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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 5, 97

Die Sanierung der Historischen Bibliothek der Stadtbücherei Offenburg


Ute Obhof

Die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg und die Universitätsbibliothek Freiburg haben in den vergangenen Jahren maßgeblich dazu beigetragen, die Historische Bibliothek der Stadtbücherei Offenburg, vormals Bibliothek des Grimmelshausen-Gymnasiums in Offenburg, zu erschließen und durch konservatorische, buchpflegerische und restauratorische Maßnahmen für die Nachwelt zu bewahren. Der historische Bibliotheksbestand hatte Schaden gelitten, da er lange Zeit unter konservatorisch ungünstigen Bedingungen aufbewahrt wurde und nicht fachgerecht betreut werden konnte.

Die rund 1.600 Bände, Drucke bis auf zwei Ausnahmen, stammen hauptsächlich aus den ehemaligen Klosterbibliotheken der Offenburger Franziskaner und Kapuziner. Die Druckjahre reichen vom 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Neben 20 Inkunabeln sind etwa 850 bibliographische Einheiten des 16. und 17. Jahrhunderts hervorzuheben. Die Sammlung enthält zahlreiche Rara.

Bereits in den Jahren 1992/1993 waren die Offenburger Bestände mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg in der Universitätsbibliothek Freiburg neu katalogisiert worden. Sie sind jetzt im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund nachgewiesen. Frau Dr. Vera Sack gelang im Rahmen der Katalogisierungsarbeiten ein bedeutender Fund. 1) In einem Band des 16. Jahrhunderts entdeckte sie einen im Holzschnittverfahren gedruckten Segmentsatz (12 Streifen) für einen Erdglobus von Martin Waldseemüller [St. Dié 1507]. Der früheste gedruckte Erdglobus, der die Neue Welt kartographisch wiedergibt und den Namen "America" für den neuentdeckten Kontinent verwendet, war bislang nur in zwei Exemplaren bekannt. 2)

Auf Antrag der Stadt Offenburg bewilligte die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg 1994 eine Bezuschussung von 60.000 DM für das Sanierungsprojekt. Voraussetzung für die Bewilligung des Zuschusses war die Bereitschaft der Stadt Offenburg, sich mit mindestens demselben Betrag an der Erhaltung des Bestandes zu beteiligen. Die Mittel der Stadt sollten nach dem Willen des Stiftungsrates in erster Linie konservatorischen Maßnahmen zugute kommen, wohingegen die Gelder der Stiftung in die Restaurierung fließen sollten.

Die konservatorischen Maßnahmen konnten in der Universitätsbibliothek Freiburg unter fachlicher Anleitung weitgehend von Hilfskräften durchgeführt werden. Die Stadt Offenburg stellte die Mittel für die Beschäftigung der Hilfskräfte zur Verfügung.

Eine kleinere schimmelbefallene Bücherzahl war vor den Arbeiten an dem Bestand zur Desinfektion mit Ethylenoxid begast worden. Besonders wichtig war dann, die Selbstklebe-Etiketten, die früher in Offenburg als Signaturschilder gedient hatten, zu entfernen, weil von den weichmacherhaltigen Klebern eine Schädigung des Leders und Pergaments der Originaleinbände hervorgerufen wurde. Die Leder- und Pergamenteinbände wurden gereinigt und gefettet. Die Lederpflege reguliert den Fett- und Wasserhaushalt, verbessert die Biegsamkeit des Materials und stellt einen Schutz vor Umweltschmutz und Klimaschwankungen dar.

Zum Schutz von Originaleinbänden wurde außerdem in Freiburg eine Reihe von Schubern aus säurefreiem Karton nach Maß angefertigt. Vielfach wurden die Schuber mit Schuh hergestellt, um das Herausnehmen des Bandes zu erleichtern. Für derartige Fälle sind auch Bestellprodukte nach Maß auf dem Markt. Im Offenburger Bestand gibt es noch zahlreiche Broschuren und mit Buntpapier überzogene Pappbände des 18. Jahrhunderts. In den großen Bibliotheken sind solche historischen Einbandformen auf Grund ihres meist vorläufigen Charakters häufig nicht mehr nachweisbar. Diese schützenswerten Einbände werden in Zukunft in Offenburg ebenfalls in Schubern aus säurefreiem Karton aufgehoben. Neue Signaturschilder wurden aus säurefreiem Papier hergestellt und mit Kleister aufgeklebt.

Bei der Restaurierung, die von verschiedenen Restauratoren außer Haus ausgeführt wurde, wurde etwa 10 wertvollen Einzelbänden Priorität eingeräumt, die in ihrem Bestand gefährdet waren. Außerdem waren etwa 30 weitere Bände restauratorisch zu behandeln, darunter eine Reihe von Bänden, die früher unsachgemäß mit weichmacherhaltigen Selbstklebefolien repariert worden waren.

Umfangreiche Restaurierungen und kleinere restauratorische Maßnahmen wurden also nur bei verhältnismäßig wenigen Bänden getätigt. Der Schwerpunkt der Sanierung lag im Bereich der Vorbeugung zur Erhaltung dieses historischen Bibliotheksbestandes. 3) Dies entspricht den sogenannten "Blaubeurener Empfehlungen", die 1992, basierend auf der Zusammenarbeit von Restauratoren, Archivaren und Bibliothekaren, vorgelegt worden sind. Die "Blaubeurener Empfehlungen" 4) formulieren ausdrücklich, daß Restaurierungsmaßnahmen nur dann unternommen werden sollen, wenn sie unerläßlich sind, um den Fortbestand von Kulturgut in seiner entstehungs- und gebrauchsbedingten Überlieferungsform sicherzustellen.

Anmerkungen:

1) Vera Sack, Aide mémoire zum Fund eines Waldseemüllerschen Segmentsatzes für einen Erdglobus (1507) im Bestand der Grimmelshausen-Bibliothek in Offenburg [unveröffentlicht].

2) University of Minnesota/USA, Bell Library; Bayerische Staatsbibliothek, München.

3) Vgl. Gerd Brinkhus, Bestandserhaltung in Bibliotheken, Tübinger Bibliotheksinformationen 18 (1996,2) S. 41-49, insbesondere S. 46.

4) Empfehlungen zur Restaurierung und Konservierung von Bibliotheks- und Archivgut (Blaubeurener Empfehlungen), Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 39 (1992) S. 1-15.


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