Publikationen Hierarchiestufe höher Vorherige Seite Nächste Seite

BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Einbandstellenverwaltung - einmal andersl


Reinhard Kraemer

"Die nächst der Erwerbung wichtigsten Aufgaben jeder Bibliothek, die Bewahrung des gedruckten Schrifttums und seine Bereitstellung für den Leser, verpflichten den Bibliothekar, die ihm anvertrauten Bücher erhaltungs- und gebrauchsfähig, hygienisch und ästhetisch einwandfrei für die Benutzung bereitzuhalten." Stammt dieser Satz aus Ekkehard Liehls Werk "Die Einbandstelle und der Verkehr mit den Buchbindern" bereits aus dem Jahre 1969, so hat er doch bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren - im Gegenteil: gerade in Zeiten stagnierender oder gar rückläufiger Haushaltsetats in Verbindung mit immer höheren Anteilen an ursprünglich ungebundenen Druckstücken (Zeitschriften, Zeitungen oder Grauer Literatur) innerhalb der Erwerbung sollte bzw. muß dem Einbandbereich eine stärkere Bedeutung zukommen.

Obwohl der überwiegende Teil unseres Berufsstandes diese Aussage sicherlich mittragen wird, führen Einbandstellen in der bibliothekarischen Praxis meist ein kärgliches Schattendasein, unbeleckt von technischen Neuerungen oder sonstigen Veränderungen in den Bibliotheken. Vielerorts wird nach wie vor mit der guten alten "Musterpappe" gearbeitet, werden Karteien verwaltet und Aufträge von Hand auf Zetteln beschrieben. Es wird halt eben so gearbeitet, wie man es schon immer gemacht hat - und die damit einhergehenden vergleichsweise hohen Kosten? Die werden oftmals billigend in Kauf genommen. Selbst in Bibliotheken, die teilweise bereits seit langen Jahren eigene Bibliothekssysteme betreiben oder Teilnehmer an Verbünden sind, kommt der Einbandstellenverwaltung die Aufgabe des "Mauerblümchens" zu, da nach unserer Kenntnis alle diese Systeme bisher nicht in der Lage waren, den vorgenannten Bereich zu integrieren - außer Forderungskatalogen oder Pflichtenheften existieren bisher kaum verwertbare Ergebnisse. Dies erstaunt um so mehr, weil doch gerade der Einbandbereich Jahr für Jahr einen nicht unerheblichen Anteil der knapper werdenden Haushaltsmittel verschlingt. Daher hat sich die Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek bereits vor geraumer Zeit entschlossen, einen "Neuanfang" zu wagen, bestehende Strukturen in der Einbandstellenverwaltung nach Überprüfung zu verändern, dadurch Arbeitsgänge zu vereinfachen oder zu beschleunigen und somit letztlich Personal- und Sachkosten einzusparen. Im folgenden versucht der Verfasser, den derzeitigen IST-Zustand an der SULB Saarbrücken zu beschreiben, verbunden mit der Absicht, daß das "Saarbrücker Modell" Anregung oder Hilfestellung auch für andere Bibliotheken sein möge.

Durch die Einbandstelle überträgt die Bibliothek die Durchführung sämtlicher Bucheinband- und Buchpflegearbeiten an die bibliothekseigene Hausbuchbinderei sowie darüber hinaus an verschiedene, gewerbliche Buchbindereibetriebe. Zusammenstellung der Aufträge, verantwortliche Überwachung der bibliothekarisch bzw. einbandtechnisch richtigen Durchführung derselben sowie ordnungsgemäße Rücknahme und Korrektheit der damit einhergehenden Rechnungen sind zentraler Inhalt des Sachgebietes, genauso wie Verfilmungen und Verfichungen (Zusammenarbeit mit EROMM in Göttingen) und sonstige Erhaltungsmaßnahmen (Reparaturen). So werden über die Einbandstelle der SULB Saarbrücken (incl. ihrer Medizinischen Abteilung in Homburg) allein als Neu- bzw. Ersteinbindung pro Jahr etwa 10.000 Bände bearbeitet. Hinzu kommen Reparaturen und Sonderarbeiten in großer Zahl. Daher sollte weder das Bestreben der Bibliothek, die erforderlichen Haushaltsmittel sparsam und sachgemäß einzusetzen, noch die damit einhergehende Umorganisation des Sachgebietes verwundern.

Insgesamt wird versucht:

  1. den Bindeanfall auf das Notwendigste zu beschränken
  2. möglichst rationell zu arbeiten
  3. am Markt günstige Preise (i.S. von bestem Preis-/Leistungsverhältnis) zu erzielen.

Bzgl. Pkt. 1 wird inzwischen durch Veränderungen in der Bucherwerbungspolitik (z. B. kein Erwerb schlecht, aber teuer eingebundener Bücher) als auch durch Umstrukturierung im Hause (verändertes Einbandverhalten bei den Freihandbeständen u. ä.) sowie vor allem durch kritischere Einbandauswahl und -festlegung (längstmögliche Lebensdauer bei sparsamstem Kostenaufwand) eine Reduzierung auf das tatsächlich notwendige Maß erreicht.

Um bei der Buchbearbeitung möglichst rationell und damit effizient arbeiten zu können (siehe Pkt. 2), wurden die Einbandkriterien und -modalitäten erheblich verändert. So wurde zum einen eine für Buchbindereibetriebe verbindliche und sehr umfassende Binde- und Prägeanweisung, die bereits einen Großteil der notwendigen Arbeitsanweisungen abdeckt, eingeführt, zum anderen auch zugleich das gesamte Prägesystem vom ehemals sehr teuren Musterpappensystem auf ein genormtes sog. Fünfkategorienschema, das neben einer erheblichen Arbeitsbeschleunigung auch eine Verringerung der Prägekosten erbringt, umgestellt.

Dies bedeutet, daß der Buchbinder alle ihm im Auftrag zugewiesenen Bände gem. ihrer Außenbandhöhe in eine der fünf möglichen Größenkategorien einordnen kann, da in jedem Normhöhenbereich (Beispiel Kategorie 3 = 21cm - 25 cm) der Beginn der ersten zu prägenden Zeile (angegeben in cm und beginnend vom "Schwanz", um bei geringen Höhenunterschieden ein Springen der Prägung zu vermeiden) festgelegt ist. Da der Beginn bzw. die Abstände weiterer Zeilen ebenfalls über das Normschema definiert sind, muß innerhalb eines Auftrages max. fünfmal das Ein- oder Umstellen der Prägemaschine erfolgen. Insgesamt können Bearbeitungshinweise auf ein Minimum beschränkt werden.

Weitere wichtige Stütze im Zuge der Neuorganisation ist die Einführung von EDV im Einbandbereich mit dem Ziel, alle für das Binden relevanten Daten zu verwalten, diese mit auftragsbezogenen Daten kombinieren zu können, elektronisch Aufträge zu erzeugen, Rechnungen am Bildschirm zu bearbeiten u. ä. - kurz die gesamten bisherigen Arbeitsinstrumente und Abläufe durch das System zu ersetzen und damit den Wegfall aller Karteien, Musterpappen oder Übersichten zu erreichen. Zur Zeit wird dieses Programm innerhalb eines Novell-Netzes betrieben, wobei mehrere Bearbeiter zur gleichen Zeit über sog. Befehlsschaltflächen und damit ohne Kenntnis von irgendwelchen Befehlen, alle erforderlichen Arbeitsgänge (Bestandsverwaltung, Auftragserteilung, Rücknahme und Kontrolle, Reklamation, Erstellen von speziellen Rechnungen usw.) durchführen können. Die Auftragserteilung an die Buchbinder kann wahlweise als Ausdruck, über Diskette oder über E-mail erfolgen. In absehbarer Zeit ist an eine Koppelung dieser Datenverwaltung mit dem Zeitschriftenverwaltungsbereich der Bibliothek gedacht, so daß dort vorliegende, "abgeschlossene" Bände über das gleiche Programm direkt in Buchbinderaufträge eingearbeitet werden können oder auch andere Bibliotheksbereiche (Fernleihe, Ortsleihe oder Fachreferenten) für sie relevante Daten einsehen können.

Ein weiteres großes Einsparpotential (siehe Pkt. 3) ergibt sich im Einbandbereich auch zweifelsohne durch die vor einigen Jahren eingeführte Ausschreibung von Aufträgen nach der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A), die im Saarland verbindlich eingeführt ist. Dies bedeutet, daß je nach festgelegtem Ausschreibungszeitraum auf der Grundlage der vorgenannten VOL ein formstrenges Verfahren durchzuführen ist, im Zuge dessen Buchbindereibetriebe sich bewerben können, auf Grund ihrer Gebote ggf. ausgewählt und danach Verträge über bestimmte Zeiträume und Mengen geschlossen werden. Diese Vertragswerke umfassen i. d. R. pauschalierte Festpreise für bestimmte Fertigungsarten; auf diese Weise nicht erfaßbare Bände werden in der Hausbuchbinderei bearbeitet.

Bedingt durch das klassische System der "zweischichtigen Literaturversorgung" (zentrale UB sowie diverse Instituts-/Seminarbibliotheken) werden nicht alle einbandrelevanten Bereiche der Universität per se von der bisher beschriebenen Neuorganisation erfaßt. Daher bietet die Einbandstelle der zentralen UB - bisher auf freiwilliger Basis - allen interessierten Institutsbibliotheken die Möglichkeit, über das Novell-Netz ihre Daten einzuspeisen, um so von den Vorteilen der EDV-Bearbeitung zu profitieren. In diesem Falle tritt eine virtuelle Zentralisierung ein, die die auszuschreibenden Auftragsmengen erhöht und damit günstigere Preisgestaltungen erwarten läßt, zugleich die Art und Weise der Einbandarten und -gestaltung auf dem gesamten Campus angleicht und die Bearbeitung auch in den Instituten sowohl vereinfacht als auch beschleunigt. Da den Instituten in diesem Falle UB-Preise berechnet werden, ist der finanzielle Vorteil erheblich. In der Praxis werden so die verschiedenen Teilaufträge (UB/Institute) über die Einbandstelle zu größeren Einheiten zusammengefaßt, dann als Gesamtauftrag an bestimmte Buchbindereien vergeben (Abholung je nach Teilmenge beim jeweiligen Institut bzw. UB) und entsprechend zurückgeliefert. Die in der Gesamtrechnung (= UB-Preise für alle) zu Lasten der UB enthaltenen Institutsanteile werden im Nachhinein über das Programm intern von Haushaltstitel zu Haushaltstitel umgebucht.

So läßt sich abschließend sagen, daß die SULB Saarbrücken derzeit durch:

Personal- und Sachkosten in erheblichem Maße einspart.

Für weitergehende Informationen steht der Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.


Stand: 04.09.97
Seitenanfang