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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 8, 97

Anschluß Öffentlicher Bibliotheken ans Netz: Erfahrungen zu Kosten und Nutzen - Möglichkeiten der Förderung1)


Günter Pflaum

1. Förderprogramme in Nordrhein-Westfalen

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert seit vielen Jahren die Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken mit moderner lnformationstechnik. Dazu zählen z.B.

Im Zusammenhang mit dem Projekt "Verbundkatalogisierung"2) wurde 1995 auf Initiative der Staatlichen Büchereistellen NRW das Projekt "Passive Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken"ins Leben gerufen.

Mit diesem Projekt konnten erstmals systematisch Erfahrungen
a) in der Nutzung der HBZ-Verbunddatenbank und
b) in der Nutzung des Internet gesammelt werden.

Diese Erfahrungen können für alle Bibliotheken von Nutzen sein, die in diesem Jahr und in den nächsten Jahren den Anschluß ans lnternet anstreben. Einige ausgewählte Aspekte dieser Erfahrungen - insbesondere zu Kosten und Nutzen - sollen hier vorgestellt werden.

2. Das Projekt "Passive Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken am bestehenden Verbundsystem wissenschaftlicher Bibliotheken"3)

Projektziele:

Projektzeitraum: 1995 - 1996

Projektmittel:
je Bibliothek bis 10.000,- DM Landesmittel für Hardware, Software, Installation und DFÜ-Kosten (in 1995)

Teilnehmerbibliotheken:
Zehn Öffentliche Bibliotheken in Klein- und Mittelstädten (Größenordnung ca. 24.000 bis 89.000 Einwohner): Altena, Brühl, Düren, Ennepetal, Gummersbach, Kamen, Nettetal, Rheine, Siegburg und Warendorf

3. Ergebnisse einer Fragebogenaktion zu Kosten und Nutzen der HBZ-Verbunddatenbank- und Internet-Nutzung

3.1 Allgemeine Angaben

Durchgeführt wurde die Fragebogenaktion im März 1997 unter Verwendung eines standardisierten Fragebogens. Angeschrieben wurden die Teilnehmerbibliotheken am Projekt "Passive Verbundteilnahme" und einige weitere Bibliotheken, die bereits lnternet-Erfahrung haben. In die Auswertung sind die Antworten folgender Bibliotheken eingeflossen: Altena, Brühl, Düren, Ennepetal, Frechen, Gummersbach, Kamen, Nettetal, Rheine und Warendorf.

Durchschnittlich hatten die befragten Bibliotheken ca. 1 Jahr Erfahrung in der lnternet- und HBZ-Datenbank-Nutzung (ab Herbst 1995 bzw. Anfang 1996).

3.2 Personaleinsatz und Kosten

Personaleinsatz:

Einmalige Kosten: Laufende Kosten:

3.3 Die Nutzung von HBZ-Datenbank und Internet in den Bibliotheken 3.4 Beurteilung / Kosten-Nutzen / Verbesserungswünsche

Was hat sich durch die Nutzung der neuen Technik verbessert/verändert ?
a) Leihverkehr:

b) Nutzung der Bibliothek für lnformationszwecke: c) Arbeitsbelastung: Die Arbeitsbelastung durch die Nutzung des Internet wird sehr unterschiedlich beurteilt. Insgesamt zeigt sich jedoch eine ausgeglichene Bilanz: dem zweifellos vorhandenen Personalaufwand bei der Internet-Nutzung stehen häufig Zeitvorteile und Einsparungen an anderer Stelle gegenüber. Ob sich die Arbeitsbelastung erhöht, verringert oder nur verlagert, hängt offensichtlich sehr stark von der bisherigen Arbeitsorganisation und den Einsatzbereichen des lnternet in der jeweiligen Bibliothek ab.

d) Image der Bibliothek:

Durch den Einsatz des Internet konnte die Mehrzahl der Bibliotheken sowohl bei den Benutzern als auch bei Rat und Verwaltung eine Image-Verbesserung feststellen. Die Bibliothek wird als moderner, kompetenter und leistungsfähiger wahrgenommen. In Zeiten, in denen die Bibliotheken um jede Mark und teilweise auch um ihre Existenz kämpfen müssen, kann der Wert einer Image-Verbesserung nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wie beurteilen die Bibliotheken die Kosten-Nutzen-Relation (einschl. Personaleinsatz) insgesamt?

Die insgesamt positive Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation wird auch dadurch untermauert, daß die Teilnehmer am Projekt "Passive Verbundteilnahme" auch nach Auslaufen der Landesförderung alle weiterhin die HBZ-Datenbanken und das lnternet nutzen. Die gute Bewertung sollte allen noch unentschlossenen Bibliotheksleitern Mut machen, die Einführung des Internet zu forcieren, um die Vorteile des neuen Mediums auch in der eigenen Bibliothek nutzen zu können.

Verbesserungswünsche:

4. Durchschnittliche Kosten der Internet-Nutzung

Bei der nachfolgenden Berechnung handelt es sich um eine Grobkalkulation. Bei der Interpretation der Zahlen ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den der Berechnung zugrundeliegenden Daten um Cirka-Angaben von zehn befragten Klein- und Mittelstadtbibliotheken handelt.

Die Ergebnisse sind Durchschnittswerte. Je nach Größe der Bibliothek, Ausgaben für die lnternet-Ausstattung, Auswahl des Providers, Nutzungsintensität und Erfahrung in der Internet-Nutzung können die Werte für die einzelne Bibliothek von den hier genannten Zahlen mehr oder weniger stark abweichen.

a) Einmalige Kosten
Hardware, Software, Installation etc. ca.8.000,-DM
verteilt auf 4 Jahre = pro Jahr ca.2.000,-DM

b) Laufende Kosten
für Provider und lnternet pro Monat ca.110,-DM
pro Jahr (12 x 110,- = 1320,-DM) ca.1.300,-DM

c) Personalkosten4)
bei 3 - 4 Std. Internet-Nutzung pro Woche
entspricht ca. 1/10 Stelle - Kosten pro Jahr ca.8.000,-DM

Kosten pro Jahr
incl. Personalkostenca. 11.300,-DM
ohne Personalkostenca. 3.300,-DM

d) Durchschnittliche Kosten einer Internet-Recherche
Internet-Recherchen pro Monat: ca. 80
(12 x 80 = 960) = pro Jahr: ca. 1.000
a) nur Recherche-Kosten,pro Recherche ca. 1,30 DM
b) Kosten incl. Abschreibung,pro Recherche ca. 3,30 DM
c) Kosten incl. Personalkosten,pro Recherche ca. 11,30 DM

Hinweis zu den Personalkosten:

Die Erfahrungen zahlreicher Bibliotheken zeigen, daß der Internet-Einsatz vor allem zu einer Verlagerung des Personaleinsatzes führt, d. h., der Personalaufwand durch das Internet wird häufig durch Personaleinsparungen an anderer Stelle aufgefangen. Andere Bibliotheken hatten durch die Internet-Nutzung eine erhöhte Personalbelastung, während einige Bibliotheken auch von einer verringerten Arbeitsbelastung durch das Internet berichten (s. dazu auch Punkt 3.4). Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob die Personalkosten für die Recherchen im Internet mitgerechnet werden oder nicht.

5. Der Gewinn für die Bibliotheken

Den Kosten für die Internet-Nutzung stehen als Gewinn für die Bibliotheken gegenüber:
a) Beschleunigung des Leihverkehrs (bei 7 Bibl., um ca. 1 Woche)
b) Stärkere Leihverkehrsnutzung (bei 5 Bibliotheken)
c) Zusätzliche lnformations- und Recherchemöglichkeiten
d) lmagegewinn (bei 70 % der Bibliotheken)
e) Einsparmöglichkeiten (z. B. bei CD-ROMs von HBZ und VLB bzw. anderen Informationsmittein, die mittlerweile im Internet zugänglich sind)

6. Wie können Staatliche Büchereistellen den Anschluß Öffentlicher Bibliotheken ans lnternet fördern?

Die Staatlichen Büchereistellen spielen aufgrund ihrer engen Kontakte zu den Bibliotheken und Verwaltungen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung und dem landesweiten Einsatz des Internet. Ihnen steht dabei ein breites Wirkungsspektrum zur Verfügung. Welche Möglichkeiten im einzelnen bestehen, hängt dabei u. a. auch von den Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern ab. Die Büchereistellen in NRW unterstützen den lnternet-Einsatz z. B. auf folgende Weise:

a) Eigener Internet-Anschluß und Nutzung von E-Mail in den Büchereistellen

Die Büchereistellen können nur dann überzeugend für das Internet und den Einsatz von E-Mail werben, wenn sie auch selbst die neuen lnformations- und Kommunikationsmöglichkeiten nutzen. Die erworbenen Kenntnisse lassen sich in der Beratungs- und Informationsarbeit der Büchereistellen gut einsetzen. Außerdem haben die Büchereistellen auch eine Art Signalfunktion und Vorbildcharakter gegenüber den Kommunen und den Bibliotheken. Die Mehrzahl der nordrhein-westfälischen Büchereistellen hat seit 1996 einen Internet-Anschluß.

b) lnitiierung und Unterstützung von lnternet-Projekten

Für die rasche Verbreitung des lnternet sind regionale und landesweite Projekte besonders geeignet. Beispiele für von den Büchereistellen in NRW initiierte Projekte sind:

c) Beratung und Information über das lnternet

Sowohl in den Bibliotheken wie in den Verwaltungen besteht z.T. noch ein erheblicher lnformations- und Beratungsbedarf zum Thema Internet. Das betrifft sowohl das Angebot, die Nutzungsmöglichkeiten und die Zugangswege wie die technischen Voraussetzungen und Kosten. Unzureichende und lückenhafte Informationen und damit zusammenhängende Unsicherheiten sind oft die Hauptursache für die nach wie vor in vielen Kommunen bestehende Zurückhaltung und Skepsis gegenüber dem neuen Medium. Hier kommt der individuellen Beratungs- und Überzeugungsarbeit der Büchereistellen eine große Bedeutung zu.

Um für die häufigsten und wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Internet-Einsatz eine schriftliche Arbeitshilfe anbieten zu können, erarbeiten die Büchereistellen in NRW z. Z. eine lnternet-Broschüre, die im Sommer dieses Jahres erscheinen soll.

d) Regelmäßige EDV- und Internet-Fortbildung

Der Einsatz moderner Informationstechnik in den Bibliotheken bewirkt einen hohen lnformations- und Fortbildungsbedarf bei den Beschäftigten. Die Staatlichen Büchereistellen in NRW bieten deshalb seit 1994 jährlich ein landesweites EDV-Fortbildungsprogramm an. Seit 1996 werden in diesem Programm auch lnternet-Fortbildungsveranstaltungen angeboten. In 1997 finden alleine 8 Veranstaltungen zum Thema "Internet" statt. Das reicht vom "Einstieg ins lnternet" über "Internet-Workshops" für Fortgeschrittene bis hin zur HTML-Programmierung einer Homepage.

e) Landesförderung

Eine wichtige Unterstützung insbesondere der Beratungs-, Fortbildungs- und Projektarbeit bilden entsprechende Landesförderprogramme. Bereits die Fördermittel zum Projekt "Passive Verbundteilnahme" haben 1995 zehn Öffentlichen Bibliotheken die Anschaffung eines Internet-PC erlaubt. Die Fördermittel für das Projekt "ÖB-Online-NRW" sowie die Initiative "Bibliotheken ans Netz" werden 1997 zahlreichen weiteren Bibliotheken erstmals die Anschaffung einer lnternet-Ausstattung erlauben.

f) Einrichtung regionaler lnternet-Arbeitsgemeinschaften

Die Anschaffung eines Internet-PC in den Bibliotheken ist nur der erste Schritt ins Online-Zeitalter. Für den erfolgreichen Bibliotheks-Einsatz müssen umfangreiche lnternet- und Recherche-Kenntnisse erworben und ständig aktualisiert werden. Neben Fortbildungsveranstaltungen zu bestimmten Themen bildet ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch der Internet-Anwender besonders für mittlere und kleine Bibliotheken die beste Voraussetzung, um bei diesem schnellebigen Medium auf dem laufenden zu bleiben.

Durch die Einrichtung und Betreuung regionaler lnternet-Arbeitsgemeinschaften können die Staatlichen Büchereistellen hier eine wichtige Hilfe geben. Im Kreis Mettmann befaßt sich seit 1996 eine von der Staatlichen Büchereistelle unterstützte interkommunale Arbeitsgemeinschaft mit dem Internet-Einsatz in den Bibliotheken. Geplant ist darüber hinaus z. B. die Einrichtung einer lnternet-AG für Ostwestfalen-Lippe.

7. Was ist sonst noch wichtig?

Damit die Einführung des lnternet in den Bibliotheken nicht zu einem Strohfeuer verkommt, ist neben dem Erfahrungsaustausch auf regionaler Ebene die professionelle bibliothekarische Erschließung des lnternet auf Bundesebene notwendig. Benötigt wird ein Internet-Besprechungsdienst - eine Art "Internet-ID" -, wozu das DBI-Clearinghouse-Projekt und andere Projekte (wie z. B. "BINE" in der StB Bremen) eine Vorstufe sein können. Hier sollten unter Federführung von DBI und ekz und insbesondere unter Beteiligung der großen Öffentlichen Bibliotheken ähnliche Strukturen genutzt werden, wie sie beim normalen ID bereits bestehen. Auch die Nutzung der erheblichen Internet-Kompetenzen in den wissenschaftlichen Bibliotheken sollte in diesem Zusammenhang geprüft werden.

Mein Resümee: Eine zügige, flächendeckende Einführung und sinnvolle Nutzung des lnternet wird nur in enger Kooperation aller Beteiligten möglich sein. Hierfür müssen vor Ort und in der Region die Bibliotheken, Verwaltungen und Büchereistellen kooperativ zusammenarbeiten und darüber hinaus bundesweit die zentralen bibliothekarischen Einrichtungen wie DBI, ekz und die Verbünde Strukturen aufbauen, die mittel- und langfristig einen professionellen lnternet-Einsatz in den Bibliotheken sicherstellen.

1) Der Artikel beruht auf einem für diese Veröffentlichung leicht überarbeiteten Vortrag des Verfassers auf dem Planungsforum "Öffentliche Bibliotheken ans Netz" am 8. 4 1997 in Hildesheim.

2) Vgl. hierzu Seiten 1530 - 1545 in diesem Heft.

3) Vgl. dazu auch Petra Büning und Frauke Untiedt: Passive Verbundteilnahme Öffentlicher Bibliotheken: Projektergebnisse. - In: ProLibris Heft 2/1996, S. 115 - 117 und darüber hinaus die Erfahrungsberichte einzelner Bibliotheken in ProLibris Heft 1/1997, S. 18 - 23.

4) Die hier angegebenen Personalkosten beruhen auf den Kosten für eine BAT Vb-Stelle, die incl. aller Nebenkosten bei jährlich ca. 80.000,- DM liegen.


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