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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 12, 97

Betriebsvergleich an Öffentlichen Bibliotheken

Zum Abschluß des Projekts

Karin Pauleweit

Am 29. Oktober 1997 fand in Gütersloh bei der Bertelsmann Stiftung die Abschlußveranstaltung zum Projekt "Betriebsvergleich an Öffentlichen Bibliotheken" statt. Am Vortag hatten sich die Projektbibliotheken schon zu einem internen Treffen zusammengefunden, bei dem vermutlich auch zu Organisation und Inhalten des Projekts Aussagen gemacht wurden. Die Veranstaltung am 29. war eher eine öffentliche "Feier", die unter dem Thema "Partnerschaftliches Bibliotheksmanagement" vage strukturiert war. Die Mischung der Teilnehmer - neben den Bibliothekaren und Bibliothekarinnen auch Vertreter der Projektstädte sowie Fachstellenvertreter - und die beiden profilierten Referenten boten dennoch ein Forum, das anregende Diskussionen versprach.

Der erste Referent, der Düsseldorfer Erziehungswissenschaftler Dr. Norbert Posse, der normalerweise im Umfeld der Schulen tätig ist, hob in seinen Ausführungen die Bedeutung von Kommunikationskultur bei Veränderungsprozessen hervor. Sein Schwerpunkt lag also auf den psychologischen innerbetrieblichen Problemen, die unweigerlich auftreten, wenn Veränderungen vorgenommen werden sollen. Zentrum seiner Thesen war dabei der Umgang mit Widerstand.

In ihren einleitenden Worten hatte Frau Windau von der Bertelsmann Stiftung darauf hingewiesen, daß nach 5 Jahren Projektlaufzeit nun aus ihrer Sicht zwar als Ergebnis ein funktionierendes Methodenschema für bibliothekarische Betriebsvergleiche vorliege, daß sich jedoch gleichzeitig Problemfelder aufgetan haben, die noch einer weiteren Bearbeitung harren. Dazu gehörten vor allem die Bereiche Führungsprobleme, Teamstrukturen und die Widerstände bei Veränderungen. Die Präsentation von Herrn Posse nahm vor allem die letzte Problematik auf.

Der zweite Fragenkomplex, den Frau Windau als noch nicht abgeschlossen bezeichnete, war das Umgehen von Verwaltung, Politik und Bibliothek mit den im Projekt neugewonnenen Methoden. Und in der Tat stellt sich dem Leser des zweiten Projektbandes "Meßergebnisse, Richtwerte..." die Frage: "Was lernt uns das?"

Was sagen aneinanderreihte Zahlen als Ausdruck ausgewählter Verhältnisse (z. B. Ausgaben pro Öffnungsstunde o. ä.) und das Nebeneinanderstellen von Bibliotheken unterschiedlicher Größenordnung über die Qualität einer Bibliothek aus?

Hier war der Vortrag des zweiten Referenten, Dr. Christof Eichert, Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg, wirklich wegweisend. Er traf das Kernproblem, indem er deutlich machte, daß reine Zahlenvergleiche wohl wertvolle Hinweise für interne Steuerungszwecke in der Bibliothek liefern, daß sie jedoch keine Aussage über die Qualität der Einrichtung Bibliothek in der Kommune machen, daß sie vielmehr den Kulturbegriff "verwässern" und als Daten keine echte Relevanz für einen Gemeinderat haben. Statt dessen forderte Eichert von der Politik, daß sie zunächst definieren müsse, was sie mit ihrer Bibliothek erreichen will. Es sei wichtiger, Inhalt und Zweck, also das Profil einer Bibliothek zu bestimmen, als Zahlen zu nennen. Und es sei wichtiger, die Kulturpolitik einer Stadt zu profilieren und die Bibliothek in ein koordiniertes Netzwerk der vorhandenen Kultureinrichtungen einzubinden.

Beide Referenten standen am Nachmittag als Workshop-Leiter zur Verfügung, und die Veranstaltungsteilnehmer konnte sich entscheiden, ob sie mit Herrn Eichert die Erwartungen der Politik im Umgang mit Bibliotheken und deren Zahlenwerk diskutieren oder mit Herrn Posse die Probleme des Widerstands bei betriebsinternen Veränderungsprozessen in Angriff nehmen wollten.

Beide Themenkomplexe griffen damit Ansätze des Projekts wieder auf, die nach dem Abschluß weiterzuverfolgen sind.

Von besonderer Bedeutung für Bibliothekarinnen und Bibliothekare ist es ohne Zweifel, die Erwartungen der Politik an die bibliothekarische Selbstdarstellung und ihre Informations"politik" zu kennen. Der Workshop mit Herrn Eichert und verschiedenen Stadtvertretern brachte hier einige wertvolle Hinweise:

Als Fazit wurde festgehalten: die Zahlen des Betriebsvergleichs wurden in den Projektbibliotheken in erster Linie für interne Steuerungszwecke genutzt. Für die Entscheidungen der Politik sind sie wenig relevant. Entscheidend ist hier vielmehr die professionelle und aktive Präsentation der Bibliothek im direkten Dialog mit der Politik.

Mit dieser Veranstaltung ist offiziell ein ehrgeiziges Projekt der Bertelsmann Stiftung beendet, das interessante Vorschläge für einen Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden in Öffentlichen Bibliotheken bietet, die, wenn man ihre Bedeutung für die Bibliothek, wie oben dargestellt, richtig einschätzt, durchaus einen praktischen Nutzen für die optimierte betriebsinterne Steuerung haben.

Nun ist diese Erkenntnis nicht ganz neu in der Fachwelt, und es ist bedauerlich (und mitunter ärgerlich), daß in den Projektberichtsbänden kaum auf Vorgängerpublikationen verwiesen wird. So wird, um nur ein Beispiel zu nennen, die dargestellte Befragung zur Bibliotheksnutzung als "erste repräsentative Befragung" bezeichnet, während eine ganz ähnliche Befragung schon 1993 von DBI und Stiftung Lesen gemeinsam durchgeführt und publiziert wurde*).

Grundsätzlich methodisch problematisch erscheint der Vergleich von Bibliotheken unterschiedlicher Größenordnungen, wie er im Projekt vorgenommen wurde. Sicher ist das entwickelte Instrumentarium von jeder Bibliothek anwendbar. Ein Vergleich der ermittelten Zahlen macht jedoch nur bei Bibliotheken einer Vergleichsfamilie, also bei vergleichbarer Größenordnung Sinn.

Ein Verdienst des Projekts ist es auf jeden Fall, reichlich Material für lebhafte Fachdiskussionen geliefert zu haben.

*) Leseverhalten in Deutschland 1992/93. Repräsentativstudie zum Lese- und Medienverhalten der erwachsenen Bevölkerung im vereinigten Deutschland. Durchgeführt von der Stiftung Lesen in Zusammenarbeit mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Deutschen Bibliotheksinstitut und dem Zentrum für Kulturforschung, September 1993.
Eine Nichtnutzerbefragung ist außerdem schon im Rahmen des DBI-Marketingprojekts in den beteiligten Projektstädten durchgeführt worden: Eine Marketingkonzeption für Öffentliche Bibliotheken. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut, 1987 (DBI-Materialien; 71)


Stand: 09.12.97
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