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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Rund um die Öffentlichkeitsarbeit

Ein Round Table nicht nur für Dozenten der bibliothekarischen Ausbildungsstätten

Marion Schmidt

Kurz vor der Sommerpause fand am 23. und 24. Juni 1997 in der Fachhochschule Potsdam ein vom DBI initiierter Round Table zur Öffentlichkeitsarbeit statt, der zwar schon lange geplant war, aber erst dank organisatorischer und inhaltlicher Unterstützung des Potsdamer Studiengangs Archiv-Bibliothek-Dokumentation realisiert werden konnte. Ausgangs- und Leitfrage der Veranstaltung war das Problem, wie Theorie und Praxis der Öffentlichkeitsarbeit in der bibliothekarischen Aus- und Fortbildung zu vermitteln seien. Eingeladen waren Dozentinnen und Dozenten aller bibliothekarischen Schulen, Fachhochschulen und universitärer Studiengänge sowie einige erfahrene Öffentlichkeitsarbeiter und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der benachbarten Fachstelle Potsdam. Vorträge von zwei Public Relations-Experten bereicherten den Erfahrungsaustausch und die Strategieentwicklung dieses an sich schon sehr kompetenten Expertenkreises.

Vorgeschichte

Schon vor einigen Jahren hatte der DBI-Beratungsdienst für Öffentlichkeitsarbeit geplant, einen Round Table durchzuführen. Damals sollten auf Wunsch vieler Bibliothekarinnen und Bibliothekare die vorhandenen Konzeptionen zur bibliothekarischen Öffentlichkeitsarbeit überdacht und weiterentwickelt werden. Doch der für Öffentlichkeitsarbeit typische Alltag - viele aktuelle Aufgaben, sehr viele Aktionen, sehr viele kurzfristige Kontakte - verhinderten zunächst dieses langfristigere Vorhaben. So hatte sich der Beratungsdienst Öffentlichkeitsarbeit seit seiner Gründung und seit der ersten Beantragung des Round Table im Jahr 1992 bis zum Wiederaufgreifen der Idee aus eigener Kraft zu einem kompetenten und sehr gefragten Dienstleistungsanbieter entwickelt. Seine Mitarbeiterinnen führten schriftliche Umfragen durch, besuchten Bibliotheken und Fachstellen und organisierten und betreuten überregionale Praktikertreffen, um die Informationswünsche ihrer Kunden kennenzulernen und für ihre Beratungsangebote aufbereiten zu können. Außer den schriftlichen und mündlichen Einzelberatungen bieten vor allem die Infodienste und Zeitschriften und ein ständig expandierendes Fortbildungsangebot die erforderlichen methodischen Hilfen zur Öffentlichkeitsarbeit und unterstützen so die Vernetzung von Erfahrungswissen.

Während dieser Arbeit entstand aber auch der Eindruck, daß viele Kenntnisse und Fertigkeiten, die das DBI berufsbegleitend vermittelt, schon in der Ausbildung gelehrt werden könnten. Aus Sicht des zentralen Dienstleistungsanbieters ist die Bereitschaft der Bibliotheken, ihre Öffentlichkeitsarbeit als Daueraufgabe, als organisatorische Teamaufgabe und als inhaltliche Führungsaufgabe zu konzipieren, insgesamt noch zu wenig entwickelt. Diese Ansicht wurde von der damaligen Dekanin des Fachbereichs ABD an der Fachhochschule Potsdam, Prof. Dr. Dagmar Jank, während einer Informationsveranstaltung im DBI bestätigt. Schnell entwickelte sich aus dieser gemeinsamen Einschätzung der Mutwille, bei den bibliothekarischen Lehrkräften Öffentlichkeitsarbeit für die Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Prof. Dr. Hobohm, der ähnliche Aktivitäten zur Verbesserung der Management-Ausbildung für Bibliothekare initiiert hatte, konnte als dritter Organisationspartner gewonnen werden. Gemeinsam erarbeitete man Leitidee, Programmentwurf und Zielvorstellungen einer Veranstaltung für Dozentinnen und Dozenten, die an bibliothekarischen Ausbildungsstätten Öffentlichkeitsarbeit unterrichten.

Der Teilnehmerkreis

Zum Kreis der Eingeladenen gehörten diejenigen Personen, die in den Vorlesungsverzeichnissen bibliothekarischer Ausbildungsstätten - soweit sie in Berlin und Potsdam vorlagen - mit Lehrangeboten zum Thema Öffentlichkeitsarbeit genannt sind. Waren solche Themen und/oder Personen nicht nachgewiesen, wurden entweder Lehrkräfte aus dem Marketingbereich oder die Leitung der Fachhochschule angeschrieben. Außerdem ging die Einladung an einige Verbandsvertreter, an die DBI-Kommission für Betrieb und Organisation und an Experten der beruflichen Praxis, die in ihrer Bibliothek aktiv Öffentlichkeitsarbeit machen. Ergänzend war in der bibliothekarischen Fachpresse auf die Veranstaltung hingewiesen worden, um sie für weitere Teilnehmer zu öffnen. Von den 40 Interessenten kamen schließlich 17 zum Round Table: von Hamburg bis Stuttgart, von Bremen über Köln, Hannover, Potsdam bis Berlin waren nahezu alle Schulen, Fachhochschulen und die universitäre Bibliothekarausbildung vertreten. Leipzig nahm als "korrespondierendes Mitglied" teil.

Situationsanalyse I: Öffentlichkeitsarbeit von Bibliotheken

Was tut die Praxis? Was hat sich geändert? Peter Hombeck, Gründungsmitglied der ehemaligen DBI-Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und Teilnehmer am DBI-Projekt zur Öffentlichkeitsarbeit in Öffentlichen Bibliotheken, berichtete über Arbeitsinhalte, organisatorische Einbindung und methodische Entwicklung seiner hauptamtlich geleisteten Öffentlichkeitsarbeit. "Learning by doing" führte Peter Hombeck zur Professionalisierung, wobei dieser Weg jedoch nur in früheren Jahren praktikabel war. Bei immer engeren Etats, immer weniger Personalkapazität, immer größerer Konkurrenz der Non-Profit-Einrichtungen gegenüber Unterhaltsträgern, potentiellen Sponsoren und auf dem Anbietermarkt bleibt heute selbst den Experten kaum noch Zeit, aktuelle Fachliteratur zur Öffentlichkeitsarbeit zu lesen oder ihr reichhaltiges Erfahrungswissen in der bibliothekarischen Fachpresse zu veröffentlichen. Dies gilt sowohl für Peter Hombeck, den dienstältesten Öffentlichkeitsarbeiter der alten Bundesländer wie für seine Kolleginnen aus den neuen Bundesländern, in denen die bibliothekarische Öffentlichkeitsarbeit vor der Wende institutionell verankert war, einen funktional angeseheneren Stellenwert und eine bessere personelle Ausstattung als im Westen hatte. Hier wie dort besteht die Erkenntnis, daß Öffentlichkeitsarbeit heute mehr denn je professionell organisiert werden muß, also mit effizienteren Methoden und fallsweise auch mit externen Fachkräften. Das dafür erforderliche Know-how läßt sich zwar in Fortbildungen aneignen und immer wieder auffrischen und "modernisieren", doch haben auch die Öffentlichkeitsarbeiter wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen in den Bibliotheken immer weniger Zeit, sich neben der Bewältigung der aktuellen Aufgaben um ihre berufliche Weiterbildung zu kümmern. Deshalb sollte schon in der Ausbildung ein stabiles Fundament an Planungs- und Steuerungskenntnissen gelegt werden.

Ein Bericht aus dem DBI bestätigte den Facettenreichtum der Tätigkeitsfelder und Aufgaben, den die anwesenden Praktiker der Öffentlichkeitsarbeit präsentiert hatten. Doch anders als die wenigen Full-Time-Profis, die mit gewissen Schwerpunktsetzungen das breite Spektrum insgesamt bedienen, können in den meisten Bibliotheken nur Teilbereiche der Öffentlichkeitsarbeit realisiert werden. So setzen die einen auf ihre gute Veranstaltungsarbeit, andere verfügen über hervorragende Werbemittel, wieder andere profilieren sich durch intensive Pressearbeit oder als Kooperationspartner für lokale Kulturanbieter. Im Grunde verfügt das Bibliothekswesen über viele Kenntnisse und praktische Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit, die bundesweit sehr unterschiedlich ausgeprägt und als Gesamtbild nur dem DBI präsent sind. Die einzelnen Akteure haben jedoch oft den Eindruck, zu wenig oder die falsche Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen, und wenden sich deshalb Rat und Hilfe suchend ans DBI.

In den ersten Jahren seines Bestehens erwarteten die Bibliotheken vom DBI-Beratungsdienst - neben einem aktuellen und generellen Gesamtkonzept - vor allem Informationen und Arbeitshilfen zu instrumentellen Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit. Zu diesen Aspekten wie Schaufenstergestaltung, Drucksachenherstellung, Veranstaltungsplanung, Pressearbeit bietet das DBI inzwischen Seminare oder vermittelt Referenten. In jüngster Zeit sollen vor allem Strategiekenntnisse angeboten werden: Wie gehe ich mit potentiellen Sponsoren und den administrativ für die Bibliothek Verantwortlichen um, wie organisiere ich die interne Kommunikation, wie entwickele und nutze ich ein Leitbild? Dies sind jedoch Themen, die einmalige Seminare nicht abschließend behandeln können und die auch nicht mehr den traditionellen Vorstellungen von Öffentlichkeitsarbeit entsprechen. Erwünscht und gefordert sind deshalb bibliotheksspezifische Konzepte für eine strategische Öffentlichkeitsarbeit, parallel dazu die Verankerung der kommunikativen und strategischen Kompetenz im Berufsbild und eine entsprechende Ausbildung der künftigen Bibliothekarinnen und Bibliothekare.

Konzepte I: Angebote der Public Relations

Ulrike Döring, unlängst noch wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH Potsdam für den Aufbau eines Studiengangs Öffentlichkeitsarbeit und heute freie PR-Beraterin, stellte in ihrem Vortrag Themen vor, die in der Public-Relations-Literatur aktuell diskutiert werden. Nachdem die PR-Profis der Wirtschaftsunternehmen in der 80er Jahren vor allem auf Information und Überzeugung ihrer Zielgruppen hinarbeiteten, wuchs Anfang der 90er Jahre, auch auf Druck einer skeptischen bis kritischen Öffentlichkeit, die Bereitschaft, Konfliktthemen öffentlich diskutieren zu lassen. Die dafür erforderlichen Strategien faßt das sogenannte Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit zusammen. Maxime dieses Konzeptes ist die strikte Dialogorientierung: Informationen werden nicht mehr nur "einwegig" vom Absender an ausgewählte Zielgruppen gesendet, sondern das Unternehmen bezieht seine wichtigsten Bezugsgruppen in geplante Kommunikationsprozesse ein, um Erwartungshaltungen, versteckte Meinungen und feststehende Positionen schon frühzeitig zu erkennen und berücksichtigen zu können. Hier geht es nicht mehr darum, potentielle "Gegner" zu überreden oder "Handlungsobjekte" zu überzeugen, sondern bei allen Beteiligten die Akzeptanz für unterschiedliche und manchmal auch unvereinbare Positionen herzustellen.

Das zweite Thema, das Ulrike Döring vorstellte, war das sogenannte "Issue-Monitoring", für das es angeblich keine deutsche Äquivalentbezeichnung gibt. Selbst nach dem Einwand, hier würde alter Wein in neue Schläuche gekippt, ließ sich für diesen alten Wein kein Name finden. Dabei ist das Verfahren recht einfach und wird vor allem von sehr großen Unternehmen strategisch angewandt: Ausgewählte und geschulte Trendsucher begeben sich unmittelbar in ihre Zielgruppen oder in ein potentielles Publikum und finden heraus, welche Themen, welche Haltungen und welche Probleme dort gerade aufscheinen, sich also als Keim eines möglichen Trends anbieten. Angepaßt an diese Tendenzen, seien es potentielle Kaufbedürfnisse oder zu erwartende Gesprächsstoffe, entwickeln die Unternehmen nun eigene Angebote, die wie Dünger auf die kleinen Trend-Keime wirken sollen, damit diese schnell und kräftig emporwachsen. Issue-Monitoring - ein bißchen machen weltoffene Bibliothekarinnen und Bibliothekare das ja auch, wenn sie versteckte Leserwünsche herauszufinden suchen. Der Unterschied besteht vor allem zum Grad der strategischen Ausgebufftheit, mit der kommerzielle Unternehmen dieses Verfahren einsetzen.

Letztes Thema von Ulrike Döring waren Internet und Intranet. Hier sind Bibliotheken ja - wenn sie die erforderlichen Mittel dafür haben - very trendy. Auch hier wieder der Appell, den man nicht oft und nicht laut genug wiederholen kann: Internet nutzt dem Image der Bibliothek nur, wenn die Web-Seiten optisch ansprechend, d. h. pofessionell gestaltet sind und inhaltlich sehr kurzfristig immer wieder neu aktualisiert werden. Nichts ist schlimmer, als in einem neuen, schnellen und globalen Medium alte Formen und Themen einzubetonieren. Diese Wellen wird jeder Internet-Surfer künftig meiden.

Weniger neu, aber immer noch brauchbar ist das Modell der Corporate Identity (CI), das Marion Schmidt als Strukturierungsinstrument in ihren Seminaren zur Öffentlichkeitsarbeit nutzt und hier als Schema für ein ganzheitliches PR-Konzept vorstellte. Vor einigen Jahren schon hatte eine Stuttgarter Studentin in ihrer bibliothekarischen Diplom-Arbeit den CI-Prozess für Öffentliche Bibliotheken aufbereitet und die modellhafte Anwendung dieses Konzeptes vorgeschlagen (vgl. Bibliothek 17/1993). Zwar hat Sabine Klinder auf diesen Vorschlag noch keine Rückmeldung erhalten, doch stellte sich jetzt in Potsdam heraus, daß ihr Aufsatz in der bibliothekarischen Ausbildung oft und gerne als Einführungsliteratur genutzt wird. Gute Arbeiten gehen eben doch nicht so schnell verloren!

Auch wenn das Modell der Corporate Identity kommunikationswissenschaftlich umstritten ist, taucht es in verschiedenen PR-Konzepten immer wieder auf und wird auch als Strategiemodell im Kulturmanagement genutzt. Corporate Identity besagt letztlich nichts anderes, als daß die Identität eines Unternehmens vom integrierten Zusammenwirken seiner Kommunikationsformen mit dem visuellen Erscheinungsbild und den organisatorischen Verhaltensformen abhängt, und zwar auf Basis eines stabilen Leitbildes, das nach innen und außen als Steuerungsinstrument für Erwartungen und Handlungen dient. Öffentlichkeitsarbeit, die diese Unternehmensidentität unterstützt und zwischen den internen und externen Gruppen vermittelt, bedeutet demzufolge mehr als nur Veranstaltungs- oder Pressearbeit. Sie muß die gesamte Einrichtung berücksichtigen: vom Türgriff und Faltblatt über alle Mitarbeiter, Buchregale und Dienstleistungen bis zum Auftreten gegenüber Unterhaltsträgern und Hausmeistern. Damit wird Öffentlichkeitsarbeit zu einer Aufgabe für alle Organisationsmitglieder, die allerdings motiviert sein müssen, diese Aufgabe kreativ und verantwortungsvoll wahrzunehmen. Wünschenswert bleibt eine koordinierende Stelle, die diese Gemeinschaftsaufgabe plant und steuert.

Situationsanalyse II: Öffentlichkeitsarbeit als Lehrstoff

Das lange Ende des ersten Tages bestand aus den Kurzberichten der dozierenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Wie unterrichten sie Öffentlichkeitsarbeit? Wie oft, wie viel?

Grundsätzlich waren zwei didaktische Wege zu unterscheiden: So wird in einigen Einrichtungen das Thema Öffentlichkeitsarbeit in den gesamten Lehrplan integriert. Die Fachhochschulen in Stuttgart und Potsdam führen zum Beispiel Studienprojekte durch, in denen die Studierenden unter methodischer Anleitung viele Facetten der Öffentlichkeitsarbeit selbst planen und erproben können. Wer eine reale Ausstellung oder Fachtagung plant, wird sich bei systematischem Vorgehen unweigerlich auch mit Pressearbeit, Plakatgestaltung, Zielgruppensegmentierung oder Abschlußdokumentation befassen. Eine andere Form der Stoffvermittlung besteht in der Verzahnung von Inhalten anderer Stoffkreise mit Aspekten der Öffentlichkeitsarbeit: Wer die Grundlagen des Verwaltungs- und Urheberrechts pauken muß, mag zwischendurch bei der fingierten Gründung eines Fördervereins die lebens-praktischen Auswirkungen des Rechtssystems erfahren. Ziel beider Ansätze ist es, den Studierenden das Denken, Planen und Handeln in Kommunikationszusammenhängen theoretisch und praktisch nahezubringen.

Der zweite Ansatz bietet spezielle Seminare zur Öffentlichkeitsarbeit. Diese lassen sich wiederum unterscheiden in instrumentell orientierte Lehrveranstaltungen, die die Methodik von Pressearbeit, Veranstaltungs- und Programm-arbeit vermitteln, und eher strategievermittelnden Semiaren. Letztere gehen meist von einem produktorientierten Ansatz aus: Gegenstand der Öffentlichkeitsarbeit ist die Bibliothek, Ziel der Öffentlichkeitsarbeit die Steigerung oder Verbesserung der Bibliotheksnutzung. So verstanden wird Öffentlichkeitsarbeit eher als nachgeordnete Funktion eines Marketingkonzeptes definiert oder dem Aufbau und der Präsentation des Bestandes zugeordnet.

Allen Vorgehensweisen ist - unabhängig von dem Maß ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Fundierung - gemeinsam, daß sie Öffentlichkeitsarbeit systematisch vermitteln, d. h. über die grundlegenden Begriffe, Tätigkeitsbereiche und Instrumente informieren. Uneinheitlich ist dagegen der zeitliche Umfang, der dem Thema eingeräumt wird, und die Einschätzung, wie wichtig künftig eine strategische Öffentlichkeitsarbeit für Bibliotheken sein wird. Noch ist es die Ausnahme, wenn das Thema Öffentlichkeitsarbeit im Stoffverteilungsplan fest integriert und als Ausbildungsziel definiert ist.

Konzeption II: Studiengangmodelle zur Öffentlichkeitsarbeit

Wie machen es die Profis? Wie wollen es die Reformer machen? Wie könnten es alle anderen machen? Drei Fragen, drei Referenten für den zweiten Tag.

Seit 1990 bietet die Freie Universität Berlin am Fachbereich Publizistik- und Kommunikationswissenschaft einen Studienschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit. Reinhard Fuhrberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl, referierte zum Verhältnis von Theorie und Praxis in diesem Studienschwerpunkt, stellte einige Forschungsbeispiele vor und erläuterte Aufbau und Ablauf des Studiums. Fuhrbergs Vortrag ging von den Inhalten der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft aus, die die publizistischen, medienvermittelten und zwischenmenschlichen Kommunikationsprozesse und deren Zusammenwirken erforscht, während die produktorientierte Werbung und das absatzorientierte Marketing Themen der Betriebswirtschaftslehre sind. Öffentlichkeitsarbeit als geplante und gesteuerte Kommunikation zwischen Organisationen und Personen und ihren Bezugsgruppen hingegen gehört in der FU Berlin in den Gegenstandsbereich der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Die Forschungstätigkeit des Lehrstuhls für den Studienschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit richtet sich auf einzelne Aspekte dieser Kommunikationsprozesse. Die Lehre vermittelt zunächst publizistik- und kommunikationswissenschaftliche Fachkenntnisse und vertieft im Hauptstudium die spezifischen Theorien und Methoden der Öffentlichkeitsarbeit. Die Integration von berufspraktischen Perspektiven ist durch Praktika, Projekt- und Praxisseminare im Studienplan verankert. Während die Projektseminare unter wissenschaftlicher Anleitung stattfinden und sich speziellen Teilaufgaben der Öffentlichkeitsarbeit widmen, werden die Praxisseminare von erfahrenen Öffentlichkeitsarbeitern geleitet, die mit den Studierenden anhand konkreter PR-Projekte die Realität erkunden. Im Wintersemester 1997/98 wird ein solches Praxisseminar in und mit Berliner Bibliotheken stattfinden.

Für die bibliothekarischen Lehrenden war vor allem das Lehrplan-Design interessant: Zu Beginn des Hauptstudiums durchlaufen alle Studierenden, die sich für den Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit entschieden haben, ein sogenanntes "Nadelöhrseminar", das die theoretischen und die berufspraktischen Grundlagen vermittelt und mit einer Klausur endet. Erst wenn dieses Fundament gelegt ist, werden die vielen Facetten des PR-Handelns entfaltet und zwar immer in sehr engem Praxisbezug, um theoretisches Wissen in die Nähe von Anwendungswissen zu manövrieren. Die Vorlesungen stehen übrigens auch den Praktikern der Region offen, damit diese an den aktuellen Diskussionen um die Weiterentwicklung des Fachs teilhaben können. 15 Magister der Öffentlichkeitsarbeit verlassen jährlich die Freie Universität in Berlin. Inzwischen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Universitäten, an denen Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit gelehrt wird.

Da erhob sich im nachfolgenden Gespräch gleich die Frage, ob es überhaupt noch angesagt sei, Öffentlichkeitsarbeit an bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen anzubieten, wenn viel besser qualifizierte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu haben seien. Doch angesichts der Etatsituation, die es auch künftig wohl den wenigsten Bibliotheken erlauben wird, eine volle PR-Stelle zu besetzen, werden die Bibliothekare auch weiterhin in ihren eigenen Lehrstätten entsprechende Qualifikationen erwerben müssen. Ein Seminar zur Theorie, ein Seminar zu den Instrumenten und ein Projektseminar reichen wohl aus, um für die nebenamtliche Öffentlichkeitsarbeit fit zu machen, meinte Reinhard Fuhrberg.

An der Fachhochschule Hamburg könnten die Dimensionen der Öffentlichkeitsarbeit nach der Studienreform des Studiengangs Bibliothekswesens demnächst allgegenwärtig werden. Prof. Inga Czudnochowski-Pelz stellte Werdegang und Inhalte dieser Reform und ihre Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit vor. Sowohl in der Berufseinführung wie auch in den fünf Ausbildungsschwerpunkten und den übergreifenden Studienleistungen ist Raum für "ÖA-relevante" Grund- und Spezialkenntnisse. Kommunikationstraining, Informationstechnologie und Telekommunikation, Betriebswirtschaftslehre und Benutzerforschung, Informationsdienstleistung und Wissensorganisation sind Themenangebote, die für eine strategische und effiziente Öffentlichkeitsarbeit bedeutsam sein können, obwohl sie nicht dem Fach "Kultur- und Medienarbeit" zugeordnet sind. Unter dieser Überschrift wird Öffentlichkeitsarbeit selbst in einem eigenen Seminar und einer Vorlesung thematisiert. Hier geht es primär um theoretische Kenntnisse wie Konzepte und Strategien der Öffentlichkeitsarbeit, Aspekte der Unternehmenskultur und Kultursoziologie. Gefördert werden konzeptionelles Denken, Planungsvermögen und Teamfähigkeit, so daß nach dem Praktikum in einer Bibliothek für die Teilnahme an einem öffentlichkeitswirksamen Projektseminar nichts mehr fehlen dürfte. Obgleich Inga Czudnochowski-Pelz während ihres Beitrags immer den Unterschied zum Berliner Studiengang ÖA hervorhob, zeigt sich jetzt, bei Durchsicht der Unterlagen für die Berichterstattung, daß "die Denke" eigentlich sehr ähnlich ist: Verzahnt werden theoretische Grundlagenkenntnisse mit den Angeboten, diese praktisch zu erproben. Einbezogen werden Praktiker für den realistischen Blick, geschult wird vor allem eine Grundhaltung: die Bereitschaft, Inhalte und Ziele der eigenen Organisation kontinuierlich, glaubwürdig und adressatengerecht zu kommunizieren und mit den Beteiligten intern und extern zu diskutieren.

Der letzte Vortrag des Tages erweiterte diese Perspektive um eine weitere Dimension. Ausgehend vom Curriculum zur Öffentlichkeitsarbeit, das in den 80er Jahren von der damals noch existierenden DBI-Kommission verfaßt und verteilt worden war, formulierte Prof. Dr. Dagmar Jank aktuelle Ziele und Inhalte eines möglichen neuen Curriculum-Entwurfs. Abgesehen davon, daß dieser Entwurf um die neuen theoretischen PR-Ansätze und die instrumentellen Anforderungen der neuen Informations- und Präsentationstechnologien zu erweitern sei, müsse er unbedingt auch den neuen Berufsbildentwicklungen angepaßt werden. Dazu zählt, die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur für Bibliotheken, sondern auch für Archive und Dokumentationsstellen konzeptionell neu zu überdenken, wobei die erforderlichen Strategien kompatibel sind. Der ABD-Fachbereich in Potsdam, der schon jetzt in Teilbereichen alle künftigen Informationsfachleute an einen Tisch setzt, hofft auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Studiengang Kulturarbeit, in dem die erforderlichen Lehrkompetenzen schon präsent sind.

Arbeit

So viele Informationen, Anregungen, Fragen und Ideen mußten erst einmal bewältigt werden. Drei Arbeitsgruppen diskutierten und ordneten das gesammelte Material unter den Gesichtspunkten der Theorievermittlung, des Praxisbezugs in der Ausbildung und möglicher Fortbildungsinhalte.

Die "AG Theorie" schlug vor, gewisse Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit schon während des Grundstudiums in die Fächer Berufskunde, Kultur-, Wissenschafts- und Bibliothekspolitik, Kommunikationswissenschaft, Marketing und empirische Sozialforschung einfließen zu lassen. Dem Berliner Modell folgend konzipierte man für den Beginn des Hauptstudiums ein "Nadelöhrseminar", in dem die Studierenden, die später an Projekten zu Öffentlichkeitsarbeit teilnehmen möchten, Theorien, Modelle und Konzepte der bibliothekarischen Öffentlichkeitsarbeit vermittelt bekommen. Die darauf folgenden Projekte müßten anwendungsorientiert folgende theoretischen Aspekte thematisieren: Pädagogik/Didaktik, Design, Kommunikation, Imageforschung, Evaluationstheorie, Konzepte, Journalismus, Organisation usw.

Während die "AG Theorie" zum Praktischen tendierte, schlug die "AG Praxisbezug" ein theoriegestütztes Alternativmodell vor: Im Grundstudium zwei Semesterwochenstunden Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit für alle, im Hauptstudium eine Spezialisierung durch Praxis- und Projektseminare zu folgenden Inhalten: Methoden (Ziele, Zielgruppen, Strategien, Kooperationspartner, ggf. ABD/BID-Spezialisierung); Organisation (Jahresplanung, Kostenplanung, Informationsbedarf und -beschaffung, Evaluation, Dokumentation und Bilderdienst); Kommunikation, Präsentationstechnik, Rhetorik; Printmedien (journalilistische Arbeitsmethoden, journalistisches Schreiben); elektronische Medien, Kontakt- und Programmarbeit, neue Präsentationsorte wie Messen und Wissenschaftlertagungen; Sponsoring, Fund-Raising; Lobbyarbeit, Interne Kommunikation. Die AG-Teilnehmerinnen forderten auf Grund eigener Erfahrungen, die Projektarbeit in Grenzen zu halten, um die Akzeptanz dieser arbeitsaufwendigen Studienform bei den Studierenden nicht zu gefährden.

Die "AG Fortbildungsinhalte", in der sich die Experten dieser Branche getroffen hatten, präsentierte vor allem Organisatorisches: Fortbildungsveranstaltungen zur Öffentlichkeitsarbeit sollten etwa zwei Tage dauern und nicht zu teuer sein, wobei professionelle Angebote höhere Preise erfordern werden. Die Fortbildungsinhalte sollten die Betriebsgrößen berücksichtigen - Kleinstbibliotheken sind nicht die Zielgruppe für Seminare zur internen Kommunikation. Je nach Spezialisierungsgrad müssen Fortbildungen weiterhin sowohl überregional als auch regional angeboten werden. Und vor allem sollten sie zunehmend "in situ" durchgeführt werden, in den Bibliotheken selbst, um als "Inhouse-Veranstaltung" alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen zu erreichen. Das betrifft insbesondere Strategieseminare, deren Inhalte eine einzelne Person gar nicht alleine verarbeiten und in die Praxis umsetzen kann. Problematisch blieb die Frage der Motivation: Wie überzeuge ich den Unterhaltsträger, Fortbildungen zu finanzieren bzw. durch Freistellung zu unterstützen? Wie überzeuge ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Fortbildungen zu besuchen und die Ergebnisse solcher Veranstaltungen zu nutzen? Letztlich müßte allen (Selbst-)Verantwortlichen klar sein, daß Fortbildung zum "lifelong learning" gehört, daß sie der Karriereplanung dient, Zufriedenheit, fachliche Kompetenz und Sicherheit vermittelt und insgesamt dem einzelnen und seiner Bibliothek einfach gut tut.

Welche Inhalte sollten Fortbildungsseminare zur Öffentlichkeitsarbeit nun vermitteln? Zu allererst dienen diese Treffen dem Erfahrungsaustausch der aktiven Öffentlichkeitsarbeiter, wobei spartenübergreifende Seminare mehr Austauschstoff bieten. Die preiswerteste Variante sind die Koordinations- und Kontakttreffen innerhalb größerer Bibliothekssysteme, mit Bibliothekarinnen und Bibliothekaren der Region und regionale "interdisziplinäre" Treffen von Kultur- und Informationsanbietern. Um solchen Treffen für einen systematischen Erkenntnistransfer zu nutzen, sollten möglichst externe Referenten hinzugebeten werden. Das können auf dem Wege der Amtshilfe auch Bibliothekare der Nachbarstadt, Mitarbeiter der übergeordneten Pressestelle oder Kommunikationstrainer der Hochschule sein. Daneben sollten reguläre Fortbildungsseminare den Praktikern regelmäßig die Möglichkeit geben, ihr Erfahrungswissen anhand neuster Theorieangebote abzusichern oder neu zu strukturieren. Sofern ihre Arbeitszeiten es erlauben, sollten die Dozenten der bibliothekarischen, dokumentarischen und archivischen Fachhochschulen, die allgemeine Theoriekenntnisse für berufspraktische Perspektiven schon aufbereitet haben, sich an der bibliothekarischen Weiterbildung beteiligen. Seminare zu instrumentelle Fertigkeiten der Öffentlichkeitsarbeit sollten eher nachrangig angeboten werden, weil sie auch bei anderen Fortbildungsanbietern auf dem Programm stehen. Methoden der Pressearbeit, der Rhetorik oder der Schaufenstergestaltung lassen sich beispielsweise auch an der Volkshochschule lernen, wo man zudem die Möglichkeit hat, auf potentielle Bündnispartner zu treffen.

Ein Wunsch ans DBI wurde ganz konkret geäußert: Man möge die Dozentendatei mit einer Liste der letzten Seminarthemen ins Internet stellen, damit die regionalen Fortbildungsanbieter, vor allem die staatlichen und kirchlichen Fachstellen, sich dort orientieren können.

Abschluß

Der erste Round Table zur Öffentlichkeitsarbeit von Bibliotheken endete mit einem Ausblick auf die Zukunft. Was bleibt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und - im nächsten Schritt - der Fachöffentlichkeit von einer solch produktiven Veranstaltung? Zunächst dieser Bericht, dem ausführlichere Diskussionen in der DBI-Zeitschrift PR-Koffer folgen sollen. Es bleibt der Wunsch, die AG-Vorschläge zur Optimierung der Ausbildung in den Fachhochschulen, Fachstellen und der Universität zu diskutieren und zu prüfen. Es bleibt die Vision eines neues Curriculums für Öffentlichkeitsarbeit von Bibliotheken. Und es bleibt der dringende Wunsch, daß eine solche Veranstaltung ihre Fortsetzung findet.


Stand: 04.09.97
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