Hans Peter Thun
Eine Einführung in das Bibliothekswesen der Bundesrepublik
Deutschland
DEUTSCHES BIBLIOTHEKSINSTITUT
2000
5. Vereine und Verbände
Groß ist in Deutschland die Zahl der Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsgruppen, Kommissionen, Ausschüsse, Unterausschüsse, Vereine und Verbände. Böse Zungen behaupten, das ermögliche es jedem deutschen Bibliothekar, nicht nur ein wichtiges Vereins- oder Mitgliedsamt zu bekleiden, sondern bei Bedarf auch deren mehrere. Gemeinsame Verbände des Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesens gibt es in Deutschland nicht, es wird aber bei Planungen und in der praktischen Arbeit auf regionaler und überregionaler Ebene kooperiert und in den jüngsten Jahren kam es zu einer bemerkenswerten Reduzierung durch Fusionen, die unten beschrieben werden.
Hier sei nur auf die überregionalen Verbände eingegangen, von denen fast jeder natürlich noch seine regionale Untergliederung besitzt, bei 16 Bundesländern also bis zu 16 Landesverbände.
Zunächst sind da die Berufsverbände. Wir haben in Deutschland mindestens vier Ausbildungen im Bereiche der Bibliotheksarbeit, die früher vier, nach Fusionen in den letzten Jahren aber nur noch zwei ständische Verbände erzeugen:
Der ehrwürdigste, weil mit nunmehr 98 Jahren älteste, ist der Verein Deutscher Bibliothekare (VDB), der im wesentlichen die Angehörigen des höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken vertritt. Er ist auch, gemeinsam mit dem VdDB (s.u.) der Veranstalter des jährlich stattfindenden Deutschen Bibliothekartages und Herausgeber des zweijährlich, nunmehr im 57. Jahrgang erscheinenden Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken, in dem die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und die Mitglieder des VDB verzeichnet sind.
Fachzeitschrift: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie.
Der
Berufsverband
Information Bibliothek e.V. (BIB) ist seit März 2000 die
Interessenvertretung des mittleren und gehobenen Dienstes als
Zusammenschluß von
Verein der Bibliothekare
und Assistenten (VBA) und
Verein
der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken
(VdDB)
Der VBA war vor dieser Fusion der mitgliedsstärkste Personalverband,
vertrat die für den Dienst an Öffentlichen Bibliotheken ausgebildeten
Bibliothekare und den mittleren Dienst, also den Berufsstand, der in Deutschland
"Assistent an Bibliotheken" genannt wird. Er veranstaltete ebenfalls
jährlich eine Jahrestagung und gab sein eigenes Handbuch heraus, das
Jahrbuch der Öffentlichen Bibliotheken, dessen Ursprünge
unter anderen Namen bis in das Jahr 1926 zurückreichen. Der Verein ist
das Ergebnis einer im Jahre 1997 vollzogenen Fusion des Vereins der
Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken (VBB) mit dem
Bundesverein der Bibliotheksassistenten/-innen und anderer Mitarbeiter/-innen
an Bibliotheken (BBA) .
Fachzeitschrift: Buch und
Bibliothek.
Der VdDB (s.o) war bis zur Fusion der Berufsverband des gehobenen Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken. Er tagte jährlich gemeinsam mit dem VDB und war Mitorganisator des Deutschen Bibliothekartags.
Daneben gibt es Verbände, die keine Personen, sondern Institutionen vertreten:
Der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) ist der spartenübergreifende Verband aller Bibliotheksträger, in ihm sind also genaugenommen Gemeinden und Länder, sowie andere Träger von Bibliotheken Mitglied, die sich aber in der Verbandsarbeit von den Leitern ihrer Bibliotheken vertreten lassen, so daß de facto der DBV ein rein bibliothekarischer Verband ist. Er gliedert sich nicht nur in Landesverbände, sondern länderübergreifend, entsprechend den unterschiedlichen Bibliothekstypen und -größen, in Sektionen, die auch unabhängig vom Gesamtverband tagen und arbeiten. Er zählt gegenwärtig 9 Sektionen. Der DBV hat eigene jährliche Tagungen, ist in vielfältiger Weise mit anderen bibliothekarischen Gremien verwoben und entsendet Vertreter seiner Sektionen in den Fachbeirat des Deutschen Bibliotheksinstituts.
Der Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen (VdBNRW) ist einerseits ein selbständig eingetragener Verein, fungiert aber andererseits als Landesverband des Deutschen Bibliotheksverbandes im Bundesland Nordrhein-Westfalen und gibt auch eine eigene Fachzeitschrift, Pro Libris , heraus.
Die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB) ist eine Mischinstitution, in der sowohl Spezialbibliotheken als auch Personen Mitglied sein können. Daneben gibt es noch mehrere andere typenspezifische Arbeitsgemeinschaften, z.B. für Parlaments- und Behördenbibliotheken oder für Kunstbibliotheken.
Seit 1973 trafen sich die bibliothekarischen Verbände alle fünf Jahre zu einer gemeinsamen Veranstaltung, dem Deutschen Bibliothekskongress, in den letzten Jahren sogar häufiger. Im Jahre 2000 fand erstmals ein gemeinsamer Kongress mit der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis statt und vereinte - ein Novum für Deutschland - Bibliothekare und Fachleute des Informations- und Dokumentationswesens zu einem gemeinsamen Jahreskongress.
Frühzeitig hatten sich die wichtigsten bibliothekarischen Verbände eine Art Dachinstitution geschaffen, die Deutsche Bibliothekskonferenz. Aus ihr entstand ein Dachverband, in dem die oben erwähnten Verbände heute unter der Bezeichnung Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) versuchen, ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Publikationsorgan der Bundesvereinigung ist die beim Deutschen Bibliotheksinstitut erscheinende Fachzeitschrift Bibliotheksdienst. Die Geschäftsstelle der Bundesvereinigung ist, ebenso wie die des Deutschen Bibliotheksverbandes, im Hause des Deutschen Bibliotheksinstituts angesiedelt. Die einzelnen Verbände existieren aber weiterhin als selbständige Einrichtungen. Ein Versuch, sie zu einem einzigen Verband zusammenzuschließen, scheiterte 1995.
Fachzeitschrift: Bibliotheksdienst.
Eine erwähnenswerte Sondereinrichtung ist die Bibliothekarische Auslandsstelle. Sie ist eine gemeinsame Einrichtung der bibliothekarischen Verbände. Für die Geschäftsführung ist die Bundsvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) verantwortlich.
Die Auslandsstelle organisiert Seminare und andere Veranstaltungen im In- und Ausland, vermittelt den Austausch von Bibliothekaren und begleitet oder vermittelt Rundreisen und Studienaufenthalte in Deutschland oder in das Ausland.