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II. Art und Umfang der Planungsaufgabe

II.1. Art und Umfang der Planungsaufgabe in Öffentlichen Bibliotheken

Ausgangsposition / Grundsatzpapiere / Planungsgrundlagen / Konzeptionelle Ansätze / "Benutzerorientierte Bibliothek", "Dreigeteilte Bibliothek" / Kommunikation u. Information / Informationszentrum / Planungsaufgabe / Planungsfaktoren / Einwohnerzahl, Kombinationsformen, Identifikationsort / Planungseinschränkungen / Veralterung /
Planungsabschnitte (Vorüberlegungen, Konzeptionsentwicklung, Einbeziehung kommunaler Parlamente, Planungsbeschluß, Bauplanung, Architektenwettbewerb, Bauphase) /
Entscheidungsfaktoren / Staatliche Fachstellen / Typisierung / Neubau / Umnutzung, Umbau / Bauliche Anforderungen an gegebene Gebäude / Umnutzung von Neubauten / Erweiterung / Literatur

Funktion und Konzeption der Bibliothek

In der Bundesrepublik sind die Öffentlichen Bibliotheken freiwillige Aufgaben der Kommunen. Es ist den Kommunen überlassen, ob und wie sie Bibliotheken errichten und betreiben. Da es keine verbindlichen Grundlagen gibt und die Wahrnehmung dieser Aufgabe zunächst einmal vor allem von der Einsicht kommunaler Entscheidungsträger in die Notwendigkeit von Bibliotheken abhängt, ist es nicht verwunderlich, daß die Bibliotheksangebote von Kommune zu Kommune höchst unterschiedlich sind. Daraus resultieren Vielfalt und Individualität als die positiven Leistungen Öffentlicher Bibliotheken, mit ihnen korrespondieren aber häufig genug auch deutliche Defizite in Ausstattung und Leistungsfähigkeit. Unter solchen Prämissen ist Bibliotheksentwicklung insgesamt die Addition der Entwicklungsschritte vieler einzelner Bibliotheken.

Keines der Grundsatzpapiere zum Bibliothekswesen hat jemals normativen Charakter erlangt; das ist sicher ein Grund für die Unterentwicklung des Öffentlichen Bibliothekswesens in der Bundesrepublik im Unterschied zu vergleichbaren Industrienationen, beispielsweise den skandinavischen und angelsächsischen Ländern. Soweit allerdings Grundsatzpapiere zum Bibliothekswesen von kommunalen Einrichtungen als Empfehlungen für die Kommunen, also für die Bibliotheksträger, oder Grundsatzpapiere von bibliothekarischen Verbänden, dann allerdings in großer Übereinstimmung mit kommunalen Vorstellungen von Öffentlichen Bibliotheken, formuliert werden, ist mit ihnen von bibliothekarischer Seite wirkungsvoller zu argumentieren, weil sie von kommunaler Seite eine höhere Akzeptanz erfahren.
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Das galt für den "Bibliotheksplan '73", der ganz erheblich mit dem Gutachten "Öffentliche Bibliothek" der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) übereinstimmt und vor allem mit der Anfang der siebziger Jahre durchgeführten Neuordnung der Verwaltungs- und Kommunalstrukturen korrespondiert. Es bestand die Hoffnung, entsprechend der zentralörtlichen Stufung der Kommunen ein umfassendes und funktional gestuftes Bibliotheksnetz zu knüpfen.

Heute sind wir von diesen Grundsatzpapieren zwanzig Jahre entfernt und müssen erkennen, daß trotz der einmal vorhandenen hohen Akzeptanz durch die Bibliotheksträger die angestrebten Strukturen eines gestuften und flächendeckenden Netzes für die Öffentlichen Bibliotheken nicht einmal ansatzweise realisiert sind. Da die Grundsatzpapiere des Jahres 1973 inhaltlich überholt sind und spätere Papiere nach Provenienz, Komplexität oder Anspruch auf Grundsätzlichkeit niemals entsprechende Relevanz angestrebt haben oder erlangen konnten, muß die Frage nach den Grundlagen für die Planung Öffentlicher Bibliotheken heute neu gestellt werden. Es bietet sich an, praktisch vorzugehen und zur Gewinnung einer Konzeption für eine Bibliotheksplanung aus mehreren Quellen zu schöpfen:
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  1. Auf alle Fälle ist der aktuelle Stand der bibliotheksfachlichen Diskussion einzubringen.
  2. Die in Grundsatzpapieren beschriebenen Funktionen von Bibliotheken bieten trotz der beschriebenen Relevanzverluste bemerkenswerte Ansatzpunkte für die Konzeptionsfindung.
  3. Wesentliche Impulse vermittelt die Anschauung der gebauten bibliothekarischen Umwelt. Es müsen sowohl die im Sinne allgemeiner Gültigkeit beispielhaften, vor allem aber auch die im Sinne individueller Besonderheiten und Wagnisse beachtenswerten Bibliotheken zur Kenntnis genommen werden. Da es legitim ist, sich der besten Vorbilder zu bedienen, sollte der Blick über die engere Umgebung hinausgehen und auch hervorragende Bibliotheken im Ausland einbeziehen.
  4. Als bibliotheksrelevant erkannte gesellschaftliche und technische Entwicklungen sind in die Überlegungen miteinzubeziehen.
  5. Vorstellungen der Entscheidungsträger, der Architekten, der Bibliotheksbenutzer und der Bibliotheksmitarbeiter von der künftigen Bibliothek sind mit Offenheit und besonderer Sorgfalt in die Diskussion um die Konzeption einzubeziehen; möglicherweise erwachsen gerade daraus innovative Ansätze.
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Unter Einbeziehung der lokalen Voraussetzungen ergibt sich aus diesen Ansatzpunkten die Konzeption für eine örtliche Bibliotheksplanung.

Das Resultat darf kein zufälliges Konglomerat sein, alle seine Teile müssen mit Stringenz aufeinander bezogen sein und in ihrer Gesamtheit ins örtliche Umfeld passen. Im Gegensatz zur Erstellung einer Konzeption auf der Grundlage anerkannter und gesicherter Bibliotheksfunktionen, wie sie in Grundsatzpapieren beschrieben sind, ist die Gewinnung einer Konzeption durch Berücksichtigung mehrerer, aber geringer abgesicherter Faktoren komplexer und aufwendiger, vor allem aber riskanter; denn solche Vorgehensweise orientiert sich weniger am bewährten Ist-Stand, der lediglich für die örtlichen Gegebenheiten modifiziert wird, ihre größere Innovationsoffenheit ermöglicht es, antizipatorisch veränderten, bislang kaum beachteten oder nicht für relevant gehaltenen Bedürfnissen zu entsprechen.
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Eine Konzeption und die nach ihr realisierte Bibliothek müssen sich nach örtlichen Gegebenheiten richten, sie werden sich aber auch der bibliotheksfachlichen Kritik (natürlich auch der Kritik der Kommunalpolitiker, der Baufachleute, des Publikums, der Bibliotheksmitarbeiter etc.) stellen und sich an ihr als richtig, also fachlichem Konsens entsprechend, oder als wichtig, also fachliche Diskussion vorantreibend und fachlichen Konsens verändernd, erweisen müssen.

Nach der Freihandbibliothek waren die prägnantesten Bibliothekskonzeptionen, die ihren Ausdruck in Bau und Einrichtung fanden, die "dreigeteilte Bibliothek" und die "benutzerorientierte Bibliothek". Die beiden Begriffe wurden eine Zeitlang synonym verwendet, und tatsächlich waren ihre konzeptionellen Zielsetzungen insofern dieselben, als es beiden um Organisationsformen zur Effizienzsteigerung, zur höchsten Ausnutzung vorhandener Bibliotheksressourcen ging. Dabei setzte die dreigeteilte Bibliothek bei der Nutzung an und organisierte die räumlichen und personellen Gegebenheiten so, daß sich daraus eine optimale Leistung ergab. Folgerichtig kam die dreigeteilte Bibliothek in vorgegebenen Bibliotheksräumen durch Ummöblierung zu ihrem reinsten baulichen Ausdruck (Stadtbücherei Münster in den siebziger und achtziger Jahren). Die benutzerorientierte Bibliothek hingegen geht von den Bedürfnissen und vom Verhalten der Benutzer aus, denen sie zur Erreichung einer hohen Effizienz weitestgehend zu entsprechen habe; diese Forderung bezieht sich gerade auch auf die Differenzierung und Individualisierung der Präsentation der Bibliotheksinhalte und damit auf Bau und Einrichtung. Sie hat die einzelnen Benutzer- und Altersgruppen im Auge und sucht ihnen nicht nur durch entsprechende inhaltliche Angebote, sondern auch durch Schaffung adäquater Bereiche, Präsentationsformen, Dienstleistungen, Veranstaltungen und Kommunikationsmöglichkeiten zu entsprechen: Die Bibliothek als Ganzes ist Ausdruck von Konzeption, aber auch den einzelnen Bereichen liegen konzeptionelle Überlegungen zugrunde (z.B. Stadtbücherei Pfullingen, 1982).
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Unter den Begriffen Kommunikation und Information lassen sich Schlagworte ausmachen, die für weitere Konzeptionen stehen und entweder die Bibliothek insgesamt oder Teilbereiche von ihr meinen. So lassen sich beispielsweise unter Kommunikation "Treffpunkt", "Markt", "multikulturelles Zentrum", "Bürgernähe", "Lesecafé" und unter Information "Auskunftsdienst", "kommunale Ecke", "Lern- und Arbeitszentrum", "Verbraucherinformation" und "neue Informationstechnologie" subsumieren.

Die Konzeption der Öffentlichen Bibliothek als öffentliches Informationszentrum besteht als Vorstellung und Forderung bereits seit Jahrzehnten; Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind es gewohnt, mit diesem Anspruch wie selbstverständlich umzugehen. Die Realität zeigt bislang aber nur bescheidene Ansätze in dieser Richtung. Das beginnt sich jetzt zu ändern; denn es gibt bereits Bibliotheken, die professionelle Ansätze in dieser Richtung zeigen. Es sind zwar noch wenige, aber sie werden Schule machen und in den nächsten Jahren in vielen Bibliotheken Informationsdienste anregen. Die Ausstattung von immer mehr Bibliotheken mit der erforderlichen Technologie wird zusätzliche Schubkraft erzeugen. Im Gegensatz zu den vergangenen zwanzig Jahren, in denen es vor allem Klein- und Mittelstadtbibliotheken und Fachstellen waren, die Bibliotheksbau und -einrichtung konzeptionell vorangebracht haben, ist abzusehen, daß in den nächsten Jahren ein Innovationsschub von den Großstadtbibliotheken her einsetzen wird; denn die Konzeption der Bibliothek als Informationszentrum mit ihren Konsequenzen für Bau und Einrichtung wird zunächst von Großstadtbibliotheken realisiert.
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Entstehung von Planungsbedarf

Planungsbedarf entsteht durch Defizite. Defizite von Bibliotheken bewußt zu machen und in Planungen einmünden zu lassen, ist eine permanente bibliothekspolitische Aufgabe des bibliothekarischen Berufstandes und von bibliothekarischen Institutionen; das gilt für die bibliothekarischen Verbände, die bibliothekarischen Ausbildungsstätten, die bibliothekarische Fachpresse ebenso wie für die Staatlichen Fachstellen für das Öffentliche Bibliothekswesen und die Leiterinnen und Leiter von Bibliotheken.

Die räumliche Situation einer Bibliothek ist ein Faktor unter anderen. Weitere Faktoren sind die Lage im Ort (Erreichbarkeit), die Medienausstattung (inhaltliches Angebot), der jährliche Etat für die Medienbeschaffung (Aufbau oder Erhalt von Quantität und Qualität, Differenziertheit und Aktualität des inhaltlichen Angebots), die personelle Besetzung (u.a. Vermittlung des inhaltlichen Angebots), die Öffnungszeiten (Zugänglichkeit), die gebührenfreie Benutzung, die Veranstaltungstätigkeit, die Öffentlichkeitsarbeit etc. Diese Faktoren müssen aufeinander abgestimmt sein und insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zur Einwohnerzahl der Kommune bzw. des Einzugsgebiets stehen. Außerdem ist bei der Erstellung der Konzeption zu berücksichtigen, daß es im Gegensatz zu allen anderen öffentlichen Einrichtungen, gerade auch zur Wissenschaftlichen Bibliothek, ein Spezifikum der Öffentlichen Bibliothek ist, daß ihre Benutzung überwiegend aus ungerichtetem Interesse und nur zu einem geringeren Teil aus gezieltem Interesse zustande kommt. Deshalb ist es für die Öffentliche Bibliothek essentiell, von vorneherein auf den Abbau aller Schwellen zu achten.
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Defizite sind nicht immer ohne weiteres erkennbar, aber auch wenn sie erkannt sind, wird daraus nicht unbedingt gleich Planungsbedarf abgeleitet; hier handelt es sich vielmehr um Prozesse, die vor allem von bibliothekarischer Seite systematisch betrieben werden müssen.

Defizite sind vorhanden, wenn es in bibliotheksfähigen Kommunen keine Bibliotheken gibt oder es offensichtlich ist, daß Bibliotheken durch Vernachlässigung zu abgesunkenen Einrichtungen verkommen sind. Gerade in kleinen Kommunen ist die Erkenntnis von Defiziten mit dem Bewußtwerden der Bibliotheksfähigkeit der Kommunen verknüpft; nach den Grundsatzpapieren der siebziger Jahre sollten Bibliotheken Bestände von wenigstens 10.000 Medieneinheiten bei zwei Medieneinheiten pro Einwohner haben, wonach sich die Bibliotheksfähigkeit ab einer Einwohnerzahl von 5.000 ergab. Glücklicherweise sind diese starren Vorgaben heute überwunden: Nicht nur daß Grundsatzpapiere der letzten Jahre die Bibliotheksfähigkeit bereits ab 3.000 Einwohnern als gegeben sehen und drei Medieneinheiten pro Einwohner fordern, vor allem sind in den letzten Jahren etliche Bibliotheken nach bibliotheksfachlichen Gesichtspunkten in Kommunen, deren Einwohnerzahl zum Teil deutlich unter 5.000 liegt, entstanden. Gerade in solch kleinen Kommunen ist die Etablierung von Bibliotheken konzeptionell in der Regel doppelt begründet: zum einen durch die eigentliche Bibliothekskonzeption, die häufig wegen der Kleinheit der Kommune Spezifika aufweist, insbesondere die funktionale und räumliche Integration anderer Aufgaben, wie zum Beispiel die des Verkehrsbüros, der Volkshochschule oder der generellen Organisation von örtlichen Veranstaltungen, Aufgaben, die zudem noch in Personalunion durch die Bibliotheksleiterinnen und -leiter wahrgenommen werden; zum anderen durch eine Konzeption, die auf umfassende Weise die lokalen Ressourcen zum Nutzen aller zur Geltung bringen will, auf die Identität der Kommune im kommunalen Umfeld und die Identifikation der Bürger mit ihrer Kommune zielt, und in der die Bibliothek einen besonderen Stellenwert hat, weil sie oft die einzige Einrichtung ist, die permanent präsent ist und durch ihre Breitenwirkung und ihr inhaltliches Angebot, das alle Aktivitäten und Institutionen in der Kommune tangiert und ergänzt, koordinierend und strukturierend wirkt.
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Defizite werden auch gemacht. Mitunter liegt das an einer gewissen Unsicherheit der an einer Bibliotheksplanung Beteiligten, an Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Bibliothekar, Architekt, kommunaler Verwaltung und Gemeinderat, am Fehlen einer geeigneten Konzeption oder an mangelnder Konzeptgenauigkeit etc. Mitunter müssen Defizite bei der Realisierung von Bibliotheksprojekten auch in Kauf genommen werden, weil die örtlichen Voraussetzungen sie erzwingen, weil sie Kompromisse darstellen, die ein Vorhaben insgesamt zustimmungsfähig machen, weil es sich um Auflagen etwa durch Brandschutzbeauftragte oder Denkmalschutzbehörden handelt etc. Bei der Planung einer Bibliothek ist es unumgänglich, Kompromisse einzugehen. Räumliche Defizite allerdings, die auf diese Weise akzeptiert wurden, werden, wenn aus Sparzwängen heraus weitere Faktoren reduziert werden, die Gesamtsituation der Bibliothek ins Defizitäre potenzieren und das Absacken ihrer Leistungsfähigkeit auslösen.

Defizite entwickeln sich schließlich. Eine Bibliothek, die einmal den aktuellen bibliotheksfachlichen Stand verkörperte, wird diesen Stand nur für begrenzte Zeit durch "Aufmöbeln", "Nachrüsten" und partielle Aufnahme neuer Angebote halten können; irgendwann wird offensichtlich, daß eine Bibliothek in die Jahre gekommen ist und Defizite aufweist. Anders gesagt: Es ist die Weiterentwicklung des Bibliothekswesens, die als Reaktion auf die sich verändernden gesellschaftlichen Anforderungen an Bibliotheken sich am deutlichsten in jeweils aktuellen Vorhaben manifestiert, damit anderswo Defizite bewußt macht und Planungsbedarf evoziert. Außerdem sind Bibliotheken defizitär, wenn ihre Art, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, gegenüber dem aktuellen Standard des Erscheinungsbildes anderer öffentlicher oder öffentlich zugänglicher Einrichtungen (z.B. Rathaus-Foyers, Kurhäuser, Museen, Festhallen, Schalterhallen von Banken) deutlich wahrnehmbar abfällt. Defizite werden sowohl durch den Vergleich von Bibliotheken untereinander als auch durch den Vergleich von Bibliotheken mit anderen Institutionen erkennbar.
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Planungsverlauf und Formulierung von Konzeptionen

Der "Idealfall", daß nach entsprechenden Vorplanungen eine Bibliothekskonzeption beschlossen und dann entsprechend realisiert wird, kommt in der Praxis nicht vor. Keine Planung gleicht in ihrem Verlauf einer anderen, jedes Bibliotheksprojekt ist in gewisser Weise immer auch ein Abenteuer. Trotzdem sind gewöhnlich mehrere Abschnitte eines Planungsverlaufes zu erkennen:

  1. Vorüberlegungen. Nachdem der Gedanke an ein Bibliotheksvorhaben entstanden ist, wird unter Hinzuziehung von Fachleuten (z.B. Architekt/ Bauamt, Bibliotheksleitung/Fachstelle, zuständiges Amt/Dezernat) in zunächst kleinem Kreis darüber gesprochen und werden Grundlinien der Planung (und eventuell auch schon der Vorgehensweise) festgeklopft. Hieraus ergeben sich mitunter Standortbewertungen und Gebäudebegutachtungen. Da bereits in dieser Phase - wie sich später stets herausstellt - grundlegende Vorentscheidungen getroffen werden, die danach mitunter nur noch schwer korrigiert werden können, ist die Mitwirkung von Bibliotheksfachleuten von Anfang an unerläßlich. - Der Einstieg in ein Projekt geht also stets von konkreten örtlichen Begebenheiten aus: Es wird zunächst abgeklärt, was machbar ist und ob das Machbare zu einer effizienten, bibliotheksfachlichen Vorstellungen entsprechenden Bibliothek führt.

  2. Erarbeitung einer Konzeption. Sie muß alle wichtigen Faktoren, die die Leistungsfähigkeit der Bibliothek bestimmen, enthalten, örtliche Gegebenheiten berücksichtigen und eventuell Vorschläge für Schwerpunkte der künftigen Bibliotheksarbeit (konzeptionelle Besonderheiten) enthalten. Sie muß die Inhalte klar und komprimiert darstellen, wo nötig müssen Alternativen aufgezeigt werden, offene Fragen müssen als solche angesprochen werden. Da davon auszugehen ist, daß sie später als Vorlage in Sitzungen des kommunalen Parlaments verwendet wird, soll sie sich vom Umfang her im Rahmen halten, übersichtlich gegliedert sein und möglicherweise durch Pläne, Skizzen, Tabellen ergänzt werden.

  3. Erste Informationen und Diskussionen des kommunalen Parlaments (zeitgleich mit 2.). Die kommunale Verwaltung, die ein Bibliotheksvorhaben durchführen möchte, muß ihrerseits das kommunale Parlament darüber informieren und von der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen des Vorhabens überzeugen; nur so kann schließlich eine Mehrheit für das Projekt im Entscheidungsgremium zustande kommen. Bestandteil dieser Phase sollte eine Informationsreise sein, die gute Bibliotheken in vergleichbaren Kommunen, in vergleichbaren Gebäudesituationen und nach vergleichbaren Konzeptionen zum Inhalt hat; neben Angehörigen der kommunalen Verwaltung sollten daran nicht nur die Mitglieder eines zuständigen Ausschusses, sondern möglichst das gesamte kommunale Parlament, zumindest jedoch Vertreter aller Fraktionen teilnehmen, außerdem der Architekt, der möglicherweise mit der Vorbereitung oder gar Durchführung des Projekts beauftragt wird, und Bibliotheksfachleute. Für die Vermittlung von Vorstellungen über die moderne Öffentliche Bibliothek und für die Mehrheitsfindung im kommunalen Parlament kann die Veranschaulichung durch Informationsfahrten nicht hoch genug eingeschätzt werden.

  4. Beschlüsse. Entscheidende Fixierungen im Laufe einer Planung sind die Beschlußfassungen durch die kommunalen Parlamente. Gewöhnlich handelt es sich um eine Reihe von Beschlüssen, die sich mit Details beschäftigen und die in der Summe das dem Vorhaben zugrundeliegende Konzept nicht einmal vollständig abdecken müssen. Auch der Beschluß, der am Anfang steht, ist häufig kein genereller, sondern auch nur Detailbeschluß (z.B., ein Ingenieurbüro mit der Untersuchung der Tragfähigkeit von Decken in einem eventuell umzunutzenden Gebäude oder das Bauamt mit der Kostenabschätzung einer Maßnahme zu beauftragen). Da die Entscheidungen in Bibliotheksangelegenheiten stets von Entscheidungsträgern, die im Regelfall keine Bibliotheksfachleute sind, getroffen werden, ist es sinnvoll, vor Entscheidungen ausreichende Kenntnisse über Bibliotheken zu vermitteln. Da dies nicht immer ausreichend möglich ist, ist der Planungs- und Entscheidungsprozeß gleichzeitig auch der Lernprozeß, der vielfach einer Neuentdeckung der Bibliothek gleichkommt und mitunter großes Engagement und Ehrgeiz, das Beste aus einer Planung zu machen, auslöst. Aufgabe der Bibliotheksfachleute ist es nicht, den Entscheidungsträgern zu sagen, wie sie entscheiden sollen, sondern ihnen Sachverhalte und Probleme fachlich einwandfrei darzustellen, damit sie das notwendige Wissen und Sicherheit für ihre Entscheidungen gewinnen.

  5. Planung der Baumaßnahme. Die Bauplanung durch den Architekten ist ein Prozeß, der bereits während der Phase der Vorüberlegungen, dann in der Regel nur mit der vagen Aussicht auf einen festen Auftrag, einsetzt und sich noch nach dem Beginn der Baumaßnahme mit Details beschäftigt. Im Laufe des Prozesses entstehen in mehreren Stufen immer detailliertere und präzisere Pläne. Was für die kommunalen Entscheidungsträger gilt, gilt auch für den Architekten: Er muß sich erst für die zu planende Bibliothek sachkundig machen, sollte dies aber systematisch und rasch durch intensive Gespräche mit Bibliotheksfachleuten, durch die Einarbeitung in Fachliteratur und durch die Besichtigung beispielhafter Bibliotheken tun. Während des gesamten Planungsprozesses ist die enge Zusammenarbeit zwischen Architekt und Bibliotheksfachleuten nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. - Aus Gründen der Veranschaulichung und um den Entscheidungsprozeß zu beschleunigen, sind häufig bereits in einem sehr frühen Planungsstadium Einrichtungspläne (Möbel, Geräte, Funktionsabläufe, Wege in der Bibliothek etc.) zu erarbeiten, die dann im fortschreitenden Planungsprozeß weiterzuentwickeln sind; das heißt nicht, daß die Einrichtungsplanung sich nachrangig an die Gebäudeplanung anpaßt, sondern diese Vorgehensweise stellt eine Wechselwirkung zwischen Bau- und Einrichtungsplanung sicher und damit von Anfang an eine optimale Berücksichtigung bibliotheksrelevanter Gesichtspunkte.

  6. Architektenwettbewerb. Je größer Bauvorhaben sind, desto eher werden Planungen im Wettbewerb vergeben. Das kann bereits eine Bibliothek der Grundversorgung in einer relativ kleinen Kommune betreffen, wenn die Bibliothek Bestandteil eines umfangreicheren Projekts ist. Die Berücksichtigung bibliotheksrelevanter Gesichtspunkte ist dreimal gegeben: durch die Mitwirkung von Bibliotheksfachleuten bei der Vorbereitung des Wettbewerbs (Ausschreibung), durch ihre Mitarbeit im Preisgericht als sachverständige Berater und später durch Zusammenarbeit mit dem Architekten bei der weiteren Planung.

  7. Bauphase. Insbesondere bei Umbauten, die zunächst mit Abbrucharbeiten beginnen, sind auf Grund von nicht voraussehbaren baulichen Gegebenheiten zumindest für Details Planungskorrekturen erforderlich, die sich auch auf die Einrichtungsplanung auswirken können. - In zunehmenden Maße werden für Planungsvorhaben Arbeitsgruppen, die sich vor allem aus den tangierten Fachleuten (Architekt, Bauamt, Bibliotheksleitung, Fachstelle, Fachingenieure) zusammensetzen, eingerichtet, die sich regelmäßig treffen (jour fixe) und das gesamte Projekt bis zur Fertigstellung planerisch begleiten. Solch eine Gruppe kann von einem Architekten oder Bauingenieur geleitet werden, der die Aufgabe eines Controllers wahrnimmt und vor allem für die Einhaltung des Kosten- und Zeitrahmens verantwortlich ist.
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Trotz aller Bestrebungen nach einer effizienten Vorgehensweise sind Planungsabläufe nicht schematisierbar, weil Imponderabilien nicht auszuschließen, die örtlichen Voraussetzungen zu verschieden und die an der Planung Beteiligten als individuelle Persönlichkeiten für die Aufgabe unterschiedlich disponiert sind. Der Verlauf von Planungen hängt unter anderem ab:

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Die bibliothekarischen Institutionen, die sich permanent und praxisbezogen mit Bibliotheksplanung beschäftigen, sind die Staatlichen Fachstellen. Sie begreifen die Bauplanung als Teil einer komplexen Bibliotheksplanung und wirken deshalb im Planungsprozeß auch auf die Entwicklung aller anderen Faktoren, die eine Bibliothek ausmachen, hin. Die Fachstellen verfolgen die Entwicklung in Bibliotheksbau und -einrichtung und setzen sich kritisch mit ihr auseinander. Die Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Fachstellen bilden sich gerade für diese Aufgabe laufend weiter. Außerdem verfolgen Fachstellen keine wirtschaftlichen Interessen und sind deshalb in der Lage, Bibliotheken, Kommunen und Architekten ausschließlich nach bibliotheksfachlichen Gesichtspunkten zu beraten.

Arten der Baumaßnahmen

Bei Bibliotheksplanungen kann zunächst einmal unterschieden werden zwischen Neubau, Erweiterung, Umbau und Umnutzung, wie das in der Fachliteratur vielfach getan wird. Da es nicht nur zwischen Umbau und Umnutzung, sondern auch zwischen diesen und dem Neubau fließende Übergänge bzw. Zwischenstufen gibt, ist die Unterscheidung nicht immer zwingend und einsichtig. Auch die Erweiterung kann durch Umbau bzw. Umnutzung eines benachbarten Gebäudes oder durch Anbau geschehen; andererseits kann ein Anbau nicht nur eine Ausweitung der Bibliotheksfläche bewirken, sondern die Conditio sine qua non für die Umnutzung eines sonst für Bibliothekszwecke ungeeigneten Gebäudes sein.
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Neubauten werden gewöhnlich nicht als Solitäre errichtet. Da Öffentliche Bibliotheken eine möglichst zentrale Lage haben sollen, werden sie sehr häufig in verdichteten Stadt- oder Ortskernen errichtet, wo sie Grundstückszwängen unterliegen und in besonderem Maß Rücksicht auf die gebaute Umgebung nehmen müssen. Hohe Grundstückspreise sowie vorgegebene Grundstücksgrößen und -formen, die sich nicht immer durch Zusammenlegen mehrerer Grundstücke korrigieren lassen, erzwingen mitunter auch für Neubauten Grundrisse und Gebäudedimensionen, die durchaus gegebenen Gebäuden entsprechen. Bauvorschriften für bestimmte Areale und die Einpassung eines Gebäudes in seine Nachbarschaft erlauben Gestaltungsfreiräume nur in einem vorgegebenen Rahmen, wovon auch das Gebäudeinnere tangiert ist.

Jede Planung eines Gebäudes ist selbstverständlich Einschränkungen unterworfen, und der Planungsvorgang selbst kann als weitere Beschränkung auf eine von mehreren Möglichkeiten durch Festlegungen, die für die Bibliothek folgerichtig nach einer Konzeption geschehen, begriffen werden. Insofern gibt es keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede zwischen den Arten der Baumaßnahmen.
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Umnutzung und Umbau unterscheiden sich nur durch den Aufwand der erforderlichen Baumaßnahmen, um gegebene Gebäude für Bibliothekszwecke umzugestalten. Wenn es sich um Gebäude handelt, die den Anforderungen durch Bibliotheken bereits weitgehend entsprechen, etwa ebenerdige, großflächige Gebäude ohne (tragende) Innenwände, wie z.B. frühere Schalterhallen von Banken oder Supermärkte, kann dieser Aufwand relativ gering gehalten werden. Da es sich hierbei um Bauwerke handelt, die in ihrer Nüchternheit den Bibliotheksanforderungen entgegenstehen, müssen vor allem an die Innenraumgestaltung hohe Ansprüche gestellt werden. Bei anderen gegebenen Gebäuden, die hohe Innenraumhöhen haben (Scheunen, Keltern, Kinos, Fabrikhallen), ist es möglich, die Gesamtfläche durch Einfügen weiterer Ebenen zu erweitern, was galerieartig, also unter Freilassung von Deckenausschnitten, geschehen kann, um die Transparenz zwischen den Geschossen herzustellen und den Eindruck von der Großzügigkeit eines Raumes zu bewahren. Auch Kirchen lassen sich so in Öffentliche Bibliotheken verwandeln; während sie von außen noch ungeschmälert ihre frühere Bestimmung zeigen, werden sie im Innern so umgestaltet, daß sie ihren sakralen Charakter verlieren.

Letzlich geht es darum, in vorgegebenen Gebäudehüllen moderne Öffentliche Bibliotheken zu schaffen. Das kann bis zu einer Baumaßnahme gehen, in der ein größeres Gebäude völlig entkernt wird, die Außenwände aber stehen bleiben, weil sie z.B. unter Denkmalschutz stehen, und im Innern ein völlig neues, dezidiert auf Bibliotheksbelange zugeschnittenes Bauwerk entsteht; die fertige Bibliothek präsentiert sich dann in einem eigenwilligen Kontrast: von außen wirkt sie streng, repräsentativ und geschlossen, innen hingegen offen, transparent, anregend und modern.
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Schwierig ist die Umnutzung kleinräumiger Gebäude zu Bibliotheken. Entkernen wird nur selten möglich sein. Die Herausnahme von Wänden ist nicht möglich, wenn es sich um tragende handelt; dann können sie nur weit geöffnet werden, was allerdings mit hohem baulichen und finanziellen Aufwand verbunden ist und diesen mitunter nicht lohnt; nicht möglich ist das Verändern von Wänden, wenn auch das Innere eines Hauses unter Denkmalschutz steht. Um solche Häuser noch einigermaßen akzeptabel für Bibliothekszwecke umnutzen zu können, ist es notwendig, einen "zentralen Bereich" zu schaffen, der groß genug ist, um zentrale Funktionen aufzunehmen (z.B. Eingangsbereich, Verbuchungszone, Lesecafé, Nahbereich), der bei Mehrgeschossigkeit die vertikale Erschließung über Treppen und Aufzüge übernimmt, der zumindest für einen Teilbereich Transparenz herstellt und den Eindruck von offenem, großem Haus vermittelt und von dem aus die vorgegebenen kleinen Räume auf jeder Ebene direkt zugänglich sind. Solch ein zentraler Bereich kann z.B. geschaffen werden, indem ein vorhandener Innenhof in Dachhöhe mit Glas geschlossen und mit Treppen, Fahrstühlen, Podesten, Brücken und Galerien ausgestattet wird. - Auf vergleichbare Weise können auch Villen für Bibliothekszwecke umfunktioniert werden. Villen sind repräsentative, für sich stehende, mehrgeschossige Wohnhäuser, die wegen ihrer Kleinräumigkeit und tragender Wände im Inneren zur Aufnahme öffentlicher Bibliotheken zunächst nicht geeignet sind. Durch den Anbau eines "zentralen Bereichs", der sich in diesem Fall nicht im Inneren des Gebäudes, sondern an seinem Rand befindet, aber sonst wie der eben beschriebene Innenhof alle zentralen und Erschließungsfunktionen wahrnimmt, ist solch ein Haus ebenfalls umnutzbar.

Relativ einfach für Bibliotheken umzunutzen sind mehrgeschossige Gebäude, deren ursprüngliche Bestimmung ebenfalls Großflächigkeit und hohe Belastbarkeit der Decken verlangte. Das trifft auf Kornhäuser und Zehntscheuern zu, die, obzwar aus Holz gebaut, durchaus modernen Lagerhäusern in Beton entsprechen, nur daß das Schrittmaß ihrer Stützreihen geringer ist. Da sie aus Holz sind, lassen sie sich leicht umgestalten; häufig reicht zur Schaffung von Öffungen in den Decken die Herausnahme von Deckenbohlen, Veränderungen, die bei einem späteren Auszug der Bibliothek ohne weiteres rückgängig gemacht werden können.
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Schwierig ist die Umnutzung kleinräumiger Gebäude zu Bibliotheken. Entkernen wird nur selten möglich sein. Die Herausnahme von Wänden ist nicht möglich, wenn es sich um tragende handelt; dann können sie nur weit geöffnet werden, was allerdings mit hohem baulichen und finanziellen Aufwand verbunden ist und diesen mitunter nicht lohnt; nicht möglich ist das Verändern von Wänden, wenn auch das Innere eines Hauses unter Denkmalschutz steht. Um solche Häuser noch einigermaßen akzeptabel für Bibliothekszwecke umnutzen zu können, ist es notwendig, einen "zentralen Bereich" zu schaffen, der groß genug ist, um zentrale Funktionen aufzunehmen (z.B. Eingangsbereich, Verbuchungszone, Lesecafé, Nahbereich), der bei Mehrgeschossigkeit die vertikale Erschließung über Treppen und Aufzüge übernimmt, der zumindest für einen Teilbereich Transparenz herstellt und den Eindruck von offenem, großem Haus vermittelt und von dem aus die vorgegebenen kleinen Räume auf jeder Ebene direkt zugänglich sind. Solch ein zentraler Bereich kann z.B. geschaffen werden, indem ein vorhandener Innenhof in Dachhöhe mit Glas geschlossen und mit Treppen, Fahrstühlen, Podesten, Brücken und Galerien ausgestattet wird. - Auf vergleichbare Weise können auch Villen für Bibliothekszwecke umfunktioniert werden. Villen sind repräsentative, für sich stehende, mehrgeschossige Wohnhäuser, die wegen ihrer Kleinräumigkeit und tragender Wände im Inneren zur Aufnahme öffentlicher Bibliotheken zunächst nicht geeignet sind. Durch den Anbau eines "zentralen Bereichs", der sich in diesem Fall nicht im Inneren des Gebäudes, sondern an seinem Rand befindet, aber sonst wie der eben beschriebene Innenhof alle zentralen und Erschließungsfunktionen wahrnimmt, ist solch ein Haus ebenfalls umnutzbar.
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Immer wieder kommt es bei Neubauten vor, daß zunächst nicht die Unterbringung einer Bibliothek vorgesehen ist, sondern nach Abschluß der Planungen, mitunter sogar noch während der Rohbauphase, der Bibliothek dort Flächen angeboten werden. Die Umnutzung solcher Flächen für Bibliothekszwecke kann durchaus surreale Züge haben: frisch errichtetes Mauerwerk wird wieder entfernt; tragende Wände werden durchbrochen; in armierte Betondecken weren Öffnungen geschitten, um zwei Ebenen mit einer internen Treppe verbinden zu können; bereits verlegte Leerrohre in Wänden, Decken und Böden treten jetzt an den falschen Stellen zutage. Obwohl es sich in solchen Fällen um Neubauten handelt, handelt es sich gleichzeitig um echte Umnutzungen bereits gegebener Gebäude. Der Unterschied zur Umnutzung früher anders genutzter Gebäude liegt darin, daß Neubau und Umnutzung in einem Zuge erfolgen, von denselben Bauherrn, Architekten und Bauunternehmern ausgeführt werden, die dafür notwendigen Entscheidungen, Planungen und Ausführungen in kurzer Zeit vollzogen werden und die Umnutzung sich für alle Beteiligten letztlich als Korrektur am voranschreitenden Bau darstellt. Da solche Umnutzung unter enormem Zeitdruck geschieht und die Planung nicht immer redundant und mit Sicherheit bis zum optimalen Resultat von den Beteiligten ausdiskutiert werden kann, sind Mängel, die dann die Nachteile einer für Bibliothekszwecke ohnehin nicht idealen Restfläche verstärken, nicht auszuschließen. Da es sich bei solchen großen Gebäuden häufig um multifunktionale und publikumsintensive Zentren von Geschäften und Dienstleistungseinrichtungen handelt, profitiert die Bibliothek von dieser Unterbringung.
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Die Erweiterung eines Bibliotheksgebäudes kann durch einen neu errichteten Anbau, durch Umnutzung oder Umbau benachbarter Gebäude und durch eine Kombination aus Anbau und Umbau, etwa durch Überbauung einer Gebäudelücke zwischen Bibliotheksgebäude und einem einzubeziehenden gegebenen Gebäude, erfolgen. Mit einer Erweiterung wird zunächst einmal die Vergrößerung der Fläche angestrebt. Wenn die zugewonnene Fläche nicht vollständig für die Unterbringung eines bisher noch nicht vorhandenen Angebots gebraucht wird, sondern generell einen beengten Zustand beenden soll, muß die Bibliothekskonzeption auf die vergrößerte Gesamtfläche umgelegt werden; davon ist immer auch das bisherige Bibliotheksgebäude tangiert, in dem ebenfalls Umbaumaßnahmen zwingend werden können. Mit einer Erweiterung muß aber nicht immer vorrangig die Flächenvergrößerung beabsichtigt sein; vielmehr ist es durch einen Anbau mitunter erst möglich, eine bis dahin unerträgliche und für Bibliothekszwecke völlig ungeeignete Gebäudesituation grundlegend zu ändern und konzeptionell zu optimieren. So kann beispielsweise die abstruse Situation der "Stübchenbibliothek", also die auch nur so begehbare Abfolge vieler kleiner Räume in einem gegebenen Gebäude, durch den Anbau eines "zentralen Bereichs" aufgehoben werden, indem jeder einzelne kleine Raum vom angebauten "zentralen Bereich" her direkt zugänglich gemacht wird.

Wie bei anderen Bibliotheksbauvorhaben, ist es - nicht bloß zur Erleichterung der Überzeugungsarbeit und damit zur Mehrheitsfindung und Herbeiführung von Beschlüssen - auch bei Erweiterungen sinnvoll, beides anzustreben: den Quantitätssprung der Flächenerweiterung und den Qualitätssprung konzeptioneller Veränderung.

Konrad Heyde zurück zum Seitenanfang
Literatur


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