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III. Planungsvorbereitungen

III.1. Planungsvorbereitungen für Öffentliche Bibliotheken

Vorüberlegungen / Kommunales Zentrum / Verkehrserschließung / Zukunftsorientierung / Ist-Analyse / Bibliotheksmarketing / Gemeinwesenanalyse / Zielbestimmung (Wirtschaftsstruktur, Bevölkerungsstruktur, Freizeitverhalten, Außenkontakte) / Zielgruppen / Angebotspolitik / Erfolgskontrolle / Entscheidungsvorbereitung / Interessenvertretung / Standort und Alternativen / Mehrfachnutzung / Umnutzung / Kooperation / Literatur

Zur Planungsvorbereitung für den Bau einer Öffentlichen Bibliothek gehört es, den künftigen Standort der Bibliothek auf seine Eignung zu prüfen, das Umfeld zu analysieren, um daraus Schlußfolgerungen für die Aufgaben und Angebote ziehen zu können, sowie die Zusammenarbeit mit den kommunalen Verwaltungen zu suchen. Die Reihenfolge und die Intensität der durchzuführenden Untersuchungen hängen im wesentlichen vom Umfang des Bauvorhabens ab, z.B. ob es sich um eine Stadtbibliothek oder um eine kleine Gemeindebibliothek handelt, und inwieweit Daten und Fakten aus dem Umfeld bereits bekannt sind.

Der Standort der Bibliothek

Die Wahl des richtigen Standortes einer Bibliothek bildet eine wesentliche Voraussetzung für ihre erfolgreiche Arbeit in der Stadt, im Stadtteil oder in der Gemeinde.
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Vorzugsweise sollte die Bibliothek im Zentrum ihres zukünftigen Einzugsgebietes liegen. Dort, wo sich viele Menschen aufhalten, wo sich beispielsweise das Rathaus, die Post oder andere kommunale Einrichtungen befinden sowie Banken und Versicherungen, entwickelt die Bibliothek eine große Wirksamkeit. Die Nachbarschaft von Geschäften und Dienstleistungszentren, Kultur- und Sportstätten kann diesen Effekt positiv unterstützen. Ein Einkauf oder der Gang ins Rathaus kann ohne zusätzlichen Aufwand mit einem Besuch der Bibliothek verbunden werden. Die Nähe einer Schule oder weiterführenden Bildungseinrichtung kann der Bibliothek einen festen Leserstamm sichern.

Eine Bibliothek im kommunalen Zentrum einer Stadt oder Gemeinde verfügt über die besten Voraussetzungen, eine gut genutzte Bibliothek zu sein. Die getätigten Investitionen werden hier am wirkungsvollsten eingesetzt. Die an diesen Standorten meistens vorhandene Verkehrserschließung ermöglicht es den Lesern, die Bibliothek außer zu Fuß auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto bequem zu erreichen. Die verkehrsmäßige Anbindung ist eines der wichtigsten Kriterien für die Standortwahl der künftigen Bibliothek. Selbst dann, wenn die Bibliothek ihren Standort nicht unmittelbar im kommunalen Zentrum erhalten sollte, kann eine günstige verkehrsmäßige Erschließung, beispielsweise an Kreuzungs- und Haltepunkten mehrerer Bus- und Bahnlinien, diesen Mangel ausgleichen. In Betracht zu ziehen ist aber auch, daß ein Platz oder eine Straße von bisher geringer Bedeutung durch ein attraktives Bibliotheksgebäude oder durch interessante Angebote aufgewertet werden kann.
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Die genannten Kriterien sind sowohl bei der Wahl des Standortes für ein neues Bibliotheksgebäude als auch beim Vorliegen eines Angebotes für die Umnutzung eines vorhandenen Gebäudes anzuwenden. Weitere Ausführungen zur Standortwahl werden in Punkt VII.1. behandelt.

Analyse des Bibliotheksumfeldes

Bibliotheksbauplanung ist immer zukunftsorientiert. Sie erfordert deshalb auch zukunftsorientierte bibliothekarische Konzepte. Der daraus zu entwickelnde qualitative und quantitative Leistungsumfang der Bibliothek bestimmt maßgeblich die Größe und die Gestaltung des Bibliotheksgebäudes.
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Als Grundlagen dienen eine Ist-Analyse der bisherigen Arbeit, die Feststellung der Schwächen und Stärken der "alten" Bibliothek sowie die Sammlung von Daten und Informationen aus dem künftigen Umfeld der neuen Bibliothek. Fundierte Ergebnisse liefern Untersuchungen mit Hilfe von Marketingmethoden, wie sie in der zitierten "Marketingkonzeption für Öffentliche Bibliotheken" beschrieben werden.

Bibliotheksmarketing bedeutet, eine am Nutzer orientierte und nicht am Nutzer vorbeigehende Arbeit zu leisten. Anliegen der Bibliothek muß es sein, ihre Angebote und Dienstleistungen so zu gestalten, daß nicht nur die bisherigen Leser gerne in die Bibliothek kommen, sondern daß sie auch Anziehungspunkt für weitere Bevölkerungsgruppen wird. Zum einen muß die Bibliothek gesellschaftliche Veränderungen, wie die demographische Entwicklung (zunehmender Anteil alter Menschen), das veränderte Freizeitverhalten, den umfangreicheren und vielfältigeren Medienmarkt u.a.m., zur Kenntnis nehmen und sich darauf einstellen, zum anderen muß sie an Hand der Untersuchung ihres eigenen Umfeldes die konkrete gesellschaftliche Situation erfassen und entsprechend reagieren sowie insbesondere Zielgruppen herausfinden, die sie mit speziellen Angeboten erreichen will. Bibliotheksmarketing dient also dazu, die Leistungen der Bibliothek zu steigern und ihre Wirksamkeit in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Bibliotheksmarketing ist als ständige Aufgabe zu verstehen, d.h. die Bibliothek muß Veränderungen in ihrem Umfeld wahrnehmen, Nutzerbedürfnisse erkennen, ihre Angebote auf die neuen Bedingungen ausrichten, eventuell aber auch auf Leistungen verzichten, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben, oder für die es keine Zielgruppen gibt.
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Welche Daten und Infomationen werden nun benötigt, um für die neue Bibliothek das richtige Aufgaben- und Angebotsprofil zu bestimmen und wie werden sie erfaßt?

Eine geeignete Methode zur Ermittlung von Daten und gleichzeitig ein Instrument des Marketing stellt die Gemeinwesenanalyse dar. Handelt es sich um die Planungsvorbereitungen für die Bibliothek einer kleineren Gemeinde oder für eine Stadtteilbibliothek, reicht es manchmal aus, sich an Hand der in der Gemeinde oder im Stadtteil vorhandenen Daten einen Überblick über das Umfeld zu verschaffen. Tiefergehende Analysen, wie sie mit der Gemeinwesenanalyse verbunden sind, erfordern einen hohen Zeit- und Personalaufwand, der nicht in jedem Falle notwendig ist.

Ausgangspunkt der Datenerfassung sind die Festlegung der Ziele und Aufgaben der Bibliothek sowie die Definition der Probleme, die gelöst werden sollen. Die Untersuchung des Umfeldes der Bibliothek, das zuvor geographisch genau abgesteckt werden muß, umfaßt die Analyse der Bibliotheksbenutzer, der potentiellen Nutzer und die Ermittlung der möglichen Konkurrenten, zu denen andere Bildungseinrichtungen und Freizeitanbieter gehören können.
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Folgende Daten und Fakten sind für die Analyse von Bedeutung:

Aus den erfaßten Bevölkerungsdaten lassen sich unmittelbar Rückschlüsse auf den Bestandsaufbau der Bibliothek und das Dienstleistungsangebot ziehen. Vereine, Initiativen, Kultur- oder Projektgruppen geben zusätzlich Aufschluß über vorhandene Interessen und über das Zusammenleben der Bewohner. Sie sind dahingehend zu prüfen, ob sie zu den Zielgruppen der Bibliotheksarbeit zählen könnten.
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Angaben über Institutionen, Arbeitsstätten, kulturelle, soziale und Bildungseinrichtungen tragen ebenfalls dazu bei, die Angebote der Bibliothek zu spezifizieren und den Bestand auf die Interessen und Bedürfnisse der künftigen Leser auszurichten. In der Nähe befindliche Schulen können das Profil der Bibliothek erheblich beeinflussen, indem besondere Angebote für Schüler bereitgehalten werden, ihnen die Bibliothek nach der Schule als Freizeitstätte zur Verfügung steht und die Öffnungszeiten dieser Gruppe angepaßt werden. Ein hoher Anteil alter und sozial schwacher Menschen kann dazu führen, daß die aufsuchende und soziale Bibliotheksarbeit einen hohen Stellenwert eingeräumt bekommt. Bei ansässigen Unternehmen sollte man sich überzeugen, ob Werksbibliotheken vorhanden sind, ob sie eine Konkurrenz darstellen oder ob die Möglichkeit besteht, die Angebote aufeinander abzustimmen.

Die Ergebnisse der durchgeführten Analysen bieten der Bibliothek Lösungsansätze für die bedarfsgerechte Versorgung eines großen Teils der Bevölkerung und für eine speziell auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete Bibliotheksarbeit. Durch eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit müssen die Angebote der Bibliothek bekannt gemacht werden, damit sie die Zielgruppen auch erreichen. Durch Erfolgskontrolle ist festzustellen, ob die gewünschten Effekte eingetreten sind, und ob das Bibliothekskonzept Mängel aufweist und ggf. korrigiert werden muß.

Abstimmung mit den kommunalen Verwaltungen

Die Entscheidung über einen Bibliotheksbau wird durch Politiker und von den entsprechenden Verwaltungen getroffen. Deshalb ist es äußerst wichtig, daß die Probleme der Bibliothek an diesen Personenkreis herangetragen werden. Es empfiehlt sich, seitens der Bibliothek rechtzeitig den eigenen Baubedarf anzumelden und diesen mit Hilfe einer einflußreichen Lobby auch durchzusetzen.
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Anlässe, sich als Bibliothek besonders zu engagieren und auf Probleme aufmerksam zu machen, können geplante Sanierungsmaßnahmen in einem Stadtteil, eine Bebauungskonzeption für die Gestaltung einer Stadt oder Gemeinde, die Einrichtung einer attraktiven Fußgängerzone oder die sinnvolle Nutzung leerstehender Gebäude sein. Die im Rahmen der Analyse des Einzugsgebietes gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen sowie die kritische Bewertung des möglichen Standortes der künftigen Bibliothek befähigen die Bibliothekare, ihre Wünsche und Forderungen mit Sachkompetenz den kommunalen Ämtern gegenüber zu vertreten.

Von der Bauverwaltung sind z.B. Auskünfte darüber einzuholen, welcher Teil des angebotenen Grundstücks bebaut werden darf, welche Geschoßzahl möglich ist, und ob angrenzende freie bzw. noch anderweitig genutzte Flächen für einen späteren Erweiterungsbau zur Verfügung stehen. Zu klären sind Fragen nach verkehrspolitischen oder nach künftigen Bauplanungen, und inwieweit davon die Interessen der Bibliothek betroffen sind. Treffen mehrere negative Faktoren zusammen, wie ein ungünstiger Standort, eine zu geringe Grundstücksfläche, ein von der Lage her ungeeignetes Gebäude, muß geprüft werden, ob Kompromisse noch sinnvoll sind oder der Vorschlag abzulehnen ist. Dann allerdings ist es von Vorteil, seitens der Bibliothek selbst nach Alternativlösungen zu suchen.

Die etwaige Nutzung eines Gebäudes durch mehrere Institutionen stellt erfahrungsgemäß keine ideale Lösung dar, könnte aber unter wirtschaftlichem Aspekt betrachtet einige Vorteile bieten. In diesem Falle müßte geprüft werden, inwieweit ein Kompromiß eingegangen werden kann.

Als Alternative zur Planung eines Neubaus ist auch nach Möglichkeiten der Umnutzung vorhandener Gebäude zu Bibliothekszwecken zu suchen. Gelegenheiten, solche Reserven zu entdecken, ergeben sich durch die intensive Beschäftigung mit dem künftigen Umfeld der Bibliothek.

Die Planung und Durchführung von Bibliotheksbauten erfordert von Beginn an eine enge Zusammenarbeit zwischen Bibliothek und Verwaltung. Die Bibliothekare sollten darauf bestehen, an allen entscheidenden Planungsberatungen, die ihren Bibliotheksbau betreffen, teilzunehmen und an den Ausschreibungsverfahren mitzuwirken, um dafür Sorge tragen zu können, daß aus dem geplanten Bau eine funktionsfähige Bibliothek entsteht.

Roswitha Schreiber zurück zum Seitenanfang

Literatur


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