In den Jahren 1996-1999 wurde das vom damaligen Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderte Projekt "Kooperation zwischen deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken in MOE-Staaten" durchgeführt. Das Projekt, geleitet und koordiniert durch das DBI Berlin, gliederte sich in mehrere Teilvorhaben, darunter auch die Zusammenarbeit zwischen der Universitätsbibliothek Bratislava, der Bibliothek der Technischen Universität Kosice und der Bibliothek der Universität Bielefeld. Ziel dieses Teilprojekts war der Aufbau eines eigenen elektronischen Dokumentliefersystems für Zeitschriftenartikel für die Slowakische Republik nach Vorbild des in Nordrhein-Westfalen seit 1995 erfolgreich eingesetzten JASON-Systems.

Die nun folgende Beschreibung des Teilprojekts nimmt Ausführungen eines Vortrages zum Bibliothekartag 1998 in Frankfurt am Main wieder auf. Der Berichtsstand wurde für den vorliegenden Beitrag entsprechend aktualisiert und beinhaltet nach Beendigung des Projekts am 31.12.1999 auch das Abschlussergebnis.

Den Hintergrund für die Zusammenarbeit zum Aufbau eines eigenen Dokumentliefersystems für die Slowakische Republik nach Muster des nordrhein-westfälischen Dokumentbestell- und Liefersystems JASON bildete das Projekt KOBIB (Kooperatives Bibliothekssystem Bielefeld – Bratislava). Im Rahmen von KOBIB sollten die beiden Bibliotheksnetze der Universitätsbibliothek Bielefeld und der Slowakischen Technischen Bibliothek Bratislava über Internet miteinander verbunden und damit für Bratislava vor allem auch die Anbindung an JASON-NRW ermöglicht werden. Zunächst mit Unterstützung des damaligen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, dann auch gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, konnte dieses Ziel realisiert und die Anbindung auf der Grundlage des Betriebssystems MS-DOS und einer Telnet-Verbindung im November 1995 zur Verfügung gestellt werden. Damit war es möglich, unter Beachtung der lizenzrechtlichen Konditionen die elektronischen Dienstleistungen beider Bibliotheken gegenseitig zu nutzen. So konnten die slowakischen Interessenten wissenschaftlicher Aufsätze über die Slowakische Technische Bibliothek elektronisch Zeitschriftenartikel in JASON-NRW bestellen. Die Lieferung des gewünschten Artikels erfolgte per E-Mail.

Die Bestellkomponente von JASON-NRW wurde darüber hinaus noch an den Universitätsbibliotheken Bratislava und Kosice sowie an der Bibliothek der Technischen Universität Kosice installiert und von den nun insgesamt vier Standorten schnell rege genutzt.

Diese Arbeiten dienten als Basis für den Aufbau des eigenen elektronischen Bestell- und Liefersystems für die Slowakische Republik nach Vorbild von JASON. Die zwischenzeitlich in Nordrhein-Westfalen erfolgte Umstellung auf das World Wide Web entsprechend der allgemeinen technologischen Entwicklung wurde auch für das slowakische System vollzogen. So wurden für das als WWW-Version entwickelte JASON-System zwei komplette Server mit Bestandsnachweisdatenbank und Bestellsystem in Bratislava und Kosice eingerichtet. Die Standortwahl erklärt sich aus der Bedeutung der beiden Städte als wissenschaftliche Zentren im Westen bzw. Osten der Slowakischen Republik. Die beiden Server wurden an der Bibliothek der Universität Bielefeld konfiguriert und anschließend in die Slowakische Republik geliefert, wo im Informationsaustausch mit Bielefeld die weiteren Arbeiten vorgenommen wurden. Die Kontakte für das gesamte Teilprojekt der MOE-Kooperation erfolgten über die Universitätsbibliothek Bratislava, die auch für Kosice die Koordination der Arbeiten übernommen hatte.

Die Technologie des Systems entspricht der von JASON-WWW:

• WWW-orientiert;
• Unix-Server (SUN-Workstation SUN ultra 1, zum Server aufgerüstet);
• Betriebssystem SUN/Solaris;
• Bestandsnachweise in BRS/Search-Datenbank.

Die Übernahme der Standards von JASON-WWW garantiert den Anschluss an die heute gängige Technologie und verringert den Entwicklungs- und Pflegeaufwand für das System. Die Bestellsoftware wurde um eine Komponente für Sprachunabhängigkeit erweitert und so eine slowakische Übersetzung der Benutzeroberfläche ermöglicht. Zugleich wurde das JASON-System durch eine slowakische Zeitschriftendatenbank ergänzt. Hierfür war die Nutzung folgender bereits existierender Dienstleistungen möglich:

• maschinenlesbarer Verbundkatalog der ausländischen Periodika in den Beständen slowakischer Bibliotheken, seit ca. 20 Jahren an der Universitätsbibliothek Bratislava geführt;
• maschinenlesbare Bibliographie der Aufsätze aus slowakischen Zeitschriften, seit 1978 an der Nationalbibliothek Martin erstellt.

Eine wirkungsvolle Ergänzung dieser Tätigkeiten bildeten hierbei auch die über das DBI bereitgestellten Informationsmittel, insbesondere die aus Projektmitteln finanzierten Zeitschriftenlieferungen. Die Universitätsbibliothek Bratislava erhielt 65 Zeitschriftentitel im Wert von jährlich ca. DM 16.000, die Lieferung an die Bibliothek der Technischen Universität Kosice beinhaltete 28 Zeitschriftentitel für jährlich ca. DM 24.000. Von beiden Bibliotheken wurden keine Schwierigkeiten bei der Lieferung der Zeitschriften vermerkt. Nach Ablauf der Förderung werden sich sowohl die Universitätsbibliothek Bratislava wie auch die Bibliothek der Technischen Universität Kosice bemühen, ausgewählte Abonnements der bereitgestellten Zeitschriften aus eigenen Mitteln weiterzuführen. Aufgrund der schwierigen Haushaltslage der slowakischen Bibliotheken wird dieses Vorhaben allerdings zumindest von Seiten der Universitätsbibliothek Bratislava eher skeptisch beurteilt.

Das slowakische JASON-System wurde im Dezember 1997 im Rahmen eines Fachseminars zum Thema "Bibliothekstechnologien für das 21. Jahrhundert: Elektronischer Dokumentenaustausch" offiziell eröffnet. Dieses Seminar wurde durchgeführt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, des Deutschen Bibliotheksinstituts Berlin, der Bibliothek der Universität Bielefeld, des Kultusministeriums der Slowakischen Republik, der Universitätsbibliothek Bratislava - Nationales Bibliothekszentrum sowie der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Kosice und dem Konsortium der Bibliotheken in Bratislava ISTROLIN. Kurz darauf wurde das System dem Routinebetrieb übergeben. Für eine Erweiterung des Systems wurde mit Hilfe der bereitgestellten Projektmittel eine Lizenz der British Library zur Nutzung der Daten in JADE (Journal Articles Database) für die Slowakische Republik erworben. Das integrierte System JASON/JADE wurde im Januar 1999 von Mitarbeitern der Universitätsbibliothek in Bielefeld implementiert, im darauffolgenden Monat in Bratislava offiziell vorgestellt und im März in Betrieb genommen. Im November 1999 erfolgte ein Update der JADE-Datenbank mit nunmehr ca. 9,3 Mio. Nachweisen von Zeitschriftenartikeln durch die British Library. Zusätzlich wurde auch die slowakische Zeitschriftenaufsatzdatenbank mit ca. 67.400 Einträgen aufbereitet. Es ist geplant, beide Nachweisinstrumente zukünftig in einer gemeinsamen Datenbank anzubieten.

Für die Organisation der Bestellaufgabe wurde im Projekt folgende Vorgehensweise gewählt und seither beibehalten:

Bestellungen sind nur über Bibliotheken möglich. Die für die Bestellungen erforderlichen Transaktionsnummern werden von der Universitätsbibliothek Bratislava generiert und - da es sich bei der MOE-Kooperation um ein Förderprojekt handelt - kostenlos an diejenigen Bibliotheken verteilt, die über einen Kooperationsvertrag an JASON-SK teilnehmen. Die Kooperationsverträge sehen beispielsweise vor, daß die Bibliotheken statistische Daten liefern und ihrerseits keine Gebühren nehmen.

In der slowakischen Zeitschriftendatenbank sind mit Abschluss des Projekts ca. 21.700 Titel nachgewiesen, davon sind ca. 7.000 Zeitschriften in JASON-SK bestellbar. Zudem sind die slowakische und die nordrhein-westfälische JASON-Datenbank durch die Einrichtung einer concatenated search so miteinander verbunden, dass ein Benutzer für seine Bestellung von der einen Datenbank in die andere wechselt, ohne es zu merken. Damit stehen für die Bestellungen der slowakischen Bibliotheken auch die 125.000 bestellbaren Zeitschriften des nordrhein-westfälischen Systems zur Verfügung. Bestellungen werden hierbei über die Bibliothek der Universität Bielefeld durchgeführt.

Der Aufbau des eigenen JASON-Systems wird von Seiten der slowakischen Partnerbibliotheken als außerordentlich wertvoll beurteilt. Die in den slowakischen Bibliotheken vorhandenen Zeitschriftenbestände können mit einem solchen System zunächst im Lande selbst effektiver genutzt werden, bevor andere Dokumentliefersysteme in Anspruch genommen werden müssen. Die Literaturversorgung an den Hochschulen kann so unmittelbar verbessert, Abonnementkosten können reduziert werden. Gerade der letztgenannte Aspekt wird vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage der slowakischen Bibliotheken als besonders wichtig eingeschätzt.

Für den Betrieb und den Ausbau des slowakischen JASON-Systems nach Abschluss des MOE-Projekts Ende 1999 sind von der Universitätsbibliothek Bratislava folgende Schritte geplant:

• Einbindung einiger ausgewählter Bibliotheken als weiterer aktiver Part zur Lieferung von Dokumenten aus eigenen Zeitschriftenbeständen.
  Hierfür müssen die betreffenden Bibliotheken mit MEDEA-Stationen ausgerüstet werden. Dabei wird als Desiderat vor allem eine Beratung bei der Basiskonfiguration der Lieferkomponente MEDEA genannt.

• Finanzierung der JADE-Lizenzgebühr für die Slowakische Republik möglichst aus eigenen Mitteln.

Somit wurde mit dem Aufbau des slowakischen JASON-Systems im Rahmen der MOE-Kooperation ein Weg gewählt, der nicht nur die Literaturversorgung an den dortigen Hochschulen nachhaltig verbessern wird, sondern zugleich auch als Muster für vergleichbare Projekte in anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas dienen kann.

Anzahl der beteiligten Institutionen:

• in Bratislava: 14
• außerhalb von Bratislava: 23

Anzahl der beteiligten Institutionen:

• in Bratislava: 21
• außerhalb von Bratislava: 50