Menü Hierarchiestufe höher Vorherige Seite Nächste Seite

VI. Planungsauftrag und Koordination

VI.2. Die Rolle des Architekten im Planungsverlauf

HOAI / Architektenleistungen / Aufgabenstellung / Planungsausschuß / Rahmenbedingungen, Konzeptfindung / Kostenschätzung / Konkretisierung der Planung / Kostenberechnung / Bauantrag / Werkpläne / Möblierung / Leistungsbeschreibungen / Auswahl von Firmen / Kontrolle der Durchführung / Mängelfeststellung und -beseitigung

Mit der vertraglichen Bindung des Architekten - gleich, ob freischaffend oder bei einer Behörde beschäftigt - an ein Projekt wird gleichzeitig dessen Leistungsbild festgeschrieben. Der Architekt arbeitet danach treuhänderisch für seinen Auftraggeber. Grundlage für seine Tätigkeit ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieuere (HOAI). Architektenleistungen, die zur Realisierung eines Gebäudes erbracht werden müssen, können vollständig an einen oder auch in Teilen an mehrere Architekten vergeben werden. Die Schnittstelle einer Aufgabenteilung liegt in der Regel zwischen der Planungsphase und der Durchführungsphase. Beide Phasen haben jeweils etwa einen Aufwandsanteil von 50 Prozent am Gesamtleistungsbild des Architekten.

Während bei kleineren Projekten häufig alle Architektenleistungen an ein Büro vergeben werden, werden große Projekte eher arbeitsteilig bearbeitet. Um die Kontinuität des Planungs- und Durchführungsprozesses sicherzustellen, sollte dem Architekten der Planungsphase auch in der Durchführungsphase die künstlerische Oberleitung bis zur Übergabe/Inbetriebnahme des Werkes obliegen.
zurück zum Seitenanfang
Architektenleistungen, die zur Fertigstellung eines Projekts erforderlich sind, sind "Grundleistungen" im Sinne der Honorarordnung für Architekten. Hierbei handelt es sich um Leistungen, auf die der Auftraggeber einen Anspruch hat. Darüber hinaus können "Besondere Leistungen" vereinbart werden, die über die Grundleistungen hinausgehen. Hierbei kann es sich um Leistungen im Vorfeld einer Planungsaufgabe handeln, z.B. der Erstellung eines Raum- und Funktionsprogrammes. Auch Bestandsaufnahmen, Standortanalysen, Baumassenstudien usw. zählen zu den Aufgaben, die der Architekt übernehmen kann.

Der Schwerpunkt der Architektentätigkeit liegt allerdings in der Bearbeitung der Grundleistungen, die in neun Einzelphasen gegliedert sind (siehe Tabelle). Dabei übernimmt der Architekt als Koordinator die Rolle eines Anwalts zwischen den am Verfahren fachlich Beteiligten. Um ein solides Ergebnis zu erzielen, ist der Architekt auf die Zuarbeit der fachlich Beteiligten angewiesen.

Tabelle: Leistungsbild des Architekten

Planung

Leistungsphase 1: Grundlagenermittlung
Leistungsphase 2: Vorplanung
Leistungsphase 3: Entwurfsplanung
Leistungsphase 4: Genehmigungsplanung
Leistungsphase 5: Ausführungsplanung
zurück zum Seitenanfang
Durchführung

Leistungsphase 6: Vorbereitung der Vergabe
Leistungsphase 7: Mitwirkung bei der Vergabe
Leistungsphase 8: Objektüberwachung
Leistungsphase 9: Objektbetreuung und Dokumentation

Leistungsphase 1: Grundlagenermittlung

Unter der Annahme, daß das Ergebnis eines Wettbewerbs als wesentlicher Bestandteil zur Klärung einer Planungsaufgabe nicht vorliegt, beginnt mit der Grundlagenermittlung die wichtigste Phase der Projektbearbeitung. Insbesondere bei der Klärung der Aufgabenstellung mit dem Bauherrn/Nutzer werden viele Weichen für die Arbeit in den nachfolgenden Leistungsphasen gestellt, ohne dabei Korrekturen entsprechend dem Kenntnisstand nachfolgender Phasen vermeiden zu können. Darüber hinaus berät der Architekt den Bauherrn oder dessen Vertreter zum gesamten Leistungsbedarf und formuliert Entscheidungshilfen für die Auswahl anderer an der Planung fachlich Beteiligter wie Garten- und Landschaftsarchitekten, Fachingenieure oder auch Experten.

In dieser Phase wird zur Unterstützung des Architekten oft das Instrument eines planungsbegleitenden Ausschusses eingesetzt, um den Kenntnisstand des Bauherrn und beteiligter Verwaltungen über Zwischenergebnisse bei der Abwicklung des Realisierungsverfahrens eines Projekts gleichzustellen bzw. die Ergebnisse zu bestätigen.
zurück zum Seitenanfang

Leistungsphase 2: Vorplanung

Im Rahmen der Vorplanung werden unter der Leitung des Architekten Projekt- und Planungsvorbereitungen getroffen, die auf den Ergebnissen der ersten Leistungsphase aufbauen. Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Grundstückszuschnitt, Erschließungsverhältnisse, Bodenverhältnisse oder Baumbestand werden analysiert und entsprechende Zielvorstellungen abgestimmt. Dabei ist es durchaus möglich, daß Zielkonflikte zwischen einzelnen Randbedingungen entstehen, die gegeneinander abgewogen und bereinigt werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt bedient sich der Architekt bei der Konzeptfindung bereits zeichnerischer Darstellungen und Strichskizzen, sofern sie der Bewertung des Planungsansatzes dienlich sind. Unter gleichen Anforderungen werden alternative Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, wobei die Leistungen anderer an der Planung fachlich Beteiligter integriert werden. Als klassische Aufgabe für den Architekten ist in dieser Phase das Klären und Erläutern der wesentlichen städtebaulichen und gestalterischen Zusammenhänge zu bezeichnen. Mitverarbeitet werden bei der Baumassenverteilung aber auch funktionale, technische, bauphysikalische, wirtschaftliche, energiewirtschaftliche und landschaftsökologische Bedingungen.

Zu den Aufgaben des Architekten zählt in dieser Phase die Verhandlung mit Behörden und anderen an der Planung fachlich Beteiligten über die Genehmigungsfähigkeit des Entwurfsansatzes.

Die Vorplanungsphase schließt mit der Darstellung von Grundrissen, Schnitten und Fassaden - meist im Maßstab M 1:200 - ab. Hinzu kommt der Lageplan mit Darstellung der stadträumlichen Zusammenhänge und der Erschließung. Die zeichnerischen Unterlagen werden ergänzt durch Erläuterungen, Nutzflächenvergleiche SOLL zu IST, Flächenberechnungen nach DIN 277 und die Kostenschätzung nach DIN 276.
zurück zum Seitenanfang

Leistungsphase 3: Entwurfsplanung

Die Entwurfsplanung stabilisiert die Entwurfsidee des Architekten. Wird die Vorplanung vom Bauherrn bestätigt, beginnt in Leistunsphase 3 die Durcharbeitung des Planungskonzepts unter Berücksichtigung derselben Kriterien (Städtebau, Gestaltung, Funktion usw.), die schon der Vorplanung zugrunde lagen. Bis zum vollständigen Entwurf integriert der Architekt die Leistungen anderer an der Planung fachlich Beteiligter und führt wiederum Verhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit. Die zeichnerische Darstellung im Maßstab M 1:100 wird gegenüber der Vorplanung deutlich konkreter.

In der Objektbeschreibung werden Aussagen zum Entwurf, der Konstruktion, den Materialien, Farbkonzept und dem Betrieb des geplanten Bauwerks gemacht, sofern diese Informationen nicht aus den Zeichnungen hervorgehen. Der Genauigkeitsgrad der Durcharbeitung des Entwurfs führt zu einer detaillierten Kostenberechnung nach DIN 276. Dabei ist diese Kostenberechnung heute mehr denn je ein wichtiges Instrument zur Kostenkontrolle geworden. Das Ergebnis ist nach Prüfung durch die Behörde als verbindlich anzusehen.

Bei Verwendung öffentlicher Mittel werden alle Ergebnisse der Entwurfsplanung vom Architekten in einer sogenannten Bauplanungsunterlage (BPU) oder Haushaltsunterlage Bau (HU-Bau) zusammengefaßt und vom Bauherrn zur Prüfung bei der Förderbehörde eingereicht.
zurück zum Seitenanfang

Leistungsphase 4: Genehmigungsplanung

Die Genehmigungsplanung stellt eine Fortsetzung und Ergänzung der Entwurfsplanung im Maßstab 1:100 dar. Sie schließt mit der Stellung des Bauantrags gemäß Bauordnung ab. In dieser Phase hat der Architekt insbesondere darauf zu achten, daß die zur Prüfung eingereichten Vorlagen und somit der Entwurf nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften genehmigungsfähig sind. Andernfalls sind Anträge auf Ausnahmen und Befreiungen einschließlich zugehöriger Begründungen zu stellen. Es bietet sich hierzu an, rechtzeitig Verhandlungen mit den Behörden zu führen, um zeitliche Vorgaben für den Realisierungsverlauf des Projekts nicht zu gefährden.

Leistungsphase 5: Ausführungsplanung

Ist die Baugenehmigung erteilt, wird unter Durcharbeiten der Ergebnisse der Leistungsphasen 3 und 4 die ausführungsreife Lösung in Form von Werkplänen hergestellt. Wegen der Fülle notwendiger Informationen werden Grundrisse, Deckenuntersichten, Wandabwicklungen, Schnitte und Fassaden, die für die Ausführung notwendig sind, mit allen Maßangaben im Maßstab 1:50 konstruiert. Die Architektenzeichnungen und Systemdarstellungen bilden die Arbeitsgrundlage für alle am Verfahren beteiligten Fachplaner. Kritische Bereiche machen auch größere Darstellungsmaßstäbe erforderlich, bis hin zum Detail 1:1. Hier zeigt sich dann die Schlüssigkeit von der Entwurfsidee bis zur Ausführung, die der Architekt gestaltet und steuert.
zurück zum Seitenanfang
Für den Fall, daß der Architekt im Verlauf der Planung projektbezogene Lösungen für die Möblierung des Gebäudes entwickelt, besteht gerade für den Bibliotheksbereich eine zusätzliche Möglichkeit, die Gestaltungsziele für Bauwerk und Ausstattung aufeinander abzustimmen und individuellen Funktionsanliegen Rechnung zu tragen. Die Beauftragung hierfür ist nicht immer leicht durchzusetzen. Zweifellos aber besitzen Individuallösungen bei der Ausstattung Spielräume, die die Gestaltung und damit die Atmosphäre eines Raumes oder Bereiches erheblich verbessern können, ohne dabei auf technische Qualitäten verzichten zu müssen. Die Hinzuziehung eines Innenarchitekten zum Planungsvorgang kann hierbei von Vorteil sein.

Die Planungsphase ist mit Fertigstellung der Werkpläne abgeschlossen. Die nachfolgenden Leistungsphasen stehen in direktem Zusammenhang mit der Ausführung der Planung auf der Baustelle. Gibt es weiteren Klärungsbedarf, ist die Fortschreibung der Ausführungsplanung während der Durchführungsphase erforderlich.

Leistungsphase 6: Vorbereitung der Vergabe

Für die Durchführung des Projekts sind die Leistungsphasen 6, 7 und 8 nicht minder wichtig als die Planungsphase. Das Aufstellen, Koordinieren und Abstimmen von Leistungsbeschreibungen stellt für den Architekten eine weitere Möglichkeit dar, seine Vorstellungen über die zeichnerische Darstellung hinaus zu präzisieren. Als Grundlage für das Aufstellen von Leistungsbeschreibungen nach VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) dient getrennt für jedes Gewerk (Maurer, Tischler, Schlosser usw.) die Ermittlung und Zusammenstellung von Mengen (Stück, m², m³ u.a.). Hierzu werden Materialien und Qualitäten festgelegt und beschrieben. Nach Abschluß der Leistungsbeschreibungen ist das Bauwerk von der Konstruktion bis zur Türklinke durchdacht.
zurück zum Seitenanfang

Leistungsphase 7: Mitwirkung bei der Vergabe

Mit Prüfung und Wertung der eingeholten Angebote, der Verhandlung mit Bietern sowie im Rahmen der Mitwirkung bei der Auftragsvergabe organisiert der Architekt die Realisierung der Entwurfsidee vom Anfang des Planungsprozesses. Für Architekt und Bauherr ist die Sicherstellung der gestalterischen und technischen Qualitäten wichtig, so daß unter den Bietern die preiswürdigsten Bewerber auszuwählen sind. Die Hinarbeit auf dieses Ziel kann durch eine entsprechende Ausschreibung - z.B. durch Aufteilung in Lose - unterstützt werden.

Leistungsphase 8: Objektüberwachung (Bauleitung)

Aufgabe ist die Überwachung des Objekts auf Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen sowie mit den anerkannten Regeln der Technik und den einschlägigen Vorschriften. Hinzu gehört auch das Überwachen der Beseitigung bei der Abnahme festgestellter Mängel.

Schließlich erfolgt die Übergabe des Objekts.
zurück zum Seitenanfang

Leistungsphase 9: Objektbetreuung und Dokumentation

Neben der Mängelfeststellung vor Ablauf von Gewährleistungsfristen und der Überwachung der Mängelbeseitigung erfolgt eine systematische Zusammenstellung der zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts.

Der Kontakt des Architekten zu "seinem" Haus sollte in der Folgezeit aufrechterhalten werden. Dies natürlich nicht nur, um auf irgendwelche Schwachstellen aufmerksam gemacht zu werden, sondern um vielmehr Alltagserfahrungen kennenzulernen, sie einschätzen zu können und - soweit möglich - auf das nächste Projekt übertragen zu können.

Ulrich Beyer


Zum nächsten Kapitel (VII.1.) Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Seitenanfang