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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 6, 97

"Passive" elektronische Dokumentlieferung im täglichen Einsatz
Analyse der tatsächlichen Lieferfähigkeit von Dokumentlieferanten

Martin Karlowitsch

1. Grund und Gegenstand der Untersuchung

Dokumentlieferanten mit elektronischem Bestellweg sind zur Zeit ein wesentlicher Diskussionspunkt in den - oftmals auch die passive Fernleihe thematisierenden - Überlegungen zur Beschaffung von lokal in Bibliotheken nicht vorhandener Literatur.1) Hierbei wird zumeist postuliert, daß derartige Dokumentlieferanten durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien per se in der Lage seien, diesen Beschaffungsprozeß zu vereinfachen und daher zu beschleunigen.2) Auf Grund dieser These sollten daher zunehmend Wege gefunden werden, die elektronische Bestellung von Literatur in die Abläufe der passiven Fernleihe zu integrieren bzw. die passive Fernleihe um dieses Angebot zu erweitern.3) Obwohl in diesen Argumentationen z. T. grundlegende Reorganisationen gewachsener und etablierter Abläufe gefordert werden, reichen sie nicht über die bloße Postulierung der hohen Lieferfähigkeit von Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit hinaus bzw. beschränken sich auf eine empirisch sehr eng gehaltene und damit nicht repräsentative Untersuchung.4)

Um diesem Manko entgegenzutreten, wurden im vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten DBI-Projekt "Der Wettbewerb auf dem Informationsmarkt. Findung einer praxiswirksamen Marketingstrategie für Bibliotheken"5) in der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Düsseldorf zwei empirische Studien durchgeführt. In einem ersten Schritt6) konnte in einer vergleichenden Analyse für 76,6 % aller über passive Fernleihen geäußerten Literaturwünsche die potentielle Lieferfähigkeit ausgewählter elektronischer Dokumentlieferanten ermittelt werden. Der zweite Analyseschritt, die Untersuchung der tatsächlichen Lieferfähigkeit, wurde in einer sich anschließenden Studie vollzogen und steht im Zentrum der folgenden Darstellung.

2. Vorstellung des Untersuchungsdesigns

Um die Möglichkeit einer Verzahnung von elektronischer Dokumentlieferung mit der passiven Fernleihe zu prüfen, wurde im Zeitraum vom 14.10.1996 bis zum 28.10.1996 versucht, alle passiven Fernleihbestellungen in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf über derartige Anbieter abzuwickeln.

Dabei wurden die von den Benutzern abgegebenen Fernleihbestellungen - dem üblichen Ablauf folgend - zunächst jeden Morgen bibliographiert und signiert. Anstatt danach in die Fernleihstelle weitergegeben zu werden, gingen die Fernleihen, differenziert nach Monographie- und Zeitschriftenbestellungen, zu den Mitarbeitern von COMBI. Die gewünschten Monographien wurden im Verbundkatalogmodul (VK95) von DBI-LINK7) auf einen Bestandsnachweis hin überprüft und bei positivem Suchergebnis im Modus einer "Normalbestellung" geordert. Nicht nachgewiesene Monographien mit englischem Erscheinungsort wurden als Blindbestellung bei der British Library in derselben Datenbank aufgegeben. Die Recherche der Zeitschriftenbestellungen fand - in der Reihenfolge der nachstehenden Aufzählung - in den DBI-LINK-Datenbanken ZDB1, BSER8) und KNAW9) sowie anschließend bei UnCover statt. Die Bestellung erfolgte jeweils bei dem ersten ermittelten Bestandsnachweis. Für den Fall der Ermittlung von mehreren Bestandsnachweisen bei an DBI-LINK teilnehmenden Bibliotheken in der ZDB1-Datenbank, wurde von diesen jeweils nur eine als Lieferant für die abzugebende Bestellung nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Der Wahl der dargelegten Reihenfolge der Recherche-Datenbanken liegen die Erkenntnisse der oben bereits angesprochenen Untersuchung zur potentiellen Lieferfähigkeit von Dokumentlieferanten zugrunde: So wurde, um die Recherchezeit möglichst gering und damit die Effizienz einer Bestellabwicklung möglichst hoch zu halten, zunächst in den Datenbanken recherchiert, bei denen vorab ein hoher Anteil der Bestandsnachweise ermittelt werden konnte. Der im Vergleich zu diesen Ergebnissen erfolgte Wechsel in der Rangfolge zwischen der KNAW und UnCover liegt in der Tatsache begründet, daß die KNAW ebenso wie die ZDB1 und die BSER ein DBI-LINK-Modul ist und es somit bei erfolglosen Versuchen in der ZDB1 und der BSER bei den anschließenden Recherchen nur zu maximal einem Wechsel der Datenbankplattform kommen konnte.10)

Die getätigten Bestellungen wurden mit den wichtigsten Informationen in einer Datenbank erfaßt, um eine spätere Zuordnung der Lieferung zu erleichtern. Fernleihen, für die bei keinem der Dokumentlieferanten ein Nachweis gefunden werden konnte, wurden nach einer statistischen Erfassung unmittelbar an die Fernleihe weitergegeben, um so möglichst schnell über den konventionellen Fernleihweg abgewickelt werden zu können. Das gleiche Verfahren fand bei Bestellungen Anwendung, die von dem gewählten Lieferanten zurückgewiesen wurden. Denn ein erneuter Versuch, diesen als schwer beschaffbar einzuschätzenden Titel zu bestellen, implizierte ein wiederholtes Risiko der Zurückweisung und somit eine weitere Verzögerung der Erfüllung des Bestellwunsches. Nach der Identifizierung eingehender Lieferungen mit Hilfe der bereits erwähnten Datenbank erfolgte zusammen mit den kompletten Fernleihunterlagen die Weitergabe an die Fernleihstelle der ULB Düsseldorf. Die wichtigsten leistungsbezogenen Daten, um insbesondere die Zeiten der einzelnen Teilprozesse einer Bestellung zu ermitteln, wurden auf einem, dem Fernleihschein angehefteten, Laufzettel eingetragen und ebenfalls erfaßt.

3. Analyse der Lieferfähigkeit der einzelnen Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit

3.1 Überblick über di Struktur der Bestellungen

In dem Untersuchungszeitraum vom 14.10.1996 bis zum 28.10.1996 wurden in der ULB Düsseldorf 983 Fernleihbestellungen abgegeben. Da bereits bei 384 Fernleihen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % für das gesamte passive Fernleihvolumen eines Jahres in der ULB Düsseldorf statistisch repräsentative Aussagen getroffen werden können, ist die vorliegende Stichprobe somit hinreichend umfangreich. Die 983 Fernleihen setzten sich aus 471 Monographie- (47,9 %) und 506 Zeitschriftenbestellungen (51,5 %) zusammen, wobei in 6 Fällen (0,6 %) keine Angabe über die Literaturart vorliegt. Die der Untersuchung zugrundeliegenden Fernleihen wurden in 54,6 % von Institutsmitarbeitern und in 41,5 % von Studierenden und Externen abgegeben. Bei 38 Fernleihen (3,9 %) konnte der Nutzerstatus nicht eindeutig identifiziert werden.

Das Ergebnis der ersten Analyse bestätigend, wurde in 75,5 % ein Bestandsnachweis bei einem der untersuchten Dokumentlieferanten ermittelt. Weil zusätzlich 3 Blindbestellungen bei dem British Library Document Supply Centre (BLDSC) abgegeben wurden, summiert sich die Zahl der getätigten Bestellungen auf insgesamt 745. Davon wurden 123 (16,5 %) zurückgewiesen, während 622 (83,5 %) in einer durchschnittlichen Lieferzeit von 5,9 Arbeitstagen11) positiv erledigt wurden. Bezogen auf alle 983 zugrundeliegenden Fernleihen läßt sich somit folgende erste Aussage formulieren:

Aussage 1:
63,3 % aller 983 untersuchten Fernleihen, die das gesamte passive Fernleihvolumen der ULB Düsseldorf statistisch hinreichend repräsentieren, konnten erfolgreich über Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit innerhalb von durchschnittlich 5,9 Arbeitstagen bezogen werden.

3.2 Entwicklung eines Kriterienkataloges zur Aussagengewinnung über die Lieferfähigkeit

Um neben dieser eher pauschalen Feststellung auch Aussagen über die Lieferfähigkeit der einzelnen Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit treffen zu können, sollten vorab Kriterien definiert werden, mit denen der Terminus "Lieferfähigkeit" zweckgerecht und hinreichend operationalisiert werden kann. Als wichtigste Leistungsmerkmale für die zu untersuchenden Dokumentlieferanten und zugleich als "kritische Größen" bei einer Einbindung derartiger Anbieter in den Bibliotheksalltag lassen sich folgende drei Kriterien anführen:

Erfolgsquote: Mit der Erfolgsquote oder Erfolgswahrscheinlichkeit eines Lieferanten sei der Quotient aus der Anzahl der erhaltenen Titel von diesem Lieferanten und der Anzahl der Bestellungen bei diesem Lieferanten definiert. Die Erfolgsquote erlaubt Prognosen, inwieweit Bestellwünsche befriedigt werden können bzw. inwieweit auf Grund von Zurückweisungen unnötiger Rechercheaufwand betrieben wird. Die Erfolgsquote ist jeweils hinsichtlich der Literaturart (Monographien und Zeitschriften) zu differenzieren, da je nach Literaturart eine unterschiedliche potentielle Lieferfähigkeit ermittelt wurde12) und somit auch ein unterschiedliches tatsächliches Lieferverhalten zu erwarten ist.

Lieferzeit: Die Lieferzeit mißt die Zeitspanne vom "Absenden" der elektronischen Bestellung bis zum Erhalt der Lieferung. Sie wird in Arbeitstagen beziffert, da diesen mehr Aussagekraft als Kalendertagen zukommt. Bei Rückweisungen wird die vergleichbare Zeitspanne als Rückweisezeit bezeichnet. Auch bei der Lieferzeit ist es geboten, die beiden Literaturarten zu separieren, da in den liefernden Organisationen abhängig von der Literaturart unterschiedlich arbeitsintensive Tätigkeiten zur Erledigung einer Bestellung notwendig sind.

Gebühren: Für jede Lieferung eines Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit sind dem Lieferanten Gebühren zu zahlen. Da die Dokumentlieferanten als Preissetzer agieren, variieren diese Gebühren. Bei den Gebühren ist eine Unterscheidung hinsichtlich der beiden Literaturarten nicht notwendig, da mit Ausnahme des BLDSC die in die Analyse einbezogenen Lieferanten keine literaturartabhängige Preisdifferenzierung betreiben und die Anzahl der beim BLDSC getätigten Bestellungen gering ist.

Diese Kriterien zusammenfügend, kann für jeden analysierten Lieferanten ein "Lieferfähigkeitsprofil" entwickelt werden, wie es die nachstehende Abbildung beispielhaft darstellt. Bei einem derartigen Profil wird auf jeder Achse illustriert, wie nahe der entsprechende Lieferant bei dem jeweiligen Kriterium dem von allen untersuchten Lieferanten erzielten besten Wert kommt. In der nachstehenden Abbildung 1 ist die Leistung eines Anbieters immer dann als verhältnismäßig gut zu bewerten, je weiter außen auf der jeweiligen Achse sich die Ausprägungen der einzelnen Kriterien befinden. So ist der in dieser Abbildung fokussierte - "erfundene" - Lieferant charakterisiert von einer relativ hohen Erfolgsquote bei Monographien, einer durchschnittlichen Erfolgsquote bei Zeitschriften, verhältnismäßig hohen Gebühren, einer hohen Monographie-, aber einer sehr niedrigen Zeitschriftenlieferzeit, einer relativ kurzen Rückweisezeit bei Monographien sowie einer relativ langen Rückweisezeit bei Zeitschriften.

Abbildung 1: Lieferfähigkeitsprofil zur vergleichenden Analyse der Lieferfähigkeit ausgewählter Dokumentlieferanten

3.3 Anwendung des Kriterienkataloges zur vergleichenden Analyse der untersuchten Dokumentlieferanten

3.3.1 Die Erfolgsquoten der einzelnen Lieferanten

Alle 742 Bestandsnachweise, die den 745 Bestellungen zugrunde lagen, wurden in den DBI-LINK-Datenbanken VK95, ZDB1 oder BSER ermittelt - wobei anzumerken ist, daß sich die Anzahl der BSER-Nachweise auf lediglich 28 beläuft. Dem oben erläuterten Vorgehen entsprechend wurden die gewünschten 241 Titel, für die in diesen Datenbanken kein Bestandsnachweis gefunden werden konnte, außerdem noch in der DBI-LINK-Datenbank KNAW und bei UnCover recherchiert. Da sich in diesen Datenbanken jedoch für keinen der recherchierten Titel ein Nachweis finden ließ, wurde im Rahmen der angestellten Analyse weder eine Bestellung bei der KNAW noch bei UnCover aufgegeben. Die Erkenntnis, daß alle ermittelten Bestandsnachweise im wesentlichen aus den beiden, auf einer gemeinsamen "Plattform" basierenden, Datenbanken VK95 und ZDB1 stammten, führt zur zweiten Aussage:

Aussage 2:
Bei einer möglichen dauerhaften Integration von Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit in die Bibliothekspraxis ist es gemäß dem jetzigen Stand der Technik und der aktuellen Datenbankvolumina sinnvoll, diese Integration auf die DBI-LINK-Datenbanken VK95 und ZDB1 zu beschränken.

Da aber eine derart pauschale Aussage für die tägliche Bibliothekspraxis nur wenige Steuerungsinformationen liefert, sollte die Erfolgsquotenbetrachtung die einzelnen - zum Zeitpunkt der Analyse insgesamt 15 - an DBI-LINK teilnehmenden Bibliotheken fokussieren. Somit lassen sich für einzelne Betrachtungspunkte dieser Untersuchung aufschlußreichere Informationen gewinnen, da insbesondere die in dieser Untersuchung ebenfalls zu ermittelnden Lieferzeiten jeder einzelnen Bibliothek wichtige Ausgangsgrößen bei einem Benchmarking13) bieten könnten. Um hier jedoch nicht die Entstehung eventuell vorschneller Urteile über die einzelnen Bibliotheken zu provozieren,14) wird diese vergleichende Darstellung im folgenden anonymisiert vollzogen. Damit die gewünschten Erkenntnisse über die Erfolgsquoten gewonnen werden können, bietet sich zunächst ein Überblick über die Verteilung aller 742 Bestandsnachweise auf die einzelnen Anbieter an:

Tabelle 1: Verteilung der Bestandsnachweise auf die einzelnen Lieferanten15)

Der hier offenbar werdende Unterschied in der Zahl der Bestandsnachweise - zwischen 12 bei den Lieferanten C und I im Vergleich zu 110 bei dem Lieferant J - hat keine Auswirkung auf die Integration derartiger Angebote in den bibliothekarischen Alltag, denn bis auf wenige Ausnahmen liegen allen die VK95-Datenbank (Monographien) oder die Zeitschriftendatenbank ZDB1 zugrunde. Die heterogene Verteilung der Bestandsnachweise auf die Lieferanten hätte nur dann eine Konsequenz für deren Einbindung in das Dienstleistungsspektrum einer Bibliothek, wenn die jeweiligen Anbieter über verschiedene Datenbanksysteme "kontaktiert" werden müßten. Daher erscheint es hier relevanter, die Zahl dieser Bestandsnachweise der Zahl der tatsächlich erfolgten und auch erfolgreichen Bestellungen gegenüberzustellen. Die so ermittelte Erfolgsquote könnte z. B. zur Entscheidungsunterstützung immer dann eingesetzt werden, wenn in einer Datenbank mehrere potentielle Lieferanten identifiziert werden und einer dieser Lieferanten zur möglichst zeit- und kostenoptimalen erfolgreichen Bestellung ausgewählt werden sollte. Die nachstehende Tabelle 2 dokumentiert die so verstandene Erfolgsquote der einzelnen Lieferanten.

Tabelle 2: Erfolgs- und Mißerfolgsquoten der einzelnen Lieferanten

Hier fällt deutlich auf, daß die Erfolgsquoten je nach Anbieter stark schwanken und daß daher die getroffene Aussage 1 in dem Sinne zu relativieren ist, daß es Lieferanten gibt, bei denen bei Vorliegen eines Bestandsnachweises die Erfolgswahrscheinlichkeit höher ist als bei anderen. Hätte man in der angestellten Untersuchung darauf verzichtet, bei Mehrfachbestandsnachweisen zur Auswahl eines Lieferanten das Zufallsprinzip zu wählen, und hätte statt dessen gezielt diejenigen Anbieter mit hoher Erfolgsquote kontaktiert, so wäre der Anteil erfolgreicher Bestellungen höher als 63,3 %. Da mithin die fundierte Wahl eines Lieferanten die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Bestellung maßgeblich erhöhen kann, läßt sich die dritte Aussage formulieren:

Aussage 3:
Bei Vorliegen eines Bestandsnachweises variiert die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Lieferung zwischen 46,4 % und 91,7 %, so daß es zuverlässige und weniger erfolgversprechende Anbieter gibt. Allerdings liegt bei drei Viertel aller Lieferanten die Erfolgsquote bei immerhin über 85 %.

Diese Erkenntnis gewinnt an zusätzlicher Transparenz und Aussagekraft, wenn die bisher aggregiert betrachtete Gesamtmenge der Bestellungen hinsichtlich der jeweiligen Literaturart (Monographien und Zeitschriften) differenziert wird. Somit kann untersucht werden, ob die Erfolgs- bzw. Mißerfolgsquoten der einzelnen Lieferanten von der bestellten Literaturart abhängig sind. Der vorab angestellten Analyse der potentiellen Lieferfähigkeit folgend ließe sich nämlich postulieren, daß die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Zeitschriftenartikeln höher sein muß, da sich für diese im allgemeinen mehr Bestandsnachweise ermitteln lassen.16) Tabelle 3 gibt Aufschluß über diese Fragestellung:

Tabelle 3: Erfolgs- und Mißerfolgsquoten der einzelnen Lieferanten differenziert nach der Literaturart

Tabelle 3 unterstreicht die vorab aufgestellte Hypothese der schwierigeren Beschaffbarkeit von Monographien. Während bei diesen in 41,6 % aller Fälle - also bei 196 Titeln - überhaupt kein Nachweis ermittelt werden konnte, gilt dies bei Zeitschriftenbestellungen in nur 8,1 % der Fälle. Daraus resultiert die Tatsache, daß nur 46,5 % aller Monographiebestellungen erfolgreich über elektronische Dokumentliefersysteme abgewickelt werden konnten, wohingegen 78,8 % aller gewünschten Zeitschriftentitel auf diesem Wege zu beschaffen waren:

Aussage 4:
Ü ber drei Viertel aller in der passiven Fernleihe bestellten Zeitschriftentitel lassen sich über Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit beziehen. Dahingegen sind es weniger als die Hälfte aller Monographiewünsche, die auf diesem Wege befriedigt werden können.

Dennoch ist eine starke Streuung der Erfolgswahrscheinlichkeit bei Monographien zwischen den einzelnen Anbietern evident. Während die Lieferanten F, G und P alle Monographie-Bestellungen erfolgreich erledigen konnten17), lag die Erfolgsquote der Lieferanten B, H und K bei knapp oder weniger als zwei Drittel.18) Auffallend bei den drei Lieferanten mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit bei Monographien ist, daß sie bei den Zeitschriftenbestellungen mit den Erfolgsquoten von 84,8 % (F), 83,3 % (G) und 89,6 % (P) nicht zur Spitzengruppe zählen, da hier immerhin 5 Lieferanten in mehr als 90 % der Fälle eine erhaltene Bestellung erfolgreich bearbeiten konnten. Damit wird deutlich, daß die vorab ermittelten pauschalen Erfolgswahrscheinlichkeiten durch eine Differenzierung in Monographie- und Zeitschriftenbestellungen an Aussagekraft gewinnen und daß einzelne Lieferanten, bei denen ein Vergleich des Lieferverhaltens hinsichtlich der Literaturarten auf Grund des vorliegenden Datenmaterials sinnvoll erscheint, ihre ausgeprägte Stärke bei einer Literaturart haben:

Aussage 5:
Obwohl die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Monographiebestellungen generell wesentlich niedriger als bei Zeitschriftenbestellungen ist, gibt es Lieferanten, die Monographien zuverlässiger liefern als Zeitschriften. Somit läßt sich ein literaturartabhängiges Lieferverhalten der einzelnen Anbieter konstatieren.

3.3.2 Die Liefer- und Rückweisezeiten der einzelnen Lieferanten

Um einen aussagekräftigen Überblick über die Gesamt-Lieferzeiten für die 622 erfolgreich abgewickelten Bestellungen zu erhalten, sollte der eingangs vorgestellte Wert der durchschnittlichen Lieferzeit von 5,9 Arbeitstagen genauer betrachtet werden. So lag die minimale Lieferzeit bei 2 Arbeitstagen, während das Maximum 36 Arbeitstage betrug. Der Median der gesamten Stichprobe - also der Wert, der bei einer aufsteigenden Aneinanderreihung aller erhobenen Werte genau deren Mitte markiert - belief sich auf 5 Arbeitstage. Da die erreichten Lieferzeiten derart stark streuen, sollten sie detaillierter untersucht werden:

Tabelle 4: Häufigkeiten der einzelnen Lieferzeiten

Die Häufigkeitstabelle der Lieferzeiten demonstriert, daß über 40 % der Lieferungen bereits innerhalb von maximal 4 Arbeitstagen erfolgreich abgewickelt werden konnten und daß bei knapp drei Viertel aller erfolgreichen Bestellungen (74,1 %) die Lieferfrist bei maximal 6 Arbeitstagen lag. Diesen als positiv zu bewertenden Lieferzeiten steht allerdings die Tatsache gegenüber, daß weit mehr als 10 % der erhaltenen Bestellungen eine Lieferzeit von 10 oder mehr Arbeitstagen aufwiesen - Zeiten, die denen der konventionellen Fernleihe z. T. schon recht nahe kommen19) und daher die Rechtfertigung der Gebührenerhebung in Frage stellen.

Der Zahl der 622 erfolgreichen Bestellungen sollte - auch bei einer zeitorientierten Untersuchung - den 123 Rückweisungen gegenübergestellt werden. Denn zum einen stellt diese Zahl mit 16,5 % aller Bestellversuche einen nicht zu unterschätzenden Anteil dar und zum anderen bedeutet jede Rückweisung eine nicht planbare Verzögerung in der Beschaffung der gewünschten Literatur und sollte folglich zeitminimal ablaufen. Dieser Forderung widerspricht die in der angestellten Analyse gewonnene Erkenntnis, daß die mittlere Rückweisezeit bei 7,2 Arbeitstagen lag und damit die mittlere Lieferzeit um mehr als einen Arbeitstag überschritt. Allerdings betrug auch hier der Median 5 und das Minimum 2 Arbeitstage, während sich der Maximalwert auf 43 Arbeitstage belief. Ebenso wie bei den Lieferzeiten soll bei den Rücklaufzeiten eine Häufigkeitstabelle deren Struktur verdeutlichen.

Tabelle 5: Häufigkeiten der einzelnen Rücklaufzeiten

Erneut ist besonders markant, daß zwar knapp die Hälfte (49,6 %) aller Rückweisungen die bestellende Bibliothek in 4 oder weniger Arbeitstagen erreichten, dennoch muß genauso konstatiert werden, daß für knapp ein Fünftel (19,5 %) aller Fälle die Rückweisezeit bei 10 oder mehr Arbeitstagen lag und somit in einem nicht unerheblichen Maße eine Verzögerung der Bestellabwicklung provozierte. Dies ist ein nur schwer zu verstehendes Manko in der Dokumentbeschaffung über elektronische Bestellwege, da die Rückweisungen bei Bestellungen über die DBI-LINK-Datenbanken per elektronischer Kommunikation weitergegeben werden und sie demzufolge, anders als die erfolgreichen Lieferungen, nicht den Postweg beanspruchen müssen. Zusammenfassend läßt sich Aussage 6 formulieren:

Aussage 6:
Rückweisungen benötigen im Mittel mehr als einen Arbeitstag länger als erfolgreiche Lieferungen, obwohl sie ausschließlich elektronische Kommunikationswege beanspruchen. Sie stellen damit ein erhebliches Manko der elektronischen Dokumentlieferung dar und verdeutlichen, wie stark stellenweise Anspruch und Wirklichkeit voneinander abweichen.

Dieses mit einem hohen Aggregationsgrad ermittelte Ergebnis wird im folgenden, ähnlich wie bei der Ermittlung der Erfolgsquoten, zuerst allgemein hinsichtlich der einzelnen Lieferanten und schließlich auch nach den beiden Literaturarten spezifiziert. Hier gibt Tabelle 6 einen ersten Einblick in die lieferantenabhängigen Liefer- und Rückweisezeiten:

Tabelle 6: Die lieferantenspezifischen Liefer- und Rückweisezeiten

Tabelle 6 zeigt einen deutlichen Unterschied bei den nach Anbietern unterschiedenen Liefer- und Rückweisezeiten: So bewegten sich die mittleren Lieferzeiten in dem relativ engen Intervall von 3,3 bis 9,7 Arbeitstagen, während die Rückweisezeiten zwischen minimal 2,3 und maximal 27 Arbeitstagen schwankten. Verdeutlicht wird das extreme Verhalten bei den Rückweisezeiten, wenn man beachtet, daß 4 der 16 Lieferanten eine Rückweisezeit von maximal 3 und 9 von 16 eine Rückweisefrist von maximal 5 Arbeitstagen hatten. Dahingegen waren es 5 der 16 Lieferanten, deren durchschnittliche Rückweisezeit bei mehr als 10 Tagen lag. Die Tatsache, daß allerdings nur 7 der 16 Lieferanten in maximal 5 Tagen den Bestellwunsch zu befriedigen in der Lage waren, läßt den Schluß zu, daß Rückweisezeiten, die kürzer als die Lieferzeiten sind, durch den Einsatz der modernen Kommunikationstechnologien durchaus realisierbar sind. Die im Mittel sehr hohe Rückweisezeit, aggregiert über alle Lieferanten, scheint demnach durch eine suboptimale Geschäftsprozeßorganisation einzelner Lieferanten begründbar zu sein und offenbart hohe Verbesserungspotentiale. Dennoch gilt es genauso, die reinen Lieferzeiten mit gezielten Maßnahmen zu verkürzen, da immerhin 3 der 16 Lieferanten eine durchschnittliche Lieferzeit von mehr als 9 Tagen aufweisen und es nur 2 aller Lieferanten schaffen, eine mittlere Lieferzeit von weniger als 4 Tagen zu realisieren.

Aussage 7:
Während die lieferantenspezifischen Rückweisezeiten extreme Werte annehmen, d. h. entweder sehr kurz oder aber sehr lang sind, verhalten sich die lieferantenspezifischen Lieferzeiten in dem Sinne homogen, daß sie im Mittel keine Spitzenzeit (< 3 Tage) erreichen. Somit kann sowohl für Rückweise- als auch für Lieferzeiten eine dringende Verbesserungsnotwendigkeit konstatiert werden.

Um diese Aussage zu verdeutlichen, ist in der Entwicklung des Lieferfähigkeitsprofils eine Differenzierung von Liefer- und Rückweisezeit hinsichtlich der Literaturart vorzunehmen. Tabelle 7 weist daher in einem ersten Schritt die jeweiligen Zeiten für die Literaturarten Monographie und Zeitschrift aggregriert über alle untersuchten Lieferanten aus:

Tabelle 7: Liefer- und Rückweisezeiten differenziert nach der Literaturart aggregiert über alle Lieferanten

Deutlich wird hierbei, daß sowohl Rückweisungen als auch erfolgreiche Lieferungen in Falle einer Bestellung von Zeitschriftenartikeln eine längere Arbeitsdauer als Monographiebestellungen aufweisen. Für den Fall der erfolgreichen Lieferung liegt dies - so ist zu vermuten - an dem notwendigen Kopieren der Artikel. Der Grund für die mehr als doppelt so hohe Rückweisezeit bei Zeitschriften liegt u.U. darin, daß nicht auffindbare Zeitschriftenbände zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gesucht werden. Dahingegen wird bei einer sich nicht am Standort befindenden Monographie wohl davon ausgegangen, daß sie z.Z. gar nicht geliefert werden kann, so daß auch eine unmittelbare Rückweisung erfolgen kann.

Aussage 8:
Betrachtet über alle Anbieter sind sowohl die Liefer- als auch die Rückweisezeiten im Falle der Monographiebestellung kürzer als bei Zeitschriften.

Differenziert man diese globalen Zeiten nach den einzelnen Lieferanten, so muß diese Aussage noch weiter präzisiert werden, wie Tabelle 8 zeigt.

Tabelle 8: Lieferzeiten differenziert nach Literaturart und Lieferant

Den Ergebnissen von Tabelle 8 folgend, ist die obige Aussage 8 zu relativieren: Von den 11 Lieferanten, deren Leistungsspektrum sowohl Monographien als auch Zeitschriftenartikel umfaßt, haben 7 eine kürzere Erledigungsfrist bei Zeitschriften als bei Monographien. Die im Vergleich zu den Monographielieferungen hohe ermittelte durchschnittliche Lieferzeit für Zeitschriftenartikel hängt insbesondere von einem Ausreißer ab: Lieferant A, bei dem keine Monographiebestellungen möglich sind, der aber in der angestellten Untersuchung die zweitmeisten Zeitschriftenartikel geliefert hat, weist mit im Mittel 9,8 Arbeitstagen für eine Lieferung die zweitlängste Zeit auf. Darüber hinaus läßt 8 weitere Schlußfolgerungen zu:

Von den 11 Monographien liefernden Anbietern gelang es 6, in weniger als oder in genau 5 Arbeitstagen zu liefern, so daß man hier von einem relativ homogenen Lieferverhalten sprechen kann. Mit 14,6 Arbeitstagen gibt es hier nur einen Ausreißer. Als besonders markant erweist es sich hier, daß die 3 Lieferanten (J, L und M), über die mehr als 50 % aller erfolgreichen Bestellungen abgewickelt wurden, mit 4,3 sowie 4,8 und 3,2 Arbeitstagen kurze Lieferzeiten aufweisen. Ein anderes Bild ergibt sich bei den Rückweisezeiten auf Monographiebestellungen, da hier 7 der 9 Anbieter, die Monographiebestellungen zurückgewiesen haben, verhältnismäßig kurze Zeiten vorweisen (2,6 bis 5,1 Arbeitstage), wovon immerhin noch 6 Anbieter Zeiten von 3 oder weniger Arbeitstagen realisieren. Auch hier gibt es allerdings mit 10 Arbeitstagen Rückweisezeit einen Ausreißer.20) Ein grundsätzlich anderes Verhalten weisen die einzelnen Lieferanten hinsichtlich der Zeitschriftenbestellungen auf. Bei den erfolgreichen Lieferungen lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: So konnten 12 der 16 Anbieter ihre 243 Bestellungen (ca. 60 % aller erfolgreichen Zeitschriftenlieferungen) in weniger als 6 Arbeitstagen erledigen, während die übrigen 40 % der Lieferungen von den anderen 4 Anbietern in mehr als 6 und bis zu 10,1 Arbeitstagen vollzogen wurden. Diese beiden Gruppen lassen sich bei den Rückweisungen auf Zeitschriftenbestellungen nicht bilden, da hier die erzielten durchschnittlichen Zeiten zwischen 2 und 22 Arbeitstagen stark streuen. Auffallend ist allerdings, daß die Lieferanten A, B, F und P, von denen nahezu 60 % aller Rückweisungen auf Zeitschriftenbestellungen stammen, tendenziell auch die durchschnittlich längste Zeit für eine Rückweisung benötigen. Zusammenfassend läßt sich somit Aussage 9 formulieren:

Aussage 9:
Die anbieterbezogene Betrachtung der Liefer- und Rückweisezeiten mit der Differenzierung nach Literaturarten macht Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Anbietern deutlich und legt eine Lieferantenselektion vor einer Bestellung nahe. Bemerkenswert ist, daß die wenigen Anbieter, auf die ein Großteil aller Zeitschriften-Zurückweisungen entfallen, hierfür mit Abstand die längste Zeit benötigen.

3.3.3 Die Gebühren der einzelnen Lieferanten

Um die gewonnenen Ergebnisse hinsichtlich der Erfolgsquoten sowie der Liefer- bzw. Rückweisezeiten der einzelnen Anbieter zu komplettieren, wurde als drittes Kriterium für die Lieferfähigkeit eines Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellkomponente die Gebühr gewählt. Da die der Analyse zugrundeliegenden Lieferanten alle über DBI-LINK kontaktiert werden können, fallen bei keinem von ihnen Gebühren für den reinen Datenbankzugriff an. Damit setzt sich die zu entrichtende Gebühr bei einer erfolgreichen Bestellung aus zwei Komponenten zusammen:

Die Preise für eine erfolgreiche Lieferung - mit Schwankungen z. B. bei Zeitschriften zwischen 8 und 20 DM - können über die eingangs entwickelten Lieferfähigkeitsprofile in Relation zu den jeweiligen Leistungen gesetzt werden. Dies ist sinnvoll, um nicht nur das absolute Preisniveau der einzelnen Anbieter beurteilen zu können, sondern darüber hinaus auch Erkenntnisse über ein denkbares "Preis-Leistungs-Verhältnis" zu gewinnen. Ebenso muß berücksichtigt werden, daß die CPU-Gebühren sowohl für eine erfolglose Recherche als auch bei zwar erfolgreichen Recherchen, aber anschließend zurückgewiesenen Bestellungen anfallen. Daher sind sowohl die in Tabelle 1 dargestellten "Bestandsnachweisquoten" als auch die der Tabelle 6 zu entnehmenden Rückweisehäufigkeiten der einzelnen Lieferanten von Interesse, da sie für die vermittelnde Bibliothek zu Auszahlungen führen, ohne daß das angestrebte Ziel erreicht werden kann.22)

3.3.4 Zusammenfassung: Die Lieferfähigkeitsprofile der einzelnen Lieferanten

In einer tabellarischen Darstellung werden nun die Lieferfähigkeitsprofile der einzelnen Lieferanten zusammengefaßt, um somit Aussagen über die "Gebühr-Leistungs-Verhältnisse" und somit letztendlich über die tatsächliche Lieferfähigkeit der einzelnen Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit zu erlauben. Auf eine Hintereinanderreihung der Lieferfähigkeitsprofil-Grafiken, wie sie Abbildung 1 exemplarisch zeigt, soll hier aus Platzgründen verzichtet werden.

Tabelle 9: Die einzelnen Lieferfähigkeitsprofile im Vergleich23)

Mit Hilfe dieser Darstellung lassen sich gezielte Steuerungsinformationen bei der Vermittlung eines Nutzerauftrages an einen Dokumentlieferanten mit elektronischer Bestellmöglichkeit gewinnen. So wäre z. B. bei der Auswahl des Lieferanten für eine Zeitschriftenbestellung, bei der es auf niedrige Gebühren und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit ankommt, Lieferant E zu empfehlen. Allerdings müßte hier die einschränkende Feststellung getroffen werden, daß die hohe Zuverlässigkeit der "billigsten Lösung" mit einer suboptimalen Lieferzeit "erkauft" würde. Nutzer, die preisunempfindlicher sind und eine kurze Lieferzeit als notwendige Bedingung für einen Bestellauftrag auf Zeitschriftenartikel angeben, sollten dahingegen auf den Lieferanten C verwiesen werden.

4. Interne Abwicklungszeiten bei permanenter Bestellungsaufgabe

Die Abwicklung einer Literaturbestellung über elektronische Dokumentlieferanten besteht jedoch nicht nur aus der Liefer- bzw. Rückweisezeit, sondern es werden ebenso auch noch Vor- und Nachlieferzeiten als Bestimmungsfaktoren der gesamten Durchlaufzeit wirksam.24)

Die Vorlieferzeit setzt sich dabei zusammen aus der Bibliographier- und der Recherchezeit, wobei die Bibliographierzeit durch das gewählte Vorgehen der angestellten Analyse hervorgerufen wurde und daher vernachlässigt werden kann. Die Recherchezeit dagegen mißt den Zeitraum zwischen der Ankunft des Fernleihscheines und der Absetzung der elektronischen Bestellung bzw. der Weitergabe eines nicht zu bestellenden Titels an die Fernleihe. Hier sollte zwischen den Zeiten für eine erfolgreiche und eine erfolglose Bestellung unterschieden werden. Beide Arten der Recherchezeit lassen sich als Leistungsmaßstäbe für die interne Bestellabwicklung verstehen, solange diese nicht auf den Besteller abgewälzt wird.

Neben der Vorlieferzeit läßt sich die Nachlieferzeit als zweiter interner Bestimmungsfaktor der gesamten Durchlaufzeit ansehen. Auch sie kann - erneut dem gegebenen Untersuchungsaufbau folgend - in zwei Elemente zerlegt werden: die Zuordnungs- und die Benachrichtigungszeit. Hier beziffert die Zuordnungszeit den Zeitraum von dem Eintreffen einer Literatursendung bis zur Weitergabe des erhaltenen Titels an die Fernleihstelle, wohingegen die Benachrichtigungszeit die Frist von der Weitergabe des Titels an die Fernleihe bis zur Absendung der Antwortkarte an den Nutzer angibt. Da die Benachrichtigungszeit als Resultat des gewählten Analysedesigns nur angefallen ist, da die erhaltene Lieferung über den "Umweg" der Fernleihstelle an den Nutzer weitergeleitet wurde, kann auch sie hier vernachlässigt werden. Dahingegen besteht das Problem der Zuordnung einer erhaltenen Lieferung bzw. einer Nutzer-Nachfrage zu einer noch nicht erledigten Lieferung auch bei einer permanenten Bestellabwicklung. Dies ist z. B. immer dann der Fall, wenn der Lieferant insbesondere seine Monographiesendungen nur an Bibliotheken richtet und zahlungswillige Nutzer daher eine vermittelnde Bibliothek einschalten müssen.

In der vorgestellten Analyse waren neben den in Abschnitt 3.3.2 diskutierten Liefer- und Rückweisezeiten auch die internen Bearbeitungszeiten von nicht zu unterschätzender Länge. So weisen sowohl die Vor- als auch die Nachlieferzeit einen Median von 3 Arbeitstagen auf, wobei allerdings die Streuung der Vorlieferzeit um ein Vielfaches höher ist als die der Nachlieferzeit, so daß sich der Mittelwert der Vorlieferzeit auf insgesamt 3,4 Arbeitstage beläuft - gegenüber 2,9 Tagen Nachlieferzeit. Dem muß allerdings entgegengehalten werden, daß jeweils die Bestandteile von Vor- und Nachlieferzeit den größten Anteil ausmachen, die vorab als generell vermeidbar oder zumindest stark reduzierbar identifiziert wurden. Diese beiden Zeitspannen treten auch in praxi - so z. B. bei dem nordrhein-westfälischen Schnellbestellsystem JASON - nicht auf, da hier der Nutzer selbständig, d. h. auch ohne die Unterstützung einer vermittelnden Bibliothek, recherchiert und sich den gewünschten Titel direkt an seinen Arbeitsplatz schicken lassen kann. Wo aber noch notwendig, summiert sich die interne Bearbeitungszeit der beiden "wichtigen" Teilschritte Recherche- und Zuordnungszeit auf immerhin durchschnittlich 3,3 Arbeitstage bei einer erfolgreichen bzw. 3,9 Arbeitstage bei einer erfolglosen Recherche. Mit diesen Zeiten würde selbst eine Beschleunigung der reinen Lieferzeit auf durchschnittlich 2 Tage immer noch zu einer Gesamt-Durchlaufzeit von durchschnittlich über 5 Arbeitstagen führen. Abschließend läßt sich daher konstatieren:

Aussage 10:
Neben den zu langen reinen Lieferzeiten nimmt auch die interne Abwicklung der Bestellungen in der vermittelnden Bibliothek zu viel Zeit in Anspruch. Hier müssen interne Geschäftsprozeßoptimierungen eingeleitet werden, um den möglichen Effekt einer Online-Lieferung nicht zu konterkarieren.

5. Benchmarking als Instrument zur Prozeßverbesserung

Da sowohl die reinen Lieferzeiten als auch die Vor- und Nachlieferzeiten für eine elektronische Dokumentlieferung momentan noch nicht hinreichend optimiert sind und z. T. die Erhebung einer Gebühr für eine derartige Dienstleistung zumindest in der bisherigen Höhe nicht rechtfertigen, sollten Maßnahmen zur Durchlaufzeitverbesserung entwickelt und umgesetzt werden. In diesem Kontext soll das Benchmarking25) als Instrument zur Identifizierung von Prozeßverbesserungsmöglichkeiten kurz vorgestellt werden.

Plakativ läßt sich die Grundidee des Benchmarking mit der Formel "Kapieren und Kopieren" einführen. Das Benchmarking ist durch das systematische Suchen nach rationellen Vorgehensweisen und besseren Lösungen für detaillierte Problemfelder außerhalb der "eigenen Welt" bzw. der eigenen Branche gekennzeichnet. So dient es der Aufspürung von Verbesserungspotentialen für Produkte, Dienstleistungen und betriebliche Prozesse26) durch einen kennzahlenbasierten Vergleich mit Abteilungen des eigenen Unternehmens, mit Konkurrenten oder mit branchenfremden Unternehmen. Als zentrales Charakteristikum des auszuwählenden Vergleichsunternehmens zählt dabei dessen anerkannte Fähigkeit, bei dem zu vergleichenden Objekt besondere Leistungen zu erzielen.27) Als Ziel des Benchmarking fungiert allerdings nicht nur die vergleichende Darstellung bestimmter Handlungsergebnisse, sondern es soll vielmehr offengelegt werden, wie diese Ergebnisse zustandegekommen sind: Denn nur über ein "Kapieren" der Ursachen kann es auch zu einem "Kopieren" der Methoden zur zukünftigen Vermeidung der identifizierten Schwächen kommen. Nicht die Unterschiede zu anderen sind beim Benchmarking der Schwerpunkt der Untersuchung, sondern die gezielte Identifikation der besten Praktiken, mit denen überdurchschnittliche Wettbewerbsvorteile zu erreichen sind. Das Benchmarking ist entscheidend geprägt von der Frage: "Warum machen es andere besser?". Als elementar dabei erweist sich die "Festlegung geeigneter Leistungsbeurteilungsgrößen (Benchmarks) für sämtliche Schlüsselaktivitäten"28), da insbesondere quantifizierbare Größen die Notwendigkeit zur Prozeßverbesserung offenlegen und zur Ermittlung des idealen Benchmarkingpartners beitragen.

Mit der Anwendung eines Benchmarking könnten Bibliotheken lernen, "über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen" und Problemlösungen von solchen Unternehmen oder Organisationen zu übernehmen, die die dargelegten aktuellen bibliothekarischen Probleme der Geschäftsgangorganisation zum Teil schon vor längerer Zeit gelöst haben.

Literatur:

Bilo, Albert: Information als Ware. Kosten- und leistungswirksames Marketing für Hochschulbibliotheken. In: Wefers, Sabine (Hrsg.), Die Herausforderungen der Bibliotheken durch elektronische Medien und neue Organisationsformen. 85. Deutscher Bibliothekartag in Göttingen 1995, Frankfurt am Main, 1996, S. 125 - 135.

Degkwitz, Andreas: Dokumentlieferung für Wissenschaft und Forschung, in: Wefers, Sabine (Hrsg.), Ressourcen nutzen für neue Aufgaben. 86. Deutscher Bibliothekartag in Erlangen, 1996, Frankfurt am Main, 1997, S. 153 - 158.

Deutsche Forschungsgemeinschaft: Dokumentlieferung für Wissenschaft und Forschung. Perspektiven zur Entfaltung, in: ZfBB, 41. Jg., 1994, Heft 4, S. 375 - 392.

Dugall, Berndt: SUBITO Sofortmaßnahmen, in: Wefers, Sabine (Hrsg.), Die Herausforderungen der Bibliotheken durch elektronsiche Medien und neue Organisationsformen. 85. Deutscher Bibliothekartag in Göttingen 1995, Frankfurt am Main, 1996, S. 103 - 108.

Hirsch, Michael Christian: Subito - ein Schlagwort und was dahinter steht, in: Wefers, Sabine (Hrsg.), Die Herausforderungen der Bibliotheken durch elektronische Medien und neue Organisationsformen. 85. Deutscher Bibliothekartag in Göttingen 1995, Frankfurt am Main, 1996, S. 67 - 72.

Hoffjan, Andreas: Effizienzvergleiche öffentlicher Theater. Cost Benchmarking als strategische Erweiterung eines theaterspezifischen Controlling, in: ZögU, 17. Jg., 1994, Heft 3, S. 292 - 310.

Hoffjan, Andreas: Cost Benchmarking als Instrument des strategischen Kostenmanagement, in: Zeitschrift für Planung, 6. Jg., 1995, S. 155 - 166.

Hoffmann, Florian: Elektronische Dokumentlieferung an der TU-Harburg. Aus dem Internet: http://www.tu-harburg.de/b/flo.htm.

Horváth, Péter; Herter, Ronald N.: Benchmarking. Vergleich mit den Besten der Besten, in: Controlling, 4. Jg., 1992, Heft 1, S. 4 - 11.

Karlowitsch, Martin: Die Lieferbereitschaft von Dokumentlieferanten im Fokus, in: Bibliotheksdienst, 31. Jg., 1997, Heft 1, S. 47 - 58.

1) Vgl. z.B. Degkwitz, A. (1997), S. 153 ff. oder Deutsche Forschungsgemeinschaft (1994), S. 375 ff. Ebenso sei in diesem Kontext die SUBITO-Initiative besonders hervorgehoben. Vgl. dazu als Überblick Hirsch, M. C. (1996), S. 67 ff. sowie Dugall, B. (1996), S. 103 ff.

2) Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft (1994), S. 377.

3) Vgl. allgemein zu diesem Gedanken Deutsche Forschungsgemeinschaft (1994), S. 380 ff. Explizite Vorschläge über die Art der Integration liefert Dugall, B. (1996).

4) Als Beispiel für eine derartige Untersuchung sei Hoffmann, F. (1996) angeführt.

5) Als Arbeitsbezeichnung für dieses Projekt wurde COMBI (Controlling und Marketing für Bibliotheken) gewählt. Vgl. ausführlich zu diesem Projekt Bilo, A. (1996), S. 125 ff.

6) Vgl. Karlowitsch, M. (1997), S. 47 ff.

7) DBI-LINK ist ein vom Deutschen Bibliotheksinstitut angebotener Service, der es registrierten und angemeldeten Nutzern erlaubt, nach der Recherche in verschiedenen Datenbanken den gefundenen Titel bei bestimmten Bibliotheken gegen eine von diesen festgesetzte Gebühr online zu bestellen.

8) Die Datenbank BSER ist der Nachweis über die im British Library Document Supply Centre in Boston Spa gehaltenen Zeitschriften und Serien.

9) Die Datenbank KNAW ist der Nachweis über die in der Bibliothek der königlich-niederländischen Akademie der Künste und Wissenschaften in Amsterdam gehaltenen Zeitschriften.

10) Der Verzicht auf eine Recherche und eine Bestellung über JASON erklärt sich zum einen damit, daß für diese Untersuchung Projektmittel bereitstanden, diese aber nicht über eine JASON-Bestellung zu Bibliothekseinnahmen "umgewidmet" werden sollten. Zum anderen lagen der ULB Düsseldorf bereits vor dieser Untersuchung Statistiken zu JASON-Bestellungen vor, die valide Aussagen über Lieferzeiten und Erfolgsquoten zulassen.

11) Die Dimension Arbeitstage bezeichnet die Zahl der von einem Arbeitsprozeß tangierten Tage. So würde 2 Arbeitstage z. B. bedeuten, daß eine Tätigkeit montags begonnen und dienstags beendet worden ist.

12) Vgl. Karlowitsch, M. (1997), S. 51 f.

13) Die grundsätzliche Idee des Benchmarking wird ausführlich in Abschnitt 5 vorgestellt und erörtert.

14) Denn ungeachtet eventuell langer Lieferzeiten oder relativ geringer Erfolgsquoten ist allein die bloße Teilnahme an Systemen wie DBI-LINK an sich schon positiv zu bewerten.

15) In den folgenden Abbildungen wird Fernleihe mit FL und Bestandsnachweis(e) mit BN abgekürzt.

16) Vgl. Karlowitsch, M. (1997), S. 51 f.

17) Der Lieferant D wurde nicht in die Aufzählung aufgenommen, da die Erfüllung von nur einer Monographiebestellung keine statistisch fundierten Aussagen über die sonstige Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Bestellung bei diesem Lieferanten erlaubt.

18) Mit der gleichen Argumentation wie bei den 100 %-Erfüllungen muß auch hier vernachlässigt werden, daß bei den Lieferanten E, I und N jeweils nur eine Monographie-Bestellung aufgegeben und dann nicht erfolgreich erledigt wurde.

19) An dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß alle erhaltenen Titel als leicht nachweisbar und daher auch leicht beschaffbar einzustufen sind. Daher wäre ein Vergleich mit konventionellen Fernleihen auf schwer nachweisbare Titel und den dadurch verursachten langen Lieferfristen nicht angemessen.

20) Der Lieferant O mit einer Rückweisezeit von 43 Arbeitstagen wird hier nicht näher betrachtet, da bei insgesamt nur 1 getätigten Rückweisung keine repräsentativen Aussagen getroffen werden können.

21) Auf eine detaillierte Darstellung der einzelnen Gebühren der Lieferanten soll an dieser Stelle verzichtet werden, da in einigen Fällen die Höhe der Gebühr eindeutige Rückschlüsse auf die liefernde Bibliothek zuläßt und daher die notwendige Anonymität dieser Analyse nicht mehr gewährleistet.

22) Außerdem reduziert sich die hier angestellte Betrachtung lediglich auf die Gebühren, die im Rahmen einer Dokumentlieferung unter Ausnutzung elektronischer Bestellwege erhoben werden. Es werden keine Aussagen getroffen über die Kosten, die der vermittelnden Bibliothek bei der Aufrechterhaltung der Nutzungsmöglichkeiten eines Dokumentliefersystems entstehen. Die Ermittlung dieser Kosten für die internen Abläufe in der nehmenden Bibliothek - allen voran Personal- und Sachmittelkosten - sind Schwerpunkt einer anderen Untersuchung im Rahmen des Projektes COMBI.

23) Um auch weiterhin die Anonymität zu gewährleisten aber dennoch Tendenzaussagen über "Preis-Leistungs-Verhältnisse" formulieren zu können, wurden Gebühren von < 12 DM als niedrig, Gebühren von = 12 DM als mittel und solche > 12 DM als hoch gekennzeichnet.

24) Auch wenn diese Zeiten in ihrer ermittelten Höhe eine Ursache des gewählten Untersuchungsdesigns sind, sollten sie nicht gänzlich vernachlässigt werden, da sie zumindest darauf hinweisen, daß mit einer erhöhten EDV-Betreuung und der Rechnungsabwicklung im Zuge der Teilnahme an einem Dokumentliefersystem einer Bibliothek neue Aufgaben erwachsen.

25) Vgl. einführend zum Benchmarking Horváth, P.; Herter, R.N. (1992). Am Beispiel öffentlicher Theater demonstriert Hoffjan, A. (1994) den erfolgreichen Einsatz des Benchmarking im sog. Non-Profit-Bereich.

26) Vgl. Horváth, P.; Herter, R.N. (1992), S. 5.

27) Vgl. Hoffjan, A. (1995), S. 156.

28) Hoffjan, A. (1995), S. 158.


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