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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Bibliotheksmanagement: Informationen aus dem DBI

Telearbeit - Zauberwort auch für Bibliotheken?

Michaela Mautrich

Gravierende Änderungen vollziehen sich derzeit in der Gesellschaft. Auch die Arbeitswelt ist mehr denn je davon betroffen. Traditionelle Berufsfelder unterliegen grundlegenden Wandlungen oder werden überflüssig, Arbeitsplätze ändern sich, neue Arbeitsformen und -inhalte beginnen sich herauszubilden. Wir stehen am Beginn der Informationsgesellschaft. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und der darauf basierenden Dienste schafft neue Spielräume für Unternehmen, Märkte und Dienstleistungen und läßt damit andere, bisher nicht gekannte Möglichkeiten beruflicher Verwirklichung entstehen.

Zu diesen neuen Formen gehört die Telearbeit. Die Telearbeit, häufig betrachtet als Jobwunder, wird in naher Zukunft zunächst zu einem gewaltigen Wandel bestehender Arbeitsplätze führen. Sie ermöglicht es den Unternehmen wie auch den öffentlichen Verwaltungen, produktivere Organisationsformen einzuführen und damit nicht nur innovativ zu werden, sondern auch besser auf die Bedingungen des Marktes reagieren zu können.

Doch was ist das eigentlich, Telearbeit?

Im folgenden soll versucht werden, einen kurzen Einstieg insbesondere zu folgenden Aspekten zu geben:

Definition der Telearbeit

Die Ursprünge der Telearbeit reichen bis in die 60er Jahre zurück. Ausgangspunkt der Überlegungen zur "Fern"- oder auch Heimarbeit war, den Programmiererinnen in Software- und Beratungsunternehmen Tätigkeiten von zuhause aus zu ermöglichen. Ganz so einfach ist der heutige Begriff "Telearbeit" nicht zu verstehen. Die Telearbeit gehört zu den sogenannten TIME-Technologien, (also Telekommunikation, Informationstechnologien, Medien und Elektronik). Aus der Vielzahl der bestehenden Begriffsdefinitionen sei hier die vom BMBF formulierte zitiert, die alle zu beachtenden Aspekte auf den Punkt bringt:

"Unter Telearbeit ist die Arbeit zu verstehen, die Mitarbeiter außerhalb der Firmenräume, in der Wohnung, in Nachbarschaft- oder Satellitenbüros, unter Nutzung von öffentlichen Kommunikationsmitteln und entsprechenden technischen Geräten zur Erledigung ihres Arbeitsvertrages verrichten"1).

Die immer stärkere Vernetzung der Arbeitswelt führt also dazu, daß die Standortbindung zur Erbringung einer Leistung aufgehoben und sich eine stärkere Dezentralisierung der Arbeitsstätten durchsetzen wird.

Welche Formen der Telearbeit lassen sich unterscheiden?

Da in ausgewählten Branchen der Marktwirtschaft (z. B. IBM und Telekom) Telearbeit bereits seit einiger Zeit praktiziert wird, gibt es mittlerweile unterschiedlichste Ausprägungen. Bezogen auf die räumliche Dezentralisierung (= Arbeitsort) unterscheidet man vier Grundformen der Telearbeit:

Neben dem Bezug zum Arbeitsort, also der räumlichen Betrachtung, gibt es Formen der Telearbeit, die über die Arbeitszeit definiert werden2). Dazu gehören: In vielen z. T. sehr unterschiedlichen Untersuchungen werden die Vor- und Nachteile der Telearbeit diskutiert. Durch die Vielzahl der möglichen Telearbeitsformen ist es zudem schwierig, allgemeingültige Aussagen zu finden. Nach Auswertung der vorliegenden Materialien lassen sich folgende Punkte zusammenfassen:

Vorteile der Telearbeit

für Arbeitnehmerfür Arbeitgeber
erhöhte Flexibilität
erhöhte Motivation
erhöhte Effizienz
verbesserte Qualität der Arbeit
Arbeit abgestimmt auf individuellen Arbeitsrhythmus
angenehme Arbeitsatmosphäre
Senkung/Wegfall von Arbeitswegezeiten
höhere Produktivität der Mitarbeiter
steigende Kreativität
besserer Kundenservice
geringere Fluktuation
geringerer Krankenstand
Einsparung von Büroräumen
Verringerung von Dienstreisen
bedarfsgerechter Mitarbeitereinsatz

Nachteile der Telearbeit

für Arbeitnehmerfür Arbeitgeber
Isolation
fehlende Trennung von Beruf und Privatleben
Karriereknick
unzureichende Akzeptanz in der Gesellschaft
fehlende betriebliche Mitbestimmung
Probleme bei der Klärung von Hard- und Softwarefragen
mangelnde Kontrolle
zunächst erhöhte Aufwendungen zur Ausstattung des Telearbeitsplatzes
unzureichende Kommunikations- und Datensicherheit
stärkerer Koordinierungsbedarf
notwendige Änderung des Managements
schwierige Kosten-/Nutzenrechnung
Meßbarkeit der Produktivität

Für die Einführung von Telearbeit sind verschiedene Probleme vorab zu klären:

Mit Hilfe einer Checkliste3), die auf dem Server des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie aufliegt, lassen sich die Fragen gut abarbeiten. Die wichtigste Voraussetzung der erfolgreichen Einführung von Telearbeit ist jedoch die Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Fragen wie fachliches Können, Eigenständigkeit und Selbstdisziplin, technisches Verständnis und Berufserfahrung stehen mehr denn je im Vordergrund. Die Anforderungen an die Persönlichkeit sowie die Lernfähigkeit der Beschäftigten und der Führungskräfte im Betrieb steigen deutlich mit Einführung der Telearbeit.

Es ist aber nicht nur die technische Entwicklung, die Unternehmen wie auch die öffentliche Verwaltung dazu zwingt umzudenken, innovativer zu werden. Auch die Problematik des Sparzwanges erfordert die Auseinandersetzung mit neuen Möglichkeiten/neuen Arbeitsformen. So kommt das Bundesministerium für Wirtschaft4) in einer Gegenüberstellung der Kosten eines Büroarbeitsplatzes mit dem eines Telearbeiters auf eine jährliche Differenz von ca. DM 6.400,- (bei einer Abschreibungsrate von drei Jahren) zugunsten der Telearbeit. Diese Möglichkeit der Kostenreduzierung sollte zum Nachdenken anregen.

Wie bereits Erfahrungen in der Wirtschaft zeigen, verschiebt sich der Schwerpunkt der Telearbeit von einfacher Tätigkeit (z. B. Diktate, Dateneingabe) zu höherwertiger, qualifizierter Tätigkeit. Hier werden vor allem solche Aufgabenfelder benannt, die

Eine Verstärkung der Telearbeit wird vor allem in den Bereichen der Logistik, des Verkehrs, der Bildung und des Gesundheitswesens sowie der Dienstleistungen rund um den Informationssektor prognostiziert. Und da Bibliotheken auf dem Informationssektor ein wichtiges Wort mitzureden haben, sollten auch sie sich mit diesen zukünftigen Entwicklungen beschäftigen und überlegen, in welchen Arbeitsbereichen einer Bibliothek die Telearbeit eine Rolle spielen kann.

Welche Möglichkeiten für Telearbeit gibt es in Bibliotheken?

Diese Frage ist z. Z. nicht leicht zu beantworten, da bisher keine oder nur sehr wenig Erfahrungen in Einrichtungen des öffentlichen Dienstes vorliegen. Nach Recherchen unter möglichen bibliothekarischen Anwendern wurde in Baden-Württemberg ein erster Ansatz zur Telearbeit gefunden. Für das Projekt "Retrokatalogisierung für ausgewählte Kunst- und Museumsbibliotheken, die die Sondersammelgebiete der Verbundteilnehmer ergänzen" ist vom Bibliotheks-Service-Zentrum, Konstanz, ein Telearbeitsplatz (mit großer Aussicht auf Erfolg) beantragt worden.

Für Bibliotheken wird voraussichtlich die Form der alternierenden Telearbeit (Teilung der Tätigkeit in Arbeit von zu Hause aus und Vor-Ort-Arbeit in der Bibliothek) am ehesten zu realisieren sein. Sie läßt sich mit den Dienstleistungs- und Beratungsfunktionen der Bibliotheken durchaus gut vereinbaren.

Unter den Gesichtspunkten der Telearbeit

bietet sich diese nach heutigem Stand der Technik in erster Linie in großen und mittleren wissenschaftlichen Bibliotheken sowie in großen Öffentlichen Bibliotheken an. Dort existiert in der Regel eine Arbeitsteilung, die es ermöglicht, abgegrenzte Aufgaben per Telearbeit zu organisieren. Ohne an dieser Stelle Spezifika einzelner Bibliotheken berücksichtigen zu können, erscheinen folgende Arbeiten sehr gut für Telearbeit geeignet: Zu diesen Aufgaben werden mit Sicherheit in den nächsten Jahren neue hinzukommen, da sich die Rolle und die Aufgabenfelder der Bibliotheken durch die sich entwickelnde Informationsgesellschaft in vielen Teilen ändern werden. Hier bietet sich ein großes Experimentierfeld an und sicherlich werden nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Aber Telearbeit bietet auch die Chance, Leistungen in anderer, zeitgemäßer Form zugänglich zu machen, besser und schneller auf die Wünsche der Kunden einzugehen.

Es sind z. Z. noch keine fertigen Lösungen zur Telearbeit in Bibliotheken bekannt. Das DBI wird daher an dieser Thematik weiterarbeiten, Informationen sammeln und aufbereiten. Sollten Sie bereits Erfahrungen in der Anwendung der Telearbeit haben, so können Sie mit Ihrer Information an uns helfen, anderen Bibliotheken den Einstieg zu erleichtern.

In weiterer loser Folge werden kleine Berichte aus Erfahrungen in der Wirtschaft folgen, die eventuell Anregungen für Telearbeit in Bibliotheken bieten, und die ebenfalls die notwendigen technischen/verwaltungsmäßigen Voraussetzungen darstellen.

Ansprechpartner im DBI für Fragen zur und Informationen über Telearbeit:

Clemens Deider Tel.: (0 30) 2 31 19 - 4 31, E-Mail: deider@dbi-berlin.de
und
Michaela Mautrich Tel.: (0 30) 2 31 19 - 4 30, E-Mail: mautrich@dbi-berlin.de

1) Diskussionspapier des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Dr. Jürgen Rüttgers "Telearbeit - Definition, Potential und Probleme", Bonn 1995.

2) Der Vollständigkeit halber seien hier noch aufgeführt der Bezug zur Art der vertraglichen Regelung (also Tele-Arbeitnehmer oder Tele-Unternehmer) und zur Art der technischen Anbindung (Online-Telearbeit und Offline-Telearbeit). Beide Unterscheidungsformen werden hier nicht näher betrachtet.

3) http://www.iid.de/telearbeit/leitfaden/check_betrieb.html

4) "Telearbeit-Chancen für neue Arbeitsformen, mehr Beschäftigung, flexible Arbeitszeiten", BMWi, Bonn 1997, S. 34 - 35

5) Da die Vernetzung und die Zugriffsmöglichkeiten auf Daten noch begrenzt sind, wird es jetzt vorrangig um abgrenzbare Aufgaben gehen. Aufgrund der technischen Entwicklung wird die Frage der Abgrenzbarkeit in nächster Zukunft eine geringere Rolle spielen, weil davon ausgegangen werden kann, daß notwendige Daten für Telearbeit in vollem Umfang als elektronische Daten zur Verfügung stehen und der Zugriff darauf von überall her erfolgen kann (z. B. digitale Aktenschränke).


Stand: 04.09.97
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