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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Bibliotheksmanagement: Informationen aus dem DBI

"Mann, da geht ja was ab" - One-Person Libraries und die Geschichte ihrer Entdeckung

Evelin Morgenstern

Der Zeitpunkt war richtig gewählt, das bewies die äußerst positive Resonanz auf die Einladung des Beratungsdienstes Wiss. Spezialbibliotheken im DBI: er bat am 18. Juli des Jahres zum "1. Multiplikatoren-Treffen" in Sachen One-Person Libraries (OPLs). Warum überhaupt ein "Multiplikatoren"-Treffen? Die Antwort auf diese Frage läßt sich leicht aus den Entwicklungen der letzten beiden Jahre herleiten: Da war zunächst im Mai 1995 der vom Beratungsdienst zugunsten von OPLs veranstaltete und vom Amerika-Haus Berlin gesponserte Round-Table mit seinem Vorsitzenden Guy St. Clair (SMR, New York). In seiner Zielsetzung kann dieser Round-Table inzwischen als durchweg von Erfolg gekrönt angesehen werden: das Interesse an OPLs mit ihrem nicht zu unterschätzenden Anteil an Informationsbewegung scheint ein für alle Mal geweckt zu sein, und schnell hat sich nun auch in Deutschland die Kunde verbreitet, wie zwingend notwendig, weil zukunftsorientiert, es ist, sich hier zu engagieren. So nehmen sich fachspezifische Arbeitsgemeinschaften auf ihren Jahrestagungen dieses Themas an; regionale Arbeitsgruppen bieten Fortbildungsveranstaltungen - wie das ja auch der Verein der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken e.V. (VdDB) schon seit längerem tut - ; an den Fachhochschulen entstehen Diplomarbeiten; wiederum der VdDB hat, herausgegeben von Regina Peeters, einen Reader mit Erfahrungsberichten zur Alltagssituation in One-Person Libraries veröffentlicht (s. Rubrik "Neuerscheinungen" in diesem Heft); demnächst erscheint von Brigitte Höckmair die Beschreibung der Arbeitsablauforganisation "OPL-Management" (Harrassowitz); nicht zu vergessen das Handbuch von Guy St. Clair als "Handlungs"hilfe für den Betrieb von OPLs, das vom DBI in deutscher Übersetzung ebenfalls 1997 auf den Markt gebracht wird (und das die in Form seiner Checkliste erste "Orientierungs"hilfe, Berlin 1996, ergänzt). Die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V. (ASpB/Sektion 5 im DBV) widmete ihre 26. Arbeits- und Fortbildungstagung im März d. J. in Berlin nicht von ungefähr in weiten Teilen den Belangen der kleineren wissenschaftlichen Spezialbibliotheken; der VdDB gründete - nach einem von ca. 130 One-Person Librarians besuchten Treffen - anläßlich des Dortmunder Bibliothekskongresses eine Kommission für One-Person Librarians: "Mann, da geht ja was ab", wie es neulich eine One-Person Librarian - etwas salopp - ausdrückte.

Schließlich erwähnt Birgit Dankert als BDB-Sprecherin in ihrem Schreiben an den Bundespräsidenten (vgl. BD 31 (1997), 7) ausdrücklich die bis zu 40 % der Absolventen der Fachhochschule Hamburg, die "inzwischen in kleine private Fachbibliotheken der freien Wirtschaft" gehen, und die dafür einen neuen "Bedarf an bibliothekarisch-dokumentarischer Qualifikation auf EDV-Basis" haben und meint nichts anderes als One-Person Librarians. (Und sie verspricht: "unsere Ausbildung bezieht diese bibliothekarische Arbeit der Zukunft in die vermittelten Schlüsselqualifikationen ein...").

Alle diese Bemühungen setzen - durchaus vorhersehbar - das alte Prinzip von supply creates demand in Gang. Im DBI angedacht und jetzt zur Diskussion gestellt wurde folglich, ein Netzwerk von Multiplikatoren zu begründen - ideal wäre hier das Regionalprinzip - , von Kolleginnen und Kollegen also, die bereit wären, sozusagen vor Ort den zunehmenden Bedarf an Rat und Tat bei Alltagsproblemen aufzufangen. Selbstverständlich wäre eine Anbindung auch an den DBI-Beratungsdienst vorzusehen, der diese Multiplikatoren nach Kräften unterstützt und regelmäßig mindestens einmal im Jahr während eines Erfahrungsaustausches auf neue Entwicklungen und Trends hinweist, nach Möglichkeit im Zusammenhang mit einer Fortbildung von hohem Niveau zu z. B. Managementfragen. (Im Verlauf der Sitzung wurde ein zuzügliches Treffen auf dem Bibliothekartag/Bibliothekskongreß beschlossen.)

Zu dieser ersten Runde waren alle diejenigen Kolleginnen und Kollegen gebeten worden, die sich auf Grund einer (wiederholten) Fragebogenaktion dazu bekannt hatten, sich für One-Person Libraries einsetzen zu wollen.

Was sollte erreicht werden? Die Tagesordnung sah vor, den Bedarf eines

zu klären. Die Diskussionsergebnisse werden hier im Protokollstil wiedergegeben:

OPL-Datenpool: Man spricht sich einhellig für einen solchen Adressenpool aus. Es gibt bereits mehrere Ansätze, deren Daten jetzt in einem einzigen Pool vereint werden sollen. Diese Liste von OPLs soll sowohl in Papierform als auch im Internet verfügbar sein. Es wird betont, daß eine übergeordnete Institution wie das DBI oder der VdDB am geeignetsten wäre, den Speicherplatz vorzuhalten.

Sollte die Wahl auf den VdDB fallen, wird ein Zugriff auf den Datenpool, das wird versichert, nicht von einer Mitgliedschaft abhängig gemacht werden.

Zum Procedere: Jens Lazarus (British Council, Leipzig) übernimmt die Bearbeitung der Daten. Dazu werden ihm die bereits an verschiedenen Stellen vorhandenen Adressen bis spätestens Ende September d. J. per Diskette zur Verfügung gestellt. Ziel muß sein, den Datenpool nach Kräften anzureichern, verschiedene Anwesende erklären sich bereit, hier ihre entsprechenden Kontakte einzusetzen. Das DBI will mit dem Verlag Bock + Herchen klären, inwieweit von dort die Erlaubnis gegeben werden kann, die Daten der in den drei bisher erschienenen Bänden "Spezialbibliotheken in Deutschland" genannten One-Person Libraries zu übernehmen. Zur Erfassung bisher noch nicht vertretener OPLs wird ein formalisierter Fragebogen vorgesehen (eine Seite DIN A 4, zum Faxen geeignet), der von Constanze Schön (Carl Duisberg Gesellschaft e.V. Köln) entworfen wird. Er soll umfassen: Ansprechpartner/in, Institution, Adresse, Fax, Telefon, E-Mail, HTTP, Sammelschwerpunkte, EDV-Einsatz beim bibliothekarischen Geschäftsgang (welches System wofür). Ein Ausdruck nach Regionen soll möglich sein, ein Ausdruck nach Fachgebieten vorerst vernachlässigt werden, in der Hoffnung, daß der Name der Institution hier aussagekräftig genug ist.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß bis Ende des Jahres ein OPL-Datenpool von mehreren Hundert Adressen vorliegen wird.

OPL-Fortbildungsangebot: Der Stellenwert von "maßgeschneiderten" Fortbildungsveranstaltungen für One-Person Librarians ist unumstritten. Insbesondere das Land Nordrhein-Westfalen zusammen mit der neu gegründeten VdDB-Kommission für OPLs wird im nächsten Jahr reizvolle Angebote unterbreiten können. Wegen der für manche Anwesenden nicht nachvollziehbaren höheren Teilnahmegebühren für die Veranstaltungen des HBZ wird verabredet, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit von VdDB und DBI im Sinne einer Kostensenkung zu prüfen. Besonders vom DBI wird noch einmal die Notwendigkeit betont, Fortbildungsseminare anzubieten, die einen mentalen Wandel unterstützen helfen, es kann im Laufe der Diskussion aber festgestellt werden, daß die Planungen - durchaus auch außerhalb des DBI - bereits in diese Richtung gehen. Es wird verabredet, es in der nächsten Zeit bei den individuellen Fortbildungsseminaren zu belassen, erst in späterer Zukunft wird man daran gehen, ein abrufbares Fortbildungspaket für OPLs zu erarbeiten. Die Berichterstattung (Evelin Morgenstern) über die Teilaufgabe Wissenschaftliche Spezialbibliotheken innerhalb des DBI-Projektes New Book Economy (bei der es u. a. um die Erarbeitung eines modellhaften Fortbildungsplans Neue Medien/Wiss. Spezialbibliotheken geht) macht deutlich, daß die spezifischen Belange von OPLs in diesem Projekt wohl nicht in vollem Umfang verfolgt werden können, so daß es angesagt ist, Sorge für ein adäquates Fortbildungsangebot außerhalb dieses Projektes zu tragen.

OPL-Newsletter: Es wird besprochen, ob ein eigener Newsletter (analog zum amerikanischen) "The One-Person Library. A newsletter for librarians and management" zu bewerkstelligen sei. Man einigt sich darauf, vorerst die gegebenen Möglichkeiten der Berichterstattung zu nutzen, also die verschiedenen Organe der einzelnen fachspezifischen Arbeitsgemeinschaften, den Bibliotheksdienst, das VdDB/VDB-Rundschreiben. Erst bei Zunahme von OPL-spezifischen Nachrichten soll über etwas Eigenes beraten werden.

Die Frage der Einbindung von One-Person Librarians in die Verbandsarbeit ist nicht trivial und wird außerhalb der Tagesordnung ausführlich beraten. Die Sektion 8 des DBV (Werksbibliotheken, Patientenbüchereien, Gefängnisbibliotheken) hatte sich bereits im vorigen Jahr für OPLs geöffnet; neu ist ein Angebot der ASpB/Sektion 5, diese wichtige Zielgruppe nunmehr "unter ihre Fittiche" nehmen zu wollen. Favorisiert werden in der Runde derzeit zwei Möglichkeiten: entweder ein eigener Arbeitskreis innerhalb der ASpB/Sektion 5 bzw. eine völlig eigenständige Sektion innerhalb des DBV. Man beschließt, die Vorstands- und Beiratssitzung der ASPB/Sektion 5 im Oktober des Jahres mit präzisiertem Angebot an OPLs abzuwarten und erst dann die Vor- und Nachteile der jeweiligen Organisationsform zu beraten.

Die Frage der Einbindung machte noch einmal die Begriffsbestimmung einer One-Person Library notwendig, wie sie als (einer der) Aufgabenschwerpunkt(e) des DBI-Beratungsdienstes Wiss. Spezialbibliotheken definiert ist: eine OPL ist eine Bibliothek oder andere Einrichtung für Informationsdienstleistungen, in der ein einziger hochqualifizierter Informationsspezialist die Alleinverantwortung für das gesamte Informationsmanagement übernimmt (vgl. auch Guy St. Clair. One-Person Libraries. Checkliste... Berlin 1996). Es geht also weniger um den ÖB-Bereich.

One-Person Libraries sind inzwischen in aller Munde, das ist unüberhörbar. Wie ihnen aber auch Gehör zu verleihen ist, wird uns noch ausgiebig zu beschäftigen haben - eine Bündelung der Kräfte aller derer, die sich hier zu engagieren bereiterklärt haben, ist zweifelsohne ein richtiger Schritt, die Sache der OPLs voranzubringen. In diesem Sinne wird ein 2. Multiplikatoren-Treffen, wie gewünscht, noch im November diesen Jahres stattfinden.


Stand: 04.09.97
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