BIBLIOTHEKSDIENST Heft 10, 98
Die 64. IFLA General Conference in Amsterdam
Teil II
Bericht über die Arbeit der Section on Cataloguing, deren Arbeitsgruppen bzw. Projekte und des Open Programme, sowie zwei Workshops
Monika Münnich
Wie gewohnt fanden auch in diesem Jahr während der 64. IFLA General Conference in Amsterdam zwei Sitzungen des Ständigen Ausschusses der Sektion Katalogisieren (Standing Committee of the Section on Cataloguing) statt, jeweils zu Beginn (Samstag früh um 8 Uhr!) und am Ende der Konferenz. Der Ständige Ausschuß hat 20 Mitglieder, davon 3 aus USA, jeweils 2 aus Frankreich, Kanada, Rußland, und Deutschland (Reinhard Rinn, DDB und Monika Münnich, UB Heidelberg), je 1 Mitglied aus Dänemark, England, Holland, Iran, Italien, Norwegen, Schweden, Slowenien und Spanien.
In diesen Arbeitssitzungen wird über die vergangenen Tätigkeiten der verschiedenen Gruppen sowie über die Sitzungen während der Konferenz berichtet, ihre Arbeitsziele definiert, und Ausblicke über künftige Arbeit gegeben. In diesem Bericht werden diese beim jeweiligen Bericht über die Arbeitsgruppen zusammengefaßt.
In der abschließenden Sitzung des Standing Committee werden Aktivitäten der Sektion an den Zielvorgaben 1998/99 gemessen:
- Ziel 1 : Update und Weiterentwicklung der ISBDs:
Eine ISBD Review Group analysiert die vorhandenen ISBDs
Die ISBD(ER- Electronic Resources) ist planmäßig erschienen (s. u. und Workshop)
Eine ISBD(S - Serials)-Gruppe arbeitet an einer Revision, die Fragen fortlaufender Publikationen, wie sie auch in der Toronto-Konferenz (Oktober 1997 - ongoing publications) berührt wurden (s.u. und Arbeitsgruppen)
- Ziel 2 : Entwicklung von Standards, Regeln und Informationslisten, um den Zugang zu bibliographischen Daten in allen Sprachen zu gewährleisten:
2.1
Das Verzeichnis "Anonymous Classics" ist überarbeitet worden. Phase 1, Europäische Literatur ist fast abgeschlossen. Phase 2, Lateinamerika und Afrika sind in Vorbereitung (hier soll das Schoenberg Center in Black Studies einbezogen werden) und Phase 3, Asien ist neu konzipiert, es müssen jedoch noch Bearbeiter gefunden werden.
FSCH - Form and Structure of Corporate Headings - s.u.
GARE - Guidelines for Authority and Reference Entries - hier gibt es einen Entwurf (s.u.), der in Bangkok - der nächsten IFLA-Konferenz vorgestellt werden soll.
2.2
Die Überarbeitung von Ansetzungen von legislativen und ministeriellen Körperschaften soll in die Arbeitsgruppe FSCH integriert werden. Es soll in Zukunft keine gedruckte Version mehr geben.
2.3
Auf der Bangkok-Konferenz soll ein Workshop zu Themen der Mehrsprachigkeit und der Schriftzeichenvielfalt (multilinguality and multiscript) gehalten werden.
- Ziel 3 : Die Functional Requirements for Bibliographic Records1) (eine Studie der IFLA, die zuvor mehrfach beschrieben worden ist) soll auf verschiedene Weise gefördert und weiterentwickelt werden.
Von der ELAG-Gruppe (European Library Automation Group) und dem Joint Steering Committee for Revision of AACR gibt es Folgeprojekte.
- Ziel 4 : Entwicklung von Interface Standards, um die Kataloginformation für den Endnutzer besser zugänglich zu machen.
Dies soll in Kooperation mit anderen Kommittees erfolgen. Eine OPAC-Gruppe arbeitet an einer entsprechenden Studie (s.u.)
- Ziel 5 : Richtlinien zur Organisation der steigenden Anzahl von digitalen Ressourcen.
Eine entsprechende Arbeitsgruppe ist in Amsterdam eingerichtet worden (s.u.)
- Ziel 6 : Möglichkeiten von Fernstudien in Katalogaktivitäten, insbesondere für minderentwickelte Länder.
Über das UBCIM-Büro an Der Deutschen Bibliothek sollen Seminare angeboten werden. Hier sind insbesondere Kollegen der Sektion gefragt, die Katalogisierung unterrichten.
Über IFLANET (der Webseite von IFLA) sollen verstärkt die Publikationen online angeboten werden. Bereits angeboten werden die UNIMARC-Richtlinien und Diskussionspapiere, ISBD(ER), die Functional Requirements for Bibliographic Records, ISBD(M) und (G) sollen demnächst angeboten werden. Dieses Angebot soll ausgedehnt werden.
- Ziel 7 : Führungsrolle von Katalogaktivitäten in der raschen Entwicklung der elektronischen Informationstechnologie.
Dies soll durch die verschiedensten Anzeigen- und Publikationsmaßnahmen erreicht werden.
- Ziel 8 : Information über die Arbeit der Arbeit der Section on Cataloguing.
Aktivitäten und Publikationen wie SCATNews, Open Forum, IFLANET usw. sollen ausgeweitet werden.
- Ziel 9 : Die Mitgliedschaft der Sektion soll eine breitere geographische Repräsentation zum Ziel haben.
Das Sekretariat soll Kontakt aufnehmen mit den in Frage kommenden beruflichen Organisationen.
Die Arbeitsgruppen:2)
- FSCH
Die Arbeitsgruppe "Form and Structure of Corporate Headings - Form und Struktur von Körperschaftsansetzungen" hat sich zweimal zu intensiven Arbeitssitzungen auf der Konferenz getroffen. Das eigentliche Ziel der Arbeitsgruppe, einheitliche Formen und Strukturen bei Körperschaften weltweit zu erreichen, wurde aufgegeben. Ähnlich wie in anderen Projekten (z. B. MLAR s.u.) soll vielmehr versucht werden, Entitätengleichheit zu erreichen, d. h. für jede Körperschaftseintragung einen entsprechenden Normsatz - eine Entität - weltweit für Länder, die Normdateien führen, zu empfehlen. Barbara Tillett (Library of Congress) wird eine Liste von Körperschaftstypen vorbereiten und diese mit den Beispielen aus AACR bzw. den LC Name Authority Files versehen. Diese soll dann von den Mitgliedern der Sektion begutachtet und anschließend mit Beispielen aus deren Normdateien angereichert werden. In Deutschland sind hier bereits Vorarbeiten im Rahmen der Arbeit der AG Formalerschließung und REUSE geleistet worden. Kollegen am HBZ haben einen Körperschaftsvergleich von AACR und RAK anhand der RAK-Beispiele gemacht3) und dabei festgestellt, daß einige Körperschaftsansetzungen nach AACR kein entsprechendes Pendant (Entität) in den deutschen Normdateien bzw. Regeln haben (z. B. Konferenzen abhaltender Körperschaften uvm.).
- ISBD(S)
Bis zur IFLA-Konferenz in Jerusalem (im Jahr 2000) soll die ISBD(S) revidiert werden. Dabei soll enger Kontakt zu anderen Gruppen wie der Section on Serials (Zeitschriftensektion), dem ISSN-Büro in Paris, ISO TC 46 und der Revisionsgruppe der anderen ISBDs; desweiteren soll als Expertin des AACR-Umfelds Jean Hirons (LC) einbezogen werden. Folgende Themen wurden als Probleme analysiert und als Aufgaben vergeben: Umfang der ISBD(S) und Neudefinition von "serial" unter Einbeziehung von "ongoing publications"; Grundlage und Quellen der Beschreibung (1. oder letzte Ausgabe; welche Information sollte von der Vorlage übernommen werden?); Was führt zu einer Titeländerung? (insbesondere, wenn Körperschaften bei generellem Titel involviert sind, was sind Entitäten); Verschiedene Manifestationen eines Werks; Verhältnis von Titelgebrauch in ISBD(S) und ISSN (key-title, uniform title).
- ISBD-Revision
Die Review Group wird die verschiedenen ISBDs miteinander vergleichen und ggf. anpassen, insbesondere sollen die Pflicht- und Optional-Kategorien abgestimmt werden. Dabei soll auch geprüft werden, ob man die ISBDs ineinander integrieren kann. Untersucht werden soll auch die Beziehung von ISBDs und Functional Requirements of Bibliographic Records. Die Netz-Publikation von ISBDs soll forciert werden (s. oben, Ziel 6)
- Guidelines for OPAC displays
Dieser Gruppe lag ein detaillierter Entwurf von Martha M. Yee zu Grunde, der auf ihrer ALA-Publikation "Improving Online Publication Access Catalogs" beruhte. Dieser Entwurf wurde in zwei intensiven Sitzungen diskutiert, teilweise auch verworfen, insbesondere was die Art und Ausführlichkeit der Anzeige betrifft. Die Vorschläge der Gruppe sollen eingearbeitet werden, und ab Ende Oktober/Anfang November soll für drei Monate eine weltweite Diskussion und Revision möglich sein. Das Dokument soll in Bangkok vorgelegt werden.
- MLAR (WG on Minimal Level Authority Records and ISADN)
Bis Ende September soll eine revidierte Fassung des Entwurfs von Dezember 1997 fertiggestellt werden. Es gibt inzwischen 20 Pflichtkategorien, neu hinzugefügt wurde die Nationalität. Die Entwicklung der International Authority Data Number (ISADN) soll zunächst zurückgestellt werden, um die technische Entwicklung von Internet abzuwarten. Alle internationalen Aktivitäten von Identifikationsnummern sollen zusammengeführt werden: mit dem Committee on Descriptive Standards des International Council on Archives ist bereits der Kontakt aufgenommen worden.
- GARE (Guidelines for Authority and Reference Entries - Richtlinien für Ansetzungen und Verweisungen von Normdaten)
Diese stehen in engem Zusammenhang mit MLAR. Diese Arbeitsgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, die zum Tausch von Normdaten wesentlichen Elemente zu definieren. Der Text soll in elektronischer Form veröffentlicht werden.
- Working Group on the use of Metadata Schemes
Diese neu errichtete Gruppe soll Hilfestellungen für Bibliotheken erarbeiten, wann Metadata-Standards (wie Dublin Core) zum Einsatz kommen bzw. wann traditionelle Regeln angewendet werden sollen. Ein Grundstandard der Functional Requirements soll in diesem Zusammenhang vorgeschlagen werden. Interoperabilität soll angestrebt werden (wie kann Entwickeltes verändert werden), die Entwicklung anderer Standards soll aktiv einbezogen werden. Die Gruppe versteht sich als Clearing House, sie entwickelt nicht neue Standards. Kontakte zu anderen Gruppen sollen hergestellt werden (ISO TC 46, Nordic Metadata, Archives uvm.). Die Gruppe wird ihre Arbeit über eine geschlossene E-Mail-Liste aufnehmen, und eine Webseite bei UBCIM einrichten, auf der die wichtigsten Dokumente und Informationen angeboten werden.
OPEN PROGRAMME
Das Open Programme der Sektion stand unter dem Thema: "Library Catalogues: responding to user needs" (Bibliothekskataloge - auf Benutzerinteressen eingehen); es wurden u. a. folgende Themen angeboten, auf die hier nur sehr kurz eingegangen werden kann:
- Die Anglo-Amerikanischen Katalogisierungsregeln und ihre Zukunft (Anglo-American Cataloging Rules and Their Future), von Ralph Manning, Nationalbibliothek von Kanada (und Vorsitzender des Joint Steering Committee der AACR).
Ralph Manning gibt einen kurzen Abriß der Geschichte der AACR und geht auf die Gründe ein, warum im Oktober 1997 die Toronto-Konferenz abgehalten wurde4) und was deren Ergebnisse waren. Insbesondere zwei Folge-Projekte sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen:
1. Eine Analyse der Logik der AACR mit dem Ziel, die Prinzipien zu definieren, auf denen sie basieren5).
2. Eine Überprüfung des Konzepts der "ongoing publication".
- Katalogisieren [nach Regelstandards] oder Metadata : Alter Wein in neuen Schläuchen (Cataloging vs. Metadata, Old Wine in New Bottles?), von Stefan Gradmann (Früher GBV, jetzt PICA)
Stefan Gradmann geht in seinem Vortrag auf die grundsätzlichen Unterschiede von traditionellen Katalogaktivitäten und Metadaten-Verzeichnung ein. Er plädiert dafür, daß diese Unterschiede erkannt werden und daß die Rolle des Bibliothekars in einer neuen und rapid wachsenden Informationsgesellschaft kritisch überdacht wird.
Anm.: Die Sektion Katalogisierung hat der Herausforderung durch eine neue Arbeitsgruppe entsprochen, s.o.
- Vorteile für Benutzer durch ein neues bibliographisches Modell (User Benefits from a New Bibliographic Model - Auswertung der IFLA-Studie "Functional Requirements for Bibliographic Records" durch die ELAG- Gruppe (European Library Automation Group). Vorgetragen von Peter Noerr, EduLib, Mitglied der Arbeitsgruppe.
ELAG hat viele Jahre lang bibliographische Modelle versucht, bei ihrem letzen Treffen auch die "4 Level Bibliographic Model" der FRBR. Der Vortrag beschreibt das Modell; es wird dargestellt, wie die verschiedenen bibliographischen Objekte dem Nutzer präsentiert werden und welche Vorteile ELAG in Bezug auf Systemfunktionalität, Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten und Suchfunktionalität sieht.
Folgende Workshops wurden von der Referentin besucht:
Workshop ISBD(ER), veranstaltet von der Katalogisierungssektion
Die International Standard Bibliographic Description für Electronic Resources ist im vorigen Jahr im Saur-Verlag erschienen. Sie ersetzt die ISBD(CF- Computer Files). John Byrum (LC) stellt den Projekthintergrund dar und präsentiert in Vertretung für Ann Sandberg-Fox (Fairfax, Virginia) die einzelnen Ebenen dieser neuen ISBD, insbesondere deren wesentliche Veränderungen im Vergleich zu ISBD(CF). Lynne C. Howarth (University of Toronto) berichtet über ihre elektronisch ermittelte Umfrage in 53 Nationalbibliotheken bezüglich Akzeptanz und Einsatz der ISBD(ER). Da der Standard noch sehr neu ist und bislang nur in Englisch vorliegt, ist der Einsatz noch nicht flächendeckend. Mirna Willer (Zagreb, siehe auch UNIMARC) berichtet über die Einarbeitung neuer Kategorien in UNIMARC. Sten Hedberg (UB Uppsala) illustriert die Funktionen der generellen und spezifischen Materialbezeichnungen, die in der elektronischen Welt eine viel größere Rolle spielen. Eeva Murtomaa (Helsinki Universität) berichtet über ihre Untersuchung, ob und wie der neue Standard die Ideen und Ziele der Functional Requirements erfüllt. Zwei Beispiele des Einsatzes von ISBD(ER) in Frankreich und Spanien schließen den Workshop ab.
Workshop: UNIMARC in Transition (Unimarc im Wandel),
veranstaltet vom UBCIM Core Programme, dem Permanent UNIMARC Committee (PUC) und der Division of Bibliographic Control:
Im ersten Vortrag von Brian Holt (BL) werden die neuen Felder von UNIMARC für die Erschließung von elektronischen Ressourcen vorgestellt. Diese Felder sind im Netz zu finden: http://www.ifla.org/VI/3/puc.htm ebenso wie die Kurzfassung von UNIMARC; an der vollständigen Ausgabe wird z. Z. gearbeitet. Mirna Willer (National- und Universitätsbibliothek Zagreb und Vorsitzende von PUC), sowie die beiden französischen Kolleginnen Fran(oise Bourdon und Sonia Zillardt (Bibliotheque National) berichten über das inzwischen abgeschlossene Projekt AUTHOR, das UNIMARC zur Basis hatte (vgl. auch Bibliotheksdienst 19, 1997). Der Projektbericht kann über die französische Nationalbibliothek, die die Federführung des Projekts hatte, angefordert werden.
Anschließend stellen Kollegen aus Tschechien, Frankreich und Rußland Anwendungen von UNIMARC in ihren Ländern vor. In den beiden osteuropäischen Ländern hat sich UNIMARC weitgehend durchgesetzt, in Frankreich wurde UNIMARC 1992 "verordnet", so daß jetzt die meisten öffentlichen Bibliotheken mit UNIMARC arbeiten, die meisten wissenschaftlichen Bibliotheken mit USMARC.
Zum Abschluß vergleicht Alan Hopkinson (Middlesex University, London) UNIMARC mit den Elementen von Dublin Core (dieser Vergleich stammt aus dem Projekt BIBLINK, finanziert vom Telematics Application Programme der Europäischen Kommission).
Der Vergleich ist unter folgender URL zu finden: http://www.ukoln.ac.uk/metadata/interoperability/dc_unimarc.htm
1) FRBR, Final Report. München : Saur, 1998. (UBCIM Publications - New Series, vol. 19), ISBN3-589-11382-X
2) soweit sie von der Referentin besucht bzw. in der Zusammenfassung während der Sitzung der Sitzung der letzten Sitzung der Kalogisierungssektion übernommen werden konnten. Zu weiteren Erklärungen vgl. auch Oktoberheft 1997
3) http://www.hbz-nrw.de/hbz/korhtm/htm#1
4) vgl. BIBLIOTHEKSDIENST H. 12 (1997), S. 2284 ff, Priniciples and Future of AACR
5) Diese umfangreiche Studie wird in Kürze erscheinen, die Referentin wird dies auf der RAK-ONL-Liste bekanntgeben, wenn sie offiziell verfügbar ist.
Stand: 07.10.98