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BIBLIOTHEKSDIENST Heft 4, 97

Leihverkehrstagung in Stuttgart


Horst Hilger

Auf Einladung des Bibliotheksservice-Zentrums (BSZ) Baden-Württemberg trafen sich am 21. Januar 1997 45 Leihverkehrsexperten aus 27 bibliothekarischen Einrichtungen der Südwest-Region in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Es zeigte sich erneut - wie schon bei den vorangegangenen Treffen1), daß die mit Fragen des Überregionalen Leihverkehrs befaßten Kolleginnen und Kollegen sehr daran interessiert sind, Erfahrungen und Informationen auszutauschen und die Möglichkeit des direkten Dialogs zwischen Leihverkehrszentrale und Bibliotheken wahrzunehmen.

Zu Beginn der ganztägigen Besprechung gab die Leiterin des BSZ, Frau Dr. Mallmann-Biehler, einen Rückblick auf das erste Jahr im Bibliotheksservice-Zentrum, das zum 1. Januar 1996 gegründet worden war2). Das BSZ steht in der Kontinuität seiner drei Vorgängereinrichtungen, der SWB-Verbundzentrale an der Universität Konstanz, des Zentralkatalogs Baden-Württemberg an der Württembergischen Landesbibliothek und der Zentralen Entwicklungsgruppe für das lokale Bibliothekssystem an der Universitätsbibliothek Karlsruhe. Nachdem die Entwicklung des landeseinheitlichen Lokalsystems OLIX abgebrochen worden war, ist dem BSZ als zusätzliche Aufgabe die Auswahl und Installation eines kommerziellen Lokalsystems in den Einrichtungen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) des Landes Baden-Württemberg übertragen worden. Zu diesem Zweck ist die Arbeitsgruppe Systemauswahl gegründet worden, die das Ministerium und das BSZ bei der Auswahl berät. Nach gründlicher Prüfung der Angebote zahlreicher Firmen ist die Ausschreibung des Lokalsystems erfolgt. Dafür ist ein Pflichtenheft erstellt worden, das auch auf dem WWW-Server des BSZ abrufbar ist (URL http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/lokalsys.html). Am 10.2.1997 endete die Abgabefrist für die Angebote der Firmen, die in die engere Auswahl gekommen sind. Die Entscheidung fällt nach Ablauf der Abgabefrist, die Installation des Lokalsystems wird in den nächsten fünf Jahren erfolgen. Das Neue Lokalsystem wird im Rahmen der Zukunftsoffensive des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg finanziert. Sachsen und Rheinland-Pfalz haben ihr Interesse an einer Übernahme des Systems erklärt.

Die Ablösung des derzeitigen Verbundsystems ist bereits beschlossen. Zusammen mit den Partnern Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) des Landes Nordrhein-Westfalen (Projektführer), Bibliotheksverbund Bayern (BVB) sowie dem DBI in Berlin mit den Datenbanken ZDB, VK und GKD hat sich das BSZ im Sommer 1996 für das Ablösesystem HORIZON der Firma Dynix entschieden. Die entsprechenden HBFG-Anträge für das Neue Verbundsystem sind termingerecht bei der DFG eingereicht worden. Die Investitionsgenehmigung liegt mittlerweile noch nicht vor.

Die Bestandsnachweise des Zentralkatalogs Baden-Württemberg überschneiden sich zunehmend mit den Bestandsdaten des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB). Um möglichst effektiv arbeiten zu können, hat das BSZ festgelegt, welches der beiden Nachweisinstrumente für welchen Zeitraum und welche Publikationsform primär zu nutzen ist. Mehr als die Hälfte der insgesamt 22,5 Stellen des Zentralkatalogs wird bereits mit Verbundarbeiten (Autorenredaktion und Clearing-Stelle für Änderungen von Personennamenansetzungen auf Grund der RAK-Mitteilung Nr.15) beschäftigt. Voraussetzung dafür war die Ausstattung aller Arbeitsplätze mit Internet-Anschluß. Begleitende Schulungen (Recherchen, E-Mail, Textverarbeitung etc.) durch Kolleginnen und Kollegen der Konstanzer Zentrale des BSZ fanden (und finden) statt. Seit Herbst 1996 gibt es die Homepage des ZKBW (URL http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/text/zkhome.html) auf dem WWW-Server des BSZ, von der per Mausklick weitere Seiten (Informationen zum Leihverkehr, Infos zur Literatursuche für die Region Südwest, Publikationen des ZK, insbesondere eine Volltext-Version des ZKBW-Dialog) und die Katalogauskunft des ZK per E-Mail (zkbw@gw1.swbv.uni-konstanz.de) zu erreichen sind.

Ende August 1996 jährte sich die Gründung des ZKBW zum vierzigsten Mal. Aus diesem Anlaß erschien ein ausführlicher Beitrag im BIBLIOTHEKSDIENST3).

Die neue Entgeltordnung des BSZ ist Ende 1996 verabschiedet, aber noch nicht vom Finanzministerium freigegeben worden. Demnach ist die Recherche in den Datenbanken des SWB generell entgeltfrei. Für Bibliotheken, die dem MWK Baden-Württemberg unterstehen, ist das Einbringen neuer Bestandsmeldungen ebenfalls kostenlos. Bibliotheken der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen werden für jeden neu eingebrachten Bestandssatz DM 1,50 berechnet. DM 2,- ist für Bibliotheken gültig, die anderen Unterhaltsträgern (Bund, Länder, Kommunen) unterstehen. Sondervereinbarungen sind möglich. Neu in die Datenbank eingebrachte Titelaufnahmen sind entgeltfrei.

Ein wichtiger Tagesordnungspunkt beschäftigte sich mit der Nutzung des SWB-Datenpools für Leihverkehrszwecke durch die lokalen Signier- und Fernleihstellen. Der SWB, der schon seit einigen Jahren für den Leihverkehr in der Region von grundsätzlicher Bedeutung ist, ist heute gänzlich unverzichtbar. Seine Bestandsdaten haben in den letzten drei Jahren gewaltig zugenommen, nicht zuletzt im Bereich der Altbestände bis 1850 und bei neueren Titeln, die konvertiert worden sind (und werden). Die Nachweise aus Sachsen haben sich ebenfalls stark vermehrt. Zur Zeit bringen die sächsischen Bibliotheken wegen der DFG-geförderten Altbestandskonversion der SLUB Dresden und der UB Leipzig mehr Bestandsnachweise in die Verbunddatenbank ein als die baden-württembergischen und pfälzischen Bibliotheken. Wegen der enormen Bedeutung des SWB für den Leihverkehr in der Südwest-Region bietet das BSZ - in erster Linie für mittelbar zum Leihverkehr zugelassene Bibliotheken - spezialisierte Recherche-Schulungen für Leihverkehrszwecke an. Die Teilnehmer wurden gebeten, den Bedarf an Recherche-Schulungen bei ihren "Tochterbibliotheken" zu ermitteln und an die Außenstelle Stuttgart (Zentralkatalog) zu melden.

Das BSZ wies auf das Bibliotheksinformationssystem BIBINFO (URL http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/s13000_d.html) hin, das neben allgemeinen Infos (Adreßdaten etc) zu Bibliotheken und Links zu lokalen OPACs auch Hinweise zu deren Fernleihpraxis enthält. Zur Zeit sind rund 1.540 Bibliotheken im BIBINFO erfaßt. Ein Erfassungsformular erlaubt den Eintrag von Korrekturen und Ergänzungen. Das BIBINFO ist auch in einer Diskettenversion beim BSZ Konstanz erhältlich. Auch die vom Zentralkatalog herausgegebene "Sigelliste der im ZKBW und im SWB erfaßten Bibliotheken mit Hinweisen für die Leihverkehrspraxis", die in einer Printversion zur Verfügung steht, informiert über die Ausleihpraxis der Bibliotheken.

Da immer mehr Endnutzer im WWW-OPAC des SWB recherchieren, wurde das BSZ gebeten, für diese Nutzergruppe Recherche-Anleitungen (auch in englischer und französischer Sprache) zu erarbeiten.

Der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK)4) wird bereits von zahlreichen großen Bibliotheken der Region in der täglichen Fernleihroutine genutzt und als aktuelle Ergänzung zum DBI-VK geschätzt. Abweichende Recherche-Ergebnisse zwischen SWB und KVK, die einzelne Tagungsteilnehmer beobachtet haben wollen, erklärt das BSZ folgendermaßen: Die besten und präzisesten Ergebnisse sind im SWB direkt zu erzielen, die WWW-Umsetzung ist bereits mit Fehlern behaftet, der KVK erbringt weitere Unschärfen, möglicherweise eine Folge der eingesetzten Filtermechanismen des KVK. Da unklar ist, was mit der Eintragung 'KVK:00' auf dem Leihschein gemeint ist, wird empfohlen, nach der Recherche im KVK alle 'angehakten' Verbundkataloge einzeln auf der Vorderseite des Leihscheins aufzuführen (SWB, HBZ, GBV, BVB:00 bzw. 'ermittelte Sigel').

Drei Supplier-Bibliotheken der Region, die Bibliothek der Universität Konstanz, die UB Tübingen und die Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek Saarbrücken, berichteten über ihre Erfahrungen mit den entgeltpflichtigen Dokument-Schnell-Lieferdiensten DBI-LINK und SSG-S, die die Bestellung von Zeitschriftenaufsatzkopien und Monographien durch Endnutzer gestatten. Fazit der Kurzreferate: Vorwiegend finanzkräftige Firmen und Forschungseinrichtungen nutzen die Möglichkeiten, rasch an die gewünschte Literatur zu gelangen. Studentische Benutzer sind kaum vertreten: Die Preise sind wohl zu hoch.

Im weiteren wurde mit der geplanten Reorganisation des Bücherautodienstes in Deutschland bekannt gemacht. Die Studie "Büchertransportsysteme für die Beschleunigung des Leihverkehrs"5), die 1996 vom DBI veröffentlicht worden ist, stellte fest, daß eine wesentliche Beschleunigung und Verbesserung des Büchertransportdienstes erreicht werden kann, wenn die regionalen Bücherautodienste teilweise ausgebaut und für die überregionale Versendung durch Containerdienste ergänzt werden. Die überregionale Vernetzung der Leihverkehrsregionen durch Containerdienste ist bereits probeweise zwischen Niedersachsen und Bayern (Göttingen-Regensburg) und Niedersachsen und dem Nordkreis des Bücherautosystems Baden-Württemberg/Pfalz/Saarland (Göttingen-Saarbrücken) angelaufen. Die überregionalen Probeläufe sind durch ein regionales Projekt ergänzt worden: Der Standort Lüneburg wurde durch Container an den Bücherautodienst in Göttingen angebunden. Das 'Lüneburger Modell' könnte möglicherweise auch für die Anbindung der UB Ulm an den regionalen Bücherautodienst in Baden-Württemberg eine Lösung sein.

Bei einer Sitzung in Göttingen am 18. September 1996 wurden die Weichen für das weitere Vorgehen gestellt. In einem neuerlichen Projekt, das von einem dafür freigestellten Koordinator (Stelle des höheren Dienstes) betreut wird, soll die Ausweitung des Systems auf die regionalen Routen neu überlegt und Lücken geschlossen werden. Um dafür ausreichende Planungsdaten zu erhalten, wurde erneut vom 15.1.1997 bis zum 14.2.1997 eine statistische Erhebung der Daten für den gebenden Leihverkehr von Büchern und Kopien durchgeführt. Die nochmalige Erhebung war notwendig geworden, weil sich der Leihverkehr inzwischen, besonders in den neuen Bundesländern, deutlich verändert hat und sich einige große Bibliotheken an der ersten Untersuchung nicht beteiligt haben. Die Voraussetzungen für eine Ausweitung des Containerdienstes auf den Südkreis des Bücherautosystems Baden-Württemberg/ Pfalz/Saarland sind mittlerweile geschaffen worden: Die Württembergische Landesbibliothek als verantwortliche Einrichtung für die Südlinie hat in der Zwischenzeit die Genehmigung für ein größeres Bücherauto erhalten, das in der Lage ist, zusätzlich zur bisherigen Fracht alle bisher mit der Post AG überregional verschickten Bücher bei den Bibliotheken der Region zu sammeln und zu einer Transportzentrale zu befördern, von wo aus sie per Containeranbindung in andere Bundesländer/Leihverkehrsregionen geliefert werden können. Von großem Interesse für die südwestdeutsche Leihverkehrsregion ist vor allem die Containeranbindung Sachsens an Baden-Württemberg (Verbundregion). Herr Hoffmann (Saarl. Universitäts- und Landesbibliothek) schilderte ergänzend die praktische Durchführung des Containerdienstes zwischen Göttingen und Saarbrücken, der im Juli 1995 begonnen hat.

Besonders lebhaft diskutierten die Tagungsteilnehmer Probleme des Leihverkehrsalltags. Dabei ging es unter anderem um Fax- und E-Mail-Bestellungen, Bestellungen von Werken auf Grund § 23c LVO innerhalb der Region, den Leihverkehr mit Alten Drucken, Fragen des Musikalien-Leihverkehrs und die am 1. April 1997 beginnende Pilot-Phase von SUBITO.1.

Abschließend wurden Probleme des Internationalen Leihverkehrs beraten: Die Benutzungskommission des DBI und die Konferenz der Zentralkataloge hatten empfohlen, künftig auch die deutschsprachigen und in Deutschland erschienenen Publikationen im Internationalen Leihverkehr kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen. Die Teilnehmer problematisierten in diesem Zusammenhang den erhöhten Verwaltungsaufwand und die unzumutbare Belastung der nach wie vor finanzschwachen Bibliotheken der ost- und ostmitteleuropäischen Staaten. Einige Bibliotheken der Region verzichten sogar bis heute auf Entgelte für die Lieferung der im Ausland erschienenen Publikationen. Zusätzlich erörterten die Fernleihbibliothekare Einzelfragen des Leihverkehrs mit Frankreich, Großbritannien, Rußland, der Schweiz und den USA. Besonders nützlich für den Leihverkehr mit Nordamerika ist der Hinweis auf das "Interlibrary Loan Policy Directory"6), das eine aktuelle Übersicht über die Lieferbedingungen und Preismodalitäten amerikanischer und kanadischer Bibliotheken bietet.

Daß bei den Fernleihbibliothekaren ein starkes Bedürfnis nach Information und Erfahrungsaustausch vorhanden ist, machte nicht nur der Tagungsverlauf, sondern auch die Gespräche am Rande, in der Mittagspause und nach Beendigung des offiziellen Teils deutlich. Das BSZ wird auch in Zukunft diesem Bedürfnis entsprechen und jährliche Treffen baden-württembergischer, pfälzischer und saarländischer Leihverkehrsexperten organisieren.

1) Der Bericht über die letzte Tagung stand in BIBLIOTHEKSDIENST 28(1994), H. 3, S. 381 - 384.

2) Die Satzung des Bibliotheksservice-Zentrums Baden-Württemberg ist mittlerweile auch im WWW: URL http://www.swbv.uni-konstanz.de/wwwroot/text/bszsatz.html

3) Hilger, Horst. "40 Jahre Zentralkatalog Baden-Württemberg: Rückschau und Ausblick". BIBLIOTHEKSDIENST 30(1996), H. 8/9, S. 1444 - 1452.

4) Vgl. dazu Dierolf, Uwe; Mönnich, Michael. "Karlsruher Virtueller Katalog (KVK) - Neue Dienstleistung im World Wide Web". BIBLIOTHEKSDIENST 30(1996), H. 8/9, S. 1395 - 1401.Der KVK hat die URL http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html

5) Büchertransportsysteme für die Beschleunigung des Leihverkehrs: Abschlußbericht des vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Projekts Nr. 1156 'Entwicklung von Parametern für vernetzte Transportsysteme für eine optimale und kostengünstige überregionale Literaturversorgung'. Projektleitung: Elmar Mittler unter Mitarb. von Jürgen Bloech u. a. Berlin: Deutsches Bibliotheksinst., 1996. (dbi-materialien; 146)

6) Interlibrary Loan Policy Directory. 5th ed. Ed. by Leslie R. Morris. New York [u.a.]: Neal-Schumann Publ., 1995.


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