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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 4, 97

Rechtskommission des DBI


Konstituierende Sitzung

Helmut Rösner

Am 12. und 13. Februar 1997 hielt die Rechtskommission ihre erste Sitzung der Amtsperiode in Berlin ab. Zur Vorsitzenden wurde Gabriele Beger (Zentral- und Landesbibliothek Berlin) wiedergewählt, zum stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Harald Müller (Max-Planck-Institut für Völkerrecht, Heidelberg).

Einen Schwerpunkt der Tagesordnung bildeten die aktuellen gesetzgeberischen Entwicklungen im nationalen und internationalen Rahmen, vor allem der Entwurf des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) mit dem Entwurf einer Urheberrechtsnovelle zur Umsetzung der EG-Richtlinie zum Schutz von Datenbanken, die Ergebnisse der Diplomatischen Konferenz der World Intellectual Property Organization (WIPO) vom Dezember 1996, und die Aktivitäten der Enquete-Kommission des Bundestags.

Zu all diesen Vorhaben hatte die Rechtskommission im Zusammenwirken mit der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) bereits im vergangenen Jahr Stellungnahmen an das Bundesjustizministerium eingereicht. Im Januar 1997 fanden außerdem drei Anhörungen in Bonn statt, bei denen die Rechtskommission und die BDB die Belange der Bibliotheken nachdrücklich vertreten konnten.

Unmittelbar vor der Kommissionssitzung hatte in Berlin ein Treffen von Vertretern der BDB, des DBV, des DBI und der Rechtskommission stattgefunden, das den Zweck verfolgte, über den Informationsaustausch zu den verschiedenen internationalen und nationalen Vorgängen (WIPO, ECUP) eine gemeinsame Linie des Vorgehens und eine Koordination bei den Aktivitäten der jeweiligen Repräsentanten zu erreichen. Als vorrangiges Ergebnis dieses Treffens wurde ein differenzierter Auftrag an die Rechtskommission vergeben, zu den anstehenden Problemen der Urheberrechtsnovellierung verschiedene Stellungnahmen aus bibliotheksrechtlicher Sicht zu erarbeiten, insbesondere ein Argumentationspapier zu urheberrechtlichen Problemen im digitalen Umfeld, das zum Bibliothekskongreß vorliegen soll.

Weitere Besprechungspunkte waren die Gesetzesinitiative des Börsenvereins zur Novellierung des § 53 UrhG, die im Zusammenhang mit dem bisher für den Börsenverein erfolglos verlaufenen Musterprozeß gegen die TIB zu sehen ist, sowie die Tätigkeit der SUBITO-Arbeitsgruppe Recht, die eine gemeinsame Vereinbarung zwischen BDB und Börsenverein über die elektronische Dokumentlieferung ausgearbeit hat.

Das Thema Elektronische Medien und Pflichtexemplarrecht beschäftigt die Rechtskommission bereits seit längerem, es wird auch auf dem bevorstehenden Bibliothekskongreß mehrfach angesprochen, so auf der öffentlichen Sitzung der AG Regionalbibliotheken mit dem Thema "Pflichtexemplar und elektronische Publikationen" (Moderation Dr. Hagenau, Mitglieder der Rechtskommission werden daran teilnehmen); zum gleichen Thema wird Dr. Müller am 22. Mai ein Referat im Rahmen des Themenkreises XIV halten.

Die öffentliche Sitzung der Rechtskommission auf dem Kongreß wird am 20. Mai 1997 im Raum 31 stattfinden. Hier wird über "Zensur und Strafrecht im Internet" berichtet (Dr. Müller) sowie über die Umsetzung der EG-Richtlinie zum Schutz von Datenbanken (G. Beger).

Eingehend diskutiert wurde die Anfrage einer Stadtbibliothek, die aufgrund eines sog. "Bestseller-Modells" Probleme mit dem örtlichen Buchhandel bekommen hat: Die Stadtbibliothek ließ sich von einem Buchhändler Bestseller im Wert von DM 2.000,- schenken mit der Vereinbarung, diese Bücher gesondert aufzustellen und die Regale mit dem Namen der sponsernden Buchhandlung zu kennzeichnen. Diese Bestseller werden von der Stadtbibliothek gegen eine Gebühr von DM 5,- ein halbes Jahr lang ausgeliehen, dann zum halben Ladenpreis verkauft. Aus den Einnahmen (Gebühr und Verkauf) beschafft die Bibliothek neue Bücher. Die anderen Buchhandlungen am Ort sowie der Landesverband des Verlegerverbandes warf der Stadtbibliothek Wettbewerbsverzerrung vor, da eine einzelne große Buchhandlung ihren wirtschaftlichen Vorteil unzulässig ausnutzt; der Stadtbibliothek wurde außerdem kommerzielle Tätigkeit (gewerbliche Vermietung von Büchern) vorgeworfen.

Insgesamt beurteilt die Rechtskommission dieses Bestseller-Modell als juristisch gerade noch tragfähig, aber politisch problematisch und unsensibel. Zwar ist ein Sponsorenvertrag im Prinzip zulässig, auch eine gesonderte Gebühr für Sondernutzung ist nicht zu beanstanden. Als bedenklich wird jedoch sowohl die Höhe der Verleihgebühr als auch besonders der frühzeitige Wiederverkauf gewertet, zumindest sollte hierfür das sog. Backlist-Verfahren des Buchhandels (Frist: in der Regel ein Jahr) zur Orientierung herangezogen werden.

Zum Problem Künstlersozialabgabe wird die Rechtskommission nach eingehender Prüfung des Sachverhalts eine Stellungnahme erarbeiten. Mit einem Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Februar 1995, nach dem eine Stadtbücherei zur Zahlung einer Künstlersozialabgabe für kulturelle Veranstaltungen verurteilt wurde, hat die bisherige Rechtsprechung eine grundlegende Korrektur erfahren.

Weitere Arbeitsvorhaben, mit denen sich die Rechtskommission auseinandersetzen wird, sind einerseits der Problembereich Ehrenamt in Bibliotheken. Zunächst sollen die rechtlichen Probleme (Verantwortung, Haftung, Arbeitsrecht, Haushaltsrecht usw.) benannt werden. Auf dieser Grundlage sollte dann jedoch eine breitere Diskussion einsetzen, die die politischen und organisatorischen Aspekte beleuchtet. Hierzu wird ein Round Table stattfinden, der gemeinsam mit der Kommission des DBI für Organisation und Betrieb vorbereitet wird. Andererseits wirft das Problem Erwerbung der Bibliotheken mittels Kreditkarten neue Fragen auf, die in Zusammenarbeit mit der Erwerbungskommission untersucht werden sollen.

Schließlich beriet die Rechtskommission das weitere Vorgehen zur Erarbeitung einer Neuausgabe der "Rechtsvorschriften für die Bibliotheksarbeit", die möglichst bis Anfang 1998 erscheinen sollte (allerdings müssen die anstehenden Gesetzesänderungen, vor allem im Bereich des Urheberrechts abgewartet werden).


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