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III. Planungsvorbereitungen

III.2. Planungsvorbereitungen für Wissenschaftliche Bibliotheken

Hochschulentwicklungsplanung / Planungssteuerung durch Bund und Länder / Bedarfsermittlung / Richtwerte für Büchergrundbestände / Personalbedarfsermittlung / Standort, Baumaßnahme / Umnutzung vorhandener Gebäude / Kontrolle der Planung / Literatur

Der Ausbau Wissenschaftlicher Bibliotheken kann in der Regel nur in Zusammenhang mit der Entwicklung der sie tragenden Einrichtung gesehen werden. Durch Rahmenpläne wie zum Beispiel Hochschulentwicklungspläne werden mittel- und langfristige Eckdaten festgelegt, beispielsweise die Anzahl der angestrebten Studienplätze, die Gliederung von Fachbereichen, die räumliche Entwicklung der Hochschule. Hierbei werden auch die zukünftigen Standorte der geplanten Einrichtungen festgelegt. In den Hochschulen werden die Konzepte von zumeist eigenen Planungsabteilungen erarbeitet. Diese Planungen müssen vom Senat der Universität genehmigt werden. Den Bibliothekaren werden dadurch Rahmenbedingungen, Strukturen und Daten vorgegeben, an denen sich ihre Planung orientieren muß. Die Bibliotheksleitung sollte die Initiative ergreifen und in der Bibliothekskommission ihre Planungen vorstellen und diskutieren, um eine breite Unterstützung zu erhalten und auf der Prioritätenliste der universitären Bauvorhaben auf einen vorderen Platz zu rücken.

Die Ausbauplanungen aus den verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen werden in dem zuständigen Ministerium in Hinblick auf ein landesweites Konzept geprüft und entsprechend der Vorgaben der Landesregierung, wie beispielsweise Verlagerung von Studienfächern von einer Universität zu einer anderen, genehmigt. Bei Bauplanungen und beim Ausbau des Büchergrundbestandes wird im Rahmen des HBFG-Verfahrens der Wissenschaftsrat zur Begutachtung der Projekte herangezogen. Nur die vom Wissenschaftsrat positiv eingestuften Vorhaben werden nach dem HBFG (Hochschulbauförderungsgesetz) mit 50% vom Bund gefördert (s.a.Kap. IV.2).
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Der Bibliothekar muß genauso wie die Hochschule seine Planungen fortschreiben, damit sie sich kontinuierlich mit der Institution entwickeln. Eine Bedarfsermittlung dient dazu, Ausbauziele zu finden, zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu definieren. Die von der Bibliothek in Anspruch genommenen Flächen sind in erster Linie abhängig von der Größe des Bestandes, dem Grad der Benutzung und dem dafür erforderlichen Personal. Bei den meisten Bibliotheken wachsen Bestand und Benutzung, die personelle und räumliche Ausstattung wird dagegen nicht permanent den Erfordernissen angepaßt. Bei der Beantragung neuer Stellen und Flächen ist die Bibliotheksleitung gefordert, vor der Raumbedarfsplanung (siehe Kap. V.) eine Prognose über die Entwicklung von Beständen, Benutzung, Personal und Etat zu erstellen.

Da die meisten Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, gibt es im Hochschulbereich keine bundesweit einheitlich festgelegten Richtwerte. Diese Lücke wird häufig dadurch geschlossen, daß vom Bund oder von einzelnen Bundesländern eingesetzte Arbeitsgruppen Empfehlungen erarbeiten, die dann von den politischen Instanzen akzeptiert werden. Hier sei auf die Stellungnahmen des Wissenschaftsrates hingewiesen, der sich u.a. 1985 mit den Büchergrundbeständen(4) und 1986 mit dem Magazinbedarf(5) befaßte. Eine Aktualisierung der Richtwerte für Büchergrundbestände und deren laufende Ergänzung ist 1990 in den "Empfehlungen zur Sicherung der Literaturversorgung an den Landesuniversitäten"(6) in Bayern erfolgt, die vom Wissenschaftsrat übernommen wurden. Diese Zahlen können für die Bestandsplanung in den alten Bundesländern herangezogen werden. Für die neuen Bundesländer sind von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen im Jahre 1991 nach derselben Methode detaillierte Empfehlungen erarbeitet und veröffentlicht worden(7). Der Wissenschaftsrat beurteilt die ihm zur Stellungnahme vorgelegten HBFG-Anträge nach diesen Maßstäben.
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Schwierig ist die Berechnung des Personalbedarfs. Personalbedarfsmodelle sind schon in den "Empfehlungen des Wissenschaftsrates für wissenschaftliche Bibliotheken"(11) von 1964, im "Bibliotheksplan '73"(12) sowie im "Bibliotheksplan Baden-Württemberg" von 1973(13) zu finden. Die von der DFG in den Jahren 1974 bis 1976 geförderte Untersuchung von Arbeitsabläufen und Personalbedarfsermittlung für die Buchbearbeitung an Hochschulbibliotheken durch Robert Funk(14) listet Zeitangaben für bestimmte Tätigkeiten auf. Die EDV jedoch veränderte viele Arbeitsvorgänge. Im "Bibliotheksentwicklungsplan Hessen. Wissenschaftliche Bibliotheken." von 1981(15) sind Modellberechnungen zum Personalbedarf zu finden, die zum Teil etwas verändert auch in den anderen alten Bundesländern angewandt werden. Hier ist zu beachten, daß die seit 1981 vorgenommenen Arbeitszeitverkürzungen in diesem Modell nicht berücksichtigt sind.

Nach der Aufstellung des Raumprogramms(16) (s.a. Kap. V.) erhält der Planer Überblick über den Umfang der Baumaßnahme. Bei Neubauten an Hochschulen ist zu klären, ob es in zentraler Lage zu den Fachbereichen ein geeignetes unbebautes Grundstück gibt. Bei Erweiterungsmaßnahmen sollten freie Flächen am Standort der Bibliothek auf die Verfügbarkeit hin untersucht werden. Der Bebauungsplan der Kommune gibt über die Nutzungsmöglichkeiten und die zulässigen Baumassen (GFZ, GRZ*) erste Auskünfte. Falls eine Erweiterung des vorhandenen Bibliotheksgebäudes durch einen direkten Anbau nicht realisierbar ist, muß geklärt werden, welche Teilbereiche der Bibliothek in einem in unmittelbarer Nähe gelegenen Erweiterungsbau ausgegliedert werden sollen. Wenn in unmittelbarer Nachbarschaft ein Neubau erstellt werden kann, sollte eine wetterunabhängige Verbindung hergestellt werden. Bei einer Bibliothek mit mehreren Standorten ist immer ein erhöhter Aufwand für Transport von Büchern und Material sowie für innerbetriebliche Kommunikation zu berechnen, was wiederum Auswirkungen auf die Personal- und Etatplanungen hat.
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Nicht selten stellt sich die Frage, ob ein Gebäude für Bibliothekszwecke umgenutzt werden kann. Dann ist auch zu untersuchen, ob dies Gebäude in seiner inneren Aufteilung und nach seiner Konstruktion (z.B. Deckentragfähigkeit) den Bibliotheksanforderungen entspricht, oder mit welchem Aufwand es erst zu einem Bibliotheksgebäude umzugestalten ist. Dabei sind möglicherweise auch Auflagen des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. In diesem Falle ist der Bibliothekar auf Bausachverständige angewiesen, die in einem Gutachten erst eine Bestandsaufnahme machen müssen, um dem Bibliothekar dann Informationen über diese baulichen Eckdaten geben zu können.

Weicht die Standortentscheidung oder die konkrete Ausgestaltung eines angebundenen Erweiterungsbaus von der ursprünglichen Konzeption ab, so müssen Parameter und Ziele der anfänglichen und der endgültigen Planung miteinander verglichen werden. In einem Rückkopplungsprozeß sind die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen, zum Beispiel verlangen längere Wege oder eine größere Zahl von Lesesaal-Ebenen einen höheren Personalaufwand. In vorhandenen Gebäuden können häufig nur geringere Ausstattungsgrößen erreicht werden, als ursprünglich geplant. Das Entwickeln und Begründen vertretbarer Kompromisse wie auch die überzeugende Zurückweisung von dysfunktionalen Projekten gehören zum Handwerk der bibliothekarischen Bauplanung.

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Literatur

  1. Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. T. II: Wissenschaftliche Bibliotheken. Tübingen 1964.
  2. Bibliotheksplan '73. Entwurf eines umfassenden Bibliotheksnetzes für die Bundesrepublik Deutschland / hrsg. von der Deutschen Bibliothekskonferenz. Berlin 1973.
  3. Überregionale Literaturversorgung von Forschung und Lehre in der Bundesrepublik Deutschland. Denkschrift der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Boppard 1975.
  4. Stellungnahme zu Büchergrundbeständen an Hochschulen. Wissenschaftsrat. Köln 1985. (zurück)
  5. Empfehlungen zum Magazinbedarf wissenschaftlicher Bibliotheken. Wissenschaftsrat. Köln 1986. (zurück)
  6. Empfehlungen zur Sicherung der Literaturversorgung an den Landesuniversitäten vom 10. März 1989. Beirat für Wissenschafts- und Hochschulfragen des Bayrischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst. München 1990. (zurück)
  7. Empfehlungen zur Förderung der Bibliotheken in den neuen Ländern / Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen. Berlin: DBI, 1991. (DBI-Materialien; 106). (zurück)
  8. Empfehlungen zur Literaturversorgung an den Hochschulbibliotheken der neuen Länder und dem Ostteil von Berlin. Wissenschaftsrat. Januar 1992.
  9. Frankenberger, Rudolf: Bibliotheksbau in den neuen Bundesländern: e. wichtige bibliotheks- u. hochschulpolitische Maßnahme in den nächsten 25 Jahren. - In: ABI-Technik 12 (1992), S. 213-218.
  10. Höchsmann, Dieter; Schlitt, Gerhard: Raumsituation und Bauplanung der wissenschaftlichen Bibliotheken in den neuen Bundesländern. - In: Bibliotheksdienst 25 (1991), S. 1881-1896.
  11. Wissenschaftsrat. Wissenschaftliche Bibliotheken. 1964. S. 144-152. - s. auch (1) (zurück)
  12. Bibliotheksplan '73. S. 74-85. - s. auch (2) (zurück)
  13. Gesamtplan für das wissenschaftliche Bibliothekswesen / Arbeitsgruppe Bibliotheksplan Baden-Württemberg; Red. E. Mittler. Pullach.
    Bd.1 Universitäten, 1973, S. 337f.
    Bd.2 Hochschulen, Adv-Einsatz, Kooperation. 1975.
    (zurück)
  14. Funk, Robert: Arbeitsablaufuntersuchung und Personalbedarfsermittlung für die Buchbearbeitung an Hochschulbibliotheken / unter Mitarbeit von Renate Dopheide ... München: Verl. Dokumentation 1977. (Bibliothekspraxis; 20). (zurück)
  15. Bibliotheksentwicklungsplan Hessen. Wissenschaftliche Bibliotheken / Konferenz der Direktoren der wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Hessen. Kassel 1981. (zurück)
  16. Bau- und Nutzungsplanung von wissenschaftlichen Bibliotheken / Rolf Fuhlrott (Hrsg.) u.a. Berlin u.a.: Beuth, 1988. (DIN-Fachbericht; 13). (zurück)
  17. Mallmann-Bieler, Marion: Personaleinsatz in wissenschaftlichen Bibliotheken. - In: Bibliothek 9 (1985), S. 241-263.


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* GRZ = Grundflächenzahl, GFZ = Geschoßflächenzahl (zurück)