Universitätsinstituts hinaus. Der multidisziplinäre Charakter des Instituts ermöglicht einen fachübergreifenden Zugang zu den komplizierten und anspruchsvollen Problemen der modernen Wissenschaft. Der wissenschaftliche Output des RBI stellt ca. 40% der gesamten wissenschaftlichen Produktion der Kroatischen Republik dar. Die Forschungsaktivitäten sind in zwölf Gebiete unterteilt: Theoretische Physik, Experimentalphysik, Physik von Materialien, Elektronik, Physikalische Chemie, Organische Chemie und Biochemie, Chemie von Materialien, Molekulargenetik, Molekularmedizin, Laser- und Atomforschung sowie Meeres- und Umweltforschung. Die letztgenannte Abteilung liegt an der adriatischen Küste in Rovinj.

Das RBI beteiligt sich an Studien- und Aufbaustudiengängen der kroatischen Universitäten. Es bemüht sich auch um intensive internationale wissenschaftliche Kooperation mit einer Anzahl von Instituten, Universitäten und Organisationen auf der ganzen Welt.

Die Homepage des RBI: http://nippur.irb.hr/hrv/index30.html

Genese des Projektes

Projektleiterin der deutschen Seite ist Dr. Erdmute Lapp, Direktorin der Universitätsbibliothek Bochum.

Erste persönliche Kontakte Frau Dr. Lapps mit dem RBI gehen auf das Jahr 1993 zurück. Sie besuchte die Bibliothek des RBI und das kroatische Ministerium für Wissenschaft und Technologie. Dies war der Anfang einer intensiven Zusammenarbeit. In der Folgejahren wurde ein Konzept entwickelt, mit dem vorrangigen Ziel, den Informations- und Literaturaustausch zwischen den Partnerbibliotheken zu verbessern.

Als Projektkoordinatorin der kroatischen Seite benannte das kroatische Ministerium für Wissenschaft und Technologie die Leiterin der Bibliothek des RBI, Frau Jadranka Stojanovski.

Nach Beginn des MOE-Projektes bestand der erste Schritt darin, eine Kooperationsvereinbarung zu formulieren und diese vom Rektor der Ruhr-Universität Bochum und dem Direkter des RBI unterzeichnen zu lassen. Diese Kooperationsvereinbarung schließt den Austausch von Informationen und Erfahrungen ein sowie gegenseitige Unterstützung.

Als Anschubfinanzierung wurden vom BMBF Gelder für unterschiedliche Projektaktivitäten, u.a. für Reisemittel zu Informations- und Schulungszwecken, zur Verfügung gestellt.

Projektaktivitäten

Die Bibliothek des RBI Zagreb erhält aus Projektmitteln 19 wissenschaftliche Zeitschriften aus deutschen Verlagen sowie Unterstützung bei der Literaturversorgung über den internationalen Leihverkehr.

Die UB Bochum fungiert als Clearingstelle für den Leihverkehr und ist Kooperations- und Konsultationspartner im "NISKA - Erfahrungsaustausch" (vergleichbar mit den Planungen der deutschen Verbundzentralen, zielend auf einen Katalogisierungsverbund).

Außerdem sind gegenseitige Arbeitsbesuche und die Organisation von gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen geplant. Auf Initiative der Universitätsbibliothek Bochum bekam das RBI einen Zugang zu DBI-Link.

Aus dem Fonds des Projekts wurde schließlich auch ein PC finanziert, der in der Bibliothek des RBI für Recherchezwecke genutzt wird.

Informationen über das Projekt und die aktuellen Inhaltsverzeichnisse der gelieferten Zeitschriften werden durch das Internet verbreitet.

Projektgrundlage: CARNet <Croatian Academic Research Network>

Die Basis des Projekts und das Geheimnis seines Erfolges ist CARNet, der kroatische Teil des Internet. CARNet wurde 1991 gegründet, bedeckt mittlerweile das ganze Land und hat Knotenpunkte in allen größeren kroatischen Städten.

CARNet hat einen ATM high speed backbone mit 155 MB Übertragungsgeschwindigkeit und verbindet folgende Forschungszentren in Zagreb:

CARNet ist sehr gut organisiert. Es hat folgende Abteilungen:

Die einzige Schwäche ist die unzulängliche Anbindung an das restliche Internet (128 KB ps / 256 KB ps), dies erklärt auch die zum Teil langen Wartezeiten auf Antworten, versucht man von außerhalb des Landes Zugriff auf CARNet zu bekommen. Weitere Informationen über CARNet sind im Internet unter: http://www.carnet.hr abrufbar.

Resultate für die Bibliothek des RBI und den kroatischen Wissenschaftsbetrieb

Nutzen und Vorteil für den Wissenschaftsbetrieb in Kroatien sind offensichtlich, wobei folgende Aspekte besonders hervorzuheben sind:

Kroatischen Naturwissenschaftlern bietet das Kooperationsprojekt die Möglichkeit, im größeren Umfang auf im Lande nicht vorhandene Zeitschriftenliteratur zuzugreifen. Ohne Zugriff auf Fachzeitschriften wächst die Gefahr, daß Wissenschaftler von neuen Entwicklungen auf ihrem Gebiet abgehängt und wissenschaftlich zweitrangig werden.

Die im Projekt gelieferten Zeitschriften sind nicht nur RBI-Wissenschaftlern, sondern der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft in Kroatien zugänglich, da der Nachweis und die Verfügbarkeit über CARNet gesichert sind.

Die Bibliothekare des RBI werden mit den neuen, elektronischen Informationsmöglichkeiten vertraut gemacht, gewinnen erste Erfahrungen und können somit die Wissenschaftler bei der Beschaffung relevanter Informationen erheblich besser unterstützen.

Durch die Bereitstellung von Zeitschriften vor Ort können Wissenschaftler und Bibliothekare auch eine Relevanzprüfung vornehmen, da zu erwarten ist, daß nach Ablauf des Projektes nur ein Teil der Titel weitergeführt werden kann.

Das Konzept einer neuen kroatischen Nationalbibliographie wird zur Zeit erarbeitet. Die aus Projektmitteln erworbene CD-ROM-Version der deutschen Nationalbibliographie wird als Muster herangezogen und auch die Zeitschriftendatenbank (ZDB) ist ein wertvolles Hilfsmittel.

Das Projekt wird als Motivationsschub verstanden.

Resultate für die Universitätsbibliothek Bochum

Bibliotheken brauchen Diskussionen und Auseinandersetzung mit neuen Ideen. Die kroatischen Erfahrungen zu teilen ist vor diesem Hintergrund sehr produktiv. Deutlich geworden ist, daß Bibliotheken auch mit sehr wenig Geld einen guten Service anbieten können und eine Bibliothek sich selbst als Teil der Informationsrevolution im Internet unentbehrlich machen kann. Die kroatischen Erfahrungen sind ein positives Beispiel für das Teilen von Ressourcen. Alle Bibliotheken arbeiten sehr intensiv zusammen, sie sind automatisiert und haben Zugang zum Internet.

Ausblick

Die Universitätsbibliothek Bochum und die Bibliothek des RBI arbeiten an der weiteren Entwicklung ihrer Zusammenarbeit. Das Teilhaben an Erfahrungen wird durch gegenseitige Besuche gefördert. Geplant ist, die Aktivitäten während des Projektes und auch darüber hinaus fortzusetzen. Der kroatische Minister für Wissenschaft und Technologie, ein Netzwerkspezialist, wurde nach Nordrhein-Westfalen eingeladen, um CARNet zu präsentieren. Die Bibliothek des RBI wiederum bat um Beratung eines Konsortiums kroatischer Bibliotheken hinsichtlich des Aufbaus eines nationalen Bibliothekskooperationssystems zur Optimierung einer qualifizierten Informationsbeschaffung und Literaturversorgung. Vorstellbar ist auch, daß kroatische Kollegen bei der Auswahl und Katalogisierung naturwissenschaftlich-technischer Internet-Ressourcen helfen – ein breites Spektrum möglicher Aktivitäten!

Auf beiden Seiten – sowohl in Bochum als auch in Zagreb - haben sich durch die digitalen Kommunikationstechniken vielfältige Neuerungen im Bereich bibliothekarischer Kommunikation ergeben. Beide Projektpartner sind aufgefordert, die positiven Möglichkeiten aufzugreifen und produktiv umzusetzen.


Stand: 09.12.98
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