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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 9, 2000

Die Heidelberger Komfortliteraturvermittlung (HEIKO)

Baustein zu einer betont serviceorientierten Informationsversorgung

Achim Bonte

 

Über das im Mai 1999 begonnene Projekt "Heidelberger Komfortliteraturvermittlung" (HEIKO) wird eingetragenen Benutzern der Universitätsbibliothek Heidelberg innerhalb weniger Tage Aufsatzliteratur zugänglich gemacht, die vor Ort nicht vorhanden, aber auf elektronischem Weg zu beschaffen ist. Das Projektteam der UB bedient sich dazu der gängigen elektronischen Dokumentlieferdienste (subito, SSG-S u. a.). HEIKO ist mithin kein eigenständiger Lieferdienst, sondern eher eine Brücke zu denselben. Anknüpfend an einen Beitrag in Heft 1/2000 des Bibliotheksdienst1 soll HEIKO näher vorgestellt und über die bisherigen Erfahrungen berichtet werden.

Wie damals schon ausgeführt, zielte die probeweise Einführung einer gebührenpflichtigen Komfortliteraturvermittlung keineswegs darauf ab, aus den bestehenden elektronischen Lieferdiensten ein Geschäft zu machen. Als wesentliche Motive sind vielmehr der Abbau von Schwellenängsten gegenüber elektronischen Informationsdiensten zu nennen sowie das Bemühen, rd. 25.000 aktiven Bibliothekskunden mit ihren individuellen Voraussetzungen und Ansprüchen jeweils einen möglichst passenden Service zu bieten.

 

Erleichterter Eintritt in die Welt der Dokumentlieferdienste

Aus der täglichen Informationsarbeit ist bekannt, dass zahlreichen Bibliothekskunden der Umgang mit elektronischen Lieferdiensten immer noch schwer fällt. Während einige bestimmte Arbeitsschritte wie die Benutzerregistrierung oder das Entpacken von Dokumenten scheuen, begegnen andere den modernen Bestell- und Lieferformen grundsätzlich mit Skepsis. Eine dritte Gruppe schließlich benötigt elektronische Dokumentlieferdienste so selten, dass sie die Beschäftigung mit dem Thema nicht für lohnend hält. Jenen Kunden soll mit HEIKO eine moderne Alternative zur konventionellen Fernleihe geboten werden. Durchaus erwünscht - und regelmäßig auch tatsächlich zu beobachten - ist der spätere Wechsel von HEIKO zur selbständigen Benutzung von Dokumentlieferdiensten.

 

Verbesserung des Kundenservice

Differenzierte Kundeninteressen erfordern ein differenziertes Leistungsangebot. Solange es in der Bibliothek zeitgleich eine nennenswerte Nachfrage nach konventioneller Fernleihe (bequem, preiswert, langsam), elektronischen Dokumentlieferdiensten (technisch relativ anspruchsvoll, teurer als konventionelle Fernleihe, schnell) und Mischformen à la HEIKO (bequem, teurer als Lieferdienste, schnell) gibt, repräsentiert die Summe der Produkte den kundenfreundlichsten Service.

 

Verfahren

HEIKO wird von studentischen Hilfskräften unter Anleitung eines Diplom-Bibliothekars betreut. Der Dienst steht allen Benutzern der UB Heidelberg offen und lässt wegen der zugrundeliegenden Idee einer möglichst geringen Zugangsschwelle bewusst vielfältige Orderwege zu. Die persönliche Übermittlung eines hand- oder maschinenschriftlich ausgefüllten Bestellvordrucks ist ebenso möglich wie die Bestellung über ein WWW-Formular.2 Optional kann die Weitergabe des Auftrags an die konventionelle Fernleihe verfügt werden, falls er über elektronische Systeme nicht ausführbar sein sollte. Bei den bibliographischen Angaben ist Vollständigkeit erwünscht, jedoch nicht zwingend erforderlich.

Nach Prüfung der Bestellung in den örtlichen Katalogen wählt das HEIKO-Projektteam den geeigneten Dokumentlieferdienst bzw. die Lieferbibliothek aus und erteilt einen entsprechenden Lieferauftrag. Neben der Verfügbarkeit bestimmen Erfahrungen hinsichtlich Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit der einzelnen Anbieter die Lieferantenauswahl. Standardübermittlungsweg ist die kostengünstige elektronische Lieferung. Laufende Bestellungen werden beobachtet und nötigenfalls angemahnt, bei negativer Rückmeldung nehmen die Bearbeiter ggf. weitere Lieferanten in Anspruch.

Die garantierte HEIKO-Lieferzeit beträgt vier Tage. Bestellte Dokumente werden zur Bequemlichkeit der Kunden grundsätzlich ausgedruckt und an den Medienausgabestellen in der Hauptbibliothek bzw. der Zweigstelle der UB 14 Tage zur Abholung bereitgelegt. Da die offizielle Bearbeitungsfrist in vielen Fällen deutlich unterschritten ist, werden Kunden auf Wunsch per E-Mail über den exakten Erledigungszeitpunkt informiert. Die Bezahlung erfolgt bar bei Abholung oder per Kreditkarte.

Um unerwünschtes Massengeschäft zu verhindern und einen Kostenabstand zur unmittelbaren Inanspruchnahme von Dokumentlieferdiensten zu wahren, wird für jeden beschafften Aufsatz mit einem Umfang von bis zu 20 Seiten eine Bearbeitungsgebühr von DM 9,- erhoben. DM 5,- sind in der Regel für die Begleichung der Rechnung der Lieferbibliothek nötig, DM 4,- verbleiben für ggf. notwendige Bibliographierarbeiten, die Ermittlung des geeigneten Lieferdienstes, das Entpacken der elektronischen Lieferung, das Erstellen eines Papierausdrucks, die Fremdrechnungsbearbeitung und den Inkassoaufwand in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Dass der Betrieb von HEIKO keineswegs mit Gewinnabsichten verbunden ist, dürfte aus der Relation von interner Bearbeitungspauschale zum zu leistendem Aufwand deutlich werden.

Auf den Vermittlungsdienst wird mit regelmäßigen Mails in der Kundeninformationsliste "UB-INFO" sowie mittels eines Faltblatts und eines Werbeplakats aufmerksam gemacht. Mündliche Hinweise des Auskunftspersonals sichern ihm zusätzliche Beachtung.

 

Erfahrungen

Eine erfreuliche Nutzungsentwicklung zeigt, dass HEIKO trotz des recht hohen Preises die Erwartungen vieler Kunden trifft. Mit relativ stetig steigender Tendenz gingen zwischen 1.7.1999 und 30.6.2000 insgesamt 834 Bestellungen ein, d.s. etwa 4 pro Öffnungstag. Davon konnten 90% positiv erledigt werden. Der Rest war nicht über elektronische Systeme erhältlich (7%) oder betraf irrtümlicherweise Bestellungen von rückgabepflichtigen Dokumenten (3%). HEIKO besitzt fast keine Stammkundschaft. Der typische Kunde nutzt selten elektronische Dokumentlieferdienste oder wandert nach einigen Aufträgen beim Komfortservice zur preiswerteren, eigenständigen Dokumentenbestellung ab.

Der entstehende Arbeitsaufwand wird durch die zu erzielenden Einnahmen nicht kompensiert. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass durch den Vermittlungsservice die personalaufwendige Anleitung von offensichtlichen Einmalnutzern von Dokumentlieferdiensten verringert wird. Der Dienst "lohnt" sich folglich nur, wenn man wirtschaftlich zunächst irrelevante Faktoren - wie Kundenzufriedenheit und Bibliotheksimage - in die Bilanz einbeziehen will. Dabei ist klar, dass dies oft weniger eine Frage des bibliothekspolitischen Wollens als der Leistungskraft einer Einrichtung ist.

Quasi als Nebeneffekt sammelt das Projektteam im Laufe der Zeit gründliche Erfahrungen mit einzelnen Lieferdiensten, die in die Benutzerberatung einfließt. Im Verhältnis zum Gesamtvolumen blieb die Zahl der Reklamationen wegen ausbleibender oder ungenügender Lieferungen erfreulich gering.

 

Ausblick

In der Erwartung fortschreitender Bedienungserleichterungen bei den Dokumentlieferdiensten und wachsender information literacy der Bibliothekskunden war HEIKO von Beginn an befristet geplant. Zunehmende Finanznot, die auch die Universitätsbibliothek Heidelberg gerade im laufenden Etatjahr hart trifft und die Mittel für studentische Hilfskräfte nicht auslässt, könnten dem Vermittlungsdienst freilich ein vorzeitiges Ende bereiten. Die bevorstehende Neuordnung der Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche für den Versand von Direktkopien, die zwangsläufig die Beschaffungsspesen erhöhen wird, wirkt in die gleiche Richtung. Die mit HEIKO verbundenen Ziele - betonte Serviceorientierung und kundenfreundliche Angebotsdifferenzierung - sollen eventuelle Sachzwänge aber in jedem Fall überstehen und ggf. mit neuen Projektideen weiter verfolgt werden.

 

1 Vgl. A. Bonte, Convenience-Dienste in Bibliotheken - ein Irrweg?, in: Bibliotheksdienst 34 (2000), S. 59-64.

2 Vgl. http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/EDD/Bestellung.html


Stand: 01.09.2000
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