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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 2000

NedGuide – Virtuelle Fachbibliothek Niederländischer Kulturkreis

Ulrich Tiedau, Peter te Boekhorst

 

Auf dem 14. Colloquium Neerlandicum wurde am 29. August 2000 in Löwen zum ersten Mal das Projekt »Virtuelle Fachbibliothek Niederländischer Kulturkreis« der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich hierbei um ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziertes Gemeinschaftsprojekt des Zentrums für Niederlande-Studien und der Universitäts- und Landesbibliothek Münster. Ziel des Projektes ist es, den Sammelauftrag des Sondersammelgebiets Niederlande, ähnlich wie schon bei anderen Sondersammelgebieten geschehen, um fachspezifische Online-Ressourcen zu erweitern.

Um über das Anbieten einfacher thematischer Link-Listen hinauszugehen, wurde entschieden, das Göttinger Modell der Sondersammelgebiets-Fachinformations-Pilotprojekte (SSG-FI) zu übernehmen, in denen zwischen 1996 und 1999 unter der Leitung von Wilfried Enderle »Subject Based Information Gateways« für die Göttinger Sondersammelgebiete aufgebaut wurden.1 Im Zentrum dieses Modells, das in der fachwissenschaftlichen Welt als »prototypische und zukunftsfähige Lösung« große Anerkennung gefunden hat,2 und zu dessen Nachnutzung uns aus Göttingen freundlicherweise die Skripten zur Verfügung gestellt wurden, steht die Beschreibung der Online-Ressourcen mit einem Metadaten-Modell nach Dublin-Core sowie eine standardisierte Aufbereitung und Bewertung der nachgewiesenen Ressourcen. Diese lassen sich vom Benutzer sowohl über einen hierarchisch gegliederten thematischen Katalog als auch über einen Katalog nach Ressourcentypen und über verschiedene Suchmechanismen erschließen.

 

Projektbeschreibung

Einen vergleichbaren Katalog auch für den Niederländischen Kulturkreis aufzubauen, ist Ziel dieses Projekts. Damit wird auch einer Forderung aus dem Bereich der Niederlandistik Rechnung getragen, die Matthias Hüning, einer der Pioniere der Niederlandistik im Internet, in einem Artikel mit der bezeichnenden Überschrift »Wegweiser im Internet. Wer sucht der findet (oder auch nicht)« formuliert hat.3 Er verweist darin auf die Notwendigkeit, die Erschließung von Online-Ressourcen zu professionalisieren und zu bündeln und nach Möglichkeit an das System von Sondersammelgebieten und Fachreferenten anzubinden.

Endprodukt des auf acht Monate befristeten Projektes soll eine Meta-Suchmaschine sein, die es ermöglicht, medienübergreifend den OPAC des Sondersammelgebiets Niederlande, die in der Virtuellen Fachbibliothek erschlossenen Online-Ressourcen wie auch weitere zu integrierende Kataloge mit einem einzigen Suchauftrag zu durchsuchen und so dem Benutzer einen größtmöglichen Suchkomfort zur Verfügung zu stellen. Als eingängiger Name wurde »NedGuide« gewählt, was eine Anspielung auf das Net (Internet) und das Niederländische (Nederlands) beinhaltet.

Das Projekt ist im Haus der Niederlande angesiedelt, einer bundesweit einmaligen Einrichtung, die das Institut für Niederländische Philologie der Universität, das Zentrum für Niederlande-Studien, das Sondersammelgebiet Niederlande der ULB Münster wie auch weitere Einrichtungen, die im deutsch-niederländisch-belgischen Beziehungsgeflecht tätig sind, unter einem Dach vereint. NedGuide profitiert dabei von der engen Zusammenarbeit mit den hier tätigen Wissenschaftlern. Schon jetzt testen sie im Rahmen einer hausinternen Netzwerklösung, die die Meldung von interessanten Ressourcen an die Projektmitarbeiter ermöglicht, den Einsatz der Virtuellen Fachbibliothek in der täglichen praktisch-wissenschaftlichen Arbeit.

 

Kooperation

Durch die Kooperation mit ähnlich gelagerten Projekten, die in den letzten Jahren insbesondere im Bereich der Niederlandistik entstanden sind, wird die Weiterführung von NedGuide nach Ablauf der Projektphase gewährleistet.

Gerade in den Niederlanden hat das explosive Wachstum des Internets mit seiner Dominanz des Englischen zu Befürchtungen geführt, dass die eigene Sprache im neuen globalen Medium zu einem Randdasein verurteilt sein und damit auf lange Sicht auch allgemein an Bedeutung verlieren könnte. Dies hat zu einer Vielzahl von Initiativen geführt, die die niederländische Sprache und Literatur im Netz dokumentieren und kein geringeres Ziel haben, als das Niederländische zur »bestdokumentierten Sprache der Welt«4 werden zu lassen. Bisher bleiben bibliographische Standards dabei allerdings weitgehend unberücksichtigt.

Hier sind insbesondere das NedWeb des Wiener Instituts für Niederlandistik und das Projekt Taalunieversum der Nederlandse Taalunie, die die Förderung der gemeinsamen Sprache Flanderns und der Niederlande zum Ziel hat, zu nennen. Als konkrete Kooperation ist bereits der Austausch von Datensätzen aus dem Bereich der Sprach- und Literaturwissenschaft verabredet. Dabei werden Ressourcen-Grundinformationen der thematischen Websites (URL, Titel, Kurzbeschreibung) aus Wien angeliefert und in Münster nach dem beschriebenen System klassifiziert und evaluiert. Weitere Kooperationen werden gerade mit dem Nederlands Instituut voor Wetenschappelijke Informatiediensten (NIWI), der Stichting Digitale Bibliotheek Nederlandse Letteren in Leiden und dem Projekt Dutch Electronic Subject Service (DutchESS) der Königlichen Bibliothek in Den Haag abgestimmt.

Während sich NedWeb und Taalunieversum in erster Linie auf Sprache und Literatur konzentrieren, soll bei NedGuide der gesamte niederländische Kulturkreis berücksichtigt werden, insbesondere Geschichte in all ihren Ausformungen (Sozial-, Wirtschafts-, Kultur-, Regional-, Geschlechtergeschichte etc.) sowie Geographie, Volkskunde, Politik und Sozialwesen.

 

Sacherschließung und Evaluation

Das Aufnahmekriterium in NedGuide ist die wissenschaftliche Relevanz einer Ressource. Es ist weder das Ziel noch die Aufgabe, eine Suchmaschine für den gesamten niederländischsprachigen Teil des Internets (etwa ähnlich Yahoo.nl oder Ilse.nl) aufzubauen. Gerade deren doch oft erdrückende Zahl von Treffern auf viele Suchanfragen, die nicht selten zu Seiten von enttäuschender Qualität führen, ist ein wesentlicher Grund für die Notwendigkeit eines sich an den Erfordernissen der Wissenschaft orientierenden Subject Gateways.

Die Ressourcen werden in dreifacher Hinsicht erschlossen, indem sie inhaltlich und formal klassifiziert, verschlagwortet und nach einem standardisierten Schema bewertet werden.

Abb. 1: Thematischer Katalog

 

Probleme

Ein ganz anderes Problem taucht in der Sprachenfrage auf. Während die Göttinger Projekte einheitlich englisch gehalten wurden, drängt sich dies beim Niederländischen Kulturkreis nicht unbedingt auf. Dass sich benachbarte Projekte wie DutchESS für ein solches Vorgehen entschieden haben, ist der Verbreitung des Niederländischen sicherlich nicht förderlich. Eine rein deutsche Fassung von NedGuide hingegen würde den potentiellen Kreis der Benutzer zu sehr einschränken. Da der größte Teil der Seiten ohnehin in Niederländisch gehalten ist und die Mehrzahl der Nutzer von NedGuide des Niederländischen mächtig sein dürfte, erfolgt die Beschreibung der Online-Ressourcen in Niederländisch. Die Benutzerführung hingegen ist zweisprachig (deutsch und niederländisch).

Abb. 2: Der Schematische Aufbau von NedGuide

 

Technik

Auch wenn ausschließlich wissenschaftlich relevante Ressourcen in NedGuide aufgenommen werden, ist doch damit zu rechnen, dass schnell eine große Anzahl thematischer Websites erreicht sein wird. Erweitert wurde das Göttinger Modell deswegen um eine Indexsuche, so dass es dem Benutzer möglich ist, durch die vergebenen SWD-Schlagworte (in deutsch) als auch durch die Volltext-Stichworte (alle Sprachen, vor allem Niederländisch) zu blättern und so auf weitere Themenaspekte zu stoßen. Ebenso ist es möglich, die Schlagwörter eines Suchergebnisses als Ausgang für eine weitere Anfrage zu nutzen wie auch zu einer bereits durchgeführten Suchanfrage zurückzukehren, um diese zu spezifizieren. Insgesamt soll somit dafür Sorge getragen werden, dass ein Benutzer den wissenschaftlich relevanten niederlandespezifischen Teil des Internets präzise und schnell nach ihren Informationsbedürfnissen durchforsten kann.

 

Meta-Suchmaschine

Die am Ende des Projektes stehende Implementierung einer Meta-Suchmaschine nach dem Vorbilde des KVK und einiger bereits existierender Virtueller Fachbibliotheken wird die gleichzeitige Suche im OPAC des Sondersammelgebietes Niederlande, der Bibliotheken des Instituts für Niederländische Philologie und des Zentrums für Niederlande-Studien und in NedGuide integrieren.

Abb. 3: Schematische Übersicht des Gesamtprojekts

Weitere Kataloge können integriert werden, wie z.B. BeNeDict der Belgisch-Niederländischen Dokumentationsstelle des Zentrums, die eine Zeitungsausschnittssammlung zu den Themen Deutsch-Niederländische und Deutsch-Belgische Beziehungen sowie Niederländische und Flämische Identität beinhaltet.

 

Pflege

Um dem Problem des stetigen Wandels von Internet-Ressourcen und der Unbeständigkeit von URLs zu begegnen, wurde ein Wiedervorlagesystem implementiert, das in Abhängigkeit von der »Wichtigkeit« der Ressource, der bei der Aufnahme in NedGuide erwarteten Aktualisierungszeitspanne8 und dem seit der Aufnahme bzw. der letzten Aktualisierung verstrichenen Zeitraum eine Prioritätenliste der zu überprüfenden Datensätze ausgibt. Es sind verschiedene Zeitschemata definiert, mit denen die Prioritätenliste abgearbeitet wird. Als Mindestmaß wird eine halbjährliche Aktualisierung der mit dem Tag »Selten aktualisiert« versehenen Ressourcen angestrebt. Inwieweit dies neben der zu erfolgenden Erschließung neuer Ressourcen zu halten ist, wird die Praxis zeigen. Für die Überprüfung der Gültigkeit von URLs wird ein (halb)automatisiertes System eingesetzt, das Datensätze mit ungültigen URLs ebenfalls in einer Liste sammelt, deren neue Adressen bei Fortbestehen der Unerreichbarkeit von den Betreibern manuell eruiert werden bzw. die gegebenenfalls ganz gestrichen werden müssen.

 

Ausblick

Zur Zeit ist NedGuide nur von den Rechnern im Haus der Niederlande aus zugänglich. Das offizielle »Go live« im Internet ist für das vierte Quartal dieses Jahres vorgesehen. Im Internet sind jedoch bereits jetzt grundlegende Informationen zum Projekt zu erhalten. Unter anderem besteht auch die Möglichkeit, sich in einen Verteiler einzutragen, um über die Entwicklung des Projektes auf dem Laufenden gehalten zu werden: http://www.NedGuide.de/.

In einem weiteren Schritt soll NedGuide in das geplante gemeinsame Portal der Virtuellen Fachbibliotheken integriert werden. Mit der Schaffung dieses Portals ist beabsichtigt, den Benutzern einen Zugang zu gedruckten und elektronischen Informationsquellen auch fachübergreifend mit der Option der parallelen Recherche in verschiedenen Virtuellen Fachbibliotheken zu ermöglichen.

 

1 Siehe dazu den Projektbericht: Das Sondersammelgebiets-Fachinformationsprojekt (SSG-FI) der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen : GeoGuide, MathGuide, Anglo-American History Guide und Anglo-American Literature Guide; Dokumentation / Deutsches Bibliotheksinstitut [Projektleiter: Wilfried Enderle]. – Berlin : Dt. Bibliotheksinst. Teil 1 (1999) (DBI-Materialien ; 185 : Schriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft), online unter: http://www.sub.uni-goettingen.de/ssgfi/.

2 Rüdiger Hohls, EDV und Geschichtswissenschaften : Neuere und Neueste Geschichte, in: Bärbel Biste und Rüdiger Hohls (Hg.), Fachinformation und EDV-Arbeitstechniken für Historiker : Einführungs- und Arbeitsbuch (Historical Social Research : An International Journal for the Application of Formal Methods to History ; Supplement No. 12 (2000)), 93–102, hier: 95 f.

3 Matthias Hüning, Wegwijs op Internet : Die zoekt die vindt (of ook niet), in: Neerlandica extra muros : Tijdschrift van de Internationale Vereniging voor Neerlandistiek (IVN) xxxviii (2000), 1 aflevering (februari 2000), 1–9 (auch online unter: http://www.ned.univie.ac.at/nederlandistik/mh/nem-2000.htm.

4 Marc van Oostendorp, De best gedocumenteerde taal ter wereld, in: Onze Taal, online: http://www.onzetaal.nl/nieuws/unieversum.html.

5 An Stellen, an denen sich die Aufstellungssystematik SSG-NL für Online-Ressourcen als zu differenziert erweist, werden mehrere Einträge unter einem sinnvollen Gesamttitel zusammengefasst. Intern wird jedoch die genaue Klassifizierung verwendet, um für das in den nächsten Jahren erwartete explosive Wachstum des Internets (und damit auch seiner wissenschaftlich relevanten Niederlande-Ressourcen) gewappnet zu sein.

6 siehe SSG-FI-Projektbericht, wie Fußnote 1, S. 30.

7 siehe SSG-FI-Projektbericht, wie Fußnote 1, S. 72–79.

8 Nie: Abgeschlossene Seiten, Änderungen kaum zu erwarten; Selten: Im Wesentlichen Abgeschlossen: selten Änderungen; Normal: Durchschnittlich häufige Aktualisierungen; Mittel: Überdurchschnittlich viele Änderungen/Ergänzungen; Work in Progress: Ständige Aktualisierungen/Ergänzungen.


Stand: 11.10.2000
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