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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 8, 97

Aus Georgien zurück

Ein Beispiel für Restitution von Bibliotheksgut

Jörg Fligge, Robert Schweitzer

1. Von einer Odyssee, Irrtum und Glück...

Britische Bomber griffen am Palmsonntag 1942 Lübeck an und äscherten einen Teil der traditionsreichen Hansestadt ein. Auf Grund dieses einschneidenden Erlebnisses, aber auch auf Grund der schlimmen Gesamtlage in Deutschland reiften die Pläne, unersetzbares Kulturgut nach Osten in Bergwerksschächte auszulagern. Heute wissen wir, daß mit dieser Entscheidung Lübecks, aber auch anderer Städte wie etwa Bremens, Hannovers, Hamburgs, ein verhängnisvoller Fehler begangen wurde. Doch kann man das denen, die damals Verantwortung trugen, nicht anlasten. Im Rahmen eines auch für Schleswig-Holstein abgestimmten Konzeptes erhielt die Lübecker Stadtbibliothek damals die Kapazität von 284 Kisten für ihre wertvollsten Bücher und Handschriften. Daß sie über einmalige Schätze verfügte, ergibt sich aus der Tatsache, daß in die seit 1616 im Aufbau befindliche "Bibliotheca Publica" (Öffentliche Bibliothek) der Lübecker Bürger der öffentliche Buchbesitz Lübecks aus Kirchen, Klöstern, Rathaus Eingang fand. Aber auch bedeutende Erwerbungen, Abgaben, Schenkungen, Nachlässe, Stiftungen zugunsten der Bibliothek trugen zu ihrer Bedeutung bei. Bei den etwa 28.000 Stücken, die ausgelagert wurden, befanden sich fast alle Handschriften, die Inkunabeln, die niederdeutschen Drucke, die Lübecksammlung (Lubecensien) und wertvolle Stücke aus allen Fachgebieten, dabei eine ganze Reihe von Unikaten, in einigen Fällen auch über Deutschland hinausgehend.

Im Januar 1946 begannen die siegreichen Sowjets die Kisten aus dem Stollen Plömnitz bei Bernburg zu holen. Nach Zwischenstationen, u. a. in Berlin, wurde aber doch für den Transport in die UdSSR entschieden und dieser auch von deutscher Seite beobachtet. Die großen Verteilstellen waren dort Leningrad und Moskau. Nachdem die beiden Metropolen bedient waren, sollten primär auch alle Hauptstädte der damaligen Sowjetrepubliken Anteil an der Beute erhalten. So gelangten deutsche Bücher, ca. 100.000, nach Tiblissi in Georgien, aber auch in großer Anzahl (Millionengröße) nach Kiew und Minsk. Die nach Georgien gelangte Stückzahl ist also vergleichsweise bescheiden. Die Verteilkriterien entziehen sich einem nachvollziehbaren Schema. Belegt ist lediglich, daß Handschriftenbestände gezielt nach Moskau gelangten, ansonsten darf man eher von Mengenkontingenten ausgehen, inhaltlich eher einem Sammelsurium. Daher kommt es, daß bei fast allen bisher inspizierten oder bekanntgewordenen Standorten deutscher Buchbestände sich auch Lübecker Bücher befinden, beispielsweise in Tomsk (Sibirien).

Wenn der frühere Außenminister der UdSSR und Verhandlungsführer beim deutschen Vereinigungswerk, jetzt aber Präsident der unabhängigen Republik Georgien, Schewardnadse entschied, die deutschen Bücher Deutschland ohne Auflagen zurückzugeben, so handelt es sich um eine noble Geste. Denn es wurden zwar Gegengaben und Hilfslieferungen nach Georgien gesandt, aber auf freiwilliger Basis. Nichts wurde gegengerechnet oder aufgerechnet, insbesondere wurden auch keine irrwitzigen "Lagerungs- und Begutachtungskosten" in Rechnung gestellt, wie das Duma-Gesetz etwa vorschreibt, sofern überhaupt etwas zurückgegeben würde. Angesichts der verhärteten russischen Haltung kann daher Georgiens Verhalten nicht anders als großzügig genannt werden, vor allem, wenn man das seitens des "Dritten Reiches" begangene Unrecht bedenkt.

Viele Bücher und Handschriften, die jetzt zurückgelangten, sind in einem beklagenswerten Zustand. Umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen sind notwendig, da diese Bücher lange Zeit ungünstig gelagert und oft transportiert wurden. Die Lagerung in Georgien, wo sie kaum bis gar nicht benutzt wurden, war ebenfalls schlecht. 50 Jahre in dieser Situation sind für Bücher schädlich. Mechanische Schäden, Schimmel und Feuchtigkeit, Mäuse- und Rattenfraß haben ihre Spuren hinterlassen. Daher werden auch einige Stücke nicht mehr verwendbar gemacht werden können. Eine in der Stadtbibliothek gezeigte Informationsausstellung zeigte deutlich, wie sinnlos es grundsätzlich ist, Bestände, die ihren engen Bezug zu einer Stadt oder Region haben, an Orten einzubehalten, die dazu keinen Bezug haben oder wo weder die Schriften noch die Sprache beherrscht werden, um sie sinnvoll zu benutzen. Unglücklich wird auch immer wieder bewußt, wie mißverständlich der Begriff "Beutekunst" ist. Es geht um (mindestens) 2 Millionen Bücher, die teilweise schlecht gelagert sind und zum Teil auch gar nicht benutzt werden, es handelt sich um Archivbestände zur genuin deutschen Geschichte - und nur zu einem geringen Teil um wertvolle Kunstwerke, von denen viele in der Tat in jedem großen Museum der Welt hängen könnten, eben auch in Rußland. Diese Vermischung von nicht Vergleichbarem bedrückt vor allem Bibliothekare und Archivare. Doch konnten sich deren Fachkommissionen bei der Regierungskommission und den poltitischen Führern und Gremien bisher kein Gehör verschaffen. Über ein gewisses wohlwollendes Interesse bei der Duma kamen die Bibliothekare nicht hinaus, und die Gesetzgebungsverfahren hat das nicht beeinflußt. Es bleibt eine Frage an die deutsche Außenpolitik, ob sie darüber hinwegsehen will und kann, daß im "Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit" vom 9.11.1990 und im "Deutsch-russischen Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit" vom November 1992 die Rückgabe der "verschollenen oder unrechtmäßig verbrachten Kunstgegenstände..." zugesichert wurde. Statt irgendwelche vernünftigen Anfangsschritte einzuleiten, hat sich die russische Seite jedoch darauf konzentriert, durch landesinterne Gesetzgebungsakte das internationale Recht auszuhebeln und Akten oder Bücher zur deutschen Geschichte zur russischen Kultur zu erheben, ebenso wie die musealen Sammlungen.

Die jetzige Rückgabe ist daher - und das muß vor diesem Hintergrund hervorgehoben werden - die erste planmäßige Restitution von Bibliotheksgut vom Boden der ehemaligen Sowjetunion. Während die Rückgaben aus der DDR 1989 sowohl Archiv- als auch Bibliotheksgut (überwiegend Handschriften) betrafen, waren die - durchaus hochkarätigen - Restitutionen von Eigentum der Stadtbibliothek im Jahre 1990 aus der damaligen Sowjetunion das Ergebnis einer Laune des Schicksals: die dortige Kulturadministration hatte zahlreiche Handschriften und die Sammlung ungebundener Personalschriften (Leichenpredigten, Hochzeitgedichte u. a.) der Archivverwaltung überstellt, die sie aber stillschweigend mit dem Archivgut zurückgab (Austausch der deutschen Hansearchive gegen das Archiv in Tallinn, damals UdSSR). So war die etwas verwunderliche Lage entstanden, daß die Bibliothek wieder eine Handschriftensammlung von internationalem Interesse aufwies, aber keinen einzigen ihrer ausgelagerten alten Drucke zurückerhalten hatte. Nunmehr sind bis auf ca. 20 Ausnahmen nur Drucke zurückgekehrt.

Lübeck kann sich freuen, daß jetzt vor allem stadtgeschichtliche Literatur, aber auch einige besondere Stücke zurückgekehrt sind, die hier, in unserer Bibliothek, ihren Sinn machen und es daher auch wert sind, wieder hergestellt zu werden.

2. Zur Bewertung der aus Georgien zurückgekehrten ausgelagerten Bestände der Stadtbibliothek Lübeck

2.1 Alle folgenden Bewertungen haben eine gewisse Vorläufigkeit. Von den ca. 1.350 zurückgekehrten Bänden sind zunächst ca. 130 nicht eindeutig zugewiesen. Das liegt meist daran, daß die Teile des Buches, die eine Identifikation ermöglichen, auf Grund des schlechten Zustandes fehlen oder die Bände gar nicht aufgeschlagen werden dürfen, um weitere Zerstörungen zu vermeiden. In anderen Fällen sind die Eintragungen in den alten, handgeschriebenen Bandkatalogen noch nicht gefunden, weil sich inzwischen die Katalogisierungspraxis geändert hat. Trotzdem können die jetzigen Ergebnisse weitgehend als gesichert angesehen werden.

2.2 Schon rein zahlenmäßig stellen die Lubecensien die weitaus überwiegende Mehrheit der zurückgekehrten Bücher: von vorläufig gezählten ca. 1.350 Bänden umfassen sie 900. Was dies bedeutet, wird klar, wenn man sich die Natur der Lubecensiensammlung vor Augen führt. Sie bestand aus etwa 16.400 Nummern; darunter waren aber nur ca. 5.820 wirkliche Bände, während ca. 3.425 Nummern auf in Mappen oder Kapseln aufbewahrte kleinere Schriften entfielen und weitere 7.148 auf Personalschriften (Leichenpredigten, Hochzeitsgedichte etc.). Andererseits waren aber auch Hunderte von Theaterplakaten oder Kleinschriften in einzelne Sammelbände gebunden und zählten somit jeweils als ein einziger Band. (Mit dieser historisch entstandenen Gemengelage muß man sich abfinden: exaktere Zahlen wären nur mit einem unvertretbaren Aufwand zu gewinnen.)

Zu den Lubecensien zählten also neben Büchern und Zeitschriften auch Verwaltungs- und Alltagsdruckschriften. Es waren Druckwerke wie Fahrpläne und Telefonbücher, Betriebsordnungen und Firmenprospekte, die sonst niemand aufhebt. Auch die Stadtbibliothek hatte dieses umfassende Sammelprinzip nur auf die Lübecker Drucke und die Drucke über Lübeck angewendet.

Oft war ein Stück fünffach vorhanden, aber jedes Exemplar hatte seine Eigenheiten: in manche Stücke waren Anlagen mit eingebunden, andere hatten handschriftliche Zusätze des Besitzers oder gar des Autors selbst. Deshalb hat man 1944 nicht nur die ersten Exemplare, sondern die gesamte Sammlung ausgelagert.

Die Bibliothek mußte deshalb nach 1945 ihren Bestand an Lübeck-Schriften von Null an wieder aufbauen. Das gelang in beachtenswerten Umfang durch Buchspenden von Lübeckern, durch die Abgabe im Stadtarchiv doppelt vorhandener Stücke, durch regelmäßige antiquarische Käufe und die Übernahme des großen heimatgeschichtlichen Nachlasses von Johannes Warncke.

Forschungsliteratur sowie selbst Spitzenstücke wie Bugenhagens Kirchenordnung konnten so wiederbeschafft werden. Was nicht neu zu bekommen war, waren die kleineren Zeitschriften, Vereinsblätter, Firmengeschichten, internen Drucke und Alltagsschriften. Ebenso unersetzbar waren natürlich die Exemplare mit handschriftlichen Zusätzen, die eigentlich Unikate geworden waren.

Eine Stichprobe hat ergeben, daß der Anteil des zurückgekehrten unersetzlichen Materials weit höher ist als erwartet: von den für die Ausstellung nach rein thematischen Gesichtspunkten ausgewählten Exponaten gehörten 75 % zu dieser Kategorie. Als Beispiel seien genannt: die Autorenexemplare von Dittmers numismatischen Forschungen, Schulordnungen von der ersten gedruckten Ordnung des Katharineums aus dem 17. bis zu den Lehrplänen der sechsklassigen Mädchenvolksschule aus dem 19. Jh., ein interner Beratungsentwurf des Strafgesetzes von 1863, die Zeitschrift des Vereins zur Gründung eines Tiergartens, die lübeckisch-mecklenburgische Sportzeitung. Selbst von einem so verbreiteten Werk wie den Vaterstädtischen Blättern sind erst durch die Rückgabe wieder Jahresbände im komplett erhaltenen Originaleinband in der Bibliothek.

2.3 Was die zweite große Gruppe des Rückkehrgutes - die seltenen, schönen und wertvollen Drucke aller Wissensgebiete - angeht, so war ihre Auswahl 1944 wegen des relativ kleinen Raumkontingents der Stadtbibliothek in dem Auslagerungsschacht (nur 284 Kisten) schon so streng erfolgt, daß eigentlich jedes einzelne zurückgekehrte Stück eine kleine Sensation darstellt. Betrachtet man z. B. im historischen Scharbausaal, welche prächtigen und interessanten alten Drucke man notgedrungen im Gefahrenbereich der Bombenangriffe belassen mußte, so fällt die Vorstellung schwer, daß es darüber noch eine Steigerung der Wertstufe gab. Zugleich ist das Bibliothekspersonal der Kriegszeit zu bewundern, dem - dezimiert und unter größter Eile - eine so qualifizierte Auswahl gelang. Durch die unerwartete Wendung wurde Franz Weber zu einer tragischen Gestalt: er hatte zielsicher die Kronjuwelen des Bestandes gegriffen, um wenigstens sie zu retten - und damit unfreiwillig genau sie geopfert.

Allein vier Unikate sind zurückgekehrt - zwei äußerlich unscheinbare Drucke des 19. Jh. aus Pädagogik und Theologie, dann aber die in ihrem einzigen bekannten Exemplar in Kassel verbrannte Ausgabe von Melanchthons sächsischer Visitationsordnung in ihrer Fassung für Hessen (Marburg 1527) - die "Gemeindeordnung" des Protestantismus. Das vierte Stück gehört in die Welt aufklärerischer Protestliteratur - Cesare Beccarias ohne Nennung des Verfassernamens 1766 auf französisch publizierte Anklage gegen Todesstrafe, Folter und Geheimjustiz "Traité des delits et des peines" mit dem fiktiven Druckort "Philadelphie" - "in der Stadt der Brüderlichkeit" - auf dem Titelblatt. Würdig zur Seite stehen diesem Werk Voltaires 1776 anonym zuerst in Neuchâtel und Amsterdam gedruckten "Lettres chinoises ..." - unsere Ausgabe mit "Geneve 1776" auf dem Titelblatt ist selbst in der französischen Nationalbibliothek nicht vorhanden und wird in der mehrbändigen Voltaire-Bibliographie von Bengesco nicht genannt. Abgesehen von ihrem Wert als Rarissima sind solche Ausgaben auch zur Erforschung möglicher Textabweichungen interessant, die vielleicht erst die Absicht hinter dieser vom üblichen abweichenden Publikationsweise sichtbar werden lassen.

Für viele andere dieser Drucke muß die Frage, welche Besonderheit sie seinerzeit auslagerungswürdig machte, noch geklärt werden - bei den Büchern aus dem Schlözer-Schrank und der Geibel-Sammlung jedenfalls ging es darum, einen gewachsenen geschlossenen Bestand zu erhalten.

Aus dem gleichen Grund waren auch fast alle der knapp über 300 zu Lebzeiten erschienenen Einzelausgaben der Werke Luthers evakuiert worden - fünfzehn Rückkehrer, oft einzigartig durch ihre Randbemerkungen, sind objektiv ein Schatz und nur vor dem Hintergrund des früheren Reichtums der Bibliothek ein bescheidenes Ergebnis.

Enttäuschend ist hingegen die Rückkehrquote großer mehrbändiger Werke und Gesamtausgaben. Die Verteilung auf die UdSSR erfolgte ganz offenbar so mechanisch Band für Band, daß die stolzen Serien auseinandergerissen sind und selbst in Georgien nur Trümmer angesammelt waren. Das betrübt besonders bei einigen meisterhaft kolorierten zoologischen Reihenwerken. In einem Fall - Fr. Barfods "Förtæellinger af fædrelandets historie", einem Grundwerk der dänischen Nationalbewegung - kann man nachweisen, daß Bd. 1 des Werkes in Tomsk liegt, während Bd. 2 nun aus Georgien zurückkam. Es liegt auf der Hand, daß die Bibliotheken der UdSSR mit dem Beutegut eine nur rein zahlenmäßige Kompensation für mögliche eigene Kriegsverluste erhielten, aber niemand mit diesen Büchern wirklich arbeiten konnte.

2.4 Mager blieb die Rückkehr niederdeutscher Drucke - nur zwei Lutherdrucke füllen den Bestand auf, der einmal an achter Stelle unter den Bibliotheken der Welt lag.

Die Erwartung an die Rückkehr von Inkunabeln - also vor 1500 entstandenen sog. Wiegendrucken - konnte so hoch nicht sein, nachdem in St. Petersburg nur 170 der insgesamt 650 Bände festgestellt werden konnten, in Moskau erheblich weniger. Es müssen also andere wichtige Bibliotheken ebenfalls solche Bestände erhalten haben, aber wir wissen bis heute nicht, welche. Immerhin sind 6 Inkunabeln sowie 4 Postinkunabeln wieder in Lübeck - meist unauffällige Quartbände, aber neben ihrem Wert auch von thematischem Interesse: eine lateinische Grammatik mit dem großen Holzschnitt einer Schulszene, eine frühe Schilderung Indiens. Für Lübeck besonders wichtig ist die Rückkehr eines weiteren Drucks des Lübecker Erstdruckers Lucas Brandis (Giovanni Poggios Facetien, fast zeitgleich mit den großen Lübecker Erstdrucken Mitte der siebziger Jahre des 15 Jh. entstanden) und des Lübecker Frühdruckers Georg Richolff d. Ä. (Sibutius' Ars memorativa von 1507).

Eine prächtige Pergamenthandschrift, ein Brevier, wohl aus der Domstiftsbibliothek, mit farbigen Initialen, füllt die bereits zur Häfte zurückgekehrte Sammlung liturgischer Codices weiter auf; eine weitere niederdeutsche Handschrift ergänzt die 77 Stücke, die aus dem weltweit einzigartigen Korpus von ehemals 96 Stücken zurückgekehrt sind. Weiterhin sind mindestens vier Gebrauchshandschriften wieder in den Katalog einzutragen; bei einer Reihe von anderen ist noch unklar, ob sie nicht aus dem Stadtarchiv stammen.

Für Lübeck unschätzbar sind dabei zwei Stücke: Die "Lubeca Religiosa" Jacobs von Melle, eine Vorfassung seiner "Ausführlichen Beschreibung der Stadt Lübeck" vom Anfang des 18. Jh., wird vor allem von Kunsthistorikern erwartet, weil die vielbändigen "Bau- und Kunstdenkmäler" vielfach auf dieser Quelle fußen. Eine Chronik des Vereins der Musikfreunde in Form unzähliger Zeitungsausschnitte kam gerade noch rechtzeitig, um durch Entgegenkommen des Stadtarchivs dem Verfasser einer Jubiläumsfestschrift verfilmt zur Verfügung gestellt werden zu können.

2.5 Im Gegensatz zur allgemeinen Handschriftenabteilung wurden die handschriftlichen Musikalien nicht geschlossen ausgelagert, so daß die Bibliothek hier keine Totalverluste zu beklagen hatte. Allerdings waren gerade die Lübecker Komponisten naturgemäß doch sorgfältig ausgewählt worden, so daß nach der Rückkehr des Buxtehude-Kantatenbandes 1989 und mehrer Oratorien 1990 diesmal auch eine große Abendmusik von Adolph Carl Kunzen ("Das gerettete Bethulia" auf der Grundlage des Buches Judith, 1759) und ein Karfreitagsoratorium ("Das Heil des Kreuzes", 1852) des Musiklehrers am Katharineum Carl Mosche unter unidentifizierten Bergen von Büchern im Sichtungsmagazin der Deutschen Staatsbibliothek im Berliner Westhafen entdeckt werden konnten. Auch Textbücher zu Abendmusiken in St.Marien sowie Matthesons "Grundlage einer Ehrenpforte", eines der ersten Musikerlexika, kehrten zurück.

2.6 Die mit der Stadtbibliothek ausgelagerte Butendach-Bibliothek der evangelisch-reformierten Gemeinde erhielt jetzt etwas über 500 ihrer 2.000 ausgelagerten Stücke zurück, darunter den letzten noch fehlenden Band der Handschrift von Butendachs hinterlassenen Predigten. Die Identifikation der Bestände war durch den Umstand erschwert, daß die Bände nur durch ein Wappen-Exlibris auf dem Vorsatzspiegel (Innenseite des vorderen Buchdeckels) gekennzeichnet sind, das aber durch Feuchtigkeitseinwirkung häufig abgefallen oder mit dem Einband verlorengegangen war.

3. Sponsoring für die Restaurierung - bisher ein Beispiel des Gemeinsinns der Lübecker Bürger

Wenn Ministerialdirigent Dr. Rolf-Peter Carl vom Kultusministerium Kiel anläßlich einer Pressekonferenz mit Sponsoren am 11. April 1997 spontan äußerte, daß eine so erfolgreiche Aktion "in Schleswig-Holstein ohne Beispiel" sei, so beschreibt er damit eine der starken Seiten Lübecks. Die Stadtbibliothek freut sich, daß bisher etwa 160.000 DM an Spenden für die Restaurierung zugesagt bzw. eingegangen sind und dankt allen, die sich dazu bereitfanden. Wir hoffen aber noch auf weitere Hilfen, da wir mit Kosten in Höhe von ca. 230.000 DM rechnen müssen. Der genaue Bedarf wird sich erst aus den Gesprächen mit den Restauratoren ergeben.


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