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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 5, 2000

Pilotprojekt Virtuelles Bildarchiv Zürich

Rudolf Mumenthaler

 

Ausgangslage

Institutionen mit größeren Bildbeständen stehen seit geraumer Zeit unter einem großen Druck durch private Konkurrenz, ihre bislang eher passiv verwalteten Fotos aktiver zu vermitteln. Die Digitalisierung von Bildern ermöglicht eine ort- und zeitunabhängige Nutzung bei gleichzeitiger Schonung der Originale. Zwar sehen viele Museen, Bibliotheken und Archive die Chancen, welche die neuen Informationstechnologien bieten, doch fühlen sich gleichzeitig die meisten überfordert, sowohl was Technik als auch Ressourcen anbelangt. Wer jedoch heute untätig bleibt, riskiert, dass das Kulturgut von Privaten vermarktet wird, während die gewaltigen Aufwendungen in Bezug auf Sicherung des Kulturgutes und dessen Erschließung weiterhin Aufgabe der öffentlichen Institutionen bleibt.

In Zürich haben sich deshalb mehrere Institutionen zusammen gefunden, um diese Aufgabe gemeinsam anzugehen. In einem überschaubaren Rahmen sollen hier die bereits vorhandenen technischen Lösungen getestet und einer praktischen Umsetzung zugeführt werden. Die Leitung des Projekts liegt bei der ETH-Bibliothek, die über eine bedeutende Bildersammlung verfügt (Porträts, Ansichten, Dias, Fotoarchiv Comet u.a.). Projektpartner sind die Schweizerische Stiftung für Photographie, das Kunsthaus Zürich, das Museum für Gestaltung, das Schweizerische Sozialarchiv und das Archiv für Zeitgeschichte. Anfangs Februar 2000 haben alle Institutionen gemeinsam mit der Softwarefirma ImageFinder Systems AG einen Pilotversuch vereinbart.

 

Ziele

Der Pilotversuch verfolgt seine Ziele auf zwei Ebenen: Erstens auf derjenigen der einzelnen Institutionen, die eine bessere Verwaltung und nachhaltige Nutzung ihrer Originale anstreben. Zweitens auf der Ebene eines Verbundes, in welchem die Erschließung und gemeinsame Nutzung der Bilder in einem Pool getestet werden.

Im Pilotversuch soll in den einzelnen Institutionen eine relationale Datenbank eingeführt werden, in welcher die Bilder unter Verwendung bestehender Katalogisierungssysteme formal und sachlich erschlossen werden können. Gleichzeitig werden Erfahrungen beim Digitalisieren der Bilder gesammelt, das nach gemeinsamen Kriterien erfolgen soll. Auf der Verbundebene besteht das Ziel darin, die Erschließung so weit wie möglich zu vereinheitlichen, damit ein künftiger Benutzer über das WWW im gemeinsamen Bilderpool nach den gewünschten Themen recherchieren sowie die gefundenen Bilder mit Hilfe eines WWW-Browsers betrachten und gegen Gebühr beziehen kann.

 

Die Software

Nach einem erfolgreichen Test innerhalb der ETH-Bibliothek wird die kommerzielle Software ImageFinder DocuMax eingesetzt. Sie erfüllt die zentralen Anforderungen: Es handelt sich um eine relationale Datenbank, die sowohl eine Client-Server-Struktur als auch eine Einzelplatzversion bietet. Sie erlaubt die integrierte Verwaltung der Bilder vom Import der Bilder über die formale und sachliche Erschließung bis zur Abwicklung von Ausleih- und Verkaufsvorgängen. Die Software bietet zudem die Möglichkeit, beim Import die unkomprimierten Tiff-Files in mehrere JPEG-Formate zu komprimieren. Das digitale Bild wird direkt in der Bildschirmmaske angezeigt und nicht erst über einen zusätzlichen Viewer sichtbar. ImageFinder verfügt zudem über eine CGI-Schnittstelle für den Web-Client.

 

Der Datenbankverbund

Es gilt der Grundsatz, dass sämtliche Rechte an den Bildern bei der besitzenden Institution bleiben. Die einzelnen Datenbanken werden dezentral auf Einzelplatzversionen oder in einer Client-Server-Struktur betrieben. Die Plattform hierfür ist Windows-NT 4.0, möglich ist aber auch Mac. Der externe Zugang erfolgt über einen gemeinsamen Web-Server. Die technische Lösung sieht so aus, dass auf einem Zentralserver Replikas der einzelnen Datenbanken abgelegt werden, wobei diese aus urheberrechtlichen Gründen physisch getrennt bleiben. Die Kopie der Daten erfolgt in regelmäßigem zeitlichem Abstand via Internet. ImageFinder liefert dafür das notwendige Update-Modul und implementiert dieses.

 

Bildauswahl und Digitalisierung

Aus den beteiligten Sammlungen wird ein repräsentativer Querschnitt durch den Bestand in der Größenordnung von je mindestens 200 Bildern ausgewählt. Als Medientypen kommen Fotoabzüge, Negative, Dias, Plakate und Karten in Betracht. Die Bildzahl wird bewusst nicht zu hoch angesetzt, damit für den Test keine allzu großen Investitionen getätigt werden müssen. Der quantitative Ausbau soll erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach erfolgreichem Testlauf, stattfinden. Die Finanzierung erfolgt aus Eigenmitteln.

Für die Digitalisierung gelten folgende Empfehlungen: Ausgegangen wird von der für die allermeisten Kundenwünsche ausreichenden Ausgabegröße als A5-Bild beim Qualitätsdruck.

Auflösung:

300 dpi (Fotoabzüge bis Format A5)
1200 dpi für Kleinbildnegative und -Dias

Modus:

Graustufen 8 Bit für s/w-Vorlagen
RGB 16 Bit bei Farbvorlagen

Format:

Tiff

Dateigröße:

5 MB (s/w) bis 30 MB (farbig)

Die digitalen Bilder werden im Rohzustand als authentische Originale angeboten. Eine Bildbearbeitung soll nur im Bereich Tonwertanpassung, Kontraste und Gradationskurve vorgenommen werden, um eine möglichst originalgetreue digitale Version zu erstellen. Für die Verwendung in der Datenbank und im WWW werden die Bilder in JPEG-Bilder in mehreren Auflösungen (max. Bildschirmgröße) umgewandelt. Die Tiff-Files werden auf einem Server abgespeichert und auf Magnetband archiviert. Sie dienen unter anderem als Druckvorlagen.

 

Erschließung

Die formale und sachliche Erschließung der Bilder erfolgt in gegenseitiger Absprache. Die Koordination in bezug auf Mindestanforderungen drängt sich aus praktischen Gründen, v.a. für die Treffergenauigkeit einer Recherche, auf.

Grundsätzlich soll die Recherche über die fünf "W" möglich sein: Wer (Person)? Wo (Ort)? Wann (Zeit)? Wie (Medium)? Was (Bildinhalt)?

ImageFinder bietet hierfür die Möglichkeit von 8-12 hierarchischen, mehrsprachigen Katalogen, kombiniert mit einer Volltextrecherche über 8 Textfelder. Einige Kataloge werden deutsch und englisch verbindlich festgelegt (Zeit, Ort, Medium), andere nach einheitlichen Regeln aber mit unterschiedlichem Inhalt in den einzelnen Institutionen geschaffen (Person), wieder andere vollständig mit eigenen Inhalten versehen (Objekt). Die vereinheitlichen Kataloge können in der gemeinsamen Datenbank zusammengeführt und entsprechend abgefragt werden, die anderen werden in der gemeinsamen Datenbank ergänzt und z.T. nur über eine Volltextrecherche abfragbar sein.

 

Benutzung

Benutzer werden über einen Web-Client in der gespiegelten gemeinsamen Datenbank nach Bildern suchen und diese in einer niedrigen Auflösung, durch digitale Wasserzeichen geschützt, betrachten können. Bilder in hoher Auflösung können nach Abschluss eines Nutzungsvertrags gegen Gebühren bezogen werden.

 

Vorgehen nach Ende Pilotversuch

Nach Abschluss der fünfmonatigen Testphase wird Bilanz gezogen und das weitere Vorgehen besprochen. Falls eine dauerhafte Zusammenarbeit im Verbund beschlossen wird, steht dieser auch weiteren Partnern offen.


Stand: 03.05.2000
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