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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 97

Die Bibliotheks- und Informationsarbeit des Goethe-Instituts

Ein Beitrag zur auswärtigen Kulturpolitik

Christiane Bohrer

Das Goethe-Institut ist in 78 Ländern mit derzeit 145 Instituten vertreten. 106 dieser Institute haben Bibliotheken oder Informationszentren. In Deutschland gibt es 18 Institute sowie die Zentralverwaltung des Goethe-Instituts in München.

"Das Goethe-Institut ist die größte der sogenannten 'Mittlerorganisationen', eine von mehreren nichtstaatlichen Einrichtungen also, die im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik mit der selbständigen Wahrnehmung kulturpolitischer Aufgaben betraut sind und hierfür staatliche Zuschüsse erhalten.

Die Aufgaben, die das Goethe-Institut im Auftrag der Bundesrepublik wahrnimmt, das Vehältnis des Gesamtinstituts zum Auswärtigen Amt und des einzelnen Auslandsinstituts zur örtlichen Botschaft ist durch einen 1976 geschlossenen Rahmenvertrag zwischen der Bundesregierung und dem Goethe-Institut festgelegt. Das Goethe-Institut hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins, dessen jeweils für 5 Jahre gewählte Migliedschaft aus Persönlichkeiten des kulturellen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens besteht. Die Bundesrepublik Deutschland ist dauerndes korporatives Mitglied. Außerordentliche Mitglieder werden von den Bundestagsparteien und den Ländern entsandt.

Der vollständige Name des Instituts lautet: Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit e.V.

Das Goethe-Institut ist dem Werk des Klassikers Johann Wolfgang von Goethe nicht in einem engen Sinn verpflichtet - etwa so wie ein germanistisches Forschungsinstitut. Wohl aber weiß sich das Institut in seiner Spracharbeit wie in seiner kulturellen Programmarbeit und der Bibliotheks- und Informationsarbeit dem ideellen Vermächtnis des großen Dichters, Naturforschers und Politikers, dem Dichter des West-Östlichen Divans und Theoretiker der 'Weltliteratur' insofern verbunden, als Idee und Ideal des internationalen kulturellen Austauschs zur Zeit Goethes und im Kontext des Weimarer Kreises entstanden und durch unseren Namenspatron selbst sowie durch viele seiner Freunde und Zeitgenossen besonders glänzend verkörpert worden ist."1)

Die Auslandsarbeit gliedert sich in drei Bereiche: Kulturelle Programmarbeit, Spracharbeit, Bibliotheks- und Informationsarbeit vermitteln differenzierte, pluralistisch ausgerichtete Informationen über Deutschland. Neben dem Partnerschaftsprinzip ist das zweite wichtige Prinzip der Arbeit des Goethe-Instituts ein erweiterter oder offener Kulturbegriff, der neben der ästhetischen, der öffentlich-diskursiven und der gesellschaftlich-politischen Kultur die materiell-technologische mit einschließt.

Eines der wichtigsten Arbeitskriterien ist die aktuelle gesellschaftliche Bedeutung der behandelten Themen in Deutschland und im Gastland zugleich.

Es mag überraschen, daß dieser Beitrag über die Bibliotheks- und Informationsarbeit des Goethe-Instituts in den Kontext der Zusammenarbeit wissenschaftlicher und Öffentlicher Bibliotheken gestellt wurde, da unsere Bibliotheken oder Informationszentren weder der einen noch der anderen Kategorie zuzuordnen sind. Am ehesten könnte man sie auf Grund ihres Auftrags, über Kultur und Gesellschaft des heutigen Deutschlands zu informieren, den Spezialbibliotheken zuordnen, obgleich sie dann nicht als wissenschaftliche, sondern als öffentliche Spezialbibliotheken zu definieren wären.

Ich möchte die Zuordnung zu diesem Themenkreis dahingehend verstehen, daß wir bei der Vermittlung von Kontakten zwischen deutschen und ausländischen Bibliothekaren, die Unterstützung des fachlichen Austauschs, die einen Schwerpunkt unserer Arbeit darstellt, nicht nach Bibliothekstypen unterscheiden, sondern daß allein die Thematik den Interessentenkreis bestimmt.

Unterstützung pluralistischer Information und Informationsvermittlung

Vor dem Hintergrund des Auftrags, die internationale kulturelle Zusammenarbeit zu fördern, sieht das Goethe-Institut im Bereich der Bibliotheks- und Informationsarbeit seine Aufgabe darin, pluralistische Information und Informationsvermittlung zu unterstützen. Dabei wird großer Wert auf bedarfsorientierte Dienstleistungen gelegt. Unser Selbstverständnis als Kulturinstitut setzt dem Gebiet der Deutschlandinformation Grenzen insofern, als Sachgebiete wie Naturwissenschaften, Technik und Medizin, Recht, Wirtschaft oder Politik nur unter kulturell relevanten Gesichtspunkten Berücksichtigung finden. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß Informationen, Dokumentation und Literatur über Deutschland im Ausland nicht zur Grundversorgung des Informationsbedarfs gehören. Es kommt somit auch darauf an, sich auf einen potentiellen Informationsbedarf stützend, Interesse an deutschlandbezogenen Themen zu wecken. So kann die Tätigkeit des Goethe-Instituts als eine Gratwanderung zwischen angebots- und bedarfsorientiertem Arbeiten bezeichnet werden.

Um möglichst effizient arbeiten zu können, ist es wichtig, das weltweite Informationsnetz der Goethe-Institutsbibliotheken zu nutzen. Dies gilt in erster Linie für das Gebiet der Informationsrecherche. So wurde der Listserver "bibliolis" eingerichtet, der es jeder elektronisch entsprechend ausgestatteten Goethe-Institutsbibliothek ermöglicht, eine Anfrage, die sie selbst nicht oder nicht in der gewünschten Ausführlichkeit beantworten kann, per E-Mail an die anderen Goethe-Institute weiterzuleiten. Zusätzliche Hilfestellung leistet das Informationszentrum, das in der Münchener Zentralverwaltung eingerichtet wurde.

Auf Grund des knapp bemessenen Bibliothekspersonals spielt die Vernetzung der Auslandsinstitute auch eine wichtige Rolle bei der unbedingt erforderlichen Rationalisierung von Arbeitsabläufen, z. B. bei der Katalogisierung im Verbund oder per Fremddatenübernahme.

Über einen Server in der Zentralverwaltung haben inzwischen ca. 80 % der Goethe-Institute Zugang zum Internet, 48 haben eigene WWW-Programme eingerichtet. Mit seinen Netzanwendungen ist das Goethe-Institut zur Zeit führend unter den Mittlerorganisationen.

Aber nicht nur die Vernetzung der Goethe-Institutsbibliotheken untereinander, sondern auch ihre Eingliederung in das Bibliotheksnetz des Gastlandes ist eine wichtige Grundlage ihrer Wirkungsmöglichkeiten. In Nordamerika sind die Bibliotheken der Goethe-Institute Teilnehmer von OCLC, die Bestände der Kopenhagener Bibliothek sind über den dänischen Verbund DANBIB zugänglich, und diejenigen des Pariser Instituts über das französische Minitel-System.

Schließlich muß freier Zugang zu Information und Wissen gewährleistet sein, um Meinungsvielfalt zu transportieren. Freier Zugang meint zunächst, daß unsere Bibliotheken oder Informationszentren uneingeschränkt jedem Interessenten offen stehen. Vor allem aber bedeutet es, daß wir keinen missionarischen oder propagandistischen Zwecken huldigen, sondern ein möglichst facettenreiches Spektrum an Literatur, Dokumentation, Informationen zum gefragten Thema anbieten.

Auswärtige Kulturpolitik ist Sache des Auswärtigen Amtes und damit auch der Auslandsvertretungen, der Botschaften unseres Landes. Was eine Mittlerorganisation wie das Goethe-Institut leistet, ist wohl am besten mit Kulturarbeit zu bezeichnen. Diese Begrifflichkeit soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Goethe-Institut mit seiner Arbeit im Ausland sehr wohl einen Beitrag zur auswärtigen Kulturpolitik erbringt. An drei Zielsetzungen kann im folgenden aufgezeigt werden, wie die Bibliotheks- und Informationsarbeit des Goethe-Instituts als ein Teilbereich seiner Aktivitäten auf ihre spezifische Weise zur auswärtigen Kulturpolitik beiträgt.

Unter den Voraussetzungen, die für eine überhaupt nennenswerte Wirkungsmöglichkeit auswärtiger Kulturarbeit gegeben sein müssen, möchte ich an erster Stelle die kontinuierliche Präsenz im Ausland nennen. Dies gilt auch für die Bibliotheks- und Informationsarbeit des Goethe-Instituts. Außerdem brauchen wir fachlich geschultes Personal, d. h. ausgebildete Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Die Nutzung der elektronischen Kommunikationstechnologie ist in der heutigen Zeit ebenfalls eine, an Bedeutung gewinnende Voraussetzung. Und schließlich kann ein deutsches Informationszentrum im Ausland, das ja nicht der bibliothekarischen Grundversorgung in den jeweiligen Gastländern dient, nicht kostendeckend arbeiten. Es ist daher angewiesen auf eine ausreichende Bezuschussung aus öffentlichen Mitteln.

1. Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in den ehemals sozialistischen Ländern

Erste Erfahrungen mit dem "real existierenden Sozialismus" liegen mehr als 15 Jahre zurück. Das erste Goethe-Institut in einem Warschauer Pakt-Land war Bukarest. Es wurde 1979 eröffnet. Die Wirkung von Bibliotheksarbeit wie von Kulturarbeit im allgemeinen ist in Zahlen oft schwer auszudrücken. Manchmal braucht es viel Zeit, bevor sich ein dokumentierbares Echo vernehmen läßt. So veröffentlichte z. B. die rumäniendeutsche Schriftstellerin Herta Müller im vergangenen Jahr einen Text, der folgende Sätze enthält: "Bevor ich 'mit Goethe unterwegs' war, war ich viele Jahre zum Goethe-Institut unterwegs. Ich wohnte mit einer Hand voll Freunden in Temeswar, nahe der ungarischen und serbischen Grenze, im westlichen Zipfel Rumäniens. ... Wir waren auf die Lektüre aus dem Goethe-Institut angewiesen. Sie war die Lücke in der geschlossenen Aussichtslosigkeit der Tage: Thomas Bernhard, Elias Canetti, Alexander Kluge, Rolf Dieter Brinkmann, Werner Faßbinder, die Essays von Enzensberger, die frühen Bücher von Handke, Botho Strauß. ... Wir übertrugen Gelesenes auf unsere Umgebung oder suchten die immensen Unterschiede. Es war das ganz private freie Denken und Reden, das einzige, das wir hatten. Es waren Denkübungen so nah an der Haut, daß sie uns niemand nehmen konnte. ... Deshalb gab das Gelesene uns Halt, weil es uns nicht täuschte. Für Stunden standen wir, wenn auch nur in der Einbildung, über dem Zugriff des Regimes. Das schützte uns nicht von außen, aber sehr wohl von innen."2)

Inzwischen ist das sozialistische Regime der Länder Mittel-, Südost- und Osteuropas zusammengebrochen. Ein Prozeß der Umorientierung setzte ein, auch unter den Bibliothekaren. Das Berufsbild wurde in Frage gestellt. Es ging nicht mehr um Kulturbewahrung und Volkserziehung, sondern um objektive Vermittlung in einer offenen Gesellschaft. Die Goethe-Institute haben die Neuorientierung der Bibliothekare von Anfang an unterstützt, indem sie den fachlichen Austausch gefördert haben und weiterhin fördern. Am konsequentesten ist dies bisher in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion geschehen, insbesondere in Rußland, aber auch in der Ukraine, in Weißrußland und - in einem ersten Versuch, in Zusammenarbeit mit der bibliothekarischen Auslandsstelle des Deutschen Bibliotheksinstituts - in Kasachstan.

Die Themen der Informationsseminare für osteuropäische und deutsche Bibliothekare, die seit 1990 in Moskau, Kiew und St.-Petersburg stattgefunden haben, lauteten z. B. "Öffentliche Bibliotheken in Deutschland und Rußland in der Krise" oder "Bibliotheksmanagement in Deutschland, der Ukraine, Rußland und Belarus" - Themen, die europäische Bibliothekare in Ost und West gleichermaßen beschäftigen, wenn auch aus unterschiedlichen Erfahrungen heraus. Gerade das aber ist ja die Grundlage für den Austausch und das Lernen voneinander und miteinander.

Daß solcher Austausch durchaus auch zu konkreten Ergebnissen führt, zeigt das Beispiel der Stadtbibliothek des Moskauer Stadtteils Kunzewo - vergleichbar mit einer deutschen Großstadtbibliothek -, wo die Direktorin, Marta Butkowskaja, aus einer vom Goethe-Institut vermittelten Verlagsspende von 3.000 deutschen Kinderbüchern eine Freihand-Kinderbibliothek eingerichtet hat mit einer Präsentation der Bücher und einem Ambiente, das Kinder anspricht, und - vor zwei Jahren noch - in manchem Erwachsenen, der sich in einer anderen Abteilung der Bibliothek umsah, Wünsche aufkommen ließ.

Eine weitere Form der Zusammenarbeit des Goethe-Instituts mit Bibliotheken in Mittel- und Südosteuropa sowie in den GUS-Staaten besteht in der Einrichtung sogenannter deutscher Lesesäle in Bibliotheksräumen der Gastländer.

Es gibt zur Zeit 33 deutsche Lesesäle in 18 Ländern. Weitere 5 Lesesäle sind in Vorbereitung.

Diese Lesesäle umfassen eine Grundausstattung von ca. 3.000 Medieneinheiten, deutschsprachige Bücher, Zeitschriften, Videos, Toncassetten, die vom Goethe-Institut zusammengestellt, vom Auswärtigen Amt finanziert und von Inter Nationes, einer anderen Mittlerorganisation, beschafft wurden. Die Bestände werden jährlich ergänzt und aktualisiert in Zusammenarbeit zwischen der Gastbibliothek und dem Goethe-Institut und unterstützt durch die beiden genannten Partner in Deutschland. Die Lesesäle werden von örtlichem Fachpersonal geführt. Dabei wird Wert gelegt auf möglichst uneingeschränkten und unkomplizierten Zugang, Freihandaufstellung und Ausleihmöglichkeit. Die Kooperation zwischen den Lesesälen und den nächstgelegenen Goethe-Instituten ist natürlich eng.

2. Europäische Zusammenarbeit

Zwei der 33 Lesesäle sind deutsch-französische Lesesäle. Beide befinden sich in der Russischen Föderation, in Smolensk und in der südöstlich von Moskau gelegenen Gebietshauptstadt Rjasan. Sie sind der Kooperation zwischen den russischen Gastbibliotheken, dem Französischen Kulturinstitut Moskau und dem Goethe-Institut Moskau zu verdanken. Hervorgehoben sei an dieser Stelle, daß wir Westeuropäer uns nicht sonderlich leicht tun mit der kulturellen Zusammenarbeit, wenn sie unter gemeinsamem Dach stattfinden soll, und daß erfreuliche Ausnahmen wie die beiden deutsch-französischen Lesesäle ohne das überdurchschnittliche Engagement der beteiligten Personen wahrscheinlich nicht zustande gekommen wären.

In Vorbereitung befindet sich ein ungarisch-französisch-deutsches Projekt in Budapest. Es ist ein deutsch-französischer Medienbus, der ab 1998 das überwiegend ländliche Ungarn bereisen wird mit einem Angebot an Büchern und Videos sowie einem PC mit Internet-Zugang.

Aber auch im westlichen Europa bemüht sich das Goethe-Institut um die Förderung bibliotheksfachlicher Kooperation.

Für dreißig Studenten der französischen Bibliotheks-Fachhochschule ENSSIB (Ecole Normale Supérieure des Sciences de l'Information et des Bibliothèques) organisierte das Goethe-Institut Lyon im vergangenen Jahr eine Studienreise nach Deutschland, der ein Vortrag über die Auswirkungen von Föderalismus und Wiedervereinigung auf das deutsche Bibliothekswesen voranging. Folgeveranstaltungen sind angekündigt. Vielleicht kann das Goethe-Institut ja bei der Intensivierung bestehender, aber noch ausbaufähiger Kontakte zwischen deutschen Bibliotheks-Fachhochschulen und der ENSSIB fördernd wirken.

Ebenfalls 1996 organisierte das Goethe-Institut Manchester ein dreitägiges Kolloquium zum Thema "Kommunalbibliotheken der Zukunft" mit der Central Library Manchester und der Stadtbibliothek Chemnitz. Diese Veranstaltung war der Auftakt zu weiteren Projekten zwischen den beiden Bibliotheken mit deutschen und britischen Partnern.

3. Förderung deutscher Literatur im Ausland

Auf diesem Gebiet gibt es eine Fülle von Aktivitäten, aus denen hier nur einige exemplarisch herausgegriffen seien.

Ein Schwerpunktgebiet ist die Förderung deutschsprachiger Gegenwartsliteratur.

Mit der ersten Nummer der Broschüre "New Books in German" wurde die Realisierung eines Projekts der Kooperation zwischen der britischen Autorengesellschaft, dem Goethe-Institut London, der deutschen und der österreichischen Botschaften in London und der Stiftung Pro Helvetia gerade begonnen. Die Broschüre wird zweimal jährlich eine Auswahl literarischer Neuerscheinungen deutschsprachiger Autoren vorstellen. Sie richtet sich an britische und nordamerikanische Verleger und soll zur Publikation von Übersetzungen aus dem Deutschen ins Englische anregen.

"Was bleibt ? - deutsche Prosa (Ost + West) seit 1945" ist eine Ausstellung, die das Goethe-Institut an Stadt- und Universitätsbibliotheken des Gastlandes verleiht, um deren Leser für deutschsprachige Literatur zu interessieren. Konzipiert und realisiert wurde sie 1994 vom Goethe-Institut Brüssel, zunächst in niederländischer Sprache. Seither sind auf Grund des positiven Echos weitere Sprachfassungen hinzugekommen.

Ein anderer wichtiger Bereich der Literaturförderung ist das Kinderbuch. Auch hierzu seien nur einige Beispiele genannt.

"Kinder-Buch-Welten", so lautete der Titel einer umfangreichen brasilianisch-deutschen Veranstaltungsreihe zum Thema Kindermedien, Bilderbuch-Illustration, Geschichtenerzählen, die das Goethe-Institut Sao Paulo zusammen mit deutschen und brasilianischen Partnern 1995 realisiert hat.

"Frieden, Freiheit, Toleranz: Bücher gegen den Krieg" ist eine internationale Kinderbuchausstellung, die in Zusammenarbeit zwischen der Internationalen Jugendbibliothek und dem Goethe-Institut Zagreb entstand und im vergangenen Jahr in sieben Städten in Kroatien, Slowenien und Bosnien mit z. T. sehr großem Erfolg gezeigt wurde.

Im Sachbuchbereich ist die Umweltthematik als deutscher Beitrag in zahlreichen Ländern sehr begehrt. Stellvertretend für eine Reihe von Buchförderungsaktivitäten auf diesem Gebiet soll hier ein deutsch-japanisches Projekt erwähnt werden. Es handelt sich um eine Kollektion deutscher Bücher über Umweltprobleme, Umwelttechnik, Umweltökonomie, Umweltalternativen und Umweltpädagogik, die die Ausstellungs- und Messe-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zusammengestellt hat und an mehreren Orten im Ausland zeigte. Das Goethe-Institut Tokio hat zu den 200 Büchern Kurztexte in japanischer Sprache bereitgestellt und diese durch Adressen und Fakten zum Thema ergänzt. Die Ausstellung wandert seit Oktober vergangenen Jahres durch acht japanische Städte.

Natürlich bieten solche Maßnahmen immer auch Anregungen für Bibliothekare der Gastländer zum Ankauf deutscher Bücher für ihre Bibliotheken. Daneben entfalten die Goethe-Institute aber auch gezielt Aktivitäten zur Unterstützung des Bestandsaufbaus. Hierzu zwei Beispiele aus den USA und Frankreich:

"Booklist" ist laut New York Times die "acquisitions bible" für Stadt- und Schulbibliotheken der USA. Das Goethe-Institut New York bringt dort jährlich Informationen zu einer kleinen Auswahl deutscher Neuerscheinungen, die die amerikanischen Bibliothekare fast alle für ihre Bibliotheken anschaffen.

In ganz Frankreich besteht seit Jahren rege Nachfrage seitens der öffentlichen Bibliotheken und kommunaler Kulturzentren nach deutschlandbezogenen Beiträgen zu Veranstaltungsprogrammen, die die französisch-deutsche oder die europäische Zusammenarbeit zum Gegenstand haben. Seit 1990 stellen die Goethe-Institute in Frankreich für diesen Zweck thematische Buchausstellungen zusammen, die an die interessierten Institutionen verliehen werden. Es handelt sich um deutschsprachige Bücher, die in kurzen Texten in französischer Sprache vorgestellt werden und so auch für ein französisches Publikum ohne Deutschkenntnisse eine Begegnung mit deutschen Büchern attraktiv macht. Diese Ausstellungen erfreuen sich regen Zuspruchs.

Ausblick

Welches sind die Aspekte der Bibliotheks- und Informationsarbeit, die künftig besonderer Aufmerksamkeit bedürfen ? Mit dieser Frage konfrontiert, möchte ich an erster Stelle auf die Notwendigkeit einer stärkeren Akzentuierung der "bibliothekarischen Verbindungsarbeit" hinweisen. Hierunter ist jene Kooperation zwischen ausländischen und deutschen Bibliothekaren und anderen Buch- und Informationsvermittlern zu verstehen, wie sie an einigen Beispielen unserer derzeitigen Aktivitäten hier aufgezeigt wurde. Das Goethe-Institut könnte von Partnern gerade aus diesem Bereich bewußter und zielgerichteter für die Förderung der internationalen Zusammenarbeit genutzt werden. Eine bessere Kenntnis der Arbeitsweise des Goethe-Instituts, insbesondere auf dem Gebiet der Bibliotheks- und Informationsarbeit kann dabei für die deutsche Fachwelt sicher von Nutzen sein. So ist der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände sehr zu danken, daß das Goethe-Institut mit diesem Beitrag erstmals die Gelegenheit hatte, das ganze Spektrum seiner bibliotheksbezogenen Tätigkeit auf einem Deutschen Bibliothekskongreß vorzustellen.

Ein hiermit eng verknüpftes Anliegen ist es mir, die Bipolarität unserer, dem dialogischen und nicht missionarischen Prinzip verpflichteten Arbeitsweise hervorzuheben. Zum Austausch gehören mindestens zwei. Ich wage die Vermutung auszusprechen, daß z. B. die Probleme bei der Überwindung der Kluft zwischen Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothekssystemen hierzulande ein wenig relativiert werden, daß sie ihre Schärfe verlieren, wenn man sie nicht nur von innen, sondern auch von außen betrachtet. Das Gespräch mit unseren Kollegen aus anderen Ländern ist lehrreich für beide Seiten, auch für uns deutsche Bibliothekare.

Ein anderer Aspekt der Bibliotheks- und Informationsarbeit, den wir im Goethe-Institut künftig ausbauen sollten, ist die proaktive Vermittlung von Informationen. Informationsarbeit beschränkt sich ja nicht auf die Beantwortung von Anfragen, sondern es kommt in zunehmendem Maß auch darauf an, jenen Interessenten oder Zielgruppen, die uns besonders wichtig sind - das sind in erster Linie solche mit "multiplikatorischer" Wirkung -, und deren Bedürfnisse hinsichtlich deutschlandbezogener Informationen wir ermittelt haben, in gewisser Regelmäßigkeit Informations-, Dokumentationspakete anzubieten. Das Internet ist hierfür heutzutage ein unverzichtbares Instrument, das wir künftig verstärkt auch als Informationsanbieter, nicht nur zur Informationsrecherche nutzen sollten.

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß die veränderten gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen das Goethe-Institut auch zu einer Neugewichtung seines Institutsnetzes veranlaßt. Daß das Auswärtige Amt seit 1990 in 11 Ländern neue Goethe-Institute gegründet hat und die Bibliotheks- und Informationsarbeit dort einen Schwerpunkt der Arbeit bildet, macht dies deutlich. Leider können derartige Gewichtsverlagerungen in Zeiten knapper Kassen nicht in einem additiven Verfahren realisiert werden, so daß wir neben Prioritäten auch Posterioritäten definieren müssen. In diesem Jahr mußten 5 Institute geschlossen werden, um den Personaleinsparungsauflagen des Bundesfinanzministers nachkommen zu können. Mit jeder Schließung eines Goethe-Instituts wird unverkennbar kulturpolitischer Schaden angerichtet. Das macht uns den von der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Realität her notwendigen neuen Blick auf die Weltkarte nicht leichter. Es wird in Zukunft also mehr denn je auch darauf ankommen, unsere Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen. Zusammenarbeit der Goethe-Institutsbibliotheken in einem Land, arbeitsteiliges Vorgehen auch auf länderübergreifender Ebene sind vor diesem Hintergrund nicht nur wichtig, sondern wesentlich. Wir begreifen die aktuelle Situation jedoch nicht als Grund zum Resignieren, sondern als eine Herausforderung.

1) In: Jahrbuch 1995-1996.

2) Herta Müller: Das freie Wort und das richtige Deutsch. In: In dieser Armut - welche Fülle! Reflexionen über 25 Jahre auswärtige Kulturarbeit des Goethe-Instituts / hrsg. v. Joachim Sartorius. - Steidl, 1996.


Stand: 04.09.97
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